Die Pest in London - Daniel Defoe - E-Book + Hörbuch

Die Pest in London Hörbuch

Daniel Defoe

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Beschreibung

Daniel Defoe war gerade einmal fünf Jahre alt, als die Pest in London wütete. Fast 60 Jahre später veröffentlichte er dieses Buch als eine Art Erlebnisbericht zwischen Roman und Reportage, in dem er eine gleichermaßen ungeschminkte wie anschauliche Chronik der Epidemie und ihres verheerenden Fortschreitens verfasste. Einem fiktiven Erzähler folgend durchstreifen wir eine Welt des kalten Grauens. London gleicht einer Geisterstadt, die Straßen sind verwaist, aus den noch bewohnten Häusern dringen Laute des Leidens, an den Türen anderer Häuser prangen Kreuze. Leichensammler durchstreifen die Stadt, Quacksalber und Geschäftemacher nutzen die Gunst der Stunde, während sich Angst breitmacht und in Hysterie umschlägt. Jeder für sich versucht den Wahnsinn zu überleben, bis am Ende rund 100.000 Menschen gestorben sein werden.

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Zeit:6 Std. 43 min

Sprecher:Helmut Hafner
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Informationen zum Buch

Daniel Defoe war gerade einmal fünf Jahre alt, als die Pest in London wütete. Fast 60 Jahre später veröffentlichte er dieses Buch als eine Art Erlebnisbericht zwischen Roman und Reportage, in dem er eine gleichermaßen ungeschminkte wie anschauliche Chronik der Epidemie und ihres verheerenden Fortschreitens verfasste. Einem fiktiven Erzähler folgend durchstreifen wir eine Welt des kalten Grauens. London gleicht einer Geisterstadt, die Straßen sind verwaist, aus den noch bewohnten Häusern dringen Laute des Leidens, an den Türen anderer Häuser prangen Kreuze. Leichensammler durchstreifen die Stadt, Quacksalber und Geschäftemacher nutzen die Gunst der Stunde, während sich Angst breitmacht und in Hysterie umschlägt. Jeder für sich versucht den Wahnsinn zu überleben, bis am Ende rund 100.000 Menschen gestorben sein werden.

Über Daniel Defoe

Daniel Defoe wurde 1660 (oder 1661) in England als Sohn eines Fleischers und Kerzenmachers geboren. Als Erzähler, Journalist und Publizist hinterließ er ein sehr umfangreiches Werk und gilt als Begründer des modernen englischen Romans. Berühmt wurde er 1719 mit „Robinson Crusoe“, der sofort auch über die Landesgrenzen hinaus ein großer Erfolg wurde und bis heute eines der meistgelesenen Werke der Weltliteratur ist. Weitere wichtige Werke Defoes sind „Moll Flanders“ (1722) und „Roxana“ (1724), in denen er am Beispiel von abenteuerlichen Frauenschicksalen die sozialen Mißstände und moralischen Mängel seiner Zeit kritisierte. Er starb in relativ bescheidenen Verhältnissen 1731 in London.

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Daniel Defoe

Die Pest in London

Aus dem Englischen übersetztvon Rudolf Schaller

Inhaltsübersicht

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Die Pest in London

Anmerkungen

Impressum

Es war Anfang September 1664, als ich bei einem Aufenthalt unter meinen Nachbarn im alltäglichen Gespräch hörte, dass die Pest wieder in Holland ausgebrochen sei, denn sie war dort sehr heftig gewesen und besonders im Jahre 1663 in Amsterdam und Rotterdam, wohin sie, wie die einen sagen, aus Italien und, wie andere meinen, aus der Levante mit einigen Waren eingeschleppt worden war, die durch ihre türkische Flotte eingeführt wurden; andere behaupteten, sie sei aus Candia mitgebracht worden, und wieder andere, aus Cypern. Es blieb sich gleich, woher sie kam; aber alle stimmten darin überein, sie sei wieder nach Holland gekommen.

Wir hatten in diesen Tagen keine gedruckten Zeitungen oder dergleichen, um Gerüchte oder Berichte über Ereignisse zu verbreiten und sie durch menschliche Erfindung aufzubauschen, wie ich es seitdem habe erfahren müssen. Aber Dinge wie diese wurden aus den Briefen der Kaufleute oder anderer, die einen Briefwechsel mit dem Ausland hatten, entnommen und wurden von diesen von Mund zu Mund weitergegeben, sodass sie sich nicht, wie heutzutage, augenblicklich über das ganze Land verbreiteten. Es scheint aber, dass die Regierung einen genauen Bericht über sie hatte und dass verschiedene Beratungen über Mittel und Wege stattfanden, ihrem Herüberkommen vorzubeugen; aber sie wurden alle streng geheim gehalten. So kam es, dass dieses Gerücht wieder erstarb, und die Leute anfingen, es als etwas zu vergessen, was uns weniger anginge und das, so hofften wir, nicht wahr sei: bis Ende November oder Anfang Dezember 1664 zwei Männer, angeblich Franzosen, in Long Acre oder vielmehr am oberen Ende von Drury Lane an der Pest starben. Die Familie, bei der sie wohnten, bemühte sich, es soweit wie möglich zu verheimlichen; aber als es durch das Gerede in der Nachbarschaft irgendwie laut geworden war, erhielten die Staatsminister davon Kenntnis. Und da sie sich darum bemühten, die Sache zu untersuchen, um Gewissheit zu erlangen, wurden zwei Ärzte und ein Wundarzt beauftragt, das Haus aufzusuchen und zu besichtigen. Dieses geschah, und da sie deutliche Merkmale der Krankheit an den beiden Leichen fanden, gaben sie öffentlich ihrer Ansicht Ausdruck, dass die beiden der Pest zum Opfer gefallen seien, worauf es dem Gemeindeküster angezeigt wurde, und er wiederum erstattete dem Rathause Bericht; und in der wöchentlichen Sterblichkeitsliste wurde in der üblichen Form folgendes veröffentlicht:

Pest: 2

Angesteckte Gemeinden: 1

Die Leute zeigten darüber große Sorge und wurden in der ganzen Stadt von Unruhe ergriffen, und zwar um so mehr, als in der letzten Dezemberwoche 1664 im gleichen Hause noch ein Mann an derselben Krankheit starb; und dann waren wir für etwa sechs Wochen wieder unbesorgt, da niemand mit dem geringsten Anzeichen einer Ansteckung gestorben war, sodass es hieß, die Krankheit sei verschwunden; dann aber starb – ich glaube, es war etwa der 12. Februar – wieder jemand in einem anderen Hause, aber in derselben Gemeinde und auf dieselbe Art.

