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Kai Psotta

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Beschreibung

Fußballprofi werden – so geht´s!

Welcher junge Fußballer träumt nicht von einer Karriere als Profi? Bundesliga spielen, mit und gegen die ganz Großen! Der Weg dorthin verlangt neben viel Disziplin, mentaler Stärke und Talent auch die Fähigkeit, mit Rückschlägen umzugehen und dem andauernden Druck standzuhalten. Wie so oft im Leben gibt es nicht den einen Königsweg zu diesem Ziel, sondern eine Vielzahl wertvoller Ansätze, Strategien und Tipps. Zum ersten Mal geben hier die besten Trainer und Experten ihre Erfahrungen und Methoden preis.

Direkt aus der Praxis – von der Nationalmannschaft über Hoffenheim, Köln, RB Leipzig, Augsburg bis zum FC Bayern – berichten neben dem Sportjournalisten und Spielerberater Kai Psotta die Besten ihres Fachs: Oliver Bierhoff, Frank Kramer, Danny Galm, Levent Sürme, Martin Heck, Marco Richter, Gürkan Karahan, Ernst Tanner, Peter Knäbel, Bernhard Peters, Tim Walter, Erik ten Hag, Miroslav Klose, Jochen Sauer, Holger Seitz, Meikel Schönweitz und Julian Nagelsmann.

Hilfreich und motivierend – für alle, die die schönste Nebensache der Welt zu ihrem Traumberuf machen wollen!

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Fußballprofi werden – so geht´s!

Welcher junge Fußballer träumt nicht von einer Karriere als Profi? Bundesliga spielen, mit und gegen die ganz Großen. Der Weg dorthin verlangt allerdings neben viel Disziplin, mentaler Stärke und Talent vor allem die Fähigkeit, mit Rückschlägen umzugehen und dem andauernden Druck standzuhalten.

Was Kinder und Jugendliche auf ihrem Weg zum Fußballprofi wirklich erwartet, wie es in den Nachwuchsleistungszentren der Bundesligavereine abläuft und wie die besten Trainer dort arbeiten, erzählen neben dem Sportjournalisten und Spielerberater Kai Psotta diese Experten: Oliver Bierhoff, Frank Kramer, Danny Galm, Levent Sürme, Martin Heck, Marco Richter, Gürkan Karahan, Ernst Tanner, Peter Knäbel, Bernhard Peters, Tim Walter, Erik ten Hag, Miroslav Klose, Jochen Sauer, Holger Seitz, Meikel Schönweitz, Julian Nagelsmann und Toni Kroos.

Hilfreich und motivierend – für alle, die die schönste Nebensache der Welt zu ihrem Traumberuf machen wollen!

Kai Psotta, geboren 1981, absolvierte die Axel-Springer-Journalistenschule. Als Redakteur berichtete er sieben Jahre für Sport Bild u.a. von den Olympischen Spielen in Peking und der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika. Von 2010 bis 2016 war er für die Bild-Zeitung in München tätig, anschließend für den Fernsehsender Sky. Für das Lifestyle-Magazin GQ schrieb er die Kolumne Bundesliga Backstage. Psotta ist mehrfacher Bestseller-Autor, verfasste zahlreiche Sportler-Autobiografien.

Seit 2018 ist er Spielerberater, arbeitet an der Seite von Volker Struth, Sascha Breese und Martin Vontra, die unter anderem Toni Kroos, Niklas Süle, Julian Nagelsmann, Marco Richter und Dayot Upamecano betreuen.

KAI PSOTTA

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WIE DIE PROFIS

Alles, was du auf dem Weg zum Bundesligastar wirklich wissen musst.

Mit den wichtigsten Tipps und Tricks von den besten Profimachern

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Originalausgabe 04/2021

Copyright © 2021 by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Ulrike Strerath-Bolz

Umschlaggestaltung und Motiv:

Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN: 978-3-641-26058-3V001

www.heyne.de

Für Killi und Sosa.

Und für die wunderbare Christina.

Inhalt

Vorwort – Oliver Bierhoff

Prolog – Frank Kramer

Kapitel 1 – Danny Galm

Kapitel 2 – Levent Sürme

Kapitel 3 – Martin Heck

Kapitel 4 – Marco Richter

Kapitel 5 – Gürkan Karahan

Kapitel 6 – Ernst Tanner

Kapitel 7 – Peter Knäbel

Kapitel 8 – Bernhard Peters

Kapitel 9 – Tim Walter

Kapitel 10 – Erik ten Hag

Kapitel 11 – Bayern-Gipfel: Miroslav Klose, Jochen Sauer und Holger Seitz im Gespräch

Kapitel 12 – Meikel Schönweitz

Epilog – Julian Nagelsmann

Dank

Vorwort

von Oliver Bierhoff

Im Alter von fünf Jahren habe ich bei einem kleinen Verein bei uns vor der Haustür mit dem Fußballspielen angefangen. Auf das Fußballtraining habe ich mich immer ganz besonders gefreut. Nach der Schule hatte ich stets nur ein Ziel: schnell den Ranzen nach Hause bringen, Hausaufgaben erledigen und ab auf den Fußballplatz. Wir kickten damals noch auf Ascheplätzen, aufgeschürfte Knie gehörten quasi fest zur Ausstattung. Über die ESG 99/06 bin ich irgendwann zu Schwarz-Weiß Essen gewechselt. 1985 habe ich bei Bayer 05 Uerdingen meinen ersten Profivertrag unterschrieben. Mein Werdegang ist für die damalige Zeit als »sehr klassisch« zu bezeichnen.

Heute funktioniert es anders. Kinder landen deutlich früher in Nachwuchsleistungszentren. Für ihren großen Traum, Profifußballerin oder Profifußballer zu werden, müssen viele von ihnen ihr familiäres Zuhause verlassen und in ein Internat umziehen. Dort finden sie top Bedingungen vor, um die uns noch immer die ganze Welt beneidet: Eine moderne Infrastruktur, ein hochprofessionelles Umfeld, eine enge Verzahnung von Schule, Training und Wettkampf am Wochenende – all das zeichnet die Nachwuchsförderung im deutschen Fußball aus.

