Die O'Haras 4. Wohin die Zeit uns treibt - Nora Roberts - E-Book

Die O'Haras 4. Wohin die Zeit uns treibt E-Book

Nora Roberts

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Beschreibung

"Das aufregende Leben und Lieben der faszinierenden O’Haras wird jeden Romance-Fan begeistern!" Romantic Times

Geheimagent Terence O Hara sieht die Verzweiflung der jungen Frau, die ihn in einer Bar in Mexiko um Hilfe anfleht. Am liebsten würde er den Job ablehnen. Aber etwas in Gillians Augen zwingt ihn, ihr bei der Suche nach ihrem Bruder zu helfen.

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Nora Roberts

Die O’Haras 4

Wohin die Zeit uns treibt

Roman

Aus dem Amerikanischen von Anne Pohlmann

WILHELM HEYNE VERLAG MÜNCHEN

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Die Originalausgabe Without a Trace ist bei Silhouette Books, Toronto, erschienen.
Die deutsche Erstausgabe ist im MIRA Taschenbuch erschienen.
Wilhelm Heyne Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH Neumarkter Str. 28, 81673 München Copyright © 1990 by Nora Roberts Published by Arrangement with Eleanor Wilder Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2008 by MIRA Taschenbuch in der Cora Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München, unter Verwendung eines Fotos von shutterstock/Marcin-linfernum Satz: Uhl + Massopust, Aalen ISBN: 978-3-641-12058-0 V003
www.penguinrandomhouse.de/nora-roberts

PROLOG

»Zieh das Tempo im Vorspiel an, Terence, Junge, du verschleppst es.« Frank O’Hara stand auf der Markierung, rechts auf der Bühne, bereit, die Eröffnungsnummer durchzugehen. Das dreiabendliche Engagement in Terre Haute stellte weder den Höhepunkt seiner Karriere dar, noch war es der Gipfel seiner Träume. Aber er würde dem Publikum eine Vorstellung geben, die ihr Eintrittsgeld wert war. Jeder unbedeutende Auftritt war die Generalprobe zum großen Durchbruch.

Er zählte das Tempo ein, dann tanzte er in die Nummer mit der Begeisterung eines Mannes, der halb so alt wie er war. Nach dem Kalender lag Franks Alter bei vierzig, aber seine Füße würden immer sechzehn sein.

Die kleine Nummer hatte er sich ausgedacht in der naiven Hoffnung, sie würde zum Markenzeichen der O’Haras. Am Klavier versuchte sein ältestes Kind und einziger Sohn, etwas Leben in eine Melodie zu bringen, die er schon unzählige Male gespielt hatte – und träumte von der großen weiten Welt.

Auf Stichwort wirbelte seine Mutter auf die Bühne und tanzte mit seinem Vater. Selbst nach endlosen Nummern, endlosen Theatern fühlte Terence immer noch den Stich der Zuneigung für sie. Genauso wie er nach endlosen Nummern, endlosen Theatern den mittlerweile vertrauten Stich der Frustration spürte.

Würde es immer so sein, zweitklassige Lieder auf zweitklassigen Klavieren zu hämmern, um die großen Träume seines Vaters zu erfüllen, die nicht einmal in der Hölle Hoffnung auf Erfüllung hatten?

Wie sie es den größten Teil ihres Lebens gemacht hatte, glich Molly ihre Schritte denen von Frank an. Sie hätte die Nummer mit verbundenen Augen tanzen können. Ihre Gedanken waren dabei ganz bei ihrem Sohn.

Der Junge ist nicht glücklich, dachte sie. Und aus dem Kind war ein Mann geworden, der danach strebte, seinen eigenen Weg zu gehen. Es war diese Tatsache, das wusste sie, die Frank so viel Angst einjagte, dass er sich weigerte, sie überhaupt zur Kenntnis zu nehmen.

Die Auseinandersetzungen waren häufiger geworden, hitziger. Bald, dachte sie, zu bald, wird etwas explodieren, und vielleicht bin ich nicht in der Lage, alle Stücke zu kitten.

Kick, Spitze, Ballen, neigen. Ihre drei Töchter steppten auf die Bühne. Da ihr Herz Franks nahe war, fühlte Molly, wie es vor Stolz anschwoll. Sein Stolz und seine Hoffnung gründeten sich darauf, dass er immer noch der jugendliche Träumer war, in den sie sich vor so langer Zeit verliebt hatte.

Während Molly und Frank von der Bühne tanzten, ging die Nummer glatt in den Eröffnungssong über. Die O’Hara-Drillinge – Caroline, Alana und Madeline – stürzten sich in die dreistimmige Melodie, als wären sie zum Singen geboren.

Praktisch waren sie es auch, dachte Molly. Aber wie Terence waren sie keine Kinder mehr. Caroline, die alle Carrie nannten, benutzte schon Köpfchen und Tricks, um die Männer im Publikum zu faszinieren. Alana, beständig und ruhig, kam gerade in die Jahre. Und es würde nicht mehr lange dauern, bis sie Madeline, Maddy, verloren. Als Mutter empfand Molly sowohl Stolz als auch Bedauern beim Gedanken, dass ihre Jüngste einfach zu viel Talent hatte, um noch lange Teil einer umherziehenden Truppe zu sein.