Das richtete die Blicke der Bevölkerung in starkem Maße auf dieses Ende der Stadt; und da die Wochenliste eine sehr ungewöhnliche Zunahme der Sterbefälle in der Gemeinde St. Giles auswies, begann man zu argwöhnen, dass die Pest unter der Bevölkerung jenes Stadtteiles herrsche und dass viele an ihr gestorben seien, obwohl man Sorge getragen habe, es so gut wie möglich vor der Öffentlichkeit geheim zu halten. Dies beschäftigte die Köpfe der Leute sehr, und manche hüteten sich, durch Drury Lane oder die anderen verdächtigen Straßen zu gehen, wenn nicht außergewöhnliche Obliegenheiten sie dazu veranlassten.

Die Zunahme in den Listen stand so: die durchschnittliche wöchentliche Sterbeziffer in den Gemeinen St. Giles in the Fields, St. Andrew und Holborn bewegte sich in jeder zwischen 12 und 17 oder 19, ein paar mehr oder weniger; aber von der Zeit an, als die Pest zuerst in der Gemeinde St. Giles auftrat, bemerkte man, dass die Beerdigungen beträchtlich zunahmen. Zum Beispiel:

Vom

27.

Dez

bis

3.

Jan.

St. GilesSt. Andrew

1617

3.

Jan.

10.

St. GilesSt. Andrew

1225

10.

17.

St. GilesSt. Andrew

1818

17.

24.

St. GilesSt. Andrew

2316

24.

31.

St. GilesSt. Andrew

2415

31.

7.

Febr.

St. GilesSt. Andrew

2123

7.

Febr.

14.

St. Giles

24,

davon starb einer an der Pest.

Dieselbe Zunahme der Sterblichkeitsziffer wurde in St. Bride, das auf der einen Seite an Holborn grenzt, und in St. James, Clerkenwell, beobachtet, das auf der anderen Seite an Holborn grenzt; in diesen beiden Gemeinden, wo die wöchentliche Sterbeziffer gewöhnlich zwischen 6 und 8 lag, nahm sie dagegen um diese Zeit wie folgt zu:

Vom

20.

Dez.

bis

27.

Dez

St. BrideSt. James

08

27.

3.

Jan.

St. BrideSt. James

69

3.

Jan.

10.

St. BrideSt. James

117

10.

17.

St. BrideSt. James

129

17.

24.

St. BrideSt. James

915

24.

31.

St. BrideSt. James

812

31.

7.

Febr.

St. BrideSt. James

135

7.

Febr.

14.

St. BrideSt. James

126

Außerdem wurde von der Einwohnerschaft mit tiefer Beunruhigung wahrgenommen, dass die wöchentlichen Sterbeziffern in diesen Wochen im Allgemeinen stark anstiegen, obwohl es eine Jahreszeit war, zu der sich die Ziffern gewöhnlich sehr niedrig hielten.

Die durchschnittliche wöchentliche Zahl der Begräbnisse lag nach den Totenlisten zwischen ungefähr 240 und 300. Die letztere wurde schon als sehr hohe Ziffer angesehen; aber von jetzt an fanden wir die Listen ständig zunehmend, wie folgt:

20.

Dez.

bis

27.

Dez.

291

Begräbnisse

27.

3.

Jan.

349

Zunahme:

58

3.

Jan.

10.

394

45

10.

17.

415

21

17.

24.

474

59

Diese letzte Liste war wirklich entsetzlich, da sie eine höhere Totenziffer zeigte, als sie seit der vorhergehenden Heimsuchung im Jahr 1656 bekannt geworden war.

Indessen ging das alles vorüber, und da sich das Wetter kalt zeigte und der Frost, der im Dezember eintrat, sogar bis gegen Ende Februar sehr streng anhielt und von schneidenden, wenn auch mäßigen Winden begleitet war, ging die Sterbeziffer wieder zurück, die Stadt gesundete, und jedermann begann die Gefahr als so gut wie vorübergegangen zu betrachten; nur dass die Begräbnisziffern in St. Giles weiterhin hoch waren. Besonders seit Anfang April standen sie jede Woche auf 25 bis zur Woche vom 18. bis 25. April, in welcher in der Gemeinde St. Giles 30 Beerdigungen stattfanden, davon 2 infolge der Pest und 8 infolge des Fleckfiebers, was als dasselbe angesehen wurde; auch die Zahl der am Fleckfieber insgesamt Gestorbenen stieg, und zwar von vorher wöchentlich 8 auf 12 in der genannten Woche.

Dies versetzte uns alle in Aufregung, und die Bevölkerung hegte schreckliche Befürchtungen, besonders da das Wetter nun wechselte und warm wurde und der Sommer vor der Tür stand; jedoch schien die nächste Woche wieder etwas Hoffnung zu bieten, denn die Sterblichkeitsziffer war gering, die Gesamtzahl der Toten betrug nur 388, darunter kein Todesfall durch Pest und nur 4 durch Fleckfieber.

Aber in der nächsten Woche änderte es sich wieder, und die Krankheit dehnte sich auf zwei öder drei andere Gemeinden aus, nämlich St. Andrew, Holborn und St. Clement Danes, und zur großen Betrübnis der City starb einer innerhalb der Mauern, in der Gemeinde St. Mary Wool Church, in der Bearbinder Lane, nahe dem Stocks Market; im ganzen starben 9 an der Pest und 6 am Fleckfieber. Indessen ergab die Untersuchung, dass der Franzose, der in der Bearbinder Lane gestorben war, in Long Acre in der Nähe der infizierten Häuser gewohnt hatte und aus Furcht vor der Seuche umgezogen war, ohne zu wissen, dass er bereits angesteckt war.