Die Kinder und Jugendlichen werden rund um die Uhr betreut – von sportlichen Leitern, Trainern, Athletikcoaches, Videoanalysten, Pädagogen, Psychologen, Ernährungsberatern und so weiter. Ihr Alltag ist durchgetaktet, vorgegeben, zum Teil minutiös verplant. Ihnen wird viel abverlangt, aber an anderer Stelle auch sehr viel abgenommen. Genau deswegen hat unser System – neben all seinen Stärken – über die Jahre auch seine Schwächen aufgezeigt. Und das wird mittlerweile auch auf dem Platz deutlich. Wir benötigen wieder das richtige Maß zwischen notwendiger Professionalität und größtmöglicher Persönlichkeitsentfaltung.

Ab dem Jahr 2000 waren wir mit diesem System sehr erfolgreich, für mehr als zehn Jahre auf einem richtig guten Weg. Mit der daraus entwickelten U17 sind wir im Jahr 2009 Europameister geworden, mit der U19 wurden wir 2008 und 2014 Europameister. Mit der U21 gelang der gleiche Erfolg in den Jahren 2009 und 2017. Und die A-Nationalmannschaft krönte all dies mit dem WM-Titel 2014 in Brasilien. Doch anstatt im Nachwuchsbereich immer weiter den Mut für notwendige Anpassungen zu haben, ruhten wir uns auf dieser Erfolgsserie aus. Wir räumten den kontinuierlichen Feinjustierungen am System nicht die notwendige Priorität ein. So haben wir über Jahre nach den immer gleichen Mustern sehr »gleichförmige« Spieler produziert, die nun im Überfluss auf unseren Fußballplätzen aktiv sind.

Wir haben heute viele Spieler, die den Ball in Perfektion zirkulieren lassen können, also diese Tiki-Taka-Typen. Aber uns fehlt es an echten Führungsspielern, die Verantwortung übernehmen und Entscheidungen treffen können. Uns fehlen die Kreativspieler und Individualisten. Wir haben zu wenige dynamische Außenverteidiger und klassische Mittelstürmer, und unsere Spieler weisen ein Manko in Sachen Torabschluss auf. Wenn man immer nur mit stark auf die Technik fokussierten Trainern trainiert und spielt, lernt man zum Beispiel nie, wie man sich gegen einen sogenannten »Holzfäller« – also einen knallharten Verteidiger – durchsetzt.

Wir haben uns in den vergangenen Jahren zu sehr in dieses Mannschaftstaktische verliebt – und irgendwann vergessen, die rosarote Brille abzunehmen. Jeder Jugendtrainer kann heute – bewusst überspitzt gesagt – sechsundsechzig Varianten der Viererkette diskutieren. Und nach den Spielen wird analysiert, dass ein Fünfzehnjähriger einen halben Meter zu weit rechts gestanden hat, also nicht exakt auf der Position, wo er in der Theorie hingehört hätte. Wir alle haben es zugelassen – so selbstkritisch müssen wir in der Jugendarbeit sein –, dass dort teilweise junge Menschen wie Computer programmiert worden sind, ihnen taktische Systeme eingeimpft wurden, anstatt sie viel stärker mit Spaß und Freude zu besseren Fußballern zu entwickeln.

Daher habe ich beim DFB mit meiner Direktion Nationalmannschaften und Akademie einen neuen Weg eingeschlagen. Wir möchten mit unseren Maßnahmen zurück an die Weltspitze. Es bedarf in unserer Ausbildung keiner Revolution, aber einer Evolution. In der deutschen Nachwuchsarbeit müssen wir gemeinsam in den nächsten Jahren kräftig die Ärmel hochkrempeln und mutiger und flexibler arbeiten. Noch haben wir außergewöhnliche Fußballer, mit denen es in der A-Nationalmannschaft Erfolge geben kann. Die nächsten vier bis sechs Jahre sollten wir unter anderem mit Joshua Kimmich, Leon Goretzka, Leroy Sane, Serge Gnabry, Julian Brandt, Luca Waldschmidt und Co. gut aufgestellt sein. Aber nach Kai Havertz, der Jahrgang 1999 und einer der letzten Ausnahmeschüler dieser Generation ist, finden sich in den jüngeren Jahrgängen schon deutlich weniger derartige Ausnahmetalente. Die Zahlen sind ernüchternd und lassen darauf hindeuten, dass nach 2026 große Erfolge schwieriger zu erreichen sein werden. Das Gute ist aber, dass wir verstanden haben, unsere Herangehensweisen zu ändern. Und wir werden, wenn wir heute die entsprechenden Weichen stellen, zurück an die Weltspitze kommen.

Im Dezember 2019 sind wir, um nur ein winziges Beispiel aufzuzeigen, von der DFB-Akademie zusammen mit vierzehn Entscheidern aus der Bundesliga für vier Tage ins Silicon Valley gereist. Wir waren bei Facebook, an der Stanford University, bei den San José Sharks und bei den San Francisco 49ers. Für uns war diese Reise inspirierend, um die Denkweise von erfolgreichen Unternehmern, Machern und Vorzeige-Klubs zu adaptieren und neue Impulse für die eigene Arbeit zu gewinnen.

Solche Reisen werden wir künftig vermehrt und regelmäßig unternehmen, um immer wieder über den Tellerrand hinauszuschauen. Eine innovative Haltung, ein Lernen von anderen Bereichen und das Nutzen von Technologie und Wissenschaft – all das hilft dabei, den deutschen Fußball weiterzuentwickeln.

Entscheidend ist darüber hinaus, wie in der Schule auch, der richtige Lehrer. Was nützt die schönste Tafel, das heißeste Whiteboard, wenn der Lehrer den Stoff nicht vermitteln kann? Dementsprechend kommt es ganz entscheidend auf die Trainerinnen und Trainer an, die sich der jungen Menschen annehmen. Sie sind der Schlüssel. Sie möchten wir noch besser ausbilden, weiterbilden und stärken.

