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Seitenzahl: 29
Eine DichtungvonAlfred Wolfenstein
Kurt Wolff Verlag • Leipzig
Bücherei „Der jüngste Tag“ Band 51 Gedruckt bei Dietsch & Brückner, Weimar
Inmitten eines leeren Platzes
Ein jugendlicher Mann
Von Dunkel brennt mir das Gesicht,
Voll Betten stehn die Straßen, Schweigen schimpft: Nach Haus!
Verschwinde, unzufriedener Mund, du mit dem Licht
Im Aug, vor luftiger Seele flackernd, störe nicht —
Hier ist es aus!
Ich aber, wenn die Stadt auch steht,
Jage die leere Zeit —
Hier meiner Lungen wache Flügel, weit
Gespannte Lider, noch von Stirn überweht.
Mein Schicksal, das mit knappem Hohn
Den Tag an mir vorüber führte, dämmernd Gift
In Hunger rührte
Und jetzt mit nächtlicher Keulenschwärze trifft:
Ah, glaubt mein hageres Schicksal, ich verzweifle schon?
Zwar blickte ich mich schon zu lang
Nach Fremden um —
Verwandt mit mir, Gesicht und Gang —
Doch nicht Genuß! wie unberührtes Kloster lag
Mein Gaumen stumm, als ich besprang
Ich Tier mit eines Gottes züngelndem Geist den Tag.
Denn euretwegen dacht ich euch
Gewillt und groß,
— Entsetzlich, wenn entzückter Schoß
Auf ödes Fleisch, auf kalter Lippen Lustgekeuch,
Er bis zu seinem Haupt entblößt
Auf steinernen Lärm und Bett entmenschter Arbeit stößt!
Andröhnte euer Morgenleib mit Rad und Knien,
Entlang den Häuserstrahlen kamen Augen schnell:
Der Straßen Spitze, in der Vorstadt nebelndem Grün,
Begann von Menschen neu zu glühn,
Zusammenschoß mit immer dickeren Keilen hell
Die Stadt, um rund des Platzes Tore aufzusperrn —
Die Strahlen schufen hier den Stern.
Doch als ein winzig Irrlicht über vielem Schlamm,
Knattern mit kaltem Blitz
Erschien er mir: Gewellt, gehöhlt, gebuckelt schwamm
Von Wagen auf und ab der Damm,
In Mäulern, Klingeln, Glocken, toll am toten Sitz,
In Häusern, Domen, Warenhäusern zu und auf,
In Zwergen, Riesen, starr im Lauf:
Das Licht erfror —
Das Sehen versank in brausendem Ohr.
Was ist uns Stadt?
Darf sie betäubend Herrin sein?
O packten wir sie — hielten das Haupt mit Macht hinein:
Sei Spiegel uns und Mittel, des Bewußtseins Bad!
Ihr aber drückt das vorgeschobene Kieferkinn,
Geschäftiges Knie, euer ganz verkäufliches Magazin
In ihren Stein,
Alltäglich prägt der Stahlschrank eure Hand sich ein,
In jede Sache wird gezeugt was Sache braucht,
Halblebend platzt ein Menschending aus ihrem Bauch,
Kriecht Zahlenbuch, thront Börsenschicksal, Wolken kratzt
Ein Menschendüngerhaus,
Maschine euer Held
Hat eure Faust
Und Fingerspitzen nimmt das Geld,
Und also macht ihr sie zu euch, die Stadt — die Welt!
Ihr wollt es? wollt euch nicht mehr sehn?
Der Welt, dem Ungewissen,
Soll nichts gegenüberstehn?
Der Tat Gewißheit, spiegelndes Gewissen
Verklebt von Massen,
Vom regungslos arbeitenden Sumpf,
Durchsichtigkeit stumpf,
Daß Gesicht verholzt
Und Phantasie im immergrünen Tische,
Daß Seele Sand wird und Mensch sinkt ein
Und nur um seinen Staub vermehrt
Steigt rings nur Land:
Ist das euer Wille,
Leidlos abgekartet —
Oder eines Unglücks
Bewußtlose Wüste,