Dies war Anfang Mai; jedoch war das Wetter gemäßigt, veränderlich und kühl genug, und die Leute hatten noch etwas Hoffnung: was sie ermutigte, war, dass die City gesund war und alle 97 Gemeinden nur 54 Todesfälle hatten, und wir begannen zu hoffen, dass die Krankheit nicht weiter um sich greifen werde, da es sich hauptsächlich um Leute am andern Ende der Stadt handelte; und um so mehr, als in der nächsten Woche, vom 9. bis zum 16. Mai, nur 3 starben, darunter keiner innerhalb der ganzen City oder der Freiheiten, und in St. Andrew nur 15 beerdigt wurden, was sehr wenig war. Allerdings hatte St. Giles 32 Todesfälle, aber da darunter nur einer infolge der Pest zu verzeichnen war, begannen die Menschen sorglos zu werden; die Gesamtsterbeziffer war auch sehr niedrig, indem sie in der Woche zuvor nur 347 und in der erwähnten Woche nur 343 betrug. Einige Tage lang hegten wir gute Hoffnung. Aber wirklich nur einige, denn die Leute ließen sich nun nicht länger auf diese Weise täuschen; sie durchsuchten die Häuser und fanden, dass die Pest wirklich allenthalben verbreitet war und täglich viele an ihr starben, sodass nun alle unsere Beschönigungsversuche zusammenbrachen und sie nicht mehr wegzuleugnen war; ja, es stellte sich schnell heraus, dass die Seuche alle Hoffnung auf ein Nachlassen zunichte gemacht hatte, dass sie in der Gemeinde St. Giles in mehreren Straßen aufgetreten war und eine Anzahl ganzer Familien krank lagen, was sich demgemäß in der Totenliste für die nächste Woche zu zeigen begann. Darin wurden allerdings nur 14 Tote infolge Pest verzeichnet, aber das war nichts als ein schurkisches Täuschungsmanöver, denn in der Gemeinde St. Giles wurden im ganzen 40 beerdigt, wobei feststand, dass die meisten von ihnen an der Pest starben, obgleich andere Krankheiten angegeben waren; und obwohl die Gesamtzahl der Beerdigungen um nicht mehr als 32 gestiegen war und die ganze Totenliste nur 375 angab, waren doch 14 Opfer des Fleckfiebers und auch 14 Tote infolge Pest darunter, und wir sahen es im ganzen als sicher an, dass in dieser Woche 50 an der Pest gestorben waren.

Die nächste Liste war vom 23. bis 30. Mai, worin die Zahl der Pestfälle 17 betrug; aber es waren 53 Beerdigungen in St. Giles – eine schreckliche Ziffer! Davon schrieb man nur 9 der Pest zu; aber eine schärfere Nachprüfung durch die Friedensrichter und auf Ersuchen des Lord Mayors ergab, dass in dieser Gemeinde in der Tat 20 mehr an der Pest gestorben waren, für die Fleckfieber oder andere Krankheiten als Todesursache angegeben und zudem andere verheimlicht worden waren.

Aber das waren Kleinigkeiten im Vergleich zu dem, was unmittelbar darauf folgte. Denn jetzt setzte heißes Wetter ein, und von der ersten Juniwoche an breitete sich die Seuche in schrecklicher Weise aus, und die Sterblichkeitsziffer stieg hoch an, die Totenziffern an Fieber, Fleckfieber und Zahnfieber schwollen an; denn alle, die ihre Krankheit verheimlichen konnten, taten es, um zu verhüten, dass ihre Nachbarn sie mieden oder sich weigerten, mit ihnen zu sprechen, und um die Behörden daran zu hindern, ihre Häuser zu verschließen, was zwar noch nicht vorgenommen wurde, aber doch angedroht war und was die Leute schon beim bloßen Gedanken daran maßlos erschreckte.

In der zweiten Juniwoche wurden in der Gemeinde St. Giles, auf der noch immer die Hauptlast der Seuche lag, 120 Menschen beerdigt. Von diesen Todesfällen wurden, obgleich die Sterbeliste nur bei 68 die Pest als Todesursache angab, von jedermann mindestens 100 der Pest zugeschrieben, was man aus der gewöhnlichen Zahl der Beerdigungen in dieser Gemeinde, wie sie oben angegeben ist, schloss.

Bis zu dieser Woche war die City frei geblieben, indem sie in allen 97 Gemeinden keinen anderen Toten als jenen Franzosen gehabt hatte, den ich bereits erwähnte. Jetzt starben vier in der City, einer in der Wood Street, einer in der Fenchurch Street und zwei in der Crooked Lane; Southwark war ganz frei, da man auf dieser Seite des Wassers noch nicht einen Toten gehabt hatte.

Ich wohnte außerhalb Aldgate, etwas mittwegs zwischen der Kirche von Aldgate und dem Tor von Whitechapel, auf der linken oder nördlichen Seite der Straße; und da die Krankheit nicht bis zu dieser Seite der Stadt vorgedrungen war, verhielt sich unsere Gegend recht ruhig; aber am anderen Ende der Stadt war die Bestürzung sehr groß, und die Reicheren, besonders der hohe und niedere Adel im Westteil der Stadt, drängten in ungewöhnlicher Art mit ihren Familien und Bedienten aus der Stadt, und das konnte man besonders in Whitechapel beobachten, in der Broad Street, wo ich wohnte; und wirklich waren nichts als Wagen und Fuhrwerke mit Gütern, Frauen, Dienern, Kindern und so weiter zu sehen; Kutschen, mit Angehörigen der besseren Klasse angefüllt, und Reiter, die sie begleiteten, und alle eilten fort; dann erschienen leere Wagen und Fahrzeuge und unberittene Pferde mit Dienern, die sich augenscheinlich auf der Rückkehr befanden oder vom Lande geschickt waren, weitere Leute wegzubringen; außerdem unzählige Menschen zu Pferde, einige allein, andre mit Bedienten und, allgemein gesprochen, alle mit Gepäck beladen und zur Reise ausgerüstet, wie jeder aus ihrem Äußeren schließen konnte.

Dies war ganz schrecklich und tief betrübend anzusehen, und da es ein Anblick war, den ich nicht umhinkonnte von morgens bis abends zu betrachten (denn in der Tat war sonst nichts anderes von Bedeutung zu sehen), erfüllte er mich mit recht ernsten Gedanken über das Elend, das über die Stadt kommen musste, und den elenden Zustand derer, die in in ihr zurückgelassen werden würden.