Doch jetzt war es Terence, der ihr Sorgen machte. Er saß am verkratzten Klavier in dem schäbigen kleinen Club, die Gedanken Tausende von Meilen entfernt. Sie hatte die Broschüren gesehen, die er sammelte. Fotos und Geschichten von Orten wie Sansibar, Neuguinea, Mazatlán in Mexiko. Auf den langen Zug- oder Busfahrten von einer Stadt zur anderen erzählte Terence von den Moscheen und Höhlen und Bergen, die er sehen wollte.

Und dann fegte Frank diese Träume wie Staub zur Seite, klammerte sich verzweifelt an seine eigenen – und an seinen Sohn.

»Nicht schlecht, Schätzchen.« Frank sprang zurück auf die Bühne und nahm seine Töchter in den Arm. »Terence, deine Gedanken sind nicht im Geringsten bei der Musik. Du musst Leben hineinpumpen.«

»In dieser Nummer ist seit Des Moines überhaupt kein Leben mehr.«

Vor einigen Monaten hätte Frank aufgelacht und seinem Sohn das Haar zerzaust. Doch jetzt spürte er den Stachel der Kritik, von Mann zu Mann. Eigensinnig reckte er das Kinn. »An dem Stück war noch nie etwas auszusetzen. Es ist dein Spiel, das zu wünschen übrig lässt. Zweimal hast du das Tempo verloren. Ich habe es satt, dich eingeschnappt vor den Tasten hocken zu sehen.«

In der Rolle der Friedensstifterin trat Alana zwischen ihren Vater und Bruder. Die wachsende Spannung machte sich seit Wochen als Reizbarkeit bemerkbar. »Wir sind alle etwas müde.«

»Ich kann für mich selbst sprechen, Alana. Und niemand hockt eingeschnappt vor den Tasten.«

»Ha!« Frank stieß Mollys zurückhaltende Hand weg. Himmel, der Junge ist groß, dachte Frank. Groß und aufrecht und fast ein Fremder. Aber Frank O’Hara hatte immer noch das Sagen, und es war Zeit, dass sein Sohn sich daran erinnerte. »Du bist in mieser Laune, seit ich dir gesagt habe, dass ein O’Hara nicht einfach nach Hongkong abhaut oder der Himmel weiß wohin, wie ein Zigeuner. Dein Platz ist hier, bei deiner Familie. Deine Verantwortung gehört der Truppe.«

»Das ist nicht meine verdammte Verantwortung.«

Frank zog die Augen zusammen. »Achte auf deinen Ton, Junge, du bist nicht so groß, dass ich dir nicht den Kopf waschen kann.«

»Es wird Zeit, dass jemand dir gegenüber diesen Ton anschlägt.« Jetzt brach aus Terence hervor, was er zu lange zurückgehalten hatte. »Jahr für Jahr spielen wir zweitklassige Songs in zweitklassigen Clubs.«

»Terence.« Maddy sprach ruhig und fügte einen bittenden Blick hinzu. »Nicht.«

»Nicht was? Ihm nicht die Wahrheit sagen? Er hört sowieso nicht zu, aber ich habe es wenigstens ausgesprochen. Ihr drei und Ma habt sie lange genug vor ihm verschleiert.«

»Anfälle von schlechter Laune sind so langweilig«, meinte Carrie blasiert, obwohl ihre Nerven straff angespannt waren. »Verdrücken wir uns doch einfach jeder in seine Ecke.«

»Nein.« Vor Wut zitternd, trat Frank von seinen Töchtern weg. »Dann mach weiter, sag, was du zu sagen hast.«

»Ich habe es satt, mit dem Bus ins Nirgendwo zu fahren und sich vorzumachen, der nächste Halt sei die goldene Leiter. Du schleppst uns von Stadt zu Stadt, Jahr für Jahr.«

»Euch schleppen?« Franks Gesicht lief rot an. »Ist es wirklich das, was ich tue?«

»Nein.« Molly trat vor, den Blick fest auf ihren Sohn gerichtet. »Nein, wir fahren alle freiwillig, weil es das ist, was wir wollen. Wenn es einer von uns nicht will, hat er ein Recht, es zu sagen, aber nicht, grausam zu sein.«

»Er hört nicht zu!«, schrie Terence. »Es ist ihm egal, was ich will oder nicht. Ich habe es dir gesagt, ich habe es dir gesagt.« Er fiel förmlich über seinen Vater her. »Jedes Mal, wenn ich versuche, mit dir zu reden, höre ich nur, wie wir die Familie zusammenhalten müssen, wie der große Durchbruch direkt hinter der Ecke liegt, obwohl da nichts anderes liegt als wieder ein lausiger Abendauftritt in einem dreckigen Club.«

Es war der Wahrheit zu nahe, dem zu nahe, was ihm ein Gefühl des Versagens geben würde. Wo er doch seiner Familie nur das Beste und Glänzendste geben wollte. Erregung war die einzige Waffe, die Frank hatte. Und er benutzte sie.

