Die Paten der Liga - Kai Psotta - E-Book

Die Paten der Liga E-Book

Kai Psotta

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Beschreibung

Dieses Buch gewährt Einblick in die Geheimverhandlungen in den Hinterzimmern der Bundesligaklubs: Berater, Spieler und Vereinsbosse erzählen ungeschönt von ihren Erfahrungen auf dem Transfermarkt, man erfährt von schmutzigen Tricks, geheimen Absagen und heuchlerischen Dementis. Aber es werden auch unglaubliche Erfolgsgeschichten von Beratern erzählt, die ihre Schützlinge durch geschickte Transfers zu Großverdienern und gefeierten Stars machen. Der Sportjournalist Kai Psotta berichtet über die Hintergründe der millionenschweren Transfers, er hat Zugang zu geheimen Dokumenten, lässt zahlreiche Insider zu Wort kommen und deckt auf, was abseits des Spielfelds abläuft. Ein Muss für jeden Fußballfan!

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www.piper.de

ISBN 978-3-492-96866-9

Januar 2016

© Piper Verlag GmbH, München/Berlin 2015

Litho: Lorenz & Zeller, Inning am Ammersee

Covergestaltung: Büro Jorge Schmidt, München

Covermotive: Getty Images (Rasen, Ball), Corbis (Koffer)

Datenkonvertierung: hanseatenSatz-bremen, Bremen

Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken. Die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ist ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.

Prolog

Jedes Jahr wieder, im Sommer und Winter, findet in der Bundesliga ein bizarres Millionenspiel statt. Mit neuen Akteuren rüsten die Manager und Trainer ihre Mannschaften im Kampf um Titel, Träume und Trophäen auf. Sie fliegen um die Welt, um die Stars und vor allem zunächst deren Berater zu bezirzen. Es wird fürstlich gespeist, geschleimt und nicht selten auch gelogen – wie wir sehen werden –, ehe am Ende Millionen von Euro hin- und hergeschoben werden.

Ein neuer Star kann Meisterschaften entscheiden, ein Flop den Verein in finanzielle Turbulenzen stürzen. Und schafft es ein Manager einmal nicht, seinem Trainer den Wunschspieler zu beschaffen, können auch vermeintliche Männerfreundschaften, sofern es sie denn in diesem knallharten Geschäft gibt, zerbrechen und zu einem Zickenkrieg führen, wie es ihn selbst unter Frauen im Streit um ein Paar Schuhe nur selten gibt.

Transfers erzeugen Wut bei den einen, Glückseligkeit bei den anderen. Dortmunds Hans-Joachim Watzke wetterte im Winter 2013 gezielt und wohlüberlegt gegen die bayerische Einkaufspolitik: »Jetzt schlagen sie zurück. Sie wollen uns zerstören. Nicht dahingehend, dass sie uns menschlich kaputtmachen wollen, weil sie uns nicht mögen, sondern um uns dauerhaft als direkten Konkurrenten auszuschalten, indem sie sich an unseren Spielern bedient haben. Damit wir nie wieder eine Gefahr für sie darstellen.« Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. »Watzke versucht, den Fans Sand in die Augen zu streuen und ihnen das Märchen vom bösen FC Bayern vorzugaukeln. Und damit von eigenen Fehlern und Unzulänglichkeiten abzulenken. Wir haben noch nie Spieler verpflichtet, um den Gegner zu schwächen – sondern um selber besser zu werden. Denn das ist unsere Verpflichtung«, entgegnete Paul Breitner, der Weltmeister von 1974 und fünfmalige Deutsche Meister mit den Bayern, der jetzt Markenbotschafter der Münchner ist. »Wir sind eine Firma. Und wir müssen uns stetig verbessern. Dazu holen wir eben die besten Spieler national – wie Neuer, Götze oder Lewandowski – und auch international – wie beispielsweise Thiago.«

Mal führt ein Transfer zum Zoff zwischen Bayern und Dortmund. Mal knallt es zwischen Bayern und Schalke, wie beim Kauf von Manuel Neuer, als vehement und heftig über Mondpreise für einen Torwart diskutiert wurde. Und natürlich ist jenseits der Bundesliga längst nicht Schluss mit Sprengstoff, wie die Beispiele von Toni Kroos, Cristiano Ronaldo oder Neymar in diesem Buch noch zeigen.

Nichts ist spannender und emotionaler als das Transfergeschäft mit all seinen lauten und leisen Nebengeräuschen und geheimen Aktivitäten. In den Hochzeiten der Wechselbörse wird spekuliert und halluziniert. Immer mittendrin: die Spielerberater! Sie ziehen die Fäden im Hintergrund. Sie betreiben ein seltsames, manchmal undurchsichtiges Spiel. Und haben gehörige Imageprobleme.