Diese stürmische Hast der Leute hielt einige Wochen hindurch so an, dass man ohne ungewöhnliche Schwierigkeiten nicht bis zur Tür des Lord Mayors vordringen konnte; dort war ein Gedränge und Gewühl derer, die sich nach auswärts begeben und zu diesem Zweck Pässe und Gesundheitsbescheinigungen erhalten wollten, denn ohne diese wurde niemandem erlaubt, über das Weichbild der Stadt auf die Landstraße zu kommen oder in einem Gasthaus zu übernachten. Da bis jetzt die ganze Zeit über in der City noch niemand gestorben war, gab der Lord Mayor einstweilen ohne jedes Bedenken allen Gesundheitsbescheinigungen, die in den 97 Gemeinden und in den Freiheiten wohnten.

Diese Hast dauerte, wie ich sagte, einige Wochen, das heißt die ganzen Monate Mai und Juni, und zwar um so mehr, als das Gerücht umlief, dass eine Anordnung der Regierung herausgegeben werden sollte, Schlagbäume und Schranken auf den Landstraßen zu errichten, um der Flucht der Menschen zu begegnen, und dass die Ortschaften an der Straße Leute aus London nicht durchlassen wollten, weil sie fürchteten, diese brächten ihnen Ansteckung, obwohl – wenigstens anfänglich – keins dieser Gerüchte anders als in der Einbildung begründet war.

Ich selbst begann nun ernstlich über meine eigene Lage mit mir zu Rate zu gehen und zu überlegen, wie ich mich verhalten solle, das heißt, ob ich mich entscheiden solle, in London zu bleiben oder mein Haus zu schließen und, wie viele meiner Nachbarn, zu fliehen. Ich habe diesen Punkt so ausführlich behandelt, nur weil ich glaube, dass er für eine spätere Generation von Bedeutung sein könnte, falls sie einmal in dieselbe Notlage versetzt werden sollte und in derselben Weise ihre Entscheidung zu treffen haben müsste, und deshalb wünschte ich, dieser Bericht möge von ihnen eher als eine Anweisung zum Handeln denn als eine Geschichte meines Handelns angesehen werden, da ich sehe, dass es für sie nicht im geringsten von Wert sein kann, zu erfahren, was nun aus mir wurde.

Ich hatte zwei wichtige Dinge vor mir: das eine war, mein Geschäft mit meinem Laden weiterzuführen, das beträchtlich war und in dem alle meine irdischen Güter angelegt waren, und das andere war die Erhaltung meines Lebens in einem so grässlichen Unglück, das augenscheinlich über die ganze Stadt hereinzubrechen im Begriff stand und das sich, so groß es auch immer sein mochte, meine sowohl wie anderer Leute Furcht noch größer ausmalte, als es sein konnte.

Die erste Überlegung war von großer Wichtigkeit für mich; ich betrieb ein Sattlergeschäft, und da sich mein Gewerbe im Wesentlichen nicht auf ein Laden- oder Gelegenheitsgeschäft stützte, sondern auf die Kaufleute, die mit den englischen Kolonien in Amerika handelten, lagen meine Waren großenteils in deren Händen. Ich war allerdings ein allein stehender Mann, aber ich hatte eine Dienerschaft, die ich zur Arbeit in meinem Geschäft hielt, besaß ein Haus, einen Laden und Warenlager, die mit Gütern angefüllt waren: kurzum, dies alles im Stich zu lassen, wie man dergleichen eben in einem solchen Falle zurücklassen muss, das heißt ohne einen Betreuer oder eine geeignete Vertrauensperson, hätte nicht allein den Verlust meines Geschäfts, sondern aller meiner Güter, ja wirklich all dessen bedeutet, was ich in der Welt besaß.

Ich hatte zu der Zeit in London einen älteren Bruder, der erst einige Jahre vorher aus Portugal zurückgekommen war; und als ich mit ihm beratschlagte, war seine Antwort in den vier Worten, denselben, die in einem ganz anders gearteten Falle gesprochen wurden, nämlich: Herr, rette dich selber! Mit einem Wort, er war dafür, dass ich mich aufs Land zurückziehen solle, wie er sich entschloss, es mit seiner Familie zu tun, wobei er mir erklärte, die beste Maßnahme gegen die Pest sei, vor ihr auszureißen, was er offenbar im Ausland gehört hatte. Meinen Einwand, dass ich mein Geschäft, meine Waren und Außenstände verlöre, widerlegte er durchaus: er sagte mir genau dasselbe, was ich für mein Bleiben geltend machte, nämlich, dass ich Gott meine Rettung und meine Gesundheit anheim stellen wolle, sei die stärkste Widerlegung meiner Befürchtungen, dass ich mein Geschäft und meinen Besitz verlieren werde. „Denn“, sagte er, „ist es nicht ebenso vernünftig, Gott bei der Aussicht oder der Gefahr des Verlustes deines Geschäfts zu vertrauen wie an einem derartig der Gefahr ausgesetzten Orte zu bleiben und mit diesem Vertrauen dein Leben aufs Spiel zu setzen?“

Ich konnte nicht behaupten, dass ich in der geringsten Verlegenheit wegen des Ortes war, wohin ich gehen sollte, denn ich hatte mehrere Freunde und Verwandte in Northamptonshire, woher unsere Familie stammte, und vor allem hatte ich meine einzige Schwester in Lincolnshire, die gern bereit war, mich aufzunehmen und zu verpflegen.

Mein Bruder, der seine Frau und zwei Kinder schon nach Bedfordshire geschickt hatte und entschlossen war, ihnen nachzureisen, drängte mich ernstlich zu gehen; und ich hatte mich schon einmal entschlossen, seinen Wünschen nachzugeben, konnte aber zu der Zeit kein Pferd bekommen; denn obwohl es wahr ist, dass nicht alle Leute London verließen, möchte ich doch behaupten, dass ungefähr alle Pferde es taten, denn wochenlang konnte man in der ganzen Stadt kaum ein Pferd kaufen oder mieten. Einmal fasste ich den Entschluss, mit einem Bedienten zu Fuß aufzubrechen und, wie viele es taten, keine Gasthäuser aufzusuchen, sondern ein Soldatenzelt mitzunehmen und im Freien zu übernachten, da das Wetter sehr warm war und keine Erkältungsgefahr bestand. Ich sage: wie es viele taten, weil schließlich verschiedene es taten, besonders jene, die in dem Kriege vor wenigen Jahren in den Armeen gestanden hatten; und ich muss wirklich sagen, um von den folgenden Dingen zu sprechen: wenn die meisten Leute, die über Land gingen, so verfahren wären, wäre die Pest nicht in so viele Landstädte und -häuser geschleppt worden, wie es geschah, was unzähligen Menschen großen Schaden und sogar Vernichtung brachte.