»Du bist undankbar und selbstsüchtig und dumm. Ich habe mein ganzes Leben gearbeitet, um dir den Weg zu pflastern. Um dir Türen zu öffnen, damit du hindurchtreten kannst. Nun ist das nicht gut genug.«

Terence spürte, wie die Tränen der Frustration in seinen Augen brannten, aber er wich nicht zurück. »Nein, es ist nicht gut genug, weil ich nicht durch deine Türen treten will. Ich will etwas anderes, ich will mehr, aber du bist so in deinen eigenen hoffnungslosen Träumen gefangen, dass du nicht merkst, wie ich sie hasse. Und je mehr du mich bedrängst, deinen Träumen zu folgen statt meinen eigenen, desto näher komme ich dazu, dich zu hassen.«

Terence hatte das nicht sagen wollen, und er erschrak selbst über seine bitteren Worte. Sein Vater erblasste, wurde alt, schien zu verfallen. Wenn Terence die Worte hätte zurücknehmen können, er hätte es versucht. Aber es war zu spät.

»Dann folge deinen Träumen«, sagte Frank mit einer vor Gefühlen rauen Stimme. »Geh, wohin sie dich führen. Aber komm nicht zurück, Terence O’Hara. Komm nicht zu mir zurück, wenn sie dich kaltlassen. Für dich wird kein gemästetes Kalb geschlachtet.«

Er marschierte links von der Bühne ab.

»Er hat es nicht so gemeint«, sagte Alana hastig und nahm Terences Arm. »Du weißt, er hat es nicht so gemeint.«

»Beide haben es bestimmt nicht so gemeint.« Hilflos blickte Maddy zu ihrer Mutter.

»Sie müssen sich nur abkühlen.« Trotz ihres Hangs zum Dramatischen war Carrie erschüttert. »Komm schon, Terence, wir machen einen Spaziergang.«

»Nein.« Mit einem kleinen Seufzer schüttelte Molly den Kopf. »Ihr Mädchen geht jetzt, lasst mich mit Terence reden.« Sie wartete, bis sie allein waren, dann setzte sie sich auf die Klavierbank. Sie fühlte sich alt und müde. »Ich weiß, du bist unglücklich«, begann sie ruhig. »Und du verschließt vieles in dir. Ich hätte deswegen etwas tun müssen.«

»Es ist nicht deine Schuld.«

»Meine so sehr wie seine, Terence. Das, was du gesagt hast, hat ihn tief getroffen. Und die Narbe wird so schnell nicht verheilen. Ich weiß, einiges wurde in der Erregung gesagt, aber anderes war wahr.« Sie blickte auf und musterte ihren erstgeborenen und einzigen Sohn. »Ich glaube, es war wahr, als du gesagt hast, du wirst ihn hassen, wenn er dich nicht gehen lässt.«

»Ma …«

»Nein. Es war eine harte Bemerkung, es ist aber noch härter, wenn sie sich erfüllt. Du willst gehen?«

Er öffnete den Mund, bereit, wieder nachzugeben. Aber die Wut, die er für seinen Vater empfunden hatte, war noch zu frisch, und sie machte ihm Angst. »Ich muss gehen.«

»Dann geh.« Sie stand auf und legte die Hände auf seine Schultern. »Und mach es schnell und sauber, ansonsten wird er dich durch Charme oder Beschämung dazu bringen zu bleiben, und du wirst ihm das nie vergeben. Schlag deinen eigenen Weg ein. Wir sind da, wenn du zurückkommst.«

»Ich liebe dich.«

»Ich weiß. Und ich will, dass es so bleibt.« Sie küsste ihn, dann eilte sie weg, da sie wusste, sie musste ihre Tränen zurückhalten, bis sie ihren Mann getröstet hatte.

In der Nacht packte Terence seine Sachen – Kleider, eine Flöte und Dutzende von Broschüren. Er hinterließ eine Nachricht, auf der nur stand: »Ich schreibe.«

Er hatte ein paar Dollar in der Tasche, als er das Motel verließ und den Daumen ausstreckte.

1. KAPITEL

Der Whisky war billig und hatte den Biss einer wütenden Frau. Terence zog die Luft durch die Zähne ein und wartete darauf, zu sterben. Als er es nicht tat, goss er sich ein zweites Glas aus der Flasche ein, kippte zurück auf seinem Stuhl und sah hinaus auf die offene Weite des Golfs von Mexiko.

Die kleine Cantina bereitete sich aufs Abendgeschäft vor. In der Küche wurde gebrutzelt, und der starke Duft von Zwiebeln wetteiferte mit den Gerüchen von Alkohol und abgestandenem Tabak. Die Unterhaltungen wurden in rasend schnellem Spanisch geführt, was Terence verstand und ignorierte.

Er wollte keine Gesellschaft. Er wollte den Whisky und das Wasser.

Die Sonne war ein roter Ball über dem Golf. Die Wolken hingen tief und schimmerten in Pink- und Goldtönen. Das Feuer des Whiskys breitete sich angenehm heiß in seinem Körper aus. Terence O’Hara war im Urlaub, und den wollte er genießen.

