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London, 1887 Eine grausame Mordserie erschüttert die Hauptstadt Großbritanniens. Während die junge Sarah O´Leary auf der Suche nach einem Heilmittel für ihren an der zu dieser Zeit tödlichen Syphilis leidenden Verlobten Francis Gordon ist, werden mehrere Prostituierte brutal ermordet. Die Polizei tappt im Dunkeln. Wer ist dieser Mörder, den man Jack the Ripper nennt? Und was hat die junge Sarah O´Leary mit den Morden zu tun?
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Seitenzahl: 582
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Die O'Leary Saga
Band 1: Engelsklinge
Von Trio Ars Sistendi
Text: Werner Diefenthal & Martina Noble
Coverfoto und Gestaltung: Sandra Limberg
Buchbeschreibung:
London, 1887
Eine grausame Mordserie erschüttert die Hauptstadt Großbritanniens. Während die junge Sarah O´Leary auf der Suche nach einem Heilmittel für ihren an der zu dieser Zeit tödlichen Syphilis leidenden Verlobten Francis Gordon ist, werden mehrere Prostituierte brutal ermordet.
Die Polizei tappt im Dunkeln. Wer ist dieser Mörder, den man Jack the Ripper nennt? Und was hat die junge Sarah O´Leary mit den Morden zu tun?
Über die Autoren:
Werner Diefenthal:
Was schreib ich über mich? Baujahr 1963, der Oldie im Team. Ich bin der Mann in dem Trio. Also der im Hintergrund. Der Ideentüftler, der sich tagelang über mögliche Wendungen und Fortschritte in den Geschichten das Hirn zermartert. Dabei wandele ich auch auf Solopfaden mit eigenen Projekten, habe aber in den letzten Jahren hauptsächlich mit Martina zusammen die Romane verfasst.
Seit einiger Zeit haben wir uns mit unsere Bilder-Zauberin Sandra zusammengetan und mischen als Trio Ars Sistendi die Literaturwelt ein wenig auf.
Martina Noble:
Geboren, ja sicher. 1979 in Mainz. Ich habe schon immer geliebt, mir Geschichten auszudenken, sie zu erzählen und auch aufzuschreiben. Seit 2014 schreibe ich mit Werner zusammen, wir konnten schon eine stattliche Anzahl von Büchern veröffentlichen. In diesem Zusammenhang haben wir mit Sandra unsere Cover-Designerin gefunden, die uns immer wieder mit tollen Ideen und Bildern überrascht.
Und so haben wir dann beschlossen, unsere Reise gemeinsam fortzusetzen. Volle Fahrt voraus!
Sandra Limberg:
Ich bin Sandra. Baujahr 1982. Das Gesicht hinter sollena photography. Meine Liebe zu kraftvollen und kontrastreichen Bildern, zu interessanten Gesichtern, zu Geschichten, Mythologie und Naturvölkern sowie deren Lebensweise haben meine Portraits dahingebracht, wo sie heute mit mir stehen. Die Fotografie sowie die Bildbearbeitung sind seit 20 Jahren einer der grossen Bestandteile in meinem Leben.
Zwischenzeitlich durfte ich bereits national wie auch international für andere Künstler arbeiten, habe mit meiner Arbeit Preise gewonnen und bin seit 2017 Bestandteil des Trio Ars Sistendi. 2020 habe ich den Schritt in die Autorenwelt gewagt und mein erstes kleines Essay veröffentlicht. Weitere Bücher dürfen kommen.
Die O'Leary Saga
Band 1: Engelsklinge
Von Trio Ars Sistendi
Text: Werner Diefenthal & Martina Noble
Coverfoto und Gestaltung: Sandra Limberg
Trio Ars Sistendi
c/o Werner Diefenthal
Annaweg 12
96215 Lichtenfels
Telefon: +49 175 2672918
www.wdiefenthal.de Titelbild und Covergestaltung
Sandra Limberghttps://www.sollena-photography.de
Titelmodel: Fiodora Hamburg 4. Auflage 2023 1. Auflage erschienen bei Mondschein Corona, 2015
© Trio Ars Sistendi: Werner Diefenthal/Martina Noble/Sandra Limberg
Jeglicher Nachdruck, auch auszugsweise, bedarf der vorherigen Zustimmung durch die Autoren.
Printed in Germany
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Inhaltsverzeichnis
Prolog: London, Frühjahr 1885 7
Teil 1: London, Mai 1887 26
Teil 2: London Dezember 1887 92
Teil 3: Juni 1888 104
Teil 4: August 1888 112
Teil 5: September 1888 144
Teil 6: Oktober 1888 256
Teil 7: November 1888 287
Epilog: 314
Zur Geschichte: 316
Jack the Ripper: 316
Die »Whitechapel Morde«: 317
Die »West Port Morde«: 317
Die Personen im Roman: 318
Prolog: London, Frühjahr 1885
Andrew O’Leary öffnete die Tür zu seinem Haus in Greenwich. Das Wetter war, wie man so sagte, typisch Englisch. Es hatte am frühen Morgen zu regnen begonnen und wollte einfach nicht aufhören. Das Wasser tropfte von seinem Regenmantel auf die Teppiche in der Diele. Seiner Schwägerin würde das überhaupt nicht gefallen, das war ihm klar. Aber der Ärger, den er mit Margret Green bekommen würde, war seine geringste Sorge, auch wenn er sie insgeheim als Drache bezeichnete. Er seufzte.
»Vicky, du fehlst mir«, murmelte er.
Seine Wangen mit dem üppigen Backenbart zitterten. Seit dem Tod seiner Frau führte ihre Schwester ihm den Haushalt. Sie war das genaue Gegenteil von Victoria. War diese eine zierliche, intelligente Person gewesen, so war Margret eher der Typ Bulldogge. Beine wie Säulen, ein üppiger Busen, ein Dreifachkinn und zusammengekniffene Augen zeichneten sie aus. Aber ohne sie hätte er das alles niemals geschafft. Seine Schwägerin hatte ihm jedoch nie verziehen, dass ihre Schwester nach der Geburt der einzigen Tochter gestorben war.
»Du bist Arzt! DU hättest sie retten müssen! Was bist du denn für ein miserabler Quacksalber?! Da wäre ja ein Feldscher besser gewesen.«
Das waren die harmlosen Vorwürfe. Wenn sie sich in Rage redete, dann konnte sie zuweilen ausfallend und verletzend werden. Aber sie führte seinen Haushalt, hatte sich um Sarah Florence gekümmert und sorgte dafür, dass alles in Ordnung war.
»Das darf doch nicht wahr sein! Steht da rum wie ein Soldat auf Wache und tropft mir alles voll. Und wer muss das wieder putzen? ICH!«
Dabei stimmte das nicht. Zu ihrer Unterstützung hatte sie genug Dienstmädchen und sonstiges Personal. Doch das war ihr eigentlich egal, denn sie bezog alles auf sich selbst. Andrew O’Leary sah sie an.
»Margret, wann hast du das letzte Mal selbst einen Lappen in der Hand gehabt?«
»Pah! Der feine Herr will mir Vorhaltungen machen.«
Sie drehte sich um und rauschte davon.
Andrew seufzte. Das würde ein mieser Nachmittag werden. Fast hoffte er auf einen schlimmen Notfall, der ihn zwang, sich in die Praxis zurückzuziehen. Dann könnte er die unangenehme Nachricht später überbringen.
»Bornierte, sture Böcke!«, schimpfte er.
Nachdem er seine Schuhe ausgezogen, seinen Mantel aufgehängt und sich mit der Times in sein Arbeitszimmer zurückgezogen hatte, dachte er nach. Er erinnerte sich an Victoria, wie sie sich kennengelernt und sich ineinander verliebt hatten. Er, der stockkatholische Ire und die Anglikanerin. Allen Widrigkeiten zum Trotz hatten sie geheiratet. Eine Rückkehr nach Irland hatte er damals kategorisch ausgeschlossen, seine Zukunft, so schien es, lag in London. Durch sein Erbe war er finanziell unabhängig und hatte in Greenwich ein Haus gekauft. In diesem hatte Victoria Sarah geboren und war ihm unter den Händen verblutet. Das, was der glücklichste Tag seines Lebens hätte werden sollen, wurde der schlimmste.
Doch Sarah hatte überlebt. Inzwischen war sie siebzehn Jahre alt und zu seiner Freude interessierte sie sich für Medizin und hatte, trotz aller Vorhaltungen seiner Schwägerin, in der Praxis geholfen. Mit zehn konnte sie perfekt Verbände wechseln, mit elf waren eine Spritze oder ein Aderlass für sie ein Kinderspiel. So war es nicht verwunderlich, dass sie Ärztin werden wollte. Und genau da lag das Problem. Die medizinische Fakultät hatte noch nie eine Ärztin zugelassen. Egal, wie gut sie war. Doch Andrew O’Leary hatte einen hervorragenden Ruf und den hatte er in die Waagschale geworfen. An diesem Morgen war die letzte Sitzung zu dem Thema gewesen. Sarah würde enttäuscht sein. Er hörte die Haustür und wappnete sich innerlich. Gleich würde ein Unwetter losbrechen, gegen das der letzte Herbststurm nur ein laues Lüftchen gewesen war.
»Papa?«
Sarahs Stimme hallte durch das Haus, noch bevor sie wusste, ob er überhaupt schon zu Hause war. Sie fieberte seit Wochen dem heutigen Tag entgegen und konnte kaum erwarten, die Entscheidung der Universität zu hören. Obwohl Andrew ihr von Anfang an geraten hatte, sich nicht zu viele Hoffnungen zu machen, weigerte die junge Frau sich hartnäckig, Gedanken an einen ungünstigen Ausgang der Sitzung auch nur zuzulassen. Er seufzte tief.
»Im Arbeitszimmer, Sarah!«
Er hörte, wie sie ihren Mantel achtlos in der Eingangshalle auf den Boden warf, eine Angewohnheit, die bei Margret regelmäßig zu Tobsuchtsanfällen führte, und mit schnellen Schritten näher kam. Mit vor Aufregung glühenden Wangen, die grünen Augen leuchtend, stürmte Andrews Tochter durch die Tür.
Wieder einmal musste er schlucken, wie ähnlich sie ihrer Mutter war. In ihrer Aufregung wurde es immer besonders deutlich. Sarah war groß für eine Frau, größer, als Victoria es gewesen war, aber ansonsten war sie ihr wie aus dem Gesicht geschnitten. Große, grüne Augen und ein sinnlicher Mund beherrschten das Gesicht mit der schmalen, geraden Nase und dem runden Kinn, das, leicht vorgereckt, schon davor zu warnen schien, dass es sich bei Sarah Florence O’Leary um eine Frau mit einem ausgeprägten Dickkopf handelte. Ihre Haut war makellos, milchweiß, zeigte höchstens im Sommer, wenn Sarah denn einmal mit der seltenen englischen Sonne in Berührung kam, eine Unzahl von braunen Pünktchen, die jedoch ihrem Liebreiz keinen Abbruch taten. Am beeindruckendsten war und blieb die kupferrote, lockige Haarmähne, die sie nie ganz zähmen konnte und es meistens gar nicht versuchte. Im Moment waren die leuchtenden Strähnen pitschnass und hingen schwer und dunkel herunter. Andrew verzog mit leichter Missbilligung das Gesicht.
»Bist du in diesem Wetter etwa ausgeritten? Du wirst dir noch den Tod holen!«
Mit beiden Händen winkte Sarah ab.
»Papa, nun mach es doch nicht so spannend. Was haben sie gesagt?«
Eigentlich kannte Sarah die Antwort bereits von der Sekunde an, in der sie das Zimmer betreten hatte. Der Gesichtsausdruck ihres Vaters erinnerte sie stark an den, den er hatte, wenn er nichts für einen Patienten tun konnte. Aber sie wollte es nicht wahrhaben, nicht, bevor sie es hörte!
»Sarah …« Andrew stieß mutlos die Luft aus. »Es tut mir leid!«
»VERDAMMT! DIESE STUREN, VERBOHRTEN MISTKERLE!«
Vor Wut trat die Rothaarige gegen den abgewetzten Ohrensessel ihres Vaters, der einen kleinen Satz machte und dabei vernehmlich ächzte.
»Sarah, ich habe dir gesagt, dass die Wahrscheinlichkeit sehr gering ist«, brummte Andrew missbilligend, vorsichtig Abstand haltend für den Fall, dass seine Tochter auf die Idee käme, ihrem Zorn durch das Werfen von Gegenständen Luft zu machen. Vorerst wanderte sie nur aufgebracht im Zimmer hin und her und zeterte weiter.
»Diese Schwachköpfe haben doch nur Angst, dass eine Frau besser sein könnte als sie! Die wissen ganz genau, dass ich ihnen jederzeit das Wasser reichen könnte, weil ich nur eins nicht so gut kann wie sie, und zwar im Stehen pissen!«
»Sarah Florence O’Leary! Was sind das für Ausdrücke?«
Margret stand in der Tür, in den Händen ein Tablett mit Gebäck und drei Tassen Tee, wie jeden Tag um diese Zeit. Ihr Gesicht drückte deutlich aus, was sie dachte.
»Ach, ist doch wahr«, rief Sarah, noch immer außer sich. »Ich könnte den Menschen wirklich helfen, während diese Kurpfuscher ihren armen Patienten bei einer Lungenentzündung immer noch Umschläge mit Pferdedung machen. Aber wahrscheinlich ist es genau das, was sie fürchten … dass jemand ihnen zeigt, wie es gemacht wird.«
Andrew schmunzelte unwillkürlich. Seine Tochter hatte seinen irischen Dickschädel geerbt.
»Die ewig Gestrigen wird es immer geben, Sarah. Daran ändern ich und auch du nichts!« Margret sah ihre Nichte mit Unbill an.
»Ich habe ja schon immer gesagt, dass du nur Flausen im Kopf hast. Ärztin! Du solltest lieber lernen, wie man näht und stickt, wie man einen Haushalt führt.« Sie betrachtete ihre Nichte von oben bis unten. »Und wie du wieder aussiehst! So wird aus dir nie eine Dame. Welcher Mann will denn so einen Besen heiraten? Der noch nicht mal kochen kann!«
Sarah stampfte mit dem Fuß auf. Jedes Mal die gleichen Tiraden!
»Ich will keine Dame sein!«
Andrew verdrehte die Augen. Jetzt ging das wieder los. Er musste dringend eine Lösung finden.
»Wie wäre es, wenn wir übernächsten Samstag eine Dinnerparty geben? Für dich und deine Freundinnen?«
Sarah sah ihn an.
»So eine langweilige Gesellschaft? Mit irgendwelchen alten Tanten?«
Andrew hob die Hände.
»Nein! Mit jungen Leuten. Ich kann ja mal sehen, ob nicht ein paar nette junge Offiziersanwärter die Damen mit ihrer Anwesenheit beglücken wollen. Vielleicht ein wenig Musik und Tanz?«
»Ach, der Herr will hier Musik und Tanz? Und wer hat die Arbeit damit?«
Margret verzog angewidert das Gesicht. Sie ahnte, dass dies für sie sehr viel Arbeit bedeutete.
»Margret, wenn aus Sarah eine Dame werden soll, dann müssen wir ihr auch Gelegenheit geben, es zu lernen. Und dazu braucht es den richtigen Umgang. Und da sind die Herren von der Navy bestimmt nicht die schlechteste Wahl. Alle gut erzogen, aus alteingesessenen Häusern.«
Margret dachte kurz nach. Dann passierte etwas, was selten vorkam: Sie lächelte.
»Ja, Andrew. Ausnahmsweise hast du damit Recht. Aber ich werde nicht zulassen, dass es Alkohol für die Mädchen gibt!«
»In Ordnung, Margret«, erwiderte er mit einem kaum wahrnehmbaren Seufzer.
Margret strich Sarah über die rechte Wange.
»Vielleicht findet sich ja ein Gentleman, der dir die Flausen austreibt und dir deinen Platz in der Gesellschaft zeigt.«
Dem zufriedenen Gesicht ihrer Tante sah Sarah an, dass es genau das war, was sie von einer Lady ihres Standes erwartete. Die junge Frau wollte schon protestieren, klappte den Mund dann aber wieder zu. Margret hatte vermutlich Recht. Bald standen die Bälle an. Und dort musste sie sich als Dame zeigen. Ob sie wollte oder nicht.
***
Es war noch still im Haus, als Sarah am nächsten Morgen auf Strümpfen aus ihrem Zimmer und die Treppe hinunterschlich. Sie wollte auf keinen Fall von Margret erwischt werden, denn dann würde sie ihr sofort verbieten, das Haus zu verlassen, und sie zu irgendwelchen unnötigen Handarbeiten verdonnern. Zwar wusste Sarah, dass ihre Tante ungeachtet dessen, was sie stets behauptete, nicht um diese Zeit bereits mit den Küchenmägden das Frühstück vorbereitete, aber der alte Drachen litt unter ausgeprägter Verstopfung und verbrachte die frühen Morgenstunden gelegentlich auf dem Abtritt. Darum wollte die Rothaarige kein Risiko eingehen. Glücklicherweise waren die dunklen Holztreppen mit Teppich ausgelegt und sie verursachte kein Geräusch, während sie nach unten in die Küche schlich, wo die Hausmädchen schon zugange waren. Georgina und Clarice waren nur milde überrascht, als sie eintrat, und beantworteten ihren verschwörerisch auf die Lippen gelegten Finger mit einem Grinsen.
Nicht zum ersten Mal schlich sich Sarah morgens heimlich aus dem Haus, um auszureiten. Wenn draußen die Sonne schien, war Sarah nicht zu halten. Clarice reichte ihr wortlos ein Schinkenbrot, das bereits vertilgt war, kaum dass sie das Haus durch den Dienstboteneingang, wo sie auch ihre Reitstiefel aufbewahrte, verlassen hatte. Aufatmend lief das Mädchen zu den Ställen hinüber.
Jetzt würde Margret sie nicht mehr erwischen und sich demzufolge auch nicht darüber aufregen können, dass sie Hosen trug. Albert, der Pferdeknecht, der schon bei den O’Learys arbeitete, seit Sarah sich erinnern konnte, fegte den Boden vor dem Stall und sah auf, als sie sich näherte.
»Miss Sarah …«, lächelte er sein zahnloses Lächeln. »Wünschen Sie, dass ich Ihnen Sunchaser sattle?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Danke, Albert, aber das mache ich schon selbst. Pass nur auf, dass mich niemand sieht.«
Brummelnd nickte der Mann, sich vermutlich fragend, wer außer ihm und der jungen Frau so früh in den Stall kommen würde. Eine Viertelstunde später saß Sarah auf Sunchasers Rücken und ließ den hellgrauen Hengst durch den benachbarten Park traben.
Sie hatte das nervöse Englische Vollblut zu ihrem sechzehnten Geburtstag bekommen, zusammen mit einem Damensattel, den sie noch nie benutzt hatte. Man konnte damit einfach nicht schnell genug reiten. Es war ein herrlicher Morgen. Der Rasen dampfte, während die ersten warmen Sonnenstrahlen den Tau trockneten, und die Vögel sangen aus voller Kehle. Sarah holte genüsslich tief Luft und seufzte zufrieden. Ausgerechnet diesen Moment der Unachtsamkeit nutzte ein Eichhörnchen, um den Weg direkt vor Sunchasers Füßen zu kreuzen. Das Pferd explodierte förmlich, bäumte sich mit einem schrillen Wiehern auf, riss Sarah die Zügel aus den Händen und stürmte dann blindlings los. Es ging alles so schnell, dass sie sich nur noch am Hals des Tieres festhalten konnte und sich bemühte, nicht aus dem Sattel zu fallen. Nur keine Panik, sagte sie sich selbst, als das Trommeln der Hufe immer schneller wurde, das Keuchen des Pferdes lauter. Früher oder später wird er sich beruhigen.
Der Wind riss an ihren langen, roten Locken, trieb ihr die Tränen in die Augen. Sunchaser wurde immer schneller und Sarah musste daran denken, wie ihr Vater verkündet hatte, dass das Tier zu langsam für die Rennbahn in Ascot war. Das konnte sie in diesem Moment kaum glauben! Noch nie war sie so schnell geritten und es wirkte nicht so, als ob das Pferd bald müde werden würde.
Trotzdem hielt Sarahs Angst sich in Grenzen – bis ihr bewusst wurde, wohin ihr Pferd lief. In dieser Richtung gab es einen kleinen Bach, der den Park durchzog, ein normalerweise ruhiges Gewässer. Im April jedoch hatte es zahlreiche Unwetter gegeben, die den Wasserlauf so hatten anschwellen lassen, dass er die Ufer mitgerissen hatte und eine steile Böschung entstanden war. Wenn sie es nicht schaffte, Sunchaser in eine andere Richtung zu lenken, würde er direkt zu diesem Bach laufen. Zum Überspringen war er zu breit. Sie würden stürzen und sich höchstwahrscheinlich alle Knochen brechen! Verzweifelt versuchte Sarah, sich nach den Zügeln zu strecken, die Sunchaser um die Ohren flatterten, aber der Hals des Pferdes war zu lang. Auch ihre Bemühungen, ihn mit den Schenkeln zu steuern, waren vergebens. Er stürmte einfach wild geradeaus. Jetzt bekam Sarah es doch mit der Angst zu tun.
»HILFE!«, schrie sie. »HILFE! HALTET MEIN PFERD FEST!«
Gleichzeitig schalt sie sich selbst eine Närrin. Um diese Zeit war kein Mensch hier unterwegs! Schon sah sie in der Ferne den Graben auftauchen, vor ihm stand ein anderes Pferd und graste friedlich. Hoffnung schöpfend schrie Sarah noch lauter um Hilfe. Nichts rührte sich. Nur das Pferd hob den Kopf und sah ihr neugierig entgegen. Sunchaser schien noch schneller zu werden, seine Hufgeräusche klangen wie Donnerschläge in Sarahs Ohren. Sie konnte die gegenüberliegende Böschung schon sehen und glaubte, dass dieser Anblick der Letzte in ihrem Leben sein würde. In diesem Augenblick sprang eine Gestalt hinter einem Heckenrosenstrauch hervor und stellte sich mit weit ausgebreiteten Armen und Beinen mitten in Sunchasers Weg. »HOOO!«, hörte Sarah jemanden rufen. Dann hatte sie das Gefühl, eine eiserne Faust höbe sie aus dem Sattel, als ihr Hengst alle vier Hufe in den Boden stemmte und den Kopf senkte. Mit einem erschrockenen Schrei und einem Salto fiel die junge Frau vornüber.
Als Francis Gordon an diesem Morgen ausgeritten war, wäre er niemals auf die Idee gekommen, dass ihm nur wenig später eine rothaarige Furie in die Arme segeln würde. Denn so erschien sie ihm.
Sie erinnerte ihn an die Galionsfigur der Cutty Sark, die Hexe Nannie, die, wenn man der Legende glaubte, an einem Bach wie diesem hier auf Männer gelauert hatte. Da sie nicht über das Wasser konnte, hatte sie versucht, einen Mann auf dem Pferd aufzuhalten. Doch nur der Schweif des Tieres war in ihrer Hand zurückgeblieben. Diese Figur schmückte den Bug des Segelschiffes. Für weitere Gedanken war freilich keine Zeit, denn mit einem heftigen »UFF« fiel Francis zu Boden, in seinen Armen dieses rothaarige Mädchen. Sie überschlugen sich und blieben schließlich liegen. Francis Gordon auf dem Rücken und das Mädchen lag auf ihm, zitternd und außer Atem.
»Geht es wieder, Ma’am?«, fragte er.
Sie hob den Kopf, sah in die braunen Augen des Mannes, auf dem sie lag, und sprang entsetzt auf.
»Entschuldigen Sie, Sir«, stammelte sie verlegen, während ihr Gesicht noch roter als ihr Haar wurde.
Francis rappelte sich langsam auf, klopfte sich das Gras aus den Sachen und lächelte.
»Haben Sie sich nichts getan?«, fragte er besorgt und betrachtete sein Gegenüber genau. Sie war wirklich hübsch, fand er.
»Ich glaube nicht.«
Sarah sah sich um. Sunchaser stand friedlich auf der Wiese und schnaubte. Es war, als grinste er sie an und wollte ihr sagen: »Siehst du! Wenn du meinst, dass du mich reiten kannst, dann musst du noch viel lernen.«
Auch Francis sah das Pferd an und lachte.
»Das Tier passt zu Ihnen, Miss.«
Er hatte entschieden, dass Miss die bessere Anrede war.
Sarah stemmte die Arme in die Hüften.
»Ach, wieso?«
»Weil es, wie Sie, einen eigenen Willen hat und diesen durchsetzen will.«
»Woher wollen Sie das wissen, Mister …?«
»Entschuldigen Sie, Miss.« Er deutete eine Verbeugung an. »Francis Gordon, Miss …?«
»O’Leary. Sarah Florence O’Leary.«
»O’Leary? Das klingt irisch.«
Sarah wurde wütend.
»Ja, Mister! Das klingt nicht nur so, das ist irisch.«
Francis hob die Hände.
»Langsam, Miss. Das war nicht negativ gemeint.« Er ging um Sarah herum und betrachtete Sunchaser. »Schade, dass mein Bruder nicht hier ist. Er kennt sich mit Pferden besser aus.« Er hob die Beine des Tieres an, betastete die Knöchel. »Es scheint alles in Ordnung zu sein«, stellte er fest.
Sarah musterte den Mann jetzt genauer. Er war groß, schlank und schien kräftig zu sein.
»Sind Sie bei der Navy, Sir?«
Francis lachte.
»Sieht man das? In der Tat, Miss, ich bin zurzeit im Royal Naval College.«
Er zeigte in Richtung Themse. Sarah nickte. Ein steifärschiger Navymensch, dachte sie.
»Nun, Mister Gordon, ich danke Ihnen für die Rettung.«
Sie schwang sich auf Sunchaser und drückte ihm die Fersen in die Flanken. In wildem Galopp ging es zurück. Francis sah ihr nachdenklich nach.
»In der Tat, ein bemerkenswertes Mädchen.«
Als Sarah, mit Grasflecken bedeckt und leicht humpelnd, ins Haus zurückkam, war es unvermeidlich, Margret in die Arme zu laufen.
»SARAH!«, rief sie empört. »Hast du etwa wieder dieses Teufelstier geritten? Du wirst dir eines Tages noch den Hals brechen!«
Die Rothaarige zuckte die Schultern.
»Besser ein schneller Genickbruch als vor Langeweile beim Sticken zu sterben!«
»Und Respekt vor Älteren fehlt dir auch völlig!« Margret war puterrot im Gesicht geworden und fuchtelte aufgeregt mit dem erhobenen Zeigefinger. »Komplett verdorben bist du, widerborstig, vorlaut, ungehorsam … du wirst niemals einen Mann finden, der dich heiratet!«
Unwillkürlich wanderten Sarahs Gedanken zu Francis Gordon. Er hatte sie nur angesehen und gleich bemerkt, dass sie ihren eigenen Willen besaß. War es wirklich so offensichtlich? Aber war es etwas Schlechtes? Er hatte es nicht so gesagt, als gefiele es ihm nicht. In dem Moment kam Andrew O’Leary aus seinem Arbeitszimmer und unterbrach Margrets Tirade, die ohne Zweifel noch mindestens eine halbe Stunde angedauert hätte, indem er sich ruhig an seine Tochter wandte.
»Sarah, bitte wasch dich und komm dann zum Frühstück. Danach habe ich etwas mit dir zu bereden!«
Margret war in der Tat mehr als nur wütend. In Sarah sah sie jeden Tag ihre verstorbene Schwester. Nicht nur das rote Haar hatte sie von ihr geerbt, auch das Temperament war das ihrer toten Mutter. Genau wie Sarah war Victoria immer ein Hitzkopf gewesen. Ständig musste sie über ihre Grenzen gehen. Und dann die Heirat mit diesem irischen Arzt. Margret hatte nie verstehen können, warum ihr Vater eingewilligt hatte. Sie schüttelte den Kopf und ging wutschnaubend in die Küche, um sich an den Dienstboten abzureagieren.
Als Andrew die Tür zu seinem Arbeitszimmer hinter Sarah schloss, rasten die Gedanken nur so durch ihren Kopf. Was konnte er wollen? Hatte er beschlossen, sie mit irgendeinem Schnösel zu verheiraten, jetzt, da klar war, dass sie nicht Medizin studieren konnte? Das bedeutete immerhin, dass sie nicht in der Lage sein würde, sich auf Dauer selbst zu versorgen, denn auch das Haus, das sie erben würde, musste unterhalten werden. Unruhig blieb sie vor dem schweren Schreibtisch ihres Vaters stehen und knetete ihre Hände, versuchte, aus Andrews Gesichtsausdruck zu lesen. Er wirkte nicht streng, nur zufrieden, und sah sie an.
»Sarah, ich habe beschlossen, dich selbst auszubilden. Du hast mir schon immer geholfen, und viele Patienten, besonders weibliche, fühlen sich in der Gegenwart einer Frau wohler als bei einem männlichen Arzt. Du wirst die Aufgaben, die ich dir bisher übertragen habe, weiterhin ausführen, aber ich werde dir mehr Einblick in die Materie geben, dich intensiver ausbilden. Nicht nur in der Praxis, auch in der Theorie. Du wirst zwar nie als Ärztin praktizieren können, aber ich werde meine Augen offen halten. Vielleicht finde ich ja einen jungen Arzt, der deine Unterstützung zu schätzen weiß, wenn ich mich zur Ruhe setze.«
Sarah brauchte einen Moment, um das Gehörte zu verarbeiten. Sie öffnete den Mund, schloss ihn wieder, dann verstand sie, was ihr Vater gesagt hatte. Ihre Erstarrung löste sich und sie strahlte.
»Wirklich? Das willst du tun?«
Das Leuchten in ihrem Gesicht machte Andrew O’Leary erneut bewusst, wofür er eigentlich lebte, und er nickte lachend.
»Natürlich. Ein Talent wie deines zu verschwenden wäre eine tödliche Sünde!«
Mit einem Freudenschrei fiel Sarah ihrem Vater um den Hals, bedeckte sein Gesicht mit Küssen.
»Danke, Papa! Vielen, vielen Dank!«
Es machte sie stolz, dass er sie für gut hielt. Er drückte sie an sich und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.
»Nichts zu danken. Aber vorerst musst du dir um etwas anderes Gedanken machen.« Er grinste sie an. »Nämlich was du auf unserem kleinen Ball anziehen wirst. Im Gegenzug dazu, dass ich dich ausbilde, erwarte ich allerdings, dass du dich zumindest ein wenig bemühst, eine Dame zu sein … damit Margret etwas weniger Grund hat, Tag und Nacht zu meckern!«
Mit einem Kichern und Augenzwinkern nickte Sarah.
»Ich werde es zumindest versuchen!«
***
Einige Wochen später war es so weit. Sarah stand in einem herrlichen Kleid in der Diele des Hauses und empfing ihre Gäste. Alle ihre Freundinnen kamen. Die pummelige Elisabeth, deren Brüste das Mieder zu sprengen drohten, die pferdegesichtige Penelope, die magere Harriet sowie die hübschen Zwillinge des Earl of Combuct.
Sarah war nervös. Ihr Vater hatte gesagt, er habe einige nette junge Herren eingeladen. Doch wen, das wusste sie nicht. Margret hingegen achtete genau auf alles, was geschah. Die Musiker hatten eine kleine Bühne im Garten, es gab Punsch für die Herren und Limonade für die jungen Frauen. Dazu hatte Margret ein Essen bereitet, das sich mit der Küche des Palastes messen konnte.
»Wo bleiben denn die Männer?«, fragte Elisabeth.
Diese war, selbst für Sarahs Geschmack, zu kokett. Sie zuckte mit den Achseln. »Ich weiß es nicht.«
Doch wie auf ein Stichwort hin klopfte es an der Tür. Margret öffnete, sie war viel zu sehr auf die Ehre der Mädchen bedacht, als dass sie dies jemand anderes hätte tun lassen. Vor der Tür stand ein großgewachsener Mann in der Uniform der Navy. Er nahm die Mütze ab, klemmte sie sich unter den linken Arm, ergriff mit der Rechten Margrets Hand und deutete einen formvollendeten Handkuss an. Hinter ihm standen ein halbes Dutzend Kadetten, alle in ihren Galauniformen, die ebenfalls ihre Mützen abnahmen.
»Gnädige Frau, wir sind stolz und glücklich, in dieses wunderbare Haus eingeladen worden zu sein.«
Margret errötete. So galant war sie noch nie begrüßt worden. Sie warf einen Blick auf die wartenden Männer und nickte.
»Ich danke Ihnen, mein Herr. Würden Sie und Ihre Kameraden mir bitte in den Garten folgen?«
Sie stampfte der kleinen Karawane voraus. Sarah und ihre Freundinnen betrachteten die Männer, die lächelnd an ihnen vorüber defilierten. Und dann blieb ihr fast das Herz stehen! Sie blickte genau in die Augen des Mannes, der sie aufgefangen hatte, als sie vom Pferd gefallen war: Francis Gordon.
Sarah spürte sofort, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss, was sie eilig hinter ihrem cremefarbenen Spitzenfächer zu verstecken versuchte. Aber es war schon zu spät, der junge Gordon hatte ihre Verlegenheit bemerkt. Um ein Haar hätte er sie nicht wiedererkannt – die junge Frau, die vor ihm stand, hatte nichts mit dem Wirbelwind gemeinsam, der ihn neulich buchstäblich von den Füßen gerissen hatte. Er grinste breit.
»Na, wenn das nicht der rasende Rotfuchs aus dem Park ist!«
Überraschte Blicke von allen Seiten trafen Sarah, und Penelope, die gleich eine Sensation witterte, fragte neugierig: »Ihr kennt euch?«
Sarah bemühte sich, ihre Empörung über den rasenden Rotfuchs herunterzuschlucken und ihm nicht vor allen anderen ein paar Nettigkeiten an den Kopf zu werfen.
»In der Tat!«, erwiderte sie ruhig und nahm den Fächer herunter. »Mister Gordon hat mir quasi das Leben gerettet. Ich freue mich, Sie im Hause meines Vaters als meinen Gast willkommen heißen zu dürfen, Mister Gordon!«
Sie reichte ihm in einer Geste, die sie selbst als fürchterlich geziert empfand, aber durchaus zu ihrer aktuellen Aufmachung passte, die Hand. Francis Gordon ergriff sie und hauchte ihr einen galanten Kuss auf die Fingerknöchel. Er bemühte sich seinerseits, sich seine Freude über das unverhoffte Wiedersehen nicht zu sehr anmerken zu lassen. Seitdem er Sarah Florence O’Leary im Park begegnet war, tauchte ihr Gesicht vor seinem inneren Auge auf, sobald er die Lider schloss. Und, so fand er, sie sah einfach hinreißend aus.
Es hatte Sarah alle Beherrschung gekostet, nicht gegen das von Margret ausgesuchte Kleid für diesen Anlass zu protestieren. Es handelte sich dabei um ein Kürass-Taillenkleid, dessen schmal geschnittene Silhouette im Augenblick den letzten Schrei darstellte, genau wie der Seidentaft mit den blassgelben und cremefarbenen Streifen, aus dem es geschneidert worden war. Sarah fand nicht nur den Schnitt fürchterlich, weil er ihr nicht die weit ausgreifenden Schritte erlaubte, die sie gewohnt war, sondern auch die Farbe. Ausgerechnet gelb! Ihr erster Gedanke, als sie sich in dem Kleid im Spiegel gesehen hatte, war, dass sie wie eine Zitronen-Meringe aussah. Das wurde durch die Verzierungen des Kleides, plissierte Rüschen, künstliche cremefarbene Blüten und Fransen am Halsausschnitt sowie an den Säumen, und davon hatte das Kleid dank mehrfacher Raffungen und einer Schleppe am Rock mehr als genug, nur noch verstärkt. Auch die Frisur war ihr zuwider. Es hatte zwei Stunden gedauert, bis Margret ihre wilden roten Locken einigermaßen mit perlenverzierten Nadeln und Kämmchen, die ihr jetzt überall in die Kopfhaut stachen, unter Kontrolle gebracht und kunstvoll hochgesteckt hatte. Trotzdem lösten sich immer noch einzelne Strähnen und umschmeichelten ihren langen, schlanken Hals. Jetzt aber, als Francis Gordons Blicke bewundernd die Konturen ihres Körpers entlangstrichen und jedes Detail in sich aufzunehmen schienen, begann Sarah zu denken, dass Margret doch zu wissen schien, was sie tat. Besonders häufig blieben die Blicke des jungen Mannes am Ausschnitt ihres Kleides hängen, der ihm die Aussicht auf die Oberseite ihrer festen, milchweißen Brüste und das Tal dazwischen erlaubte. Mit einem koketten Lächeln und wie zufällig hielt Sarah ihren Fächer davor und sprach den jungen Mann an.
»Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten, Mister Gordon? Das Buffet ist gleich dort drüben!«
Francis lächelte und hielt Sarah seinen Arm hin. Er war froh, dass er die gute Erziehung der Navy genossen hatte. Neben dem täglichen Drill war es üblich, dass alle Offiziersanwärter lernten, sich auf gesellschaftlichem Boden zu bewegen. Und, wie Francis mittlerweile begriffen hatte, war dieser gefährlicher als das Schlachtfeld. Überall lauerten Fallstricke und es drohten Bomben hochzugehen. Als er von seinem Kommandeur die Einladung zu dieser Dinnerparty überreicht bekommen hatte, da war sein erster Gedanke gewesen, diese abzulehnen. Aber sein Kommandeur hatte ihm unmissverständlich klargemacht, dass er dort zu erscheinen habe. Und jetzt war er sogar froh darüber. Dabei hätte er es doch sofort merken müssen, schalt er sich in Gedanken. Wie viele O’Learys gab es schon in London?
Er geleitete Sarah galant zum Buffet und ließ sich ein Glas Punsch reichen, während sich Sarah mit Limonade begnügen musste. Ihre Tante stand wie ein Wachhund am Buffet und achtete peinlich genau darauf, dass die jungen Mädchen keinen Punsch zu sich nahmen.
Die Musik begann, einen Walzer zu spielen. Francis verneigte sich vor Sarah.
»Darf ich Sie um diesen Tanz bitten?«
»Ich muss Sie warnen. Ich bin eine furchtbar schlechte Tänzerin«, kicherte Sarah.
»Ach, Miss Sarah, das liegt nur daran, dass Sie bisher nicht die richtige Führung hatten.«
Er faste sie beim Arm und zog sie sanft, aber bestimmend, zum Tanzboden, drehte sie zu sich, legte eine Hand sachte auf ihre Taille, nahm die andere in seine und begann, sich im Takt der Musik zu bewegen. Sarah war erstaunt. Wie von selbst bewegten sich ihre Füße. Einige Male wollte sie aus seiner Führung ausbrechen, aber er konnte sie mit sanfter Bestimmtheit immer wieder in seinen Takt zwingen. Schließlich gab sie ihm nach und ließ sich von ihm zur Musik führen. Sie genoss es sogar, sich mit ihm zu drehen, ihm die Führung zu überlassen.
Margret stand noch immer auf ihrem Platz, aber sie ließ Sarah keinen Moment aus den Augen. Sie begutachtete den jungen Mann, wie er Sarah führte, war bereit und entschlossen einzugreifen, sollte auch nur ein Finger den Platz verlassen, den er während des Tanzes innezuhaben hatte. Doch sie konnte zufrieden sein, der junge Mann war scheinbar ein Gentleman. Er achtete auf den korrekten Abstand zu Sarah, kein Inch zu nah oder zu weit weg. Er führte sie sanft, aber bestimmt. Das wäre schon ein Kandidat, dachte sie sich.
»Nun, Margret, der junge Mann dort scheint ja nicht der Schlechteste zu sein.«
Sie drehte den Kopf. Andrew war endlich aufgetaucht. Ein Kranker hatte ihn gebraucht und für seine Patienten ließ er alles stehen und liegen. Sie rümpfte die Nase.
»Ach, du bist auch schon hier?« Sie sah wieder zu Sarah. »Er hat auf jeden Fall Manieren. Doch bevor ich ein Urteil über ihn abgebe, sollte ich mehr über ihn wissen.«
Francis war nicht entgangen, dass Margret ihn nicht aus den Augen ließ. Er näherte seinen Kopf so nah an Sarahs Ohr, wie es noch schicklich war, und flüsterte gerade so laut, dass sie ihn noch hören konnte: »Wer ist denn der Wachhund dort?«
Sarah musste sich ein Lachen verkneifen.
»Das ist meine Tante. Tante Margret, die Schwester meiner verstorbenen Mutter. Sie fühlt sich dazu berufen, mir Manieren beizubringen und auf meine Jungfräulichkeit zu achten.«
Francis wurde rot. So deutliche Worte hatte er aus diesem zarten Mund nicht erwartet. Sarah bebte vor unterdrücktem Lachen.
»Ach, Sie werden rot? Ist es nicht so, dass in der Marine die Männer in jedem Hafen eine Braut haben? Sie haben doch bestimmt auch schon so manche Blüte gepflückt.«
Bevor Francis antworten konnte, hörte die Musik auf, und sie blieben stehen. Unvermittelt fühlte Francis eine Hand auf seiner Schulter.
»Nun, junger Mann, ich denke, wir wurden uns noch nicht vorgestellt. Mein Name ist Andrew O’Leary, der Vater dieses bezaubernden Geschöpfes.«
Francis verbeugte sich tief, richtete sich wieder auf und schüttelte dann beherzt Andrews Hand, so, wie es sich für einen angehenden Offizier der Royal Navy gehörte.
»Mister O’Leary, es ist mir eine Freude. Mein Name ist Francis Gordon, ich konnte Ihre bezaubernde Tochter schon vor ein paar Tagen im Park kennenlernen.«
»So?« Andrews Blick wanderte von dem jungen Mann zu seiner Tochter. »Davon hat sie mir gar nichts berichtet. Aber Gordon …? Der Name kommt mir bekannt vor.«
»Mein Vater ist Vize-Direktor in der größten Bank Londons, Sir«, beeilte Francis sich zu erzählen. »Henry Gordon. Sicherlich haben Sie seinen Namen schon einmal gehört!«
Andrew O’Learys Miene hellte sich sofort auf.
»Ah, natürlich! Henry Gordon. Sein Name ist mir ein Begriff.«
Und zwar ein positiver Begriff. Man sagte Henry Gordon nach, ein äußerst fairer Mann zu sein, der auch einfachen Menschen Kredite zur Existenzgründung gewährte. Die Familie war in der Londoner Gesellschaft hoch angesehen. Andrew klopfte Francis kameradschaftlich auf die Schulter.
»Nun denn, junger Freund, ich will nicht weiter stören. Als Mann Ihres Kalibers haben Sie sicherlich Verständnis dafür, dass ich mich vergewissern musste, ob meine Tochter sich in angemessener Gesellschaft befindet, in der ich sie ruhigen Gewissens lassen kann.«
Eine erneute Verbeugung.
»Natürlich, Sir. Vertrauen Sie mir. Miss Sarah ist bei mir in Sicherheit.«
Nachdem Andrew zwei Gläser Punsch organisiert hatte, stießen die beiden Männer miteinander an und brachten einen Toast auf die Queen aus, dann entfernte Andrew sich wieder und mischte sich unter die Gäste. Er hatte auch einige enge Freunde eingeladen. Sarah bemerkte erst jetzt, dass sie vor Aufregung die Luft angehalten hatte. Die ganze Zeit hatte sie befürchtet, dass ihr Vater sie blamieren oder Francis Gordon missbilligen könnte. Mit einem kleinen Seufzer ließ sie die Luft nun entweichen. Ihr Begleiter wandte sich ihr zu und lächelte.
»Miss Sarah, möchten Sie mir vielleicht den Garten zeigen?«
Er bot ihr den Arm an. Sarah errötete leicht.
»Bitte, Mister Gordon, nur Sarah.«
Er lächelte sie an, seine Zähne funkelten.
»Aber nur, wenn Sie Francis zu mir sagen.«
»Gerne, Francis.« Sie hakte sich bei ihm ein und erwiderte sein Lächeln. »Mit Vergnügen!«
Schließlich bedeutete dies, dass sie ein wenig von den anderen wegkamen, sich ungestört unterhalten konnten. Plaudernd schlenderten sie die schneeweißen Kieswege entlang, die sich durch den großzügigen Garten der O’Learys schlängelten. Die aufwändig vom Gärtner angelegten Beete standen in voller Blüte, Rosen verbreiteten betörenden Duft, in den üppigen Büschen raschelte eine leichte Sommerbrise. Die beiden jungen Leute jedoch hatten keinen Blick für die Umgebung, waren völlig ineinander versunken. Sarah kam nicht umhin, zu bemerken, wie tadellos er in seiner Kadettenuniform aussah. Immer wieder sah sie zu ihm hinüber, dachte an die dunklen Augen, die sie vorhin erst wahrgenommen hatte und die so gut zu dem haselnussbraunen Haar passten. Es war keine Frage, dass Francis Gordon ein gutaussehender junger Mann war. Und nicht nur das. Er schien ehrlich interessiert an dem, was sie zu erzählen hatte, stellte immer wieder Fragen über sie, ihre Träume, lachte noch nicht einmal darüber, dass sie sich gewünscht hatte, Ärztin zu werden. Sarah fühlte sich mit jeder Sekunde stärker zu ihm hingezogen, lachte ausgelassen über seine etwas respektlosen Imitationen seines Kommandeurs.
Schließlich erreichten sie die hinterste Ecke des Gartens. Kein anderer der Gäste hatte sich scheinbar bis hierher vorgewagt, wo Rhododendron-Büsche mannshoch standen und die Blüten in ihrer ganzen Farbenpracht leuchteten. Sie schienen ganz allein auf der Welt zu sein. Rings um sie war es still. Francis blieb stehen und drehte sich zu Sarah hin, ergriff ihre beiden Hände und sah ihr in die Augen.
»Weißt du, Sarah … du bist die bezauberndste Frau, die ich in meinem Leben je getroffen habe. Du bist nicht nur schön, sondern auch klug, und du weißt, was du willst. Darf ich dich wiedersehen?«
Sarahs Herz schlug ihr bis zum Hals und sie musste heftig schlucken, brachte kein Wort heraus. Stattdessen nickte sie eifrig. Die Augen des jungen Gordon leuchteten glücklich auf, und er beugte sich kühn vor, um die Rothaarige zu küssen, als plötzlich lautes Gekicher und brechende Äste nur ein paar Yards entfernt das Paar auseinanderfahren ließ. Sie waren allem Anschein nach nicht die Einzigen, die sich in diesen ruhigen Bereich zurückgezogen hatten. Verblüfft erkannte Sarah Elizabeth, die mit zerwühlter Frisur, das Kleid halb von den Schultern rutschend, zwischen den Büschen herausgestolpert kam. Fassungslos starrte Sarah sie an, und als dann noch einer von Francis’ Kameraden hinter ihr herkam und gerade seine Hose schloss, klappte ihr die Kinnlade herunter.
»Elizabeth!«, entfuhr es Sarah entsetzt.
Aber ihre pummelige Freundin kicherte nur, zog das Kleid ein wenig zurecht und zuckte mit den Schultern, um dann eiligen Schrittes wieder zum Fest zurückzukehren. Der Kadett folgte ihr mit einem dümmlichen Grinsen auf dem Gesicht. Verlegen wandte Sarah sich, peinlich berührt von dem gerade gesehenen, wieder Francis zu – der romantische Moment war verflogen.
»Wir sollten wieder zu den anderen zurückgehen!«
Der junge Gordon nickte zustimmend, bemühte sich aber offensichtlich, nicht genau so zu grinsen wie der andere Kadett. Sarah erneut den Arm anbietend, kehrten sie zu der Versammlung zurück, wo Margret schon in heller Aufregung nach ihrer Nichte suchte. Margret sah Sarah streng an, ihr Blick wanderte von oben nach unten, doch sie konnte keinerlei Anzeichen für unschickliches Verhalten erkennen. Im Gegensatz zu jener Elisabeth, die völlig derangiert aussah, war Sarahs Ehre scheinbar unangetastet geblieben. Francis verbeugte sich vor Sarah, hauchte ihr einen Kuss auf die rechte Hand, die er danach Margret überreichte.
»Haben Sie vielen Dank, Miss Margret. Ihre Nichte ist, wenn ich das sagen darf, äußerst wohlerzogen und weiß, wie man mit einem Gentleman Konversation betreibt. Wenn Sie erlauben, würde ich bei Gelegenheit gerne mit Ihrer Nichte bei einer Tasse Tee in diesem wunderbaren Garten das sehr anregende Gespräch fortführen.«
Sarah war erstaunt. Margrets Widerstand schmolz dahin wie Butter in der Sonne, sie wurde sogar rot.
»Sie sind zu gütig, Mister Gordon. Aber nicht ich muss einverstanden sein. Sie sollten Mister O’Leary dazu befragen.«
Francis lächelte die ältere Dame charmant an.
»Das werde ich, Miss Margret. Doch es ist mir wichtig, auch Ihr Einverständnis zu haben.«
Margret platzte fast vor Stolz. Das war ein Mann nach ihrem Geschmack. Ein Gentleman durch und durch. Sie nickte leicht.
»Nun, Mister Gordon, ich denke, ich kann auch für meinen Schwager sprechen. Sie sind uns selbstverständlich willkommen.«
Francis wandte sich noch einmal zu Sarah.
»Haben Sie vielen Dank, Miss Sarah. Ich freue mich darauf, unser Gespräch zu vertiefen.«
»Es war mir eine Ehre, Mister Gordon«, erwiderte sie.
Sarah hatte sofort verstanden, was Francis mit der förmlichen Anrede beabsichtigte. Er wollte vermeiden, dass vor ihrer Tante der Eindruck von zu viel Intimität entstand. Sie würden also die Vertrautheit nur unter vier Augen genießen können, bis sie Margret so weit hatten, dass diese damit einverstanden war.
»Ich muss jetzt zu meinen Kameraden, aber ich hoffe auf einen letzten Tanz, Miss Sarah.«
Nicht im Traum wäre es Sarah eingefallen, da nein zu sagen! Als das junge Paar sich nur wenig später gemeinsam auf der Tanzfläche drehte, zog es alle Blicke auf sich, aber nicht einmal das bemerkten die beiden. Sie waren völlig ineinander versunken, sahen sich in die Augen und lächelten glücklich. Sarah folgte ganz Francis’ Führung und hatte das erste Mal überhaupt das Gefühl, sie ihm nicht nur für diesen Tanz, sondern vielleicht für ihr ganzes Leben überlassen zu können. Als die Musik endete und Francis sich mit einem weiteren Handkuss und einem Versprechen auf ein Wiedersehen von ihr verabschiedete, klopfte Sarahs Herz bis zum Hals. Kein Zweifel, sie hatte sich verliebt. Verträumt sah sie den Kadetten hinterher, als sie in das Licht des aufgehenden Mondes getaucht den Garten verließen. An der Tür zum Haus drehte Francis sich noch einmal um und winkte Sarah zu. Sie winkte zurück.
»Wie schade, dass sie schon gehen, die Zeit ist so schnell vergangen!«
Elizabeths wehmütiges Seufzen direkt neben ihr ließ Sarah erschrocken herumfahren – sie hatte beinahe vergessen, dass noch andere Gäste anwesend waren. Die pummelige Brünette hatte sich keine Mühe gegeben, ihre Aufmachung in Ordnung zu bringen. Die Frisur war immer noch durcheinander und ein Träger ihres Kleides war zerrissen, ihre Wangen gerötet. Das erinnerte Sarah wieder daran, was sie vorhin beobachtet hatte, und sie stemmte entrüstet die Hände in die Hüften.
»Übrigens, Elizabeth, schämst du dich nicht? Wie kannst du dich einem Mann hingeben, den du gerade erst getroffen hast?«
Elizabeth blinzelte überrascht.
»Spiel doch nicht die heilige Jungfrau, wenn wir nicht gekommen wären, dann hättest du es doch mit deinem Kerl ganz genau so getrieben!«, erwiderte sie im Brustton der Überzeugung.
Sarah stand der Mund offen.
»WAS sagst du da? Nie und nimmer hätte ich irgendetwas mit ihm getan, egal, wie gern ich ihn mag! Ich werde erst in meiner Hochzeitsnacht bei einem Mann liegen!«
»Na, dann brauchst du aber einen Mann mit sehr viel Geduld … Männer warten nicht gerne«, grinste Elisabeth. »Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.«
Die Rothaarige verzog das Gesicht.
»Bei dir brauchen sie es ja offensichtlich auch nicht. Allerdings sehe ich an deinem Finger trotz aller Freizügigkeit keinen Ring. Wer will schon ein Pferd, das bereits von zu vielen anderen geritten wurde!«
Die Umstehenden konnten nur mit Mühe das Lachen unterdrücken, Elizabeth wurde hochrot und stürmte aus dem Garten. Margret hatte ebenfalls mitgehört und sah höchst zufrieden aus. Sie wusste nicht, dass Sarahs Einstellung weniger von ihrer streng katholischen Erziehung stammte als daher, dass sie ihren Vater mehr als einmal zu vornehmen Töchtern hatte begleiten müssen, die nicht gewartet hatten, und deswegen nicht nur schwanger, sondern auch noch vom Verursacher verlassen worden waren. Es war Andrew O’Leary zuwider, den jungen Frauen auf Geheiß ihrer Eltern bei der Lösung dieses Problems zu helfen, aber er wusste, tat er es nicht, war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Mädchen sich in die Themse stürzten. Wenn eine junge Frau plötzlich und tragisch an einem geheimnisvollen Fieber verstarb, war die Ursache dieses Fiebers weit weniger häufig ein Mysterium, als die vornehmen Eltern behaupteten! Sarah hatte nicht vor, so zu enden, auch wenn sie nicht glaubte, dass Francis Gordon sie je in eine solche Situation bringen würde. Als sie in dieser Nacht zu Bett ging, konnte sie nur an ihn denken und wann sie ihn endlich wiedersehen würde.
Teil 1: London, Mai 1887
1. Kapitel
Sarah war aufgeregt. Wie sie erfahren hatte, sollte bald das Schiff, auf dem Francis seit beinahe zwei Jahren seinen Dienst tat, wieder einlaufen. Nach den letzten Berichten war es schon auf dem Weg in den Ärmelkanal. Bald würde sie ihren Geliebten wiedersehen und in die Arme schließen können.
»Und dann ist bald Hochzeit«, murmelte die Rothaarige.
»Sarah Florence O’Leary! Was faselst du da wieder?«
Ihre Tante Margret stand auf einmal hinter ihr. Aber als Sarah sie ansah, wusste sie, dass es nicht böse gemeint war. Im Gegenteil! Ihre Tante war mit der Wahl des Bräutigams mehr als zufrieden. Auch wenn sie es nicht zugab, sie freute sich bereits auf die Hochzeitsvorbereitungen.
»Ach Tante Margret. Er war so lange unterwegs.« Sie ließ sich in einen Sessel fallen. »Denkst du, er liebt mich noch? Oder hat er mich am Ende gar vergessen? Was meinst du?«
Margret trat zu ihr und strich ihr über die Haare.
»Kindchen, wenn er dich nicht mehr liebt, dann sollte er besser lernen, wie man sich gegen mich zur Wehr setzt.«
Sarah musste lachen. Sie stellte sich vor, wie ihre Tante hinter Francis herrannte, mit der Bratpfanne in der Hand auf ihn eindreschend. Doch schnell wurde sie wieder Ernst.
»Ich habe Angst, Tante. Was, wenn er nicht mehr daran denkt, was er mir versprochen hat?«
Sie erinnerte sich an jenen Abend im Sommer 1885. Er hatte ihr eröffnet, dass er auf einem Schoner der Marine auf große Fahrt gehen müsse. Die Ziele waren Indien, Hongkong und Australien. Von dort aus wieder zurück. Sarah hatte sich eine Karte angesehen und war erschrocken gewesen über die riesigen Wassermassen, die ihr Geliebter überqueren musste. Aber er hatte noch eine Überraschung. Aus dem Uniformrock, den er getragen hatte, zog er eine kleine Schachtel hervor. Dann hatte er sich vor sie gekniet, ihr die Schachtel dargereicht und sie geöffnet. Sarah hatte vor Schreck keine Luft mehr bekommen, als sie den Ring mit einem kleinen Diamanten gesehen hatte.
»Sarah Florence O’Leary. Möchtest du meine Frau werden?«
Sie hatte die Hände vor den Mund geschlagen, die Tränen waren nur so aus ihren Augen gestürzt.
»Francis Gordon …«, hatte sie geflüstert. »Du bist ein verrückter Kerl. Aber ich liebe dich! Und ja, ich will.« Sie hatte sich umgesehen und noch schnell hinzugefügt: »Aber du musst meinen Vater fragen. Ich bin noch nicht volljährig!«
»Ich werde ihn fragen. Aber ich wollte erst wissen, was du sagst, bevor ich zu ihm gehe.«
Sarah war verblüfft gewesen. Francis war, trotz seiner manchmal steifen Art, recht progressiv. Normalerweise hätte er nur ihren Vater fragen müssen. Hätte er sein Einverständnis gegeben, dann wäre sie vielleicht gefragt worden.
Sie hatte sich vorgebeugt, ihn geküsst. Und er hatte den Kuss erwidert. Doch nicht so unschuldig, so sanft wie sonst. Er hatte sie drängender geküsst, mit Leidenschaft. Und Sarah hatte verstanden, was Elizabeth gemeint hatte. Sie hatte gespürt, wie ihr Widerstand schmolz. Doch als sie seine Hand auf ihrem Knie gespürt hatte, wie sie sich langsam nach oben getastet hatte, da war sie erschrocken gewesen und hatte ihn von sich geschoben.
»NEIN!« Francis hatte sie angesehen. »Liebster, du weißt, ich habe dir gesagt, ich werde jungfräulich in die Ehe gehen. Das habe ich dir versprochen, das habe ich meiner Mutter am Grab versprochen, als ich zur Frau gereift bin. Ich will, dass du der Erste und der Einzige sein sollst.« Sie hatte ihm in die Augen gesehen. »Wirst du auf mich warten, so wie ich auf dich warten werde?«
»Ja, Liebste.« Seine Stimme hatte heiser geklungen, sie hatte sich eingebildet, Enttäuschung zu hören. Doch bevor sie darauf hatte eingehen können, war er aufgestanden und hatte ihr den Ring übergestreift. »Sarah, ich möchte, dass du diesen Ring trägst. Wenn ich von der Reise zurückkehre und du mich dann noch willst, dann werde ich offiziell deinen Vater um deine Hand bitten.« Und mit einem Blick auf die Tür hatte er hinzugefügt: »Und deine Tante!«
Dann hatte er sie noch einmal geküsst, sich formvollendet von ihrer Tante verabschiedet und war verschwunden. Am nächsten Morgen hatte ihre Tante sofort den Ring entdeckt. Doch zu Sarahs Überraschung war Margret nicht böse geworden, sie hatte nur schelmisch gelächelt.
»Ah, eine heimliche Verlobung. So viel Romantik hätte ich deinem Offizier gar nicht zugetraut.« Sie hatte Sarahs Hand genommen und den Ring betrachtet. »Und Geschmack hat er auch.« Dass Francis ihre Ringgröße mit Margrets Hilfe herausbekommen hatte, das hatte Sarah erst viel später erfahren. »Und er muss auf große Fahrt?«, hatte Margret gefragt.
»Ja, Tante. Für mehr als achtzehn Monate.«
Ihre Tante sah auf.
»Sarah! Du musst SOFORT zum Hafen. Hat er dir nicht gesagt, dass sie heute auslaufen?«
Sarah war aufgesprungen und war in Richtung Themse gerannt. Zum Hafen, das war ihr klar geworden, hätte sie es nicht mehr geschafft. Doch als sie zum Ufer gekommen war, da war nur das Heck des Schiffes zu sehen gewesen. Doch oben an der Reling, da hatte er gestanden. Er hatte sie sofort gesehen und ihr zugewunken. Und sie hatte am Ufer gestanden, mit tränenüberströmtem Gesicht. Der Wind hatte ihr noch sein »Ich liebe dich, Sarah« an ihr Ohr getragen. Leise hatte sie geflüstert: »Und ich liebe dich, Francis.«
Und jetzt kam er endlich heim! Ihre Gedankengänge wurden durch ein heftiges Klopfen an der Tür unterbrochen. Margret rümpfte die Nase. Wenn es etwas gab, was sie hasste, dann war es, wenn jemand fast die Tür einschlug. Sie ging trotzdem, um zu öffnen. Meist waren es Patienten, die dringend zum Arzt wollten. Wenige Augenblicke später rief sie allerdings laut nach Sarah, die sofort angelaufen kam. Vor der Tür stand ein kleiner, schmutziger Junge, den Sarah als James Sherman erkannte. Dem Kleinen liefen die Tränen über die Wangen und er schluchzte erbärmlich.
»Was ist denn, James? Ist etwas mit deiner Mutter?«
Seine Mutter stand, wie Sarah wusste, kurz vor der Niederkunft. Erschwerend kam noch hinzu, dass ihr Mann vor kurzem auf der Arbeit verunglückt und gestorben war. Er war so stolz gewesen, dass er bei dem Bau der neuen Brücke endlich wieder eine Arbeit gefunden hatte. Doch das Schicksal hatte es nicht gut gemeint. Er war bei den Arbeiten an einem der Pfeiler in die Themse gestürzt und ertrunken. Seine Leiche hatte man einige Meilen flussabwärts gefunden. Seitdem kämpfte die kleine Familie ums Überleben.
»Meine Mom … sie hat arg Bauchweh … sie schreit …«, stammelte der Junge.
Sarah schnappte sich die Arzttasche, die immer griffbereit im Flur stand, nahm den Jungen an die Hand und rannte mit ihm los. Margret sagte kein Wort. Hatte sie sich am Anfang noch gesträubt, als Sarah bei ihrem Vater mit der Ausbildung begonnen hatte, so war doch nach und nach ein gewisser Stolz in ihr gewachsen. Sarah hatte wirklich bewiesen, dass Medizin ihr Leben war. Und als die ersten Frauen Margret erzählt hatten, wie gut Sarah sie behandelt hatte, da ließ ihr Widerstand langsam nach. Endgültig gebrochen hatte ihn dann der Umstand, als Margret im letzten Winter eine sehr schlimme Grippe gehabt und Sarah sie gesund gepflegt hatte. Da war der strengen Frau klargeworden, dass es für Sarah nur eines gab: Menschen zu helfen. Mittlerweile war die Rothaarige bei fast allen Geburten dabei, die es in der näheren Umgebung gab. Und alle Frauen berichteten übereinstimmend, dass sie noch nie eine bessere Ärztin und Hebamme gehabt hätten.
Nur eines konnte Margret nicht verstehen. Immer wieder ging Sarah nach Whitechapel. Dort half sie den Armen. Als Margret sie darauf angesprochen hatte, bekam sie zur Antwort, dass Sarah dies als Akt der Nächstenliebe ansähe. Auch Andrew ging regelmäßig nach Whitechapel, um zu helfen. Und sein Argument hatte Sarah übernommen: Als Christenmensch hätte man die Pflicht, denen zu helfen, die in Not wären. Dem hatte sich auch Margret nicht verschließen können.
Nur bestand sie darauf, dass Sarah danach jedes Mal heiß badete. Ihre Sachen wurden in kochendem Wasser gewaschen und Sarahs ganzer Körper nach Läusen oder Flöhen untersucht. Doch auch hier konnte Margret nicht umhin, ihr Respekt zu zollen. Von verschiedenen Seiten war ihr zugetragen worden, dass man sie allgemein als Engel von Whitechapel verehrte. Margret schloss die Tür. Mit Francis war noch nicht zu rechnen, da war sie sich sicher. Mit einem Blick auf die große Uhr stellte sie fest, dass es an der Zeit war, sich um das Abendessen zu kümmern. Wenig später kam Andrew nach Hause. Margret erzählte ihm, dass Sarah zu den Shermans gegangen war, weil das Baby wohl käme. Andrew nickte stolz. Er wusste, dass seine Tochter das auch ohne seine Hilfe schaffen würde. Als es langsam dunkel wurde, klopfte es erneut.
»Wer ist denn das noch? Um diese Zeit!«, entrüstete sich Margret. Doch als sie die Tür öffnete, begann sie zu strahlen. »Mister Gordon! Sie sind schon da?«
»Ja, Miss Margret. Der Wind hat es gut mit uns gemeint.«
»Es tut mir sehr leid, aber Miss Sarah ist zurzeit nicht zu Hause.«
Sie war ein wenig über das bedrückte Gesicht des jungen Mannes verwundert. Als sie erwähnte, dass Sarah außer Haus war, hellte es sich ein wenig auf.
»Oh, nun ja, aber ich wollte ohnehin zuerst mit Doktor O’Leary sprechen.«
»Aber sicher, kommen Sie. Er ist im Arbeitszimmer.«
Margret glaubte zu wissen, warum er gekommen war. Heute würde er förmlich um Sarahs Hand anhalten.
»Danke, Miss Margret. Ich finde den Weg.«
Das wiederum war seltsam. So barsch und ungehobelt kannte sie den jungen Francis nicht. Doch er ließ sich nicht beirren und klopfte schon an der Tür des Arbeitszimmers. »Herein«, erklang die Stimme des Hausherrn. Francis betrat das Arbeitszimmer und schloss die Tür hinter sich. Andrew war erfreut, den zukünftigen Mann seiner Tochter zu sehen. Er wusste natürlich über die heimliche Verlobung seit langem Bescheid, aber er war zu taktvoll, um dies zu erwähnen.
»Francis! Sie sind schon da?«
»Ja, Doktor O’Leary.«
»Das wird Sarah aber freuen. Kommen Sie, setzen Sie sich. Möchten Sie vielleicht etwas trinken? Einen Sherry?«
»Nein danke, Doktor O’Leary. Ich hätte etwas mit Ihnen zu bereden.«
Jetzt passiert es, dachte Andrew. Heute gebe ich meine Tochter einem anderen Mann. Was ihn jedoch stutzig machte, war die Anrede. Francis sagte normalerweise nie »Doktor«.
»Aber sicher. Geht es um Sarah?«
»Nein. Oder doch … irgendwie schon.« Andrew war verwirrt. Was würde das werden? »Es ist eher … ein medizinisches Problem, weswegen ich hier bin«, druckste der junge Mann herum.
»Oh. Was kann ich für Sie tun?«
Andrew sah, wie unsicher der junge Mann war.
»Seit einiger Zeit habe ich seltsamen Ausschlag. Zuerst …«, er zeigte nach unten, »jetzt aber im Mund und am Bauch.«
Andrew stutzte. Das hörte sich nicht gut an. War das der Grund, warum Francis ihn mit »Doktor« anredete?
»Kommen Sie, wir gehen in die Praxis.« Er ging voraus, wusch sich gründlich die Hände. »Zeigen Sie mal.« Der Arzt besah sich den Ausschlag, nahm noch eine Lupe zu Hilfe. Dann musste Francis die Hosen runterlassen. Auch die Genitalien untersuchte Andrew genau. Dann seufzte er, wusch sich erneut gründlich die Hände. »Francis, was haben Sie getan?«
»Was … was meinen Sie, Doktor O’Leary?«
Andrew sah ihn ernst an. Soeben war für ihn eine Welt zusammengebrochen und er wagte es gar nicht, sich auszumalen, was Sarah empfinden würde, wenn sie dies erführe.
»Junger Mann. Sie haben die Syphilis.«
2. Kapitel
»Herzlichen Glückwunsch, Helen!« Sarah strahlte, als sie der erschöpften, verschwitzten Mutter den kräftig schreienden Säugling, den sie gerade notdürftig gesäubert hatte, in die Arme legte. »Du hast einen wunderschönen, gesunden Jungen!«
Es war keine leichte Geburt gewesen – das Kind hatte verkehrt herum gelegen, Sarah hatte in die Mutter greifen und es drehen müssen. Sie selbst war blutverschmiert bis an die Ellenbogen und erhob sich, um sich zu waschen, und mit der mitgebrachten Phenollösung zu desinfizieren. Das machte längst noch nicht jeder Arzt, aber Andrew O’Leary schwor darauf.
»Ist es jetzt vorbei?«
James streckte vorsichtig den Kopf aus der Küche ins Schlafzimmer. Er war ein wenig blass, hatte Sarah aber sehr gut unterstützt, indem er immer wieder frisches heißes Wasser und saubere Tücher gebracht hatte. Sie lächelte ihm zu.
»Ja, mein fleißiger Helfer. Komm ruhig herein und schau dir dein kleines Brüderchen an!«
Der Junge kam schüchtern heran und setzte sich staunend neben seine Mutter aufs Bett. Helen hielt ihr Baby bereits im Arm und ließ es an der Brust saugen. Sie schluchzte leise. Sarah runzelte die Stirn.
»Helen, das sind aber keine Freudentränen, oder?«
»Doch …«, schniefte die Frau mit den langen schwarzen Haaren, schüttelte dann jedoch betrübt den Kopf. »Nein … nicht nur. Ach Miss Sarah, ich weiß nicht, wie ich das machen soll mit zwei Kindern. Ich weiß nicht, wie ich sie ernähren soll. Ich habe die ganze Zeit an den Docks Fische ausgeweidet und James hat mitgeholfen, aber den Kleinen kann ich dorthin nicht mitnehmen.«
Sarah presste die Lippen zusammen, packte ihre Sachen in die Tasche und erwiderte dann:
»Ich kann dir nichts versprechen, Helen, aber ich werde meinen Vater fragen, ob du bei uns im Haus arbeiten kannst. Zumindest eine Zeitlang.«
Helens Kopf schnellte in Sarahs Richtung.
»Wirklich? Miss Sarah, das würden Sie für mich tun?«
Die Rothaarige nickte.
»Wir haben ja nichts zu verlieren! Aber jetzt muss ich nach Hause. Die Blutung hat aufgehört, es geht dir und dem Kleinen gut.« Mit einem Blick auf James fügte sie hinzu: »Und Unterstützung hast du ja.« Sie strich dem tapferen Jungen über den Kopf. »Morgen komme ich vorbei und sehe nach euch. Bis dann weiß ich auch sicher, ob wir Arbeit für dich haben.«
»Danke, Miss Sarah! Vielen Dank!«
Die strahlenden Augen ihrer Patientin versetzten Sarah noch in Zufriedenheit, als sie vor dem schäbigen Haus in den Tower Hamlets zu Albert in die Kutsche stieg. Wenn sie in den ärmeren Vierteln Londons unterwegs war, bestand Andrew darauf, dass sie nicht alleine ging, und Sarah hatte nie protestiert. In den Arbeitervierteln, besonders so nah an den Docklands, war es gefährlich. Menschen wurden praktisch im Minutentakt überfallen und ausgeraubt, oft sogar ermordet, und meist scherte sich niemand darum.
Es war mittlerweile völlig dunkel geworden, nur noch die Gaslaternen erhellten die Straßen und wieder einmal hing schwerer Nebel zwischen den Häusern. Die Anspannung in Sarah ließ nach, als die Kutsche über die Themsebrücke in Richtung Greenwich rumpelte und sie nickte ein. Erst als die Kutsche mit einem Ruck vor dem heimischen Stall zum Stehen kam, schreckte sie wieder auf.
»Wir sind da, Miss Sarah!« Albert grinste sie an. »Brauchen Sie mich heute noch, oder kann ich Feierabend machen, wenn ich das Pferd versorgt habe?«
Schmunzelnd sprang Sarah aus der Kutsche und nahm die Arzttasche in die Hand.
»Du kannst ruhig in den Pub gehen, Albert, mein Vater ist jetzt sicherlich zu Hause. Wenn noch etwas sein sollte, werden wir gemeinsam gehen.«
»Danke, Miss Sarah!« Albert verbeugte sich und zog höflich seinen Hut. »Ich wünsche eine gute Nacht.«
»Dir auch, Albert!«
Noch beschwingt von der erfolgreichen Entbindung ging Sarah ins Haus und lief durch die Eingangshalle. Sie wollte gleich ihrem Vater alles berichten und ihn um eine Anstellung für Helen bitten. Außerdem musste sie die Tasche wieder nachfüllen, falls es wieder einen Notfall geben sollte.
Auf halbem Wege hörte sie schon seine Stimme aus der Praxis im hinteren Teil des Hauses – und noch eine zweite. Dass so spät noch ein Patient im Haus war, war ungewöhnlich. Notfälle waren selten in der Lage, noch hierher zu kommen. Doch es war eindeutig jemand bei Andrew … und die Stimme kam ihr bekannt vor. Neugierig hielt Sarah den Atem an. Hatte sie sich getäuscht? Oder war ihr Verlobter bereits zurück? Ihr Herz begann so laut zu schlagen, dass sie glaubte, ihr Vater und sein Besucher müssten es hören können. Lautlos schlich sie näher und sperrte die Ohren auf. Sie wollte nicht kopflos ins Zimmer stürzen, um dann festzustellen, dass die Stimme nur der ihres Geliebten ähnelte.
Noch konnte sie nicht verstehen, was gesagt wurde, hörte nur Gemurmel und vermutete, dass ihr Vater Anweisungen zur Untersuchung gab. Jetzt jedoch erkannte sie ganz deutlich die Stimme von Francis Gordon.
Gerade wollte Sarah freudestrahlend die Tür öffnen und ihrem lange vermissten Verlobten um den Hals fallen, als sie die Stimme ihres Vaters hörte und auch verstand, was er sagte:
»Junger Mann. Sie haben die Syphilis.«