Aber dann hinterging mich mein Diener, den ich hatte mit mir nehmen wollen, und da er durch die Zunahme der Seuche in Schrecken versetzt war und nicht wusste, wann ich gehen würde, überlegte er es sich anders und verließ mich, und so war ich für diesmal gehindert; und irgendwie fand ich immer, dass die Festsetzung meines Aufbruchs immer durch dieses oder jenes Ereignis durchkreuzt wurde, gleichsam um ihn zu vereiteln und abermals aufzuschieben; und das bringt mich auf eine Geschichte, die sonst als eine nutzlose Abschweifung angesehen werden würde, nämlich darüber, dass diese Vereitelungen von Gott sind.

Ich erwähne dies auch als die beste Methode, die ich in einem solchen Falle zu wählen jedermann empfehlen kann, besonders, wenn es jemand ist, der sich ein Gewissen aus seiner Pflicht macht und der einen Weg gewiesen haben will, den er dabei einschlagen soll, nämlich, dass er sein Auge auf die außergewöhnlichen Fügungen richten soll, die sich zu dieser Zeit ereignen, und dass er sie in ihrer Gesamtheit betrachten soll, wie sie sich aufeinander beziehen und wie sie alle Bezug auf die Frage haben, die vor ihm liegt, und dann, glaube ich, kann er in ihnen getrost eine Andeutung vom Himmel erblicken, was in einem solchen Falle zu tun seine unzweifelhafte Pflicht sei; ich meine, was das Weggehen oder Bleiben an einem Ort betrifft, wo wir wohnen, wenn er von einer ansteckenden Seuche befallen wird.

Es kam mir eines Morgens, als ich über diese eigentümliche Sache nachdachte, sehr lebhaft in den Sinn, dass, wie uns nichts begegnet ohne die Lenkung oder Zulassung der göttlichen Macht, auch diese Fehlschläge etwas Außerordentliches in sich haben müssten und dass ich bedenken sollte, ob sie mir nicht deutlich anzeigten oder zu erkennen gäben, dass es Gottes Wille sei, ich solle nicht gehen. Unmittelbar darauf folgte in meinen Betrachtungen, dass Gott, wenn es wirklich von ihm käme, dass ich bleiben solle, tatsächlich fähig sei, mich mitten in all den Todesgefahren, die mich umgeben würden, zu schützen, und dass es, wenn ich versuchte, mich durch die Flucht von meinem Wohnsitz in Sicherheit zu bringen, und gegen diese von mir als göttlich angesehenen Fingerzeige handelte, eine Art Flucht vor Gott sei und er seine Gerechtigkeit veranlassen könne, mich zu ereilen, wann und wo es ihm gutdünke.

Diese Gedanken führten wieder zu einer völligen Änderung meines Entschlusses, und als ich nochmals zu einem Gespräch mit meinem Bruder kam, sagte ich ihm, dass ich geneigt sei, zu bleiben und mein Geschick auf dem Platze hinzunehmen, auf den Gott mich gestellt habe, und dass es mir scheine, dies sei mir in ganz besonderem Maße zur Pflicht gemacht, aus dem Grunde, den ich genannt habe.

Obwohl mein Bruder selbst ein sehr religiöser Mann war, lachte er über meine Andeutung, dass es ein göttliches Zeichen sei, und erzählte mir verschiedene Geschichten von solchen tollkühnen Leuten, wie er sie bezeichnete, wie ich sei; dass ich der Verhinderung allerdings als einem Werk des Himmels nachgeben müsse, wenn ich durch Krankheiten oder Leiden irgendwie unfähig geworden wäre, und dass ich mich, wenn ich nicht fähig wäre zu gehen, in Seine Fügung schicken müsse, der, da er mein Schöpfer sei, ein unbestreitbares höchstes Recht habe, über mich zu verfügen, und dass dann keine Schwierigkeit bestanden hätte, zu entscheiden, was der Ruf seiner Vorsehung sei und was nicht; aber dass ich es als eine Eingebung des Himmels auffasste, die Stadt nicht zu verlassen, nur weil ich dafür kein Pferd mieten konnte oder weil mein Diener weggelaufen war, der mich begleiten sollte, sei lächerlich, da ich zur selben Zeit noch meine heilen Glieder und andere Diener habe und mit Leichtigkeit ein oder zwei Tage zu Fuß reisen könne; und da ich auch noch eine gültige Bescheinigung über meine volle Gesundheit besitze, könne ich entweder ein Pferd mieten oder eine Postkutsche benutzen, was mir eben am besten scheine.

Dann fuhr er fort, mir von den verderblichen Folgen zu erzählen, welche die Vermessenheit der Türken und Mohammedaner in Asien und in anderen Gegenden nach sich zieht, wo er gewesen war (denn mein Bruder war, wie ich bereits erwähnte, erst einige Jahre vorher als Kaufmann aus dem Auslande, zuletzt von Lissabon kommend, zurückgekehrt), und wie sie sich in ihrer gläubigen Anschauung von der Vorherbestimmung und vom vorherbestimmten, unabänderlich im voraus verhängten Ende jedes Menschen erkühnten, sich unbedenklich an verseuchte Orte zu begeben und mit Angesteckten zu verkehren, sodass wöchentlich bis zu 10000 oder 15000 von ihnen starben, wogegen die Europäer oder die christlichen Kaufleute, die sich zurückgezogen und vorsichtig verhielten, im Allgemeinen vor Ansteckung bewahrt blieben.

Mit diesen Argumenten änderte mein Bruder von neuem meine Entschlüsse, sodass ich gehen wollte und alles entsprechend vorbereitete; denn in kurzem griff die Seuche rings um mich her stärker um sich, und die Sterblichkeitsziffer stieg auf fast 700 wöchentlich, und mein Bruder sagte mir, er wolle es nicht wagen, länger zu bleiben. Ich bat ihn, es mich noch bis zum nächsten Tage überlegen zu lassen, und wollte mich dann entscheiden; und als ich schon alles so gut, wie ich konnte, vorbereitet hatte, was mein Geschäft betraf und wen ich mit meinen Angelegenheiten betrauen konnte, blieb mir nicht mehr viel übrig, als mich zu entschließen.