Lange Zeit haben wir in Deutschland unseren Trainern in wahnsinnig kurzer Zeit extrem viel Input in der Ausbildung weitergegeben. Wir haben sie in kürzester Zeit mit Wissen vollgepumpt – um sie anschließend, also nach dem Lizenzerwerb, in der Praxis zu sehr allein zu lassen. Wir haben sie nicht gut genug bei ihrer bedeutenden Aufgabe begleitet. Dem wirken wir jetzt entgegen und haben all das in unserem Ausbildungssystem angepasst und verfeinern es noch weiter. Wir haben unter anderem den Fußball-Lehrer-Lehrgang, die höchste Lizenzstufe im deutschen Fußball, reformiert. Wir schulen unsere Trainer nun viel individueller und praxisnaher – denn ein guter Nachwuchscoach braucht andere Kompetenzen als ein guter Profitrainer. Auch bieten wir ein Mentoring- und Weiterbildungsprogramm an, um unsere Trainer auch nach dem Lizenzerwerb zu begleiten und zu unterstützen. Für die Trainer an der Basis haben wir etwa mit digitalen Angeboten reagiert, als wegen der Corona-Pandemie zahlreiche Fortbildungsveranstaltungen ausfielen. Der DFB ist der einzige große Fußballverband, der es auf diese Weise geschafft hat, dass kein Trainer in dieser Zeit um seine Lizenz bangen musste.

In Zukunft wird es unsere Aufgabe sein, das Wissen, das wir an der DFB-Akademie sammeln, noch gezielter und individueller an Jugend- und Nachwuchscoaches weiterzugeben. Denn sie sind diejenigen, die den Kindern die Spielfreude und das Fußball-ABC beibringen – und ihnen somit bei den ersten Schritten zum möglichen Nationalspieler helfen.

Wir haben unseren Blick geöffnet und verstanden, wie wichtig es ist, flexibel und offen zu sein. Wichtig ist jetzt, dass wir dieses Verständnis auch umsetzen. Die Entwicklung der Spielerinnen und Spieler hat im Nachwuchsfußball künftig Vorrang vor dem Ergebnis. Wir müssen den Egoismus ablegen, der in einigen Fällen zwischen Verbands- und Vereinsebene geherrscht hat. Was nicht sein kann und darf, ist, dass wir beim DFB eine Absagenflut nach Nominierungen für U-Nationalmannschaften erleben, weil die Spielerinnen und Spieler aus unterschiedlichsten, teils fadenscheinigen Gründen lieber bei ihren Vereinen bleiben sollen. Wie soll eine Besten-Förderung ohne die Besten stattfinden?

Wenn man mich nach grundsätzlichen Ratschlägen fragt, was ich auf dem Weg nach oben empfehlen würde, dann sage ich:

Verliert bloß nicht zu viel Zeit eurer Jugend auf der Rücksitzbank im Auto eurer Eltern. Es kann einem/einer Zehnjährigen nicht guttun, drei Stunden durch die Gegend zu fahren, nur um in einem NLZ eine Stunde zu trainieren.Es kann durchaus sinnvoll sein, sich zunächst in Ruhe bei einem kleineren Verein vor der eigenen Haustür zu einem Führungsspieler bzw. einer Führungsspielerin zu entwickeln. Wer Woche für Woche ständig 8:0 gewinnt, in einer Ansammlung von Top-Talenten, beraubt sich womöglich der Chance einer vernünftigen Sozialisierung.Traut euch wieder mehr raus auf den Bolzplatz, wo Taktik in den Hintergrund gerät und ein freier, dynamischer Fußball im Vordergrund steht. Das freie Spiel und der Zweikampf fördern jene Mentalität, die unsere Führungsspielerinnen und -spieler von morgen brauchen.Habt Spaß! Fußball muss für Jugendliche ein Spiel aus Leidenschaft und Freude sein und keine billige Kopie des Profibereichs.

Wir vom DFB werden uns bei dieser Mission einbringen, mehr Kümmerer sein – und alles versuchen, um den Nachwuchs behutsam und Stück für Stück wieder zurück an die Weltspitze zu führen.

Oliver Bierhoff

Prolog

Frank Kramer

Vor den Pissoirs hängen Zettel, auf denen es heißt: »Flüssigkeitsstatus – Eigenüberprüfung«. Links sind acht verschiedene Gelbtöne abgedruckt. Von ganz hell, beinahe durchsichtig, bis ganz dunkel, schon fast goldbraun. Wessen Urin den ersten drei Gelbstufen gleicht, der bekommt ein indirektes Lob: ausreichend getrunken. Je dunkler es wird, desto schlechter. Entsprechend heißt es neben einem knallroten Emoji mit hängenden Mundwinkeln: »Du hast viel zu wenig getrunken, trinke jetzt sofort mindestens 0,7 Liter Mineralwasser und informiere deinen Athletiktrainer/Physio.«

Auch am Kühlschrank im Speiseraum hängen eingeschweißte Zettel. Hier lautet die Überschrift: »Dein Körper ist ein Rennwagen: Vollgas durch richtige Ernährung.« Für jede Mahlzeit und jede Zwischenmahlzeit gibt es entsprechende Anregungen, wie man auf »die Pole Position« kommt, wie man »Energie nachtankt«, aber auch, welche Nahrungsmittel »schlecht für den Motor« sind.

Willkommen in der Welt der Nachwuchsleistungszentren. In einer höchst komplexen Welt, in der junge Fußballtalente in sämtlichen Lebenslagen optimiert werden sollen, damit sie zu den Stars von morgen werden.

Hier wird von großen Weltkarrieren geträumt. Aber hier enden auch ganz oft eingeschlagene Wege, obgleich sie lange als verheißungsvoll galten.

Sechsundfünfzig Nachwuchsleistungszentren gibt es derzeit in Deutschland. Sie alle versprechen eine Top-Ausbildung und kämpfen um die besten Nachwuchsspieler des Landes. Einige ähneln Luxushotels, andere sind deutlich einfacher. In vielen werden die Spieler bis ins kleinste Detail vermessen; Screening nennen sie das. Beim VfB Stuttgart wird mit Hilfe von Zetteln versucht, den Spielern eigenverantwortlich einen bewussten Umgang mit ihrem Körper zu vermitteln.

177,1 Millionen Euro sind in der Saison 2017/2018 in Deutschland in die Leistungszentren der Vereine investiert worden; so geht es aus dem Wirtschaftsreport 2019 der Deutschen Fußball Liga hervor. 2002/2003 waren es 47,9 Millionen Euro Investitionsvolumen.

Trotz des extremen finanziellen Anstiegs schreibt das Fachmagazin Kicker im November vergangenen Jahres einen Krisenreport unter der Überschrift »Fehlentwicklung«. Im dick gedruckten Motto heißt es: »Der Blick auf andere Nationen zeigt: Die Deutschen Talente sind unter vielerlei Aspekten ins Hintertreffen geraten. DFB und Klubs müssen gegensteuern. Aber wie?«

Die Wochenzeitung Die Zeit hat einen ähnlichen Tenor. Autor Ralf Lorenzen attestiert der Bundesliga »viele deutsche Talente, aber wenig Fantasie, was sie mit ihnen anfangen soll«. Das Nadelöhr zum Profibereich sei für junge Spieler auch durch die Corona-Krise nicht größer geworden. »Kamen in der Saison 2019/2020 am ersten Spieltag nach Transferschluss noch einunddreißig Spieler bis zum Alter von einundzwanzig Jahren zum Einsatz, waren es in dieser Saison neunundzwanzig. Beschränkt man die Zählung auf deutsche Spieler, lautet der Vergleich elf zu sieben. Liegt das daran, dass diese Jahrgänge schwächer sind als ihre Vorgänger, wie der U21-Bundestrainer Stefan Kuntz sagt? Oder liegt das an einem System, das zu viele Toptalente zu lange in den Warteschleifen unterer Klassen, anderer Ligen oder gar auf der Ersatzbank an der Entfaltung hindert?« Der letzte Satz des Berichts lautet: »Talentförderung scheint da am besten möglich, wo Geld fehlt.«

Es gibt Hunderte Ansätze, über die man beim Thema Nachwuchsförderung diskutieren kann. Mitte Oktober letzten Jahres platzte Leipzigs Trainer Julian Nagelsmann der Kragen, weil ihm während einer Länderspielunterbrechung, bei der vierzehn Nationalspieler unterwegs waren, der Einsatz der hochgezogenen Talente im Training nicht passte. »Ein Nachwuchsspieler aus der U19 muss erkennen: Da ist ein junger Trainer, der setzt auch auf junge Talente. Der hat in Hoffenheim schon einigen jungen Spielern ihr Profi-Debüt ermöglicht, die jetzt Richtung Top-Top-Karriere gehen, um mal Dennis Geiger zu nennen. Der Nachwuchsspieler muss auch erkennen: Die haben extrem viele Spiele bis Weihnachten, haben keine Winterpause, haben dann wieder sehr viele Spiele bis zum Ende der Saison, dann keine Sommerpause. Sprich: Da ist eigentlich eine Chance da zu spielen. Da muss ich in die Profi-Kabine gehen, mich umziehen. Und dann muss da draußen der Rasen brennen, da muss nicht alles richtig sein, da muss nicht alles technisch, taktisch perfekt sein, aber die Mentalität muss ich immer sehen. Und die sehe ich nicht immer bei allen. Und deswegen ist es auch schwierig, da reinzurutschen für manche.«

Selbst während einer Länderspiel-Unterbrechung seien Spieler wie Angeliño da oder Christopher Nkunku, an denen sich Nachwuchsspieler wunderbar orientieren könnten. »Es ist nicht so, dass hier nur Pfeifen sind, weil alle anderen bei der Nationalmannschaft sind. Es sind sehr viele gute Spieler hier, an denen man sich ein sehr gutes Beispiel nehmen kann. An die Grenzen gehen, dadurch auch mal Dinge kompensieren, wenn sie keinen guten Tag haben, das würde ich mir wünschen. Du schmeißt als Trainer einen Nachwuchsspieler sehr viel schneller rein, wenn er eine top Mentalität hat, als wenn er eine super Qualität hat, du aber nicht genau weißt, ob er an seine Grenzen geht. Dann fressen die den auf. Wenn der aber an seine Grenzen geht, marschiert wie ein Irrer, der ein oder andere Pass nicht ankommt, dann sagst du als Trainer: Den werfe ich jetzt mal rein, der macht nichts kaputt. Der zerreißt sich, um zu gewinnen. Dieses unbedingte Gewinnen-Wollen, jedes Trainingsspiel gewinnen wollen, das fehlt mir von einigen. Da rege ich mich manchmal auf, da fehlt mir diese absolute Gier. Jedes Spiel auf der Welt ist dafür da, um es zu gewinnen. Das muss ich auch bei jedem Spieler sehen, dann kriegen die auch sicher mal mehr Chancen als mal sieben Minuten gegen Schalke …«

Die fehlende Leidenschaft und Bereitschaft, sich zu quälen, ist aktuell ein großes Thema. Oft wird diese Kritik damit gleichgesetzt, dass die Bedingungen in den Akademien zu gut seien. Frank Kramer, der ehemalige DFB-Übungsleiter, der unter anderem schon die deutsche U18, U19 und U20 trainiert hat und dann die U19 von Red Bull Salzburg, wehrt sich gegen eine solche Pauschalisierung. »Die Rahmenbedingungen im Fußball haben sich verändert. Ein Nicolai Müller hat 2005 in der Jugend bei Greuther Fürth auf einem Schotterplatz trainiert, der am Wochenende als Parkplatz genutzt wurde. Da lagen Scherben drauf und spitze Steine. Der war uneben. Wenn es gefroren war, dann war es spiegelglatt. Es war natürlich nicht immer angenehm, darauf zu spielen. Umziehen musste sich dieser Junge, auch ein Johannes Geis, in einer Kabine unterhalb der hundert Jahre alten Tribüne! Wo nichts isoliert war. Da waren fünfzig Jahre alte Türen drinnen, Bänke, wo du dir Spreißel gezogen hast, wenn du dich hingehockt hast. Und da waren zwei Duschen für alle zusammen drin. Wenn du eine Dusche ein bisschen wärmer oder kälter gemacht hast, dann hat die andere darauf reagiert und du konntest da nicht mehr rein. Jetzt könnte man behaupten, man muss so Rocky-like sein, in so einem Umfeld trainieren, um richtig hart zu werden und um schätzen zu lernen, wenn man es dann schafft. So ist aber die Lebenswirklichkeit nicht mehr in unserer Gesellschaft. Wenn du heutzutage jemandem ein heruntergekommenes Trainingsgelände zeigst und sagst, hier wirst du was, dann wird derjenige schnell das Weite suchen. Es geht heutzutage ja auch sehr viel um Bieten. Unsere Gesellschaft ist so geworden, und zwar nicht nur bei den Jugendlichen. Leute, die mit Studieren fertig sind und zum Vorstellungsgespräch kommen, die fragen nicht: ›Was muss ich denn tun, um hier Karriere zu machen?‹ Die fragen: ›Was kannst du mir bieten, damit ich überhaupt zu dir komme?‹ Unsere Gesellschaft hat sich verändert. Die Haltung hat sich gedreht. Und jetzt können wir nicht den Jungs den Vorwurf machen, dass sie verweichlicht sind und auf diese Infrastruktur Wert legen. Es ist mir zu billig zu behaupten: Der Kraftraum ist so elegant, da wird nicht richtig trainiert. Diese Denke ist auch ein bisschen unserer Gesellschaft geschuldet: Wir sehen nur den vordergründigen Glanz und interpretieren hinein, dass die, die das benutzen dürfen, bequem seien. Ohne sie jemals trainieren gesehen zu haben. Glauben Sie wirklich, dass irgendein Spieler sagt: ›Wie ich morgen trainiere, ist mir egal, Hauptsache die Duschen sind schön.‹ Das macht doch keiner! Oder, dass einer denkt: ›Der Kraftraum ist mir zu schön und zu schick, um mich richtig zu quälen.‹«

Es stimme natürlich, dass »bei uns das Leben auch funktioniert, wenn man nicht Fußballer wird. Man kann an die Uni gehen oder einen guten Beruf lernen. Eine der beiden Optionen steht ja auch den allermeisten offen – zusätzlich zum Fußball. Für afrikanische Läufer etwa ist es die einzige Chance, rauszukommen und vielleicht noch ein ganzes Dorf mitzuversorgen, wenn die Olympiasieger werden. Diesen Druck haben wir nicht.« Gleichzeitig erinnert Krämer aber auch an einen Joshua Kimmich, der »so weit ich weiß, auch aus einem guten Haus kommt. Ich glaube, dem kann man es nicht absprechen hungrig zu sein. Oder behaupten, dass afrikanische Fußballspieler hungriger sind auf dem Platz als er.«

Dieses Buch urteilt nicht über richtig oder falsch, es drängt keine Sichtweisen auf. Es lässt verschiedene Meinungen, Ansätze und Theorien zu und gelten. Es möchte helfen, Fußball-Talenten, deren Eltern und auch sämtlichen Menschen, die mit diesen Spielern arbeiten dürfen, die Augen zu öffnen und Denkanstöße zu liefern.

Es soll zeigen, wie der Nachwuchsfußball hinter verschlossenen Türen wirklich funktioniert und wie unterschiedlichste Protagonisten arbeiten.

Mehr als ein Jahr lang wurden unterschiedliche Menschen begleitet. Dazu gehörten Trainer, die sich seit Jahren im Nachwuchsbereich verdient gemacht haben, wie Hoffenheims Danny Galm, Kölns Martin Heck und Levent Sürme, der sowohl in Leipzig als auch in Augsburg arbeitete.

Amsterdams Trainer Erik ten Hag gewährte an Hand des Beispiels Matthijs de Ligt tiefe Einblicke, wie er aus Talenten Stars macht, und beschreibt sehr detailliert, worauf er achtet, ehe er den Nachwuchs bei den Profis reinschmeißt. Ex-Stuttgart-Trainer Tim Walter fand sehr klare Worte, ebenso wie die absoluten Nachwuchsexperten Ernst Tanner, Bernhard Peters und Peter Knäbel. Am Bayern-Campus diskutierten Jochen Sauer, Holger Seitz und Miroslav Klose über Chancen beim FC Bayern und ihre große Verantwortung gegenüber den Jugendlichen.

Gürkan Karahan verdeutlichte die Arbeit aus Sicht von Scouts; Toni Kroos und Marco Richter erzählen von ihren Anfängen in der Jugend. Und Dayot Upamecano verriet seinen wohl heftigsten Anschiss während seiner Zeit in der Salzburger Akademie.

Dieses Buch blickt hinter die Kulissen vieler Nachwuchsleistungszentren. Immer aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Und vor allem ohne einen erhobenen Zeigefinger. Deshalb kann es sein, dass sich Thesen in unterschiedlichen Kapiteln wiederholen oder auch widersprechen. Denn es gibt keine Gebrauchsanweisung, die man einfach nur befolgen muss, damit aus einem talentierten Nachwuchsspieler ein Bundesliga-Profi wird. Was auf dem Campus des FC Bayern München funktioniert, muss noch lange nicht eins zu eins zum gleichen Erfolg bei Augsburg führen.

Dieses Buch soll grundsätzlich ermutigen, aber auch nicht verschweigen, wie gering die Chance ist, es zu schaffen.

Dr. Arne Güllich, ein deutscher Sportwissenschaftler von der TU Kaiserslautern, berichtet etwa, dass das System der Nachwuchsförderung ziemlich ineffizient sei. Das zeige beispielsweise die »relativ hohe jährliche Auffrischungsrate. Durchgängig haben wir pro Jahrgang eine Fluktuation von etwa fünfundzwanzig Prozent. Das bedeutet, dass die Chance, nach drei Jahren überhaupt noch dabei zu sein, im Schnitt unter fünfzig Prozent liegt. Die Chance, dass ein Zehnjähriger in der U19 noch dabei ist, liegt unter acht Prozent.«

Zudem stellt er heraus, dass den Nachwuchsleistungszentren zwar eine erfolgreiche Entwicklung von Profis zugeschrieben werde, dass die erfolgreichen Talente und die weniger erfolgreichen aber weitgehend »gleich behandelt werden. Alle bekommen das identische Treatment. Dabei schafft es weniger als einer von tausend in die Bundesliga. Die 999 anderen, bei denen es nicht geklappt hat, haben ja aber dasselbe Fördersystem durchlaufen. Man kann also sagen, dasselbe NLZ-System ist bei einem von tausend erfolgreich und bei neunhundertneunundneunzig nicht.«

Güllich hat mit seinem Team die Entwicklung von 1059 U-Nationalspielern, 385 Spielern der ersten Bundesliga und 239 der zweiten Bundesliga untersucht. Zudem nahmen fünfzig Erstligaspieler an einer Befragung zu ihrer Sportbiografie teil, davon achtzehn A-Nationalspieler. Die Forscher haben festgestellt, dass die A-Nationalspieler überwiegend »keinesfalls Frühentwickler waren. Je früher jemand sein Debüt in einer U-Nationalmannschaft hatte, desto geringer war die Wahrscheinlichkeit, dass er später erste Bundesliga spielt. Je später jemand sein Debüt in einer U-Nationalmannschaft hatte, desto höher war die Wahrscheinlichkeit, dass er später erste Bundesliga spielt. Wir haben also eine negative Korrelation zwischen Debüt U-Mannschaft und späterem Spielniveau im Erwachsenenalter herausgefunden.«

Die zweite wichtige Erkenntnis war: »Rund sechzig Prozent der untersuchten A-Nationalspieler waren nicht ausschließlich Fußballer, sondern die haben in ihrer Jugend noch andere Sportarten betrieben, besonders häufig Tennis, auch Tischtennis, Handball oder Leichtathletik.«

Güllich wurde vom DFB eingeladen, hat vor NLZ-Leitern und Stützpunktkoordinatoren referiert. Einige bezeichneten ihn hinterher als weltfremden Theoretiker, andere fühlten sich in ihrer eigenen Wahrnehmung bestätigt. Nachwuchsleistungszentren wie Freiburg und Mainz luden ihn ein, um von seinen Erkenntnissen zu profitieren. Güllichs wichtigste Bitte an alle verantwortlichen Ausbilder: »Die Erfolgswahrscheinlichkeit, dass es jemand aus einem Nachwuchsleistungszentrum heraus in die erste Bundesliga schafft, liegt bei eins zu tausend. Trotzdem wird den meisten Eltern und deren Kindern erzählt: ›Bei uns wirst du Bundesliga-Spieler. Du bist die Perle, der Rohdiamant. Wir machen dich zum Bundesliga-Spieler.‹ Das ist unverantwortlich. Besser wäre es, ihnen reinen Wein einzuschenken und zu sagen: ›Das Wahrscheinlichste ist, dass du in drei Jahren nicht mehr hier bist.‹ Stattdessen ziehen Eltern durch die halbe Republik um, kündigen ihre Jobs, verkaufen ihr Haus, damit sie schließlich ein paar Jahre später hören: ›Euer Junge hat sich doch nicht so entwickelt, wie wir es vorhergesagt haben.‹ Das ist das Elend der Nachwuchsleistungszentren. Niemand übernimmt wirklich Verantwortung für diesen kleinen Kerl.«

Auf der anderen Seite gibt es aber eben diese Mutmacher. Wie Niklas Süle, der mit vierzehn Jahren von zu Hause auszog und in Hoffenheim den Sprung zum Profi schaffte. Sein Bild hängt groß in der Galerie. Inzwischen ist er Champions-League-Sieger mit Bayern München und Deutscher Nationalspieler.

Beim VfB Stuttgart gibt es auch eine Galerie. Spieler-Porträts von Timo Hildebrand hängen dort, von Timo Werner oder Mario Gómez. Insgesamt dreiundvierzig mit Bildern gefüllte Rahmen. Dann, am Ende des Ganges, hängen noch drei leere. »Jeder Spieler, der hier in der Jugend gespielt hat und dann mindestens vierzig Spiele für die erste Mannschaft vom VfB Stuttgart absolviert hat, bekommt hier seinen Platz«, sagt Nachwuchschefscout Michael Gentner. »Die Messlatte sind vierzig Spiele in der ersten oder zweiten Liga. Die leeren Rahmen sollen Anreiz für diejenigen sein, die bei uns in der Akademie sind, sich auch ihren Rahmen zu erarbeiten. Als Ansporn für die nächste Generation sozusagen.«

Bis dahin ist es ein langer Weg. Und man muss sich an Spielregeln halten. Man muss hart trainieren und viel trinken. Sich gut ernähren. Und sich auch gegenüber den Mitspielern vernünftig verhalten. Die Nachwuchsspieler vom VfB Stuttgart haben sich gegenseitig versprochen, wie sie miteinander leben wollen, und auch das schriftlich festgehalten und im Gemeinschaftsraum des Internats aufgehängt. Die selbst auferlegten Umgangsregeln lauten:

Wir gehen freundlich und respektvoll miteinander um.Wir nehmen den Rat und die Erfahrung der Älteren an und sind offen für die Impulse der Jüngeren.Wir hören einander zu, vertrauen einander und nehmen uns gegenseitig ernst.Wir wollen Spaß miteinander haben, erkennen aber auch, wo der Spaß seine Grenzen hat.Wir sind ordentlich, diszipliniert und halten unsere Regeln ein.Wir achten unsere Privatsphäre und das Ruhebedürfnis des Einzelnen.Wir verarschen und hänseln uns nicht und hetzen nicht gegeneinander.Wir begrüßen und verabschieden uns.Wir trinken unsere Flaschen leer oder teilen sie uns.Wir benutzen unser Handy beim gemeinsamen Essen nicht.Wir sind als Team füreinander da.

Der letzte Satz ist wahrscheinlich der wichtigste. Für alle.

Kapitel 1

Danny Galm

Die Netzabdeckung im nordbadischen Odenwald lässt zu wünschen übrig. Immer wieder hat Danny Galm auf seiner einstündigen Heimfahrt vom Trainingszentrum der TSG 1899 Hoffenheim mit Empfangsproblemen zu kämpfen. Bei Aglasterhausen, Neckarkatzenbach und Scheidental bricht die Verbindung regelmäßig ab. An längere Telefonate ist auf seinem Hin- und Rückweg zur Arbeit also nicht zu denken, sodass Galm die Zeit meist mit Hörbüchern verbringt.

Er hat The Great Nowitzki: Das außergewöhnliche Leben des großen deutschen Sportlers auf sein iPhone runtergeladen und gerade beendet. Davor hatte er Der Neurochirurg, der sein Herz vergessen hatte von James R. Doty gehört, eine Empfehlung von Hoffenheims Sportpsychologen Prof. Dr. Jan Mayer.

Doch heute entscheidet sich Galm, kein klassisches Hörbuch anzufangen, sondern öffnet einen Ordner, in dem er seine eigenen Kabinenansprachen an seine Mannschaft abgelegt hat: an die U17 der TSG.

Er will kontrollieren, ob es ihm gelungen ist, die wichtigen Botschaften jeweils in klaren, deutlichen und ansteckenden Worten zu vermitteln. Was, so fragt er sich, hätte er wohl als Spieler gedacht, wenn er diese Ansprachen in der Kabine zu hören bekommen hätte?

Galm gehört zu den talentiertesten Jugendtrainern Deutschlands. Er ist einer, der sich ständig und immer hinterfragt. Er wird von der TSG gefördert, unter anderem im Programm »Coach the Coach« und in der Highperformer-Fortbildung. Zusammen mit zwei weiteren Nachwuchstrainern bekommt Galm so immer wieder die Chance, Spitzenkräfte des deutschen Sports zu treffen und von ihnen aus erster Hand zu erfahren, wie sie zu Führungspersönlichkeiten geworden sind.

Der langjährige Skisprung-Bundestrainer Werner Schuster hat stundenlang Rede und Antwort gestanden. Markus Hörwick, über Jahrzehnte hin Mediendirektor bei Bayern München, hat über die Pressearbeit und die öffentliche Wirkung von Trainern referiert. Auch Julian Nagelsmann, selbst lange bei Hoffenheim, hat drei Stunden von seinen Erfahrungen berichtet.

Galm hat die Gunst der Stunde genutzt, um Fragen zu stellen und Wissen aufzusaugen. Gerade weil Nagelsmann selbst den Sprung aus der Jugend ins Profigeschäft geschafft hat. Vor allem interessierte ihn, wie er seine erste Kabinenansprache bei den Profis gehalten und worauf er dabei besonders geachtet habe.

Nagelsmann sei, so notierte sich Galm, an seinem ersten Arbeitstag als Cheftrainer der Erste in der Kabine gewesen, um zu verhindern, dass er gezwungen wäre, auf die Spieler zugehen und ihnen die Hand schütteln zu müssen. Denn dabei hätte er zwangsläufig eine Reihenfolge festgelegt, obwohl er das gar nicht wollte. »Natürlich wäre darauf geachtet worden, wem ich als erstes und wem als letztes die Hand gebe«, sagt Nagelsmann, und Galm schreibt es nieder. »Ob ich sie jemandem länger oder intensiver schüttle. Diesen Interpretationsspielraum wollte ich nicht. So sind alle Spieler auf mich zugekommen, sobald sie die Kabine betreten haben.«

Galm weiß genau, auf was Spieler alles achten. Wie Fehler in der Kabine einen Trainer beschädigen können.

Er war selbst eines der größten Talente des deutschen Fußballs. Spielte Seite und Seite mit Mario Gómez, Ádám Szalai, Sven Ulreich, Andreas Beck, Serdar Tasci und Sami Khedira. 2005 gewann er als A-Jugendlicher die deutsche U19-Meisterschaft mit dem VfB Stuttgart.

Bei einer späteren Station, bei den Stuttgarter Kickers, schrieb sein Trainer vor einem Spiel gegen Unterhaching die Aufstellung auf die Tafel. Im defensiven Mittelfeld stellte er Manfred auf. Daneben Axel. Und vorne drin den Dennis. Der Trainer meinte eigentlich Marcus (Mann), Alexander (Rosen) und Danny Galm.

»Wenn ein Trainer nach ein paar Monaten meinen Namen immer noch nicht kennt, dann macht das natürlich was mit mir. In diesem Fall betraf es ja sogar drei von elf Spielern. Wir haben dem Trainer anschließend nichts mehr geglaubt. Als Trainer geht es doch darum, dass dir die Mannschaft folgt und vertraut. Dass sie an deine Taktik glaubt. Aber wenn ein Trainer nicht einmal die Namen der Spieler kennt, sie also den Eindruck bekommen müssen, nur irgendwer für ihn zu sein, dann ist der Zug eigentlich abgefahren. Ein größerer Vertrauensverlust geht gar nicht.«

Auch vor dem Hintergrund solcher eigenen Erfahrungen ist es Galm heute so wichtig, wie er auf seine Spieler wirkt und mit ihnen umgeht. Und auch deshalb investiert er die Zeit, um seine Worte noch einmal auf sich wirken zu lassen.

In der ersten Datei, die nun über sein Autoradio wiedergegeben wird, hört er sich eine Frage stellen: »Was ist Erfolg? Wie bin ich erfolgreich? Was muss ich tun dafür?«

Und er selbst antwortet darauf: »Alle, die erfolgreich sein wollen, müssen zuvor leiden. Leiden, wenn ich vor dem Training und nach dem Training noch zusätzlich arbeite, um besser zu werden. Nur die, die leiden, werden besser. Nur die, die leiden, sind erfolgreich. Wenn ich hinfalle, stehe ich wieder auf. Wenn ich stolpere, fange ich mich ab. Wenn ich aufgeben will, ist irgendein Teamkollege da, der sagt: ›Nein!‹ Erfolg ist Besessenheit. Wollt ihr erfolgreich sein? Dann geht raus und leidet. Leidet fürs Team.«

Galm hatte Anfang Januar 2018 die U17 übernommen, weil Pellegrino Matarazzo als Co-Trainer zu den Profis hochgezogen worden war. Die Mannschaft war Vierter, hatte gegen Frankfurt, Heidenheim, Mainz und Stuttgart verloren und gegen Bayern und Elversberg nur unentschieden gespielt. Der Rückstand auf die Tabellenspitze betrug zehn Zähler. Bei einer Liga mit dreizehn Mannschaften eigentlich zu viel, um sich noch eine Chance für die Teilnahme an der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft (für die man Erster werden müsste) zu erspielen.

Galms neue Mannschaft war durch ein paar Disziplinlosigkeiten aufgefallen. Bei einigen passte das Verhalten in der Schule nicht. Andere meinten, Mitarbeiter des Vereins nicht mehr grüßen zu müssen. Die Wäsche wurde nach Trainingseinheiten nicht wie eigentlich vorgesehen in die entsprechenden Körbe geworfen, sondern flog wild in der Kabine umher. Und es fehlten dreizehn der fünfundzwanzig vom Verein gestellten Bälle.

»Bälle sind für mich ein Heiligtum«, sagt Galm. »Ein Fußballer braucht für seinen Job Bälle, Schuhe und einen Rasen. Ich erwarte, dass damit pfleglich und verantwortungsvoll umgegangen wird.«

Er bestellte neue Bälle und sammelte Geld von den Spielern ein. Fünf Euro pro Person pro Ball. Das Geld landete in der Mannschaftskasse, deren Inhalt nach jeder Saison für einen guten Zweck gespendet wird.