Ihr Ruf jedenfalls ist schlimmer als der von Immobilienmaklern und Autoverkäufern zusammen. Von Fußballfans auf der ganzen Welt werden Spielerberater verachtet, oft sogar gehasst. Kinder und Jugendliche wollen Arzt werden oder Anwalt, manche auch Journalisten. Dass je ein Kind Spielervermittler als Traumberuf äußerte, ist nicht übermittelt. Auch positive Schlagzeilen über diesen Berufsstand sind nicht bekannt. Dafür ist das öffentlich gezeichnete Bild in den Medien verheerend. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schrieb einmal: »Die einen nennen sie Blutsauger, die anderen notwendiges Übel. Wenige Berufe in Deutschland haben einen so schlechten Leumund wie der des Spielervermittlers. Geldgierige Manager spielen mit fragwürdigen Methoden Vereine und Spieler gegeneinander aus – mit dem Ziel der persönlichen Gewinnmaximierung. Und es gibt genug schlechte Beispiele, die für dieses Bild die Vorlage liefern. Die Fälle sind bekannt und verbürgt, in denen Fußballprofis zu Vereinswechseln überredet wurden, die ihrer sportlichen Karriere schadeten, nur weil dem Berater eine besonders dicke Provision winkte. Wo Vermittler mehr Provision für sich aushandelten, als ihre Kunden im Jahr dann bei ihrem neuen Klub verdienten. Wo Spielermanager für ihren Mandanten monatelang nicht mehr zu sprechen waren, weil es an ihm scheinbar nichts mehr zu verdienen gab (…). Im Fußballgeschäft winkt viel Geld, es lockt nicht nur moralisch gefestigte Menschen an.«

Als »Geschäfte in der Grauzone« bezeichnet Die Welt die Arbeit einiger Berater, für die Berliner Zeitung ist ihr Vorgehen oft mit »schmutzigen Tricks« verbunden. Im Sommer 2013 erhielt Cezary Kucharski, der Agent von Robert Lewandowski, von der Süddeutschen Zeitung den Titel »Nervigster Berater der Welt« verpasst. Er bringe die Branche mal wieder in Verruf, urteilte die Berliner Morgenpost in einer Geschichte über die »schmuddeligen Paten des Fußball«. Weiter hieß es: »Es geht um Geld, Macht und darum, jemanden über den Tisch zu ziehen.«

Die Branche weiß um ihren schlechten Ruf. »Wenn man im Berufsbild Spielervermittler aktiv ist, darf man nicht sensibel sein. Wir werden natürlich nicht gerade angesehen wie Krankenschwestern«, sagt Christian Rapp, Geschäftsführer bei Rogon Sportsmanagement. Auch Christoph Schickhardt, ein Sportrechtler und Anwalt aus Ludwigsburg, will nichts schönreden: »Es tummeln sich in diesem Geschäft Scharlatane der schlimmsten Kategorien, aber auch seriöse Profis.« Rund 25 Prozent beraten nach seiner Einschätzung gut, »vierzig Prozent schlecht und der Rest ist unseriös«. Für Thomas Kroth, der 1995 die Agentur PRO Profil gründete, sei die »Branche nicht per se schmutzig, aber im Einzelfall versaut«. Und Volker Struth, Geschäftsführer von SportsTotal und derzeit als Berater von Mario Götze und Toni Kroos sicherlich einer der Einflussreichsten in der Branche, sagt: »In dem Geschäft geht es um viel Geld. Da kommen die ausgeprägtesten Eigenschaften des Menschen häufiger zum Vorschein: Neid und Missgunst. Es ist wie in jeder Branche: Es gibt Gute und Schlechte.«

Zwischen denen gilt es zu unterscheiden. »Mir werden in der Transferperiode jeden Tag mindestens zehn Spieler angeboten«, sagt Martin Bader, langjähriger Sportdirektor und Präsidiumsmitglied beim 1. FC Nürnberg, inzwischen bei Hannover 96. Seine nüchterne Einordnung: »Mit Beratern zu reden ist mein tägliches Geschäft. Spielerberater sind ein enormer Wirtschaftsfaktor im Profifußball geworden.«

284 Millionen Euro gaben die Bundesligaklubs im Sommer 2014 für neue Spieler aus. So viel Geld wie nie zuvor. Mehr als 26-mal so viel wie 1978. Damals waren die 2,5 Millionen Mark, die Bayern München für Paul Breitner an Braunschweig überwies, eine Wahnsinnssumme. Köln bekam für 265 000 Mark gleich vier Spieler (Bernd Schuster, Pierre Littbarski, Thomas Kroth und Jürgen Mohr). Längst Vergangenheit! Dabei ist die Bundesliga selbst mit ihren heutigen Investitionen weit entfernt von der Spitze in Europa. Die 284 Millionen reichten gerade mal für Platz vier. In England, dem Spitzenreiter, wurden im Sommer 2014 gigantische 1,03 Milliarden Euro ausgegeben. Die »Ware Fußballstar« ist gefragt wie nie zuvor. Der Transfermarkt boomt. Und damit auch das Beraterbusiness.

Was ist dran am schlechten Image der Spielerberater? Sind es wirklich skrupellose Menschenhändler? Blender, die talentierte Kinder mit Karriereversprechen locken und anschließend wie Marionetten nach ihrem Willen tanzen lassen? Oder sind es vielleicht doch bloß geschickte Trüffelsucher? Relevante Karrierehelfer? Mächtige Marktteilnehmer? So klar und einfach ist es sicher nicht. Das Bild dieser Branche lässt sich nicht in Schwarz und Weiß zeichnen, wie so oft gehören auch hier viele Grautöne dazu – und die wollen wir uns im Folgenden genauer ansehen. Dabei stoßen wir schnell auf viele offene Fragen. Warum lassen sich überhaupt hochrangige Vereinsmanager, gestandene Männer mit viel Macht, Geld und Renommee, darauf ein, sich mit dem vermeintlichen Teufel an einen Tisch zu setzen und zu verhandeln? Wie skrupellos, gerissen und geldgierig sind sie wirklich? Wie funktioniert das Geschäft mit den Transfers genau?