Tief bedrückt in meinem Herzen, unentschlossen und ohne zu wissen, was zu tun sei, ging ich an diesem Abend nach Hause. Ich hatte den ganzen Abend dafür frei gehalten, um ernstlich darüber nachzudenken, und war ganz allein; denn schon hatten die Leute, wie auf ein allgemeines Übereinkommen, die Gewohnheit angenommen, nach Sonnenuntergang nicht mehr auszugehen, wofür ich die Gründe bei Gelegenheit nach und nach noch nennen werde.

In der Zurückgezogenheit dieses Abends bemühte ich mich, mir zuerst darüber klar zu werden, was zu tun meine Pflicht sei, und ich legte mir die Beweisgründe klar, mit denen mich mein Bruder gedrängt hatte, aufs Land zu gehen, und stellte ihnen die starken Eindrücke gegenüber, die in meinem Gemüt für das Ausharren sprachen: den deutlichen Ruf, der mir von den besonderen Umständen meines Berufs und von der Sorge zu kommen schien, die ich der Erhaltung meiner Güter schuldig war, welche, wie ich sagen möchte, mein Vermögen darstellten; ebenfalls die Zeichen, die ich vom Himmel erhalten zu haben glaubte, die mir als eine Art Wink erschienen, das Glück zu wagen, und es fiel mir ein, dass ich, wenn ich eine Anweisung – wie ich es nenne – zu bleiben hatte, auch annehmen müsste, sie enthalte ein Versprechen, dass ich bewahrt bleiben würde, wenn ich gehorchte.

Dies beschäftigte mich sehr, und mehr als je schien mein Geist ermutigt, zu bleiben, und bestärkt durch die heimliche Beruhigung, dass ich gerettet werde. Dazu kommt noch, dass ich in der vor mir liegenden Bibel blätterte und, während meine Gedanken noch ernster als sonst mit der Frage beschäftigt waren, ausrief: „Ach, ich weiß nicht, was ich tun soll; Herr, führe du mich!“ und so weiter; und als ich in diesem Augenblick mit dem Blättern in dem Buche gerade beim 91. Psalm innehielt und mein Blick auf den zweiten Vers fiel, las ich bis zum siebenten Vers und alsdann weiter einschließlich des zehnten wie folgt: „Ich will sagen vom Herrn, er ist meine Zuversicht und meine Stärke, mein Gott, auf den ich baue. Sicherlich wird er dich erretten vor der Schlinge des Voglers und vor der verderblichen Pestilenz. Er wird dich mit seinen Federn bedecken, und unter seinen Flügeln sollst du sicher sein. Du sollst dich nicht fürchten vor dem Schrecken bei Nacht noch vor dem Pfeil, der da fliegt bei Tage: weder vor der Pest, die da schleicht in der Finsternis, noch vor der Zerstörung, die da wütet am Mittag. Tausend werden fallen dir zur Seite und zehntausend dir zur Rechten; aber dir wird sie nicht nahe kommen. Nur mit deinen Augen sollst du gewahren und sehen die Vergeltung für die Gottlosen. Weil du den Herrn, der meine stärkste Zuflucht ist, zu deiner Wohnung gemacht hast, soll dich weder ein Übel befallen noch irgendeine Plage nahe kommen deinem Wohnsitz“ und so weiter.

Ich brauche dem Leser wohl kaum zu sagen, dass ich von diesem Augenblick an entschlossen war, in der Stadt zu bleiben und, indem ich mich ganz der Güte und dem Schutz des Allmächtigen anvertraute, keinerlei Zuflucht anderswo zu suchen; denn er, in dessen Händen mein Geschick war, konnte mich ebenso wohl während der Seuche als auch in Zeiten der Gesundheit behüten; und wenn es ihm nicht gefiel, mich zu erretten, so stand ich doch immer in seiner Hand, und es war recht und billig, dass er mit mir so verfahren würde, als ihm gut schien.

Mit diesem Entschluss ging ich zu Bett, und ich wurde am nächsten Tage in ihm noch dadurch gefestigt, dass die Frau erkrankte, der ich mein Haus und alle meine Angelegenheiten hatte anvertrauen wollen. Aber ich hatte mir auf diese Weise eine weitere Verpflichtung auferlegt, denn ich fühlte mich am nächsten Tage auch sehr elend, sodass ich, wenn ich hätte weggehen wollen, es gar nicht hätte können, und ich war drei oder vier Tage weiter krank, und das bestimmte völlig mein Bleiben. So nahm ich Abschied von meinem Bruder, der sich nach Dorking in Surrey begab und von da nach Buckinghamshire oder Bedfordshire zu einem Zufluchtsort fuhr, den er dort für seine Familie ermittelt hatte.

Es war eine schlimme Zeit, krank zu sein, denn wenn jemand nur klagte, wurde sofort gesagt, er habe die Pest; und obwohl ich gar keine Anzeichen dieser Krankheit hatte, wenn mir auch im Kopfe wie im Leibe sehr übel war, befürchtete ich doch, dass ich wirklich angesteckt war; aber nach drei Tagen ging es mir besser, in der dritten Nacht schlief ich gut, schwitzte ein wenig und fühlte mich sehr erfrischt; die Befürchtungen, dass ich angesteckt sei, schwanden auch ganz mit meiner Krankheit, und ich begab mich an meine Arbeit, wie ich es gewohnt war.

Diese Ereignisse nahmen mir nun jede Absicht, aufs Land zu gehen; und da mein Bruder jetzt auch fort war, hatte ich weder mit ihm noch mit mir selbst eine weitere Erörterung über diese Sache.

Es war jetzt Mitte Juli, und die Pest, die vor allem am anderen Ende der Stadt, nämlich, wie ich bereits erwähnte, in den Gemeinden St. Giles, St. Andrew, Holborn und nach Westminster zu gewütet hatte, begann sich jetzt weiter ostwärts nach der Gegend zu ziehen, wo ich wohnte. Es war allerdings zu bemerken, dass sie nicht geradewegs auf uns zukam; denn die City, das heißt innerhalb der Mauern, war noch ziemlich gesund; auch war sie damals kaum über das Wasser nach Southwark vorgedrungen; denn obwohl in jener Woche 1268 an den verschiedensten Krankheiten starben, davon schätzungsweise mehr als 900 an der Pest, so waren es doch nur 28 in der ganzen City innerhalb der Mauern und nur 19 in Southwark, die Gemeinde Lambeth inbegriffen, wogegen in den Gemeinden St. Giles und St. Martin in the Fields allein 421 starben.