Einige murrten. Teils auch die Eltern. Ein Vorgang, der sich fortan Sommer für Sommer in ähnlicher Form wiederholt, wenn Galm beim ersten Elternabend auf seinen Maßnahmenkatalog zu sprechen kommt.

Eine Gelbe Karte wegen Meckerns oder Unsportlichkeit kostet zum Beispiel zehn Euro. Eine Rote Karte für gleiches Vergehen fünfzig Euro. Werden Trainingsklamotten in der Kabine, im Bus oder am Platz vergessen, werden für jedes Teil drei Euro fällig. Wer es vergisst, sich einmal im Monat zu wiegen oder zu messen, zahlt fünf Euro.

»Es gibt jedes Mal mindestens ein Elternteil pro Jahrgang, das die Strafen für zu hoch hält. Diese Leute sagen dann zu mir: ›Das kann mein Sohn nicht bezahlen. Er spart doch gerade auf den Führerschein. Dann wird der nie einen Führerschein machen können.‹«

Es müsse ja keiner wegen Meckerns vom Platz fliegen, entgegnet Galm dann. Und erklärt, dass es auch nicht zu viel verlangt sei, seine Klamotten wieder in die Kabine zu tragen. »Wenn er das nicht versteht, dann macht er halt seinen Führerschein ein paar Monate später.«

Galm schafft es, zu überzeugen. Auch seine neue Mannschaft akzeptierte die konsequentere Gangart, die seit seinem Antritt herrschte.

In seiner ersten Ansprache an die Jungs sagte er: »Aktuell reden die Leute nur über Fehlverhalten in der Schule. Über eure Unfreundlichkeit. Über Unverschämtheiten, Undiszipliniertheiten. Das sind doch nicht die Attribute, die ihr über euch hören wollt. Es wird Zeit, dass die Leute wieder über uns als Fußballer reden. Es wird Zeit, dass über Tore und Spielzüge gesprochen wird.«

Galm ließ den Greenkeeper eine zusätzliche weiße Linie am Eingang an der Querseite zum Trainingsplatz zeichnen. Noch lieber wäre es ihm gewesen, sie wäre rot. Aber das ging – warum auch immer – nicht so einfach.

»Wenn meine Jungs sich entscheiden, über diese Linie zu treten, bedeutet das, dass nur noch Fußball zählt. Dass mir ab diesem Moment ein Problem mit der Freundin egal ist. Wenn es Probleme gibt, privater oder schulischer Natur, wenn sich die Eltern getrennt haben oder was auch immer, dann können sie vorher mit mir darüber reden, oder danach. Aber in der Zeit, in der wir auf dem Platz stehen, holen wir das Maximum raus und genießen den Fußball. Hinter der Linie zählt nur noch das eine.«

Amadou Onana, zu der Zeit bereits belgischer Junioren-Nationalspieler, hatte ein paarmal die Schule geschwänzt. Galm reagierte rigoros. »Wer morgens nicht in die Schule geht, darf abends nicht trainieren«, verkündete er und schickte sein Top-Talent, als der abends ankam, alleine laufen.

Die Schulausbildung ist ihm wichtig. Als er selbst im Jahr 2002 für 80.000 Euro von 1860 München nach Stuttgart wechselte, riet Felix Magath, damals Trainer der Schwaben, Galms Vater, dass der Sohn nicht auf die Karte Schule setzen solle. »Ihr Sohn braucht keine Ausbildung, der wird Profi.«

Ihm sei, erinnert sich Galm, »sehr viel versprochen worden. Alle versuchen sich mit dir gut zu stellen. Jeder möchte in deinem Umfeld sein. All diese warmen Worte, die am Ende nichts bringen. Mein Umfeld war zum Glück ziemlich klar und hat sich von dem Wahnsinn nicht verrückt machen lassen. Mein Vater hat daher auch eingefordert, dass ich in Stuttgart eine Ausbildung absolviere. Magath meinte es gar nicht böse. Er wollte auch seine Wertschätzung für uns ausdrücken. Aber Plan B ist wichtig. Das vermittle ich heute auch meinen Spielern. Ich habe als Trainer schließlich eine sehr hohe Verantwortung. Weil ich sehr genau weiß, dass von meinen dreiundzwanzig Spielern nicht alle Profi werden. Und für die, die es nicht schaffen, muss es trotzdem weitergehen. Ich habe die Verantwortung, meine Spieler in ihrem Traum zu fördern. Aber die schulische Seite darf nicht vernachlässigt werden.«

Einmal ließ Galm seine Mannschaft anstelle einer gewöhnlichen Trainingseinheit nach Heidelberg-Rohrbach fahren, an den Fuß der Bergbahnstation. Es wurden zwei Teams gebildet, deren Mitglieder jeweils an ein Seil gebunden wurden. Dann ging es die 567,80 Meter hoch zum Königstuhl, dem höchsten Berg des Kleinen Odenwalds.

Unten, am Schloss, nieselte es leicht, bei drei Grad, die sich kälter anfühlten. Das dicke Hanfseil, an dem man eigentlich in Turnhallen gen Decke hochklettert, saugte sich mehr und mehr mit Wasser voll und wurde schwerer und schwerer. Anfangs joggten die Spieler noch leichtfüßig. Doch mit jedem zurückgelegten Höhenmeter wurden die Beine schwerer. Als Galms Jungs in den Wald einbogen, um die letzten Meter zu machen, hatte sich der Regen in dichtes Schneetreiben verwandelt. Die Wege waren komplett bedeckt und stellenweise glatt. Die nächste Kurve war kaum zu erkennen. Der Atem schien zu gefrieren. Aber niemand gab auf. Wenn einer wegrutschte, wurde ihm wieder aufgeholfen. Wer nicht mehr konnte, wurde lautstark angefeuert.

Galm kennt diese extremen Einheiten, sogar noch sehr viel heftigere als diese am Königstuhl, aus seiner eigenen Zeit als Aktiver. Bei Cottbus trainierte er unter Bojan Prašnikar, einem Trainer aus dem früheren Jugoslawien, der von BILD mit dem Prädikat »Super-Schleifer« versehen worden ist.

Prašnikar scheuchte seine Spieler in der Sommervorbereitung eine schwarze Skipiste bergauf. Der Hang hatte über vierzig Prozent Gefälle. 30 Meter mussten immer und immer wieder im Vollsprint, teils sogar mit einem Mitspieler auf dem Rücken, zurückgelegt werden.