Die Trainerlegende Alex Ferguson versuchte die Eigenarten des Fußballbusiness in seinem lesenswerten Buch Meine Autobiografie so auszudrücken: »Einige Leute versuchen, übliche Geschäftsprinzipien auf den Fußball anzuwenden, und vergessen dabei, dass sie es nicht mit Drehbänken oder Fräsmaschinen zu tun haben, sondern mit einer besonderen Konstellation von Menschen. Das ist der Unterschied.«

»Fußball ist wie Kino«, sagte einmal Dante, der brasilianische Nationalspieler und Champions-League-Gewinner mit Bayern München. Er hat den Sprung von Brasilien in die Bundesliga geschafft. Wie schwer es ist und wie skrupellos mit Talenten umgegangen wird, zeigte Regisseur Jens Hoffmann in seinem eindrucksvollem Film »Mata, Mata«. Dante selbst gehört dabei zu den umjubelten Stars, über die nahezu alles bekannt ist. Nicht so über die Hintermänner der Stars. Sind sie, um im Kinojargon zu bleiben, die Bösewichte?

Dieses Buch gibt tiefe Einblicke in die Hinterzimmer der Bundesliga. Es erzählt von Transfers, Millionendeals und vom Kampf um Ausstiegsklauseln. Offen wie nie erzählen Berater von sich, ihrem Antrieb und ihren Vorgehensweisen. Manager packen aus. Spieler erzählen, wie sie angeworben wurden und welche Erfahrungen sie mit Beratern machten. Es sind Meisterspieler und Meistermacher, die sich bereiterklärt haben auszupacken. Der Gewissenskonflikt von Eltern wird aufgezeigt, die nicht wissen, ob sie ihren talentierten Sohn in die Obhut eines Beraters abgeben sollen. Eine Mutter beichtet, wie sie mit ihrem Mann stritt, weil sie uneins waren, was das Beste für ihren Jungen war.

All diese Gespräche wurden mit einem Tonband aufgezeichnet, hinterher wörtlich abgeschrieben und die Papiere sowie Dutzende vorhandene Verträge in einen Tresor gelegt. Die Geschichten, die Geständnisse, die Erzählungen sind echt, doch die Namen einiger – wohlgemerkt nicht aller! – Gesprächspartner, die ihr Insiderwissen preisgeben, müssen geheim bleiben. Andernfalls wäre das Risiko für alle Seiten zu hoch.

So schrieb etwa ein hochrangiger Funktionär nach einem eineinhalbstündigen Vorgespräch zu diesem Buchprojekt: »Lieber Herr Psotta, ich bin Ihnen noch eine Antwort schuldig, ob Sie mit meiner Hilfe rechnen können oder nicht. Ich möchte das nicht machen, was aber nichts mit Ihrer Person zu tun hat. Ich habe Sorge, dass ich als Informant enttarnt werde und mir meine Offenheit irgendwann auf die Füße fallen könnte.«

Kein Vereinsboss würde sich mit einem Berater, der Insiderinformationen verraten hat, an einen Tisch setzen. Spieler könnten sich von ihren Agenten abwenden, weil sie das Vertrauen verlieren. Und vor allem würde kein wahres Bild entstehen, würden alle Informanten namentlich bekannt werden. Dann bestünde die große Gefahr, dass geschönt, ausgespart oder gelogen würde. Doch wie sagte Oscar Wilde so schön: »Der Mensch ist am wenigsten er selbst, wenn er in eigener Person spricht. Gib ihm eine Maske, und er sagt die Wahrheit.«

Und so kann nun, nach sehr vielen aufrichtigen Gesprächen und intensiven Recherchen, ein Bild gezeichnet werden, das wahr ist. Das echte Bild einer Branche, die irreal und verrückt scheint. Deren Akteure, zumindest die Big Player, in den teuersten und vornehmsten Restaurants verkehren. Die für wichtige Deals in Privatjets reisen. Eine Branche, zu der aber auch Klinkenputzen, menschliche Enttäuschungen und gebrochene Worte gehören. Die Welt der Spielerberater ist eine der spannendsten im Sport, aber auch eine der verlogensten!

Sie halten, liebe Leser, hier nun das Taschenbuch in der Hand. Das Hardcover ist im Januar 2015 erschienen. Seither stand der Transfermarkt natürlich nicht still. Es gab viel Bewegung. Dante hat die Bayern Richtung Wolfsburg verlassen. Jürgen Klopp ist nicht mehr Trainer von Dortmund, sondern inzwischen in England für die Geschicke von Liverpool zuständig. Shaqiri hat die Bayern ebenfalls verlassen, ist über Inter Mailand bei Stoke City gelandet. Jannik Vestergaard wechselte von Hoffenheim nach Bremen, um nur einige Beispiele zu nennen. Auch im Winter 2015/16 werden reihenweise Transfers stattfinden, die dieses Buch in der Aktualität überholen können. Doch auch wenn vereinzelte Dinge in diesem Buch daher nicht mehr ganz aktuell sind, so bleibt es für Sie dennoch eine hochinteressante Lektüre: eine Transfer-Fibel, die Ihnen anhand zahlreicher Beispiele aufzeigt, wie Berater arbeiten.

1

»Dieses Geschäft verlangt es, die Wahrheit auch mal eine Zeit lang unter der Decke zu halten«

Mino Raiola, Zlatan Ibrahimović & Co.

Otto von Bismarck, der wohl einflussreichste deutsche Politiker des 19. Jahrhunderts, hat einmal gesagt: »Es wird niemals so viel gelogen wie vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd.« Hätte der erste deutsche Reichskanzler siebzig, achtzig oder hundert Jahre später gelebt, hätte er sich wohl zwangsläufig anders ausgedrückt. Dann wäre er nicht umhingekommen, in seine Aufzählung den Fußball und insbesondere die Machenschaften von Vereinsmanagern und Spielerberatern während der Transferphasen aufzunehmen. Denn hier wird mindestens so viel gelogen wie vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd.

Manager lügen. Trainer lügen. Spieler lügen. Unverfroren. Ohne mit der Wimper zu zucken. Vertreter von großen Klubs ebenso wie die von kleinen. Nicht nur in Gesprächen unter vier Augen. Auch per Mail oder in SMS-Nachrichten, sodass es die Beweise für die Lügen sogar schwarz auf weiß gibt. Diesen Fakt muss man sich immer vor Augen führen, wenn man dieses Geschäft verstehen will. Jede Aussage, ganz gleich von wem sie getroffen wird, muss hinterfragt werden. Es wird ständig gelogen. Die Lüge ist zum gängigen Mittel geworden. »Manchmal muss man als Chef auch lügen«, gab einmal José Mourinho, einer der erfolgreichsten Trainer der Welt, zu und nannte auch gleich ein Beispiel, das sich in diesem Fall zwar nicht auf Transfers bezieht, aber dennoch eine hohe Aussagekraft hat: »Erkenne ich etwa, dass einer meiner Spieler sich vor einem Gegner oder einem Spiel fürchtet, beruhige ich ihn und sage: ›Der Gegner ist gar nicht so stark, und das Spiel ist gar nicht so entscheidend.‹ Das ist natürlich gelogen. Doch was würde die Wahrheit in dem Moment nützen? Da ist es besser zu lügen, um eine Reaktion zu provozieren.«

Die Liste solcher Lügen ist lang. Ein Beispiel aus der Praxis: »Da sind Sie leider völlig falsch informiert«, schrieb ein Manager auf eine Journalistenanfrage. Der hatte den Tipp bekommen, dass ein neuer Stürmer gefunden und bereits am Tag der Anfrage für den obligatorischen Medizincheck in der Stadt sei. Die Quelle war sehr gut. Der Informant hatte sich über Jahre hinweg als zuverlässiger und seriöser Tippgeber entpuppt. Dementsprechend wollte der Journalist den Transfer für die Ausgabe am nächsten Tag als perfekt vermelden, bestenfalls mit einem Zitat und der offiziellen Bestätigung des Managers. Die bekam er allerdings nicht, sondern musste in der E-Mail des Managers weiter lesen: »Wir sind noch weit von einer Vertragsunterschrift entfernt. Der von Ihnen genannte Stürmer wird es wohl nicht werden. Die Chance liegt unter dreißig Prozent. Wir haben ganz andere Kandidaten auf unserem Wunschzettel.« Am nächsten Tag wurde die Verpflichtung des Stürmers auf der Vereinshomepage und per Pressemitteilung vermeldet. Fast schon Alltag im Nachrichtenwettlauf zwischen Vereinen und Journalisten.

Ähnlich frech war die Antwort von Mino Raiola, dem Berater von Mark van Bommel. Als im Winter 2010/11 Gerüchte aufkamen, der damalige Bayern-Kapitän verlasse den Verein, schrieb Raiola eine SMS, um die Anfrage, wie hoch die Wahrscheinlichkeit sei, dass van Bommel auch in den kommenden sechs Monaten noch in München spiele, zu beantworten: »Zu 99 Prozent.«

Eine relativ klare Ansage, sodass es am nächsten Tag in den Zeitungen hieß: »Der Kapitän bleibt zunächst an Bord: Mark van Bommel wird bis Saisonende für den FC Bayern auflaufen. Ein Wechsel in der Winterpause zum VfL Wolfsburg oder zu einem anderen Klub scheint damit vom Tisch zu sein.« War er aber nicht. Nur sehr kurze Zeit später wickelte Raiola den Wechsel von van Bommel zum AC Mailand ab.

Seine 99-Prozent-Aussage war zu 99 Prozent gelogen. Dabei waren zur Zeit der SMS-Antwort die Verhandlungen schon sehr weit vorangeschritten. Es galt nur noch, wie sich später herausstellte, Nuancen zu klären. Von einem Verbleib van Bommels war nicht mehr auszugehen. Trotzdem behauptete es Raiola. Dass er dabei log, war ihm zu 100 Prozent egal. Die Turiner Tageszeitung La Stampa hat ihn einmal als den »fürchterlichen Raiola« bezeichnet. Er sei »viel mehr und viel gefährlicher als ein Berater« schrieb La Repubblica. Es gibt Porträts über ihn, die unter der Überschrift »Der verhasste Berater« stehen. Wenn er meint, dass es sein muss, legt er auch bei hochrangigen Vereinsmanagern die Füße auf den Schreibtisch, um ihnen zu zeigen, was er vom unterbreiteten Angebot für seinen Spieler hält. »Raiola ist eine schreckliche Nervensäge«, befand Aurelio De Laurentiis, ein italienischer Filmproduzent, der seit 2004 auch Präsident des SSC Neapel ist.

Raiola stammt aus einfachen Verhältnissen. Der Süditaliener wächst in Salerno, bei Neapel auf. Dann ziehen seine Eltern, Raiola ist gerade mal ein Jahr alt, in die Niederlande nach Haarlem, wo sie die Pizzeria »Palladium« eröffnen, wo auch einige Stars von Ajax Amsterdam ein- und ausgehen. Als Kind muss Raiola im Laden putzen, Teller abspülen, auch als Bedienung helfen. Als er älter wird, kümmert er sich auch um die Finanzen des Restaurants. Bis zu seinem achtzehnten Lebensjahr spielt er in der Freizeit Fußball, betreut zudem eine Jugendmannschaft in Haarlem. Später beginnt Raiola, Jura zu studieren, weil seine Mutter will, dass er Anwalt wird. Sein Wunsch war es nie, wie er später zugab. »Ich finde es besser, viel Geld zu verdienen und sich einen Anwalt zu kaufen«, so Raiola. Er schmeißt das Studium hin, lernt weiter Sprachen. Darin ist er begabt. Heute spricht er Italienisch, Niederländisch, Französisch, Englisch, ein bisschen Deutsch, Spanisch, Portugiesisch und natürlich Neapolitanisch.

In der Pizzeria knüpft er Kontakte zu einigen Ajax-Stars, lernt sie kennen und bietet sich als Übersetzer an. Auch der Präsident von Haarlem kommt regelmäßig zum Essen zu den Raiolas. Meist sitzt er freitags an immer dem gleichen Tisch. An einem Tag nimmt der junge Raiola all seinen Mut zusammen und spricht ihn voller Überzeugung an. »Ich sagte ihm, dass er keine Ahnung von Fußball hätte.« Er wiederholt diesen Vorwurf noch weitere Male, bis der Präsident sich Raiola schnappt und sagt: »›Hör zu, dann versuch du es doch.‹ Er machte mich zum Sportdirektor.« Raiolas Einstieg ins Fußballbusiness.

1993 macht er seinen ersten Transfer. Er bringt Bryan Roy von Amsterdam in die süditalienische Provinz Foggia. Im gleichen Jahr wechselt Dennis Bergkamp von Amsterdam zu Inter Mailand – für 17,5 Millionen Euro Ablöse. Feinde nennen Raiola despektierlich »il Pizzaiolo«, den Pizzabäcker, obwohl er noch nie, so beteuert er bis heute, selbst eine Pizza gemacht hat.

Transfers allerdings macht er. Und er macht auch Lazio Roms Trainer Zdeněk Zeman auf Pavel Nedvěd aufmerksam. Der holt den Tschechen für 3,5 Millionen. Später wechselt Nedvěd für gigantische 41,5 Millionen zu Juventus Turin. Dorthin wechselt 2004 auch Zlatan Ibrahimović nach harten Verhandlungen. Um den Wechsel von Ajax durchzukriegen, ist Raiola jedes Mittel recht. »Morgen bleibt Zlatan den ganzen Tag zu Hause, ich schicke ihn nicht zum Training«, verspricht Raiola am Telefon dem skandalträchtigen Juve-Manager Luciano Moggi. Das Gespräch wird im Zuge von Ermittlungen abgehört. Raiola sagt weiter: »Ich habe um zwölf Uhr ein Treffen mit den Ajax-Verantwortlichen, komme aber erst um vierzehn Uhr. Mach dir keine Sorgen, wir bringen ihn nach Turin.«

Raiola hält Wort. Wenn er etwas will, ist er skrupellos. Er spielt seine Macht aus – für seinen Geldbeutel und den seiner Klienten. »Ich bin niemals einen Kompromiss eingegangen. Ich arbeite ausschließlich im Interesse meiner Klienten, und ich habe ihnen gegenüber eine große Verantwortung. Ich habe nie unangemessene Mittel angewandt oder Mittel, die ich persönlich für nicht angemessen halte … Die ›alten‹ Berater haben die Interessen der Vereine höher angesiedelt. Bei mir kommt der Spieler an erster Stelle.«

2006 wechselt der schwedische Superstürmer zu Inter, wird dort mit einem Jahresgehalt von zwölf Millionen Euro für lange Zeit zum bestbezahlten Fußballer der Welt. Raiola kassiert – so wird hinter vorgehaltener Hand behauptet – fünf Millionen Provision.

Das Duo funktioniert. Ibrahimović, das Einwanderer- und Scheidungskind, dessen Vater gerne trank, dessen Mutter als Putzfrau schuftete, um die Familie durchzubringen, ist ein fauler Schüler, ein begabter Fahrraddieb und ein besessener Straßenfußballer. Für ihn ist Raiola »ein Genie«, ein »wunderbarer, dicker Idiot« – er meint es als Lob. »Ich rufe Mino wegen allem und jedem an. Wir planen die smarten und weniger feinen Tricks immer zusammen. Mino ist meine Schutzmauer. Er ist ein Fuchs. Er kennt alle Tricks.«

Raiola widerspricht mit seiner Art, sich auszudrücken, oft seinem fragwürdigen Erscheinungsbild. So schwerfällig sein Schritt ist, so groß und kugelrund sein Bauch, so genial ist seine Rhetorik. Er vergleicht seine Spieler schon mal mit Gemälden von Salvador Dalí oder Leonardo da Vinci. Über den Wechsel von Ibrahimović zu Paris Saint-Germain, der Jahre später Wirklichkeit wird, sagt er: »Nun haben wir Frankreichs Hauptstadt neben der Mona Lisa eine zweite Attraktion beschert.« Doch bis dahin ist es ein langer Weg.

Am Anfang seiner Karriere, so beschreibt es der Schwede in seiner wunderbaren Autobiografie Ich bin Zlatan Ibrahimović, dachte er, »Agenten seien Diebe«. So war es ihm als unerfahrenem, aufstrebendem Talent von Hasse Borg, dem Sportdirektor des schwedischen Vereins Malmö Fotball Förening, eingetrichtert worden. Als Ajax Amsterdam auf Ibrahimović aufmerksam wurde, war es Borg, der für ihn verhandelte. 2001 kamen Amsterdams Trainer Co Adriaanse und Sportdirektor Leo Beenhakker nach La Manga, Spanien, ins Trainingslager, um den Stürmer zu sehen. »Es war die reinste Invasion«, erinnert sich Ibrahimović, für den ein Testspiel gegen eine norwegische Mannschaft anstand. Er traf gegen Moss FK, und Leo Beenhakker jubelte: »Ich will diesen Burschen auf der Stelle treffen.«

Dieser Wunsch wurde ihm in einem Hotel in Malmö erfüllt. »Ich war nicht die Spur vorbereitet. Ich wusste nichts darüber, was Fußballer verdienen oder wie viel Steuern man in Holland bezahlt. Ich hatte wirklich niemanden, der für mich sprach oder meine Interessen vertrat. Ich war neunzehn Jahre alt und wusste nichts von der Welt.«

Hasse Borg handelte für Ibrahimović ein monatliches Gehalt von rund 18 000 Euro aus, das Vierfache von dem, was er zuvor verdient hatte. Malmö kassierte von Ajax zehn Millionen Euro Ablöse. Erst viel später erkannte Ibrahimović, dass Borg ihn über den Tisch gezogen hatte. Er verdiente mit Abstand am wenigsten aller Ajax-Spieler, obwohl er mit der Intention des Vereins gekauft worden war, der neue Marco van Basten zu werden. Der war Hollands Superstar unter den Stars gewesen, hatte bei der Europameisterschaft 1988 ebenfalls Mannschaftskollegen wie Ruud Gullit oder Frank Rijkaard, beide selbst Weltstars, überstrahlt. Van Basten war Europameister 1988, Weltfußballer des Jahres 1992. Zwischen 1982 und 1987 hatte er in 133 Spielen für Amsterdam 128 Tore gemacht und dreimal die niederländische Meisterschaft geholt. Nun also sollte Ibrahimović, für eine historische Ablöse und mit Minigehalt aus Schweden geholt, sein Nachfolger werden.

»Ich war fertig mit Hasse Borg. Ich verzeihe ihm nicht. Man verhält sich nicht so gegenüber einem jungen Burschen aus dem Vorort, der von derlei Dingen keine Ahnung hat. Man tut nicht so, als wäre man eine Art Extravater, und sucht gleichzeitig nach jeder Möglichkeit, ihn über den Tisch zu ziehen. Er tat so, als wäre er auf meiner Seite, aber in Wirklichkeit arbeitete er ausschließlich für Malmö«, sagte Ibrahimović. »Ich besorgte mir einen Agenten, denn so viel hatte ich inzwischen begriffen: Agenten sind keine Diebe. Ohne einen Agenten hast du keine Chance. Ohne Hilfe stehst du da und wirst von den Anzugheinis verschaukelt.« Ibrahimović arbeitete zunächst mit dem Agenten Anders Carlsson, über den er aber schnell feststellen musste: »Ein Junge, der nie sein Kaugummi auf die Straße spuckt oder Grenzen überschreitet.«

Doch genau so einen Typen braucht Ibrahimović. Er ist großspurig, großkotzig, droht vor Selbstvertrauen zu platzen. »Ich muss schreien und mich ausleben«, sagte der Schwede einmal über seinen Charakter. Und: »Ich habe etwas für Typen übrig, die bei Rot fahren.« Wenn jemand ihm droht, ihm Sätze wie »if you fuck with me, I will fuck you two times back« an den Kopf wirft, schüchtert ihn das nicht ein, im Gegenteil: So etwas flößt ihm Respekt ein, so etwas imponiert Ibrahimović.

Carlsson passte nicht zu ihm. Dabei ist gerade das entscheidend. Michael Becker, der als Berater die Weltkarriere von Michael Ballack lenkte, sagte einmal: »Jeder Spieler hat den Berater, den er verdient.« Das mag, oberflächlich gesehen, anmaßend klingen. Ist aber im Kern eine durchaus richtige Aussage.

Nur welchen Typ Berater verdient jemand wie Ibrahimović? Als er selbst einen befreundeten Journalisten um Rat fragt, ob er einen passenden Berater kenne, empfiehlt der ihm die Agentur von David Beckham. Falls ihm die nicht gefalle, könne er ihm nur noch einen Typen, eine Art »Mafioso« raten. Der Journalist meint Mino Raiola. »Ich wollte gekauft werden und einen guten Vertrag bekommen. Über Mino hieß es, er sei auf dem Weg nach oben und vollkommen furchtlos und bereit, mit allen erdenklichen Tricks zu arbeiten. Deshalb nahm ich mir vor, diesem Mino zu imponieren.«

Ibrahimović fährt zum vereinbarten Treffen im Porsche vor. Am Handgelenk trägt er seine protzigste Golduhr, dazu hat er sich in eine Lederjacke von Gucci geworfen. Doch anstatt bewundernd zu Ibrahimović aufzuschauen, blafft Raiola ihn verachtend an: »Glaubst du, du kannst mir imponieren mit deiner Uhr, deiner Jacke und deinem Porsche? Nicht im Geringsten. Ich finde das nur lächerlich.« Raiola hatte Zettel vorbereitet, auf denen er die Torstatistiken von anderen Spielern aufgelistet hatte. »Christian Vieri, 27 Spiele, 24 Tore«, stand da etwa. Oder: »Filippo Inzaghi, 25 Spiele, 20 Tore.« Hinter Ibrahimovićs Namen stehen zu diesem Zeitpunkt lediglich fünf Tore in 25 Spielen.

»Willst du der Beste der Welt werden oder der sein, der am meisten verdient?«, fragt Raiola bewusst provozierend. Wenn Ibrahimović nur aufs Geld aus sei, werde es nichts. »Wenn du mit mir arbeiten willst, musst du tun, was ich sage.« Und dann poltert Raiola: »Du solltest deine Autos verkaufen. Du solltest deine Uhren verkaufen. Und du solltest anfangen, dreimal so hart zu trainieren. Du bist nicht der Beste. Du bist scheiße. Du bist niemand. Du musst härter arbeiten. Denn deine Statistik ist der letzte Dreck.«

Plötzlich hat Ibrahimović, der Mann der großen Töne, denjenigen gefunden, der »Grenzen überschreitet« und »sein Kaugummi auf die Straße spuckt« – sogar direkt vor die Füße des extrovertierten Schweden. »Ich ziehe meinen Stil durch. Mir ist egal, was die Leute sagen, und ich habe mich unter Ordnungsmenschen noch nie wohlgefühlt«, sagte Ibrahimović mal über sich. Doch offenbar ist es ihm nicht egal, was Raiola ihm sagt. Als der ihn sogar auffordert, seine Protzspielzeuge abzugeben, folgt Ibrahimović seinen Anweisungen. »Mino ist natürlich kein Mafioso. Er macht nur auf Mafioso, das ist sein Stil«, weiß er. Und der gefällt ihm. Er gibt tatsächlich seinen Porsche Turbo ab. Und trainiert fortan wie besessen. Raiola macht Ibrahimović zum Kämpfer und zieht selbst hinter den Kulissen die Fäden einer einzigartigen Karriere. Mal verhandelt er in VIP-Räumen am Flughafen von Monaco, dann benutzt er Silvio Berlusconi, den viermaligen italienischen Ministerpräsidenten, der zwischen 1986 und 2004 sowie 2006 und 2008 Präsident von AC Mailand war, oder dirigiert die Bosse von Barcelona durch die Gegend.

»Es gibt ein Spiel auf dem Platz. Und es gibt ein anderes auf dem Transfermarkt«, sagt Ibrahimović. »Ich mag sie beide und beherrsche eine ganze Menge Tricks. Ich weiß, wann ich schweigen muss, und ich weiß, wann ich fighten muss.« Ibrahimović weiß auch: »In dieser Branche nimmt man immer die schwachen Seiten des Gegners ins Visier. Man setzt jemandem das Messer an die Kehle. Das ist Teil des Spiels.«

Teil des Spiels ist es auch – zumindest in der Wahrnehmung von Raiola und Ibrahimović –, öffentliche Kämpfe auszutragen. Als Pep Guardiola nicht auf den schwedischen Stürmer setzt, weil er zu seiner Barça-Zeit andere Spielertypen bevorzugt, motzt Raiola: »Wenn Guardiola ihn nicht will, nachdem er 69,5 Millionen Euro Ablöse bezahlt hat, muss er ins Irrenhaus.«

Als Paris Saint-Germain zunächst nicht bereit ist, das verlangte Gehalt zu bezahlen, erklärt Raiola, man sei an einer Einigung »so nah dran wie die USA an China«. Er verhandle zwar weiter mit deren Sportdirektor Leonardo, der im Juni 2013 zurücktrat, nachdem er wegen einer Rangelei mit einem Schiedsrichter gesperrt worden war, »aber PSG muss sich bewusst machen, dass sie mit Zlatan die Nummer eins bekommen«.

Das Gespann Raiola und Ibrahimović mag für viele komisch erscheinen – aber es funktioniert. Der Berater versteht, wie er den extrovertierten Tattoo-Liebhaber anpacken muss. Wann er streng und wann er väterlich behutsam sein muss. Raiola spricht bei Ibrahimović auch nie von Wut, wie es viele andere tun, er bezeichnet seine hitzköpfige Art als Ausdruck seines unglaublichen Willens. »Der einzige Spieler, den ich kenne, der so hart trainiert wie Ibrahimović, war Pavel Nedvěd, sonst gibt es keinen anderen.«

Weil Raiola fürchtet, Ibrahimović könnte niemals den Ballon d’Or gewinnen, also die Wahl zum Weltfußballer der FIFA, hat er die Auszeichnung im Beisein seines Schützlings als unbedeutend und wenig aussagekräftig bezeichnet. Gleichzeitig hat Raiola einem seiner anderen Klienten, dem italienischen Nationalstürmer Mario Balotelli, der Deutschland bei der Europameisterschaft 2012 im Halbfinale gleich doppelt abschoss, bereits in Teenagerzeiten versprochen, er werde ihm dabei helfen, Ballon-d’Or-Gewinner zu werden. Und zwar gleich dreifacher! Für Raiola ist das kein Widerspruch, sondern geschicktes Taktieren. »Der Schlüssel zu ihm«, erklärt Raiola, als er über Balotelli spricht, »ist Vertrauen. Wenn er das nicht spürt, wird es problematisch, dann kann er austicken.«

Und Balotelli ist einer, der nur zu einfach austicken kann. Er ist vom gleichen Schlag wie Ibrahimović. Balotelli meint, dass Verkehrsregeln für ihn nicht gelten und dass er dort parken kann, wo es ihm gerade in den Sinn kommt. Er geht in Nachtclubs ein und aus, genießt die Nähe zu Showgirls und verprasst horrende Summen an einem Abend. Sein Leben ist laut, verrückt und teuer. Einmal hat er die Vorhänge in seiner Luxusvilla entzündet, als er mit Feuerwerkskörpern in seinem Haus hantierte. Noch Fragen?

Eine seiner größten Schwächen, so sieht es vor allem auch Raiola, ist, dass er nicht einschätzen kann, wer wirklich seine Freunde sind und wer nicht. »Er ist sehr großzügig mit Leuten, die er mag, sehr sanft, aber auch naiv. Es kann passieren, dass ein Freund in sein Haus kommt, eine Uhr auf dem Tisch sieht, die 100 000 Euro wert ist, sagt, die sei ja toll. Mario ist dann drauf und dran, sie ihm zu schenken.«

Während seiner Zeit bei Manchester City lässt Balotelli seinen weißen Jeep in Gold umspritzen, weil die Farbe einem seiner Freunde besser gefiel. Er bringt es sogar fertig, an die Türen eines Frauengefängnisses zu klopfen, weil er wissen will, was sich tatsächlich hinter den Mauern so abspielt. »Er tut Dinge, von denen wir anderen Erwachsenen nur zu träumen wagen«, sagt Raiola, zu dessen Aufgaben es eben auch gehört, als Kindergärtner von Balotelli zu fungieren. Und auch in dieser Rolle sieht er sich wieder gezwungen zu lügen. Nicht auszudenken, er würde allen Unsinn, den Balotelli verzapft hat, wahrheitsgemäß beantworten.

Aber darf man angesichts geistiger Einfachheit, angesichts der Millionengehälter, absurd hohen Ablösen und fetten Provisionen einfach lügen? Rechtfertigen zwanzig Millionen oder mehr Lügen? Gibt es überhaupt Situationen, die Lügen legitimieren? Oder herrscht im Fußballbusiness einfach ein etwas lockerer Umgang mit der Wahrheit?

Ein anderes Beispiel. »Ich weiß nicht, wie Sie auf so einen Blödsinn kommen, dass ich mich zu Verhandlungen mit einem anderen Verein treffe«, sagte ein hochrangiger Manager in einem Telefongespräch. Er sei gar nicht in Deutschland, wolle gleich noch eine Runde über den Golfplatz schlendern, so seine Behauptung. Die Verhandlungen waren gerade unterbrochen. Die Kaufinteressenten hatten um einen kurzen Austausch unter sechs Augen gebeten. So saßen der Finanzboss, der Aufsichtsratsvorsitzende und der Vorstandschef unter sich in der Suite im Flughafenhotel zusammen. Sie waren bei ihrer Ankunft entdeckt und fotografiert worden. Ebenso der Manager, der nun behauptete, nicht in Deutschland zu sein. »Ich habe Sie mit meinen eigenen Augen ins Flughafenhotel gehen sehen. Es gibt Fotos, die Sie beim Händeschütteln mit den anderen zeigen.«

Der Manager knickte ein und erzählte, warum er seinen Topspieler im Winter verkaufen werde, und noch ein paar weitere nette Details aus den internen Verhandlungen. Notgedrungen, weil seine Lüge aufgeflogen war. »Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf. Aber wer sie weiß und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher«, sagte Bertolt Brecht. Ist die Fußball-Bundesliga, ist der weltweite Fußballzirkus demnach bloß eine Ansammlung von Verbrechern? Natürlich nicht, aber die Grenzen zwischen Wahrheit und Lüge, zwischen legalem und illegalem Handeln bleibt erstaunlich oft eine Frage der Perspektive.

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»Für mich ist das Wichtigste, dass ich immer ein Glücksgefühl in mir habe«

Neymar, Toni Kroos & Co.

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