Wir bemerkten aber, dass sich die Seuche vor allem in den Außengemeinden hielt, in denen, da sie sehr stark bevölkert waren und auch mehr Arme hatten, die Epidemie reichere Beute als in der City fand, wie ich weiter unten noch ausführen werde; wir bemerkten, will ich sagen, dass die Krankheit auf uns zukam, nämlich durch die Gemeinden Clerkenwell, Cripplegate, Shoreditch und Bishopsgate; und da die beiden letzteren Gemeinden an Aldgate, Whitechapel und Stepney grenzen, entfaltete die Seuche in diesen Teilen ihre äußerste, heftigste Wut, gerade als sie in den westlichen Gemeinden nachließ, wo sie begonnen hatte.

Es war sehr seltsam, zu beobachten, dass gerade in dieser Woche vom 4. bis 11. Juli, als, wie ich bemerkte, in den beiden Gemeinden St. Giles und St. Martin in the Fields allein etwa 400 an der Pest starben, in der Gemeinde Aldgate nur 4, in der Gemeinde Whitechapel 3 und in der Gemeinde Stepney nur einer starb.

Ebenso starben in der nächsten Woche, vom 11. bis 18. Juli, als die Sterblichkeitsziffer der Woche 1761 betrug, auf der ganzen Southwarker Seite des Wassers nicht mehr als 16 an der Pest.

Aber diese Lage der Dinge änderte sich bald, und sie begann sich besonders in der Gemeinde Cripplegate und in Clerkenwell zuzuspitzen, sodass Cripplegate in der zweiten Augustwoche allein 886 und Clerkenwell 155 Beerdigungen hatte; dabei können in der ersteren wohl 850 der Pest zugeschrieben werden, und in der zweiten bezeichnete die Totenliste selbst bei 145 die Pest als Todesursache.

Während des Monats Juli und während, wie ich bemerkt habe, unsere Stadtgegend im Vergleich zum westlichen Teil glimpflich abgeschnitten zu haben schien, ging ich wie gewöhnlich durch die Straßen, wie mein Geschäft es erforderte, und besonders ging ich meist einmal täglich oder alle zwei Tage in die City zum Hause meines Bruders, das er meiner Obhut anvertraut hatte, um dort nach dem Rechten zu sehen; und da ich den Schlüssel in der Tasche hatte, pflegte ich ins Haus zu treten und durch die meisten Räume zu gehen, um zu sehen, ob alles in Ordnung sei; denn obgleich es seltsam klingen mag, dass Leute so verhärtete Herzen haben sollten, mitten in einem solchen Unglück zu rauben und zu stehlen, steht doch fest, dass alle Arten von Schurkereien und sogar Leichtfertigkeiten und Ausschweifungen in der Stadt so offen wie immer begangen wurden – ich will nicht sagen: auch so häufig, weil die Bevölkerungszahl auf verschiedene Art zurückgegangen war.

Aber auch die City selbst begann nun heimgesucht zu werden, ich meine innerhalb der Mauern. Die Einwohnerzahl dort war allerdings stark zusammengeschmolzen, weil sich so viele Menschen aufs Land zurückgezogen hatten, und sogar den ganzen Monat Juli hindurch flohen sie weiter, wenn auch nicht in solchen Massen wie vordem. Im August jedoch flohen sie in solchem Umfange, dass es mir bald so vorkam, als seien nur die Behörden und Bedienten in der Stadt zurückgeblieben.

Da die Stadt nun fluchtartig verlassen wurde, möchte ich erwähnen, dass sich der Hof sehr bald entfernte, nämlich schon im Juni, und nach Oxford ging, wo es Gott gefiel, ihn zu erhalten, und die Krankheit berührte ihn nicht einmal, wie ich gehört habe. Ich kann freilich nicht sagen, jemals etwas wahrgenommen zu haben, dass sie dafür große Dankbarkeit bekundet hätten, und kaum etwas von einer Sinnesänderung, obgleich es nicht ausblieb, dass man ihnen nachsagte, ohne dass die Menschlichkeit verletzt würde, ihre schreienden Laster könnten für das Hereinbrechen dieses furchtbaren Strafgerichts über die ganze Nation verantwortlich gemacht werden.

Der Anblick Londons war jetzt wirklich seltsam verändert, ich meine die ganze Masse von Gebäuden, die City, die Freiheiten, die Vorstädte, Westminster, Southwark und alles zusammen; denn was den im besonderen „die City“ oder „innerhalb der Mauern“ genannten Teil betraf, so war er noch nicht stark angesteckt; aber im ganzen war das Aussehen der Dinge sehr verändert. Schmerz und Trauer wohnten in jedem Gesicht; und obgleich ein Teil noch nicht überwältigt war, blickten doch alle tief bekümmert drein; und da wir es augenscheinlich kommen sahen, so sah jeder sich selbst und seine Familie in der höchsten Gefahr. Wäre es möglich, diese Zeiten denen, die sie nicht miterlebten, genau darzustellen und dem Leser zutreffende Vorstellungen von dem Schrecken zu geben, der sich überall zeigte, dann müsste es wahren Eindruck auf ihre Gemüter machen und sie mit Bestürzung erfüllen. Man konnte von London sagen, dass es ganz in Tränen schwamm. Die Leidtragenden gingen allerdings nicht auf die Straße, denn niemand trug Schwarz oder zog für seine nächsten Freunde Trauerkleidung an, aber die Stimme der Trauer war in den Straßen deutlich zu vernehmen; die Schreie von Frauen und Kindern konnte man an den Fenstern und Türen ihrer Häuser, wo ihre nächsten Angehörigen vielleicht im Sterben oder gerade dahingeschieden lagen, beim Durchschreiten der Straßen so häufig hören, dass es genügte, um das stärkste Herz auf Erden zu durchbohren. Tränen und Wehklagen waren fast in jedem Hause zu sehen, besonders in der ersten Zeit der Heimsuchung; denn am Ende waren die Herzen der Menschen so verhärtet und der Tod ihnen so ständig vor Augen, dass der Verlust ihrer Freunde sie kaum noch sehr berührte, da sie selber auch damit rechnen mussten, schon in der nächsten Stunde abgerufen zu werden.

Geschäfte führten mich manchmal ans andere Ende der Stadt, sogar dann, als die Krankheit hauptsächlich dort herrschte; und da das Übel für mich wie für sonst jedermann neu war, war es etwas ganz Überraschendes, diese Straßen, die gewöhnlich so gedrängt voll waren, jetzt vereinsamt und nur von so wenig Menschen benutzt zu sehen, dass ich, wenn ich ein Fremder und hinsichtlich meines Weges in Verlegenheit gewesen wäre, manchmal die Länge einer ganzen Straße – ich meine der Nebenstraßen – hätte gehen können, ohne jemand zu sehen, der mir den Weg hätte weisen können, mit Ausnahme der Wächter, die vor den Türen der versperrten Häuser saßen; wovon ich sogleich sprechen werde.

Als ich eines Tages in dieser Gegend der Stadt etwas zu erledigen hatte, veranlasste mich die Neugier, die Dinge mehr als gewöhnlich zu beobachten. Ich ging wirklich einen längeren Weg, wo ich gar nichts zu tun hatte; ich ging hinauf nach Holborn und fand dort die Straße voller Menschen, aber sie gingen in der Mitte der breiten Straße und nicht auf einer von beiden Seiten, weil sie, wie ich vermute, mit niemand in Berührung kommen wollten, der aus den Häusern käme, oder sich nicht dem Geruch aussetzen wollten, der aus den Häusern hervorströmte, die infiziert sein konnten.

Die Juristenkollegien waren sämtlich geschlossen, und es waren auch nicht sehr viele von den Advokaten im Temple oder in Lincoln’s Inn oder Gray’s Inn zu sehen. Alle lebten in Frieden miteinander, es gab nichts zu tun für Anwälte; und da außerdem auch die Zeit der Gerichtsferien war, waren die meisten von ihnen aufs Land gegangen. In einigen Gegenden waren ganze Reihen von Häusern dicht verschlossen, die Bewohner alle geflohen, und nur ein Wächter oder zwei waren geblieben.

Wenn ich von Reihen verschlossener Häuser spreche, so will ich damit nicht sagen, dass sie von den Behörden verschlossen worden waren. Es war jene große Zahl von Menschen, die wegen ihrer Beschäftigung oder infolge anderer Abhängigkeit dem Hofe folgten; und da sich andere zurückzogen, die wirklich Furcht vor der Krankheit hatten, beschränkte es sich auf bloße Verödung einzelner Straßen; aber für sich betrachtet, war die Furcht in der City bei weitem noch nicht so groß; und besonders deshalb, weil die Leute, wenn sie zuerst auch in einer ganz unaussprechlichen Bestürzung waren, dennoch, wie ich bemerkt habe, dass die Krankheit zunächst oft aussetzte, sozusagen beunruhigt und wieder beruhigt waren, und dies verschiedene Male, bis es ihnen vertraut zu werden begann und die Leute sogar dann, als die Krankheit heftig auftrat, sich aber nicht gerade auf die City oder die östlichen und südlichen Stadtteile ausbreitete, Mut zu fassen und sozusagen ein wenig unempfindlich zu sein begannen. Es ist wahr, ungeheuer viele Menschen ergriffen die Flucht, wie ich bemerkt habe, aber sie waren hauptsächlich aus dem Westende der Stadt und aus dem so genannten Herzen der City, also Leute aus den reichsten Schichten und solche Personen, die unbelastet von Gewerben und Geschäften waren. Aber die übrigen blieben zum größten Teil und schienen das Schlimmste ertragen zu wollen, sodass in den Gegenden, die Freiheiten genannt werden, und in den Vorstädten, in Southwark und im Osten, wie Wapping, Ratcliffe, Stepney, Rotherhithe und so weiter, die Menschen fast durchweg blieben, ein paar begüterte Familien hier und dort ausgenommen, die, wie gesagt, nicht von ihrer Beschäftigung abhängig waren.

Es darf hier nicht vergessen werden, dass die City und die Vorstädte zur Zeit dieser Epidemie erstaunlich bevölkert waren, ich will damit sagen, zu der Zeit, als sie begann. Denn obgleich ich eine weitere Zunahme und die Niederlassung riesiger Scharen von mehr Menschen als je in London erlebt habe, so waren wir doch immer der Meinung, dass die Massen von Menschen, die nach dem Ende der Kriege, der Entlassung der Heere und der Wiederherstellung der Monarchie nach London geströmt waren, um Beschäftigung zu finden oder sich auf den Hof zu verlassen und ihm wegen der Belohnung von Diensten oder wegen Beförderung und dergleichen aufzuwarten, so groß waren, dass man veranschlagen konnte, die Stadt zähle über hunderttausend Einwohner mehr denn vorher; ja, manche trugen keine Bedenken zu sagen, sie habe zweimal soviel, weil alle ruinierten Familien von der königlichen Partei hier zusammenströmten, all die Soldaten nahmen ein Gewerbe auf, und eine Fülle von Familien ließ sich hier nieder, und überdies brachte der Hof einen beständigen Wechsel an Pracht und neuen Moden mit sich; alle Menschen waren lebenslustig und verschwenderisch geworden, und die Freude über die Restauration hatte ungeheuer viele Familien nach London gebracht.

Ich habe oft gedacht, genau wie Jerusalem von den Römern belagert wurde, als sich die Juden dort versammelt hatten, um das Passahfest zu feiern, wobei eine unglaubliche Anzahl von Menschen dort überrascht wurden, die sonst in anderen Ländern gewesen wären, genauso kam die Pest nach London, als durch die besonderen, oben erwähnten Umstände zufällig eine unglaubliche Bevölkerungszunahme eingesetzt hatte. Da der Zulauf der Leute zu einem jugendlichen und lebenslustigen Hofe die Gewerbe in der City aufleben ließ, besonders alle diejenigen, die zur Mode und Putzmacherei gehörten, so zog das als Folge eine große Anzahl von Handwerkern, Arbeitern und so weiter an, meist arme Leute, die auf ihre Arbeit angewiesen waren, und ich erinnere mich besonders daran, dass in einer dem Lord Mayor vorgebrachten Darstellung der Lage der Armen geschätzt wurde, dass es nicht weniger als hunderttausend Bandweber in und außerhalb der City gab, von denen die Mehrