Die Olympischen Spiele im Kalten Krieg - Florian Zerfaß - E-Book

Die Olympischen Spiele im Kalten Krieg E-Book

Florian Zerfaß

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  • Herausgeber: GRIN Verlag
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2010
Beschreibung

Studienarbeit aus dem Jahr 2009 im Fachbereich Sport - Sportgeschichte, Note: 1,0, Johannes Gutenberg-Universität Mainz (Institut für Politikwissenschaft), Veranstaltung: Hauptseminar Sport & Politik, Sprache: Deutsch, Abstract: Die Olympischen Sommerspiele sind – neben der Fußball-Weltmeisterschaft – das wichtigste Sportereignis der Welt. Im Turnus von vier Jahren treffen sich die besten Sportler aus fünf Kontinenten, um ihre Kräfte zu messen. Rund um den Globus fiebern Milliarden von Menschen vor ihren Fernsehbildschirmen gebannt mit. Seit ihrer Premiere 1896 in Athen üben die Olympischen Spiele der Moderne eine gewaltige Faszination auf die Staaten dieser Welt aus. Von wenigen Ausnahmen abgesehen hat jeder neue Staat das Bestreben entwickelt, Mitglied der Olympischen Familie zu werden; mitunter sogar noch bevor die Anerkennung beim Völkerbund (beziehungsweise später den Vereinten Nationen) ersucht wurde. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts schließlich kann das Internationale Olympische Komitee (IOC) mehr Nationale Olympische Komitees (NOK) verzeichnen, als Staaten zu den Vereinten Nationen gehören. Hinter den Spielen steht eine Ideologie, die vielfältige Ziele verfolgt und in deren Mittelpunkt der Einsatz für den Frieden steht. Mit dem Ziel der Friedensförderung durch Verständigung sowie Erziehung zu Regeln und gegenseitiger Achtung weist der Olympismus Parallelen zum Idealismus als Theorie in den Internationalen Beziehungen auf, gleichwohl ist die Bedeutung von weltweiten Sportgroßereignissen in der internationalen Politik weitestgehend unerforscht. In der vorliegenden Arbeit wird die Rolle solcher Sportgroßereignisse in den internationalen Beziehungen beleuchtet. Hierzu wird zunächst ein konstruktivistisches Modell der internationalen Beziehungen vorgestellt und weiterentwickelt, um es empirisch auf globale Sportevents anwenden zu können. Die Relevanz solcher Sportereignisse im internationalen System wird anhand zweier Beispiele diskutiert, in denen die Olympischen Spiele zur Arena weltpolitischer Auseinandersetzungen wurden: Den Olympiaboykotts 1980 durch die USA und 1984 durch die Sowjetunion.

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Ähnliche


Inhaltsverzeichnis

 

1. Einleitung

2. Konstruktivistische Schlüsselkategorien

2.1 Identitäten

2.2 Interessen

2.3 Macht aus konstruktivistischer Perspektive

3. Die Olympischen Spiele der Neuzeit – Ideale und Geschichte

3.1 Baron Pierre de Coubertin und der historische Hintergrund

3.2 Die Ideale des Olympismus

3.3 Olympismus und Idealismus

3.4 Exkurs I: Die Attraktivität der modernen Olympischen Spiele für die Politik

4. Die Boykott-Spiele von 1980 und 1984 und ihre Hintergründe

4.1 Der Kern des Kalten Krieges

4.1.1 Der Kalte Krieg im Vorfeld der Olympia-Boykotts 1980 und 1984

4.1.2 Exkurs II: Kapitalismus, Kommunismus und Olympismus

4.2 Die Olympischen Sommerspiele 1980 in Moskau

4.3 Die Olympischen Sommerspiele 1984 in Los Angeles

5. Der Olympismus und die Olympia-Boykotts aus konstruktivistischer Sicht

6. Schlussbemerkungen

Literaturverzeichnis

Online-Quellenverzeichnis

Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist.

— Victor Hugo

1. Einleitung

Die Olympischen Sommerspiele sind – neben der Fußball-Weltmeisterschaft – das wichtigste Sportereignis der Welt. Im Turnus von vier Jahren treffen sich die besten Sportler aus fünf Kontinenten, um ihre Kräfte zu messen. Alle vier Jahre feiern sie ein buntes, fröhliches Fest, das vor Emotionen nur so sprüht – jede Auflage der Olympischen Spiele gebiert aufs Neue feierliche Zeremonien, tragische Niederlagen, großartige Triumphe, erlebt Favoritenstürze und Heldengeburten. Und rund um den Globus fiebern Millionen, vielleicht sogar Milliarden von Menschen vor ihren Fernsehbildschirmen gebannt mit.

Seit ihrer Premiere 1896 in Athen üben die Olympischen Spiele der Moderne eine gewaltige Faszination auf die Staaten dieser Welt aus. Von wenigen Ausnahmen abgesehen hat jeder neue Staat das Bestreben entwickelt, Mitglied der Olympischen Familie zu werden; mitunter sogar noch bevor die Anerkennung beim Völkerbund (beziehungsweise später den Vereinten Nationen) ersucht wurde. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts schließlich kann das Internationale Olympische Komitee (IOC) mehr Nationale Olympische Komitees (NOK) verzeichnen, als Staaten zu den Vereinten Nationen gehören (vgl. Jütting 2001: 80-81, 92).

Gleichwohl sind die Olympischen Spiele nicht bloß als ein vergnügliches Fest des Sports konzipiert worden. Hinter den Spielen steht eine Ideologie, die vielfältige Ziele verfolgt und in deren Mittelpunkt der Einsatz für den Frieden steht.In der Olympischen Charta heißt es: „The goal of the Olympic Movement is to contribute to building a peaceful and better world“ (IOC 2004: 9).Mit dem Ziel der Friedensförderung durch Verständigung sowie Erziehung zu Regeln und gegenseitiger Achtung weist der Olympismus Parallelen zum Idealismus in den Internationalen Beziehungen auf (vgl. dazu Kapitel 3.3 in diesem Beitrag).

Allen idealistischen Ansprüchen zum Trotz wurden die Olympischen Spiele mehrfach von Staaten zu einer Arena gemacht, in der sie ihre Feindseligkeiten austrugen. 1980 und 1984 wurden die Sommerspiele besonders offenkundig zum Schauplatz einer weltpolitischen Auseinandersetzung: Die Spiele 1980 in Moskau boykottierten, angeführt von den USA, eine Reihe westlicher Staaten; den Spielen 1984 in Los Angeles blieb, diesmal unter Führung der Sowjetunion, fast der gesamte Ostblock fern (vgl. Kluge 1999: 677-679, 895-897).

Vom hehren Ziel der Völkerverständigung waren die Spiele im Kalten Krieg weit entfernt. Filzmaier (2004) schreibt gar von „Olympischen Stellvertreterkriegen“, in denen West und Ost aufeinander prallten und dabei ihren Anti-Kommunismus respektive Anti-Kapitalismus hemmungslos auslebten. Westliche und östliche Staaten unternahmen für Siege so gewaltige Anstrengungen, dass diese für manche Wissenschaftler „Züge des militärischen Wettrüstens“ trugen (Lamprecht/Stamm 2001: 99). Doch weshalb haben die Olympischen Spiele solch eine starke Anziehungskraft? Woher kommt die Macht der Olympischen Idee?

Interessante Einblicke liefert ein „neuer Idealismus“ (Krell 2004: 345) – der Konstruktivismus als die Theorie der Internationalen Beziehungen, welche Ideen zurück auf die Bühne der Disziplin geholt hat. Einer der führenden Vertreter dieses neuen Idealismus, Alexander Wendt, spricht vom Konstruktivismus als „one form of structural idealism or ‘idea-ism’“ (Wendt 1994: 385) und beschreibt ihn als „a resurgent idealism that puts the question of ‘what difference do ideas make’ clearly on the table“ (Wendt 1999: 92).

Zunächst soll deshalb der Konstruktivismus dargestellt werden, welcher allerdings keineswegs eine uniforme Theorie der Internationalen Beziehungen ist, sondern ein facettenreiches Paradigma (vgl. nur die Übersicht von Adler 2002). Diese Arbeit stützt sich wesentlich auf Alexander Wendt, der seine Theorie als „moderate constructivism“ bezeichnet (so u.a. bei Wendt 1999: 110), in Abgrenzung zu radikaleren Theorien, die auch „kritisch“ oder „reflexiv“ genannt werden. Somit bietet sich Wendts Theorie als „via media“ an (Ulbert 2003: 413) – sie teilt die essentiellen Prämissen des Konstruktivismus, ohne sich so radikal wie andere Ansätze von der etablierten Disziplin abzugrenzen.

Anschließend werden Geschichte und Inhalte des Olympismus sowie dessen Beziehung zum Idealismus betrachtet. Hernach geht es um die Boykott-Spiele in Moskau und Los Angeles sowie deren Hintergründe – um den Kalten Krieg als globalen Gesamtkontext und um die Ereignisse im Vorfeld der Spiele von 1980 und 1984. Schließlich wird mit Hilfe des Konstruktivismus gezeigt, weswegen die Supermächte die Spiele boykottierten. Das Wort „Boykott“ wurde dabei offiziell nie verwendet, weder 1980 von amerikanischer noch 1984 von sowjetischer Seite (vgl. Hill 1992: 120; Shaikin 1988: 47-48).

Die Wahl des Konstruktivismus als theoretischer Rahmen erfordert an dieser Stelle eine Bemerkung zur Vorgehensweise und zum analytischen Ziel dieser Arbeit. Den vielfältigen Ansätzen, die unter der Bezeichnung Konstruktivismus gebündelt werden, ist eines gemeinsam: Sie verfolgen nicht das positivistische Ziel, auf der Grundlage eines deduktiv-nomologischen Erklärungsmodells aus allgemeinen Gesetzen Kausalerklärungen abzuleiten. Konstruktivisten interessieren sich nicht oder nicht nur für dieses „Erklären“, sondern besonders für das „Verstehen“ – für die Rekonstruktion der Wirklichkeit durch Interpretation der Prozesse, in denen sie sozial konstruiert wurde (vgl. Ulbert 2005: 20).

2. Konstruktivistische Schlüsselkategorien

 

Wendts konstruktivistische Theorie, mit der hier gearbeitet wird, ist selbst zu vielschichtig, um sie in allen Facetten darzustellen. Der Schwerpunkt liegt auf der Darstellung der konstruktivistischen Analysekategorien, die für diese Arbeit benötigt werden. Im Mittelpunkt konstruktivistischer Analysen stehen Ideen. In seinem Hauptwerk Social Theory of International Politics wirft Alexander Wendt gar die Frage „Ideas all the way down?“ auf – so die Überschrift des dritten Kapitels (Wendt 1999: 92).