Amerika war nur einen kurzen Flug entfernt. Vor Jahren schon hatte er aufgehört, es als Heimat zu empfinden – zumindest hatte er es sich eingeredet. Es war zwölf Jahre her, seit er weggegangen war, ein junger, idealistischer Mann, von Schuldgefühlen bedrängt, getrieben von seinen Träumen. Er hatte Hongkong und Singapur gesehen. Ein Jahr lang war er durch den Orient gereist, hatte sich mit Witz und Verstand und dem Talent durchgeschlagen, das er von seinen Eltern geerbt hatte. Er spielte in Hotelhallen und nachts in Stripspelunken und saugte die fremden Eindrücke regelrecht auf.

Dann kam Tokio. Er spielte amerikanische Musik in einem miesen kleinen Club und hatte das Ziel, durch ganz Asien zu reisen.

Alles hing immer davon ab, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Oder, dachte Terence, wenn er sich schlecht fühlte, am falschen Ort zur falschen Zeit. Eine Kneipenrauferei war mittlerweile gewöhnliche Begebenheit. Frank O’Hara hatte seinem Sohn mehr beigebracht, als musikalisch das Tempo zu halten. Terence wusste, wann er zuschlagen und wann er sich zurückziehen musste.

Er hatte sich nicht in der Absicht eingemischt, das Leben von Charlie Forrester zu retten. Und ganz bestimmt hatte er keine Ahnung gehabt, dass Forrester ein amerikanischer Agent war.

Schicksal, dachte Terence, während er die rote Sonne betrachtete, die dichter an den Horizont sank. Es war Schicksal gewesen, dass er das Messer abwehrte, das für Charlies Herz bestimmt war. Und es waren die verwinkelten Wege des Schicksals, die ihn ins erbarmungslose Spiel der Spionage führten. Terence war tatsächlich durch Asien gekommen und weiter. Finanziert wurden die Reisen aber vom International Security System, dem ISS.

Jetzt war Charlie tot. Terence kippte das Glas auf seinen Freund und Ratgeber. Er war nicht durch die Kugel eines hinterhältigen Mörders gestorben oder durch ein Messer in einem dunklen Gang, sondern an einem Herzanfall. Charlies Körper hatte sich ganz einfach entschieden, dass seine Zeit abgelaufen war.

Also saß Terence O’Hara in einer kleinen Kneipe an der mexikanischen Küste und hielt seinen eigenen Körper wach.

Die Beerdigung war in vierzehn Stunden in Chicago. Weil er nicht bereit war, den Rio Grande zu überqueren, wollte Terence in Mexiko auf seinen alten Freund trinken und übers Leben nachdenken. Charlie würde es verstehen, entschied Terence, während er seine langen Beine in den schmuddeligen Kakihosen ausstreckte. Charlie war nie für Förmlichkeiten gewesen. Einfach den Job tun, einen Drink nehmen und mit dem nächsten weitermachen.

Terence zog eine zerdrückte Packung Zigaretten hervor und suchte in der Tasche seines schmutzigen Hemdes nach Streichhölzern. Seine Hände waren lang, mit breiten Handflächen. Mit zehn hatte er davon geträumt, Konzertpianist zu werden. Aber er hatte von vielem geträumt, was er werden wollte. Ein zerdrückter Strohhut beschattete sein Gesicht, als er das Streichholz anriss und ans Ende der Zigarette führte.

Er war sehr braun. Sein dunkelblondes Haar war dick, weil es ihm zu lästig war, es zurechtstutzen zu lassen, und es war lang genug, dass es sich unter dem Hut wild lockte. Sein Gesicht war feucht von der Hitze und schmal. Links am Kinn zeigte sich eine Narbe, klein und weiß – Begegnung mit einer abgeschlagenen Flasche. Seine Nase war seit seinem sechzehnten Lebensjahr ganz leicht schief. Ein Kampf um den guten Ruf eines Mädchens oder dessen Fehlen.

Sein Körper war im Moment fast dünn, verursacht durch einen ausgedehnten Krankenhausaufenthalt. Die letzte Kugel, die ihn erwischt hatte, hätte ihn fast umgebracht. Selbst ohne den Whisky und die Trauer wirkte er gefährlich. Kantig mit stechendem Blick – selbst jetzt, wo er privat im Urlaub war.

Seit drei Tagen hatte er sich nicht rasiert, und sein Bart war rau genug, um seinem Mund einen groben Zug zu geben. Der Kellner war froh, ihn mit seiner Flasche und seiner Einsamkeit allein zu lassen.

Als die Dämmerung fiel, wurde der Himmel ruhiger und die Cantina lärmender. Aus dem Radio dröhnte mexikanische Musik, gelegentlich von rauschenden Funkstörungen unterbrochen. Irgendjemand zerbrach ein Glas. Zwei Männer debattierten hitzig übers Fischen, über Politik und Frauen. Terence goss sich noch ein Glas ein.

Er sah sie in dem Augenblick, als sie eintrat. Nach alter Gewohnheit behielt er die Tür im Auge und registrierte sofort Einzelheiten, obwohl er scheinbar überhaupt nicht hinsah. Eine Touristin, die die falsche Richtung eingeschlagen hat, dachte er. Elfenbeinfarbene Haut mit einigen kleinen Sommersprossen, dazu rotes Haar. Nach einer Stunde unter der Yucatán-Sonne würde sie krebsrot verbrannt sein. Ein Jammer, dachte er und wandte sich wieder seinem Drink zu.

Er erwartete, dass sie im selben Moment verschwand, in dem sie erkannte, in welche Kaschemme sie geraten war. Stattdessen ging sie zur Bar. Terence legte die ausgestreckten Beine übereinander und vertrieb sich die Zeit, indem er sie musterte.

Ihre weiße Hose war fleckenlos, trotz der staubigen Hitze des Tages. Sie trug dazu ein dunkelrotes Hemd, das lose genug war, um kühl zu sein. Sie war schlank, doch mit genügend Kurven, um der weiten Hose Stil zu geben. Ihr Haar, fast in der Farbe der untergehenden Sonne, war in einem Zopf zurückgehalten. Ihr Gesicht sah er nur im Profil. Klassisch, entschied er ohne großes Interesse. Kameen-Eleganz. Champagner-Kaviar-Typ.

Er kippte den Rest seines Drinks hinunter und entschloss sich, sehr betrunken zu werden – um Charlies willen.

Er hatte gerade wieder die Flasche gehoben, als sich die Frau umdrehte und ihn direkt ansah. Unter dem Schatten seines Hutes begegnete Terence ihrem Blick. Als sie den Raum durchquerte und auf ihn zukam, goss er sich seinen Whisky ein.

»Mr. O’Hara?«

Über den Akzent zog er leicht eine Braue hoch. Eine Spur von Irland, dieselbe Spur, die bei seinem Vater bei Wut oder Freude durchkam. Terence trank seinen Whisky und sagte nichts.

»Sie sind Terence O’Hara?«

Es war auch eine Spur von Selbstbeherrschung in ihrer Stimme, stellte er fest. Und aus der Nähe konnte er Schatten unter außerordentlich grünen Augen sehen. Ihre Lippen waren zusammengepresst. Die Finger lagen fest um den Riemen eines Segeltuchbeutels, der ihr über der Schulter hing.

»Möglich. Warum?«

»Mir wurde gesagt, Sie seien in Mérida. Ich suche Sie schon seit zwei Tagen.« Und er war alles andere, als sie erwartet hätte. Wenn sie nicht so verzweifelt wäre, hätte sie schon längst die Flucht ergriffen. Seine Kleider waren schmutzig, er roch nach Whisky und sah aus wie ein Mann, der einem das Fell über die Ohren ziehen konnte. Sie holte tief Luft und entschied sich, ihr Glück trotzdem zu versuchen. »Darf ich mich setzen?«

Mit einem Schulterzucken schob Terence mit dem Fuß einen Stuhl vom Tisch. Eine Agentin hätte sich ihm anders genähert.

Sie umklammerte die Stuhllehne und fragte sich, warum ihr Vater glaubte, ein grober Trunkenbold könne helfen. Aber ihre Beine waren nicht so fest, wie sie sein sollten, also setzte sie sich. »Ich muss dringend mit Ihnen sprechen. Privat.«

Terence sah an ihr vorbei in die Cantina. Sie war jetzt voll und wurde jede Minute lauter. »Warum erzählen Sie mir nicht, wer Sie sind, woher Sie wussten, dass ich in Mérida bin, und was zum Teufel Sie wollen?«

Sie presste die Finger aneinander. »Ich bin Dr. Fitzpatrick. Dr. Gillian Fitzpatrick. Charles Forrester hat mir gesagt, wo Sie sind, und ich will, dass Sie das Leben meines Bruders retten.«

Terence sah sie an, als er die Flasche hob. Seine Stimme klang ruhig und ausdruckslos. »Charlie ist tot.«

»Ich weiß.« Sie glaubte, sie hätte ganz kurz etwas erkennen können, ein Aufblitzen von Menschlichkeit in seinem Blick. Jetzt war es weg, aber Gillian ging darauf ein. »Es tut mir leid. Wie ich verstanden habe, standen Sie sich sehr nah.«

»Wieso meinen Sie eigentlich, ich glaube Ihnen, dass Charlie Ihnen gesagt hat, wo Sie mich finden können?«

Gillian wischte sich ihre feuchten Handflächen an der Hose ab, bevor sie in den Beutel griff. Schweigend reichte sie Terence einen versiegelten Umschlag.

Charlie hatte den Code benutzt, in dem sie sich gegenseitig während ihres letzten Auftrags informiert hatten. Wie immer war die Nachricht kurz.

»Hör der Lady zu. Lass die Organisation zunächst draußen. Setz Dich mit mir in Verbindung.«

In Verbindung kann ich mich mit dir nicht mehr setzen, dachte Terence, als er den Brief wieder zusammenfaltete. Mit dem Gefühl, dass Charlie, obwohl tot, immer noch seine Bewegungen steuerte, blickte er die Frau wieder an. »Erklären Sie.«

»Mr. Forrester war ein Freund meines Vaters. Ich selbst kannte ihn nicht gut. Ich war viel weg. Ungefähr vor fünfzehn Jahren haben sie zusammen an einem Projekt namens Horizon gearbeitet.«

Terence schob die Flasche zur Seite. Urlaub oder nicht, er konnte es sich nicht erlauben, seine Sinne noch weiter zu betäuben. »Wie ist der Name Ihres Vaters?«

»Sean. Dr. Sean Brady Fitzpatrick.«

Er kannte den Namen. Er kannte das Projekt. Vor fünfzehn Jahren waren einige der führenden Forscher und Wissenschaftler beauftragt worden, ein Serum zu entwickeln, das den Menschen immunisiert gegen Verstrahlung – einer der hässlichsten Effekte eines Nuklearkrieges. Dem ISS unterstand die Überwachung und Durchführung des Projektes. Es hatte Hunderte von Millionen gekostet und sich als riesiger Reinfall erwiesen.

»Sie waren noch ein Kind.«

»Ich war zwölf.« Sie schreckte nervös zusammen, als es aus der Küche klirrte. »Natürlich, damals wusste ich nichts über die Arbeit, aber später …« Der Geruch von Zwiebeln und Alkohol war übermächtig. Sie wollte aufstehen, wollte am Strand entlanggehen, wo die Luft warm und klar war. Doch sie zwang sich, fortzufahren. »Das Projekt wurde eingestellt, aber mein Vater hat daran weitergearbeitet. Er hatte andere Verpflichtungen, doch wann immer es möglich war, nahm er die Experimente wieder auf.«

»Warum? Dafür gab’s doch keine Mittel mehr.«

»Mein Vater glaubte an Horizon. Das Konzept hat ihn fasziniert, nicht als Rechtfertigung, sondern als Antwort auf die Verrücktheit, von deren Existenz wir alle wissen. Und was das Geld angeht – nun, mein Vater kann es sich leisten, dem nachzugehen, woran er glaubt.«

Nicht nur ein Wissenschaftler, sondern ein reicher Wissenschaftler, dachte Terence, während er sie unter der Krempe seines Hutes hervor musterte. Sie sah aus, als sei sie in eine saubere Klosterschule in der Schweiz gegangen. Es war die Körperhaltung, die das normalerweise verriet. Niemand lehrte eine schickliche Körperhaltung besser als eine Nonne.

»Fahren Sie fort.«

»Wie auch immer, mein Vater hat alle seine Aufzeichnungen und Ergebnisse vor fünf Jahren an meinen Bruder übergeben, nachdem er seinen ersten Herzanfall bekommen hat. In den letzten Jahren war mein Vater zu krank gewesen, um mit der intensiven Laborarbeit fortzufahren. Und jetzt …«

Für einen Moment schloss Gillian die Augen. Die Angst und die Reise forderten ihren Tribut. Als Wissenschaftlerin wusste sie, sie brauchte Essen und Schlaf. Als Tochter, als Schwester musste sie die Situation durchstehen. »Mr. O’Hara, könnte ich einen Drink haben?«

Terence schob Flasche und Glas über den Tisch. Die Frau interessierte ihn, sicher, aber er war nicht bereit, sich hineinziehen zu lassen. Vor langer Zeit hatte er gelernt, man konnte interessiert sein und sich trotzdem heraushalten.

Sie hätte Kaffee oder einen Brandy vorgezogen. Sie wollte den Whisky ablehnen, aber dann fing sie den Blick von Terence auf. Er wollte sie also auf die Probe stellen. Das war sie gewöhnt. Automatisch reckte sie das Kinn und straffte die Schultern. Sie goss sich einen Doppelten ein und kippte ihn auf einen Zug hinunter.

Sie hielt die Luft an. Ihre Kehle fühlte sich an wie brennendes Feuer. Während sie die Luft wieder herausließ, blinzelte sie die Feuchtigkeit aus ihren Augen. »Danke.«

Zum ersten Mal blitzte das Licht des Humors in seinem Blick auf. »War mir ein Vergnügen.«

Brennend und beißend, wie er war, half der Whisky doch. »Mein Vater ist sehr krank, Mr. O’Hara. Zu krank, um reisen zu können. Er hat sich an Mr. Forrester gewandt, war aber nicht in der Lage, selbst zu ihm nach Chicago zu fliegen. An seiner Stelle bin ich zu Mr. Forrester gegangen, und Mr. Forrester hat mich zu Ihnen geschickt. Mir wurde gesagt, Sie seien der beste Mann für den Job.«

Terence zündete sich eine weitere Zigarette an. Seit er blutend im Dreck gelegen hatte, eine Kugel nur fünf Zentimeter von seinem Herzen entfernt, war er für nichts der beste Mann. »Und der wäre?«

»Ungefähr vor einer Woche ist mein Bruder gekidnappt worden, von einer Organisation, die als ›Hammer‹ bekannt ist. Haben Sie von ihr gehört?«

Es war Übung, die seine Miene trotz Angst und Wut ausdruckslos hielt. Sein Kontakt zu dieser ganz besonderen Organisation hatte ihn fast getötet. »Ich habe von ihr gehört.«

»Alles, was wir wissen, ist, dass sie meinen Bruder in seinem Haus in Irland gefangen genommen haben, wo er die Arbeit am Horizon-Projekt fortgesetzt und fast beendet hat. Sie wollen ihn in ihrer Gewalt behalten, bis er das Serum hat. Sie verstehen, was es bedeutet, wenn eine solche Gruppe die Formel besäße?«

Terence tippte die Asche von seiner Zigarette auf den Holzboden. »Man hält meine Intelligenz allgemein für ausreichend entwickelt.«

Gehetzt packte sie sein Handgelenk. »Mr. O’Hara, wir können uns keine Späße darüber erlauben.«

»Vorsicht mit der Mehrzahl.« Terence wartete, bis sie sein Handgelenk wieder losgelassen hatte. »Ist Ihr Bruder ein kluger Mann, Dr. Fitzpatrick?«

»Er ist ein Genie.«

»Nein, nein, ich meine, hat er einen halbwegs gesunden Menschenverstand?«

Wieder straffte sie die Schultern, weil sie am liebsten den Kopf auf den Tisch legen und heulen wollte. »Flynn ist ein ausgezeichneter Wissenschaftler und ein Mann, der unter normalen Umständen ganz gut selbst auf sich aufpassen kann. Aber jetzt ist er ernsthaft in Gefahr.«

»Gut, weil nur ein Narr glauben kann, er bliebe am Leben, wenn er Hammer die Formel gibt. Sie nennen sich selbst Terroristen, Befreier, Rebellen. Was sie sind, ist ein Haufen zerrütteter Fanatiker, angeführt von einem reichen Verrückten. Sie bringen mehr Menschen irrtümlich um als wegen eines bestimmten Ziels.« Stirnrunzelnd rieb er sich mit einer Hand über die Brust. »Sie haben genug im Kopf, um die Organisation zusammenzuhalten, und Berge von Geld. Aber grundsätzlich sind sie Idioten. Und es gibt nichts Gefährlicheres als einen Haufen engagierter Idioten. Mein Rat an Ihren Bruder wäre, ihnen ins Gesicht zu spucken.«

Ihr schon blasses Gesicht wurde weiß wie ein Laken. »Sie haben sein Kind.« Gillian stützte sich auf den Tisch, als sie sich erhob. »Sie haben seine sechsjährige Tochter mitgenommen.« Damit floh sie aus der Cantina.

Terence blieb sitzen, wo er saß. Nicht meine Angelegenheit, erinnerte er sich, als er wieder nach der Flasche griff. Er war im Urlaub. Er war dem Tod von der Schippe gesprungen und beabsichtigte, sein Leben zu genießen. Allein.

Fluchend knallte er die Flasche zurück und ging Gillian nach.

Verzweifelte Wut trieb sie an. Sie hörte, wie er ihren Namen rief, aber sie hielt nicht an. Sie war ein Trottel gewesen, als sie daran geglaubt hatte, dass ein Mann wie er helfen könnte. Viel besser, sie versuchte selbst, in Verhandlung mit den Terroristen zu treten. Dabei würde sie zumindest kein Mitgefühl erwarten.

Als er ihren Arm packte, wirbelte sie herum. Die Wut gab ihr die Energie, die ihr der Mangel an Schlaf und Essen geraubt hatte.

»Ich habe gesagt, Sie sollen eine verdammte Minute warten.«

»Sie haben mir schon Ihre wohlüberlegte Meinung dargelegt, Mr. O’Hara. Kein Bedarf an weiteren Diskussionen. Ich weiß nicht, was Mr. Forrester in Ihnen sah. Ich weiß nicht, warum er mich zu einem Mann geschickt hat, der lieber in einer schäbigen Kneipe Whisky kippt als Menschenleben rettet. Ich habe einen Mann mit Mut und Mitgefühl gesucht und einen abgehalfterten, schmutzigen Betrunkenen gefunden, der sich um nichts und niemanden sorgt.«

Das saß, mehr, als er erwartet hätte. Fest hielt er ihren Arm umfasst. »Sind Sie fertig? Sie machen eine Szene.«

»Mein Bruder und meine Nichte sind in der Gewalt einer Terroristengruppe. Meinen Sie, da macht es mir etwas aus, ob ich Sie in Verlegenheit bringe oder nicht?«

»Dazu gehört mehr als ein irischer Rotkopf, um mich in Verlegenheit zu bringen. Aber ich habe etwas dagegen, die Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Alte Gewohnheit. Machen wir einen Spaziergang.«

Sie war sehr nah daran, ihm den Arm zu entreißen. Ihr Stolz brannte darauf. Doch ihre Liebe siegte und ließ ihre Wut abflauen. Schweigend ging sie neben ihm die schmalen Planken hinunter, die zum Wasser führten.

Der Sand hob sich weiß gegen das dunkle Meer und einen noch dunkleren Himmel ab. Einige Boote waren vertäut, warteten auf die Fischer morgen oder die Touristen. Der Abend war ruhig genug, um die Musik aus der Cantina zu ihnen zu tragen, ein Lied über Liebe und die Untreue einer Frau.

»Sehen Sie, Dr. Fitzpatrick, Sie haben mich zu einem schlechten Zeitpunkt aufgetrieben. Ich weiß nicht, warum Charlie Sie zu mir geschickt hat.«

»Ich auch nicht.«

Er hielt lange genug an, um sich hinter dem Schutz seiner Hände eine Zigarette anzuzünden. »Was ich meine, ist, die Sache sollte vom ISS übernommen werden.«

Sie war wieder ruhig. Es machte Gillian nichts aus, die Fassung zu verlieren. Aber sie wusste auch, mit Selbstbeherrschung war mehr zu erreichen. »Das ISS ist genauso hinter der Formel her wie Hammer. Warum sollte ich dem ISS das Leben meines Bruders und meiner Nichte anvertrauen?«

»Weil sie die Guten sind.«

Gillian drehte sich dem Meer zu, und der Wind traf sie frontal. »Es ist eine Organisation, geführt von vielen Männern – einige sind gut, einige schlecht, ehrgeizig sind alle, und jeder hat seine eigenen Vorstellungen, was für den Frieden und die Ordnung notwendig ist. Im Augenblick gehört meine ganze Sorge meiner Familie. Haben Sie Familie, Mr. O’Hara?«

Er zog kräftig an seiner Zigarette. »Ja.« Über der Grenze, dachte er. Er hatte sie seit sieben Jahren nicht mehr gesehen, oder waren es acht? Er hatte sie aus den Augen verloren. Er wusste nur, Carrie machte Filme in Los Angeles, Maddy begeisterte New York in einem neuen Musical, und Alana zog Pferde und Kinder in Virginia auf. Seine Eltern tourten immer noch herum.

»Würden Sie das Leben Ihrer Familienmitglieder einer Organisation anvertrauen? Die sie vielleicht, falls sie glaubt, es sei notwendig, fürs öffentliche Wohl opfert?« Sie schloss die Augen. Der Wind tat gut. »Mr. Forrester hat zugestimmt, dass ein Mann die Rettung meines Bruders und seines Kindes in die Hand nehmen sollte, dem sie wichtiger als die Formel sind. Er dachte, Sie seien der Mann.«

»Er war auf dem Holzweg.« Terence schnippte die Zigarette in die Gischt. »Charlie wusste, dass ich mit der Arbeit aufhören wollte. Auf diese Art wollte er mich im Spiel behalten.«

»Sind Sie so gut, wie er gesagt hat?«

Mit einem Lachen rieb sich Terence übers Kinn. »Wahrscheinlich besser. Es war nie Charlies Art, anderen auf den Rücken zu klopfen.«

Gillian drehte sich wieder um und musterte ihn. Auf sie wirkte er nicht wie ein Held, mit seinem stoppeligen Bart und den schmutzigen Kleidern. Aber es war Kraft in seiner Hand gewesen, als er ihren Arm genommen hatte, und sie spürte unterschwellige Gewalt. Er kann leidenschaftlich sein, wenn es um etwas geht, das er will, dachte sie. Unter normalen Umständen zog sie Männer mit kühlem, analytischem Verstand vor, die ein Problem mit Logik und Geduld angingen. Aber jetzt konnte sie keinen Wissenschaftler gebrauchen.

Terence steckte die Hände in die Tasche. Sie sah ihn an, als wäre er eine Laborratte, und das mochte er nicht. Vielleicht war es der Anklang an Irland in ihrer Stimme oder die Schatten unter ihren Augen, aber er konnte sich nicht dazu überwinden, einfach zu gehen.

»Sehen Sie, ich nehme Kontakt mit dem ISS auf. Innerhalb von vierundzwanzig Stunden werden einige der besten Agenten der Welt nach Ihrem Bruder suchen.«

»Ich kann Ihnen hunderttausend Dollar geben.« Sie hatte sich entschlossen. Sie hatte Vernunft zugunsten von Instinkt verworfen. Forrester hatte gesagt, dieser Mann könnte es. Ihr Vater hatte zugestimmt. Gillian warf ihre Wahl mit deren zusammen. »Die Summe steht nicht zur Verhandlung, weil das alles ist, was ich habe. Finden Sie meinen Bruder und meine Nichte, und mit hunderttausend Dollar können Sie sich stilvoll zurückziehen.«

Er starrte sie einen Moment an, dann, einen Fluch hinunterschluckend, ging er aufs Meer zu. Die Frau war verrückt. Er bot ihr das Geschick der besten nachrichtendienstlichen Organisation der Welt an, und sie warf ihm Geld ins Gesicht. Eine ordentliche Summe.

Terence betrachtete die heranrollenden und sich zurückziehenden Wellen. Er hatte nie mehr als ein paar Tausender gehabt. Es lag einfach nicht in seinem Naturell. Aber hunderttausend Dollar konnten der Unterschied sein zwischen Aufhören und nur vom Aufhören reden.

Ein feiner Sprühregen flog ihm von der Gischt ins Gesicht. Er schüttelte den Kopf. Er wollte nicht hineingezogen werden. Er wollte nichts als in sein Hotel zurückgehen, sich ein Fünfsternemenü bestellen und mit vollem Bauch ins Bett legen. Er wollte einfach Ruhe. Zeit zum Überlegen, was er mit seinem Leben anstellen sollte.

»Wenn Sie unbedingt einen freien Mann wollen, ich kann Ihnen ein Dutzend Namen nennen.«

»Ich will kein Dutzend Namen. Ich will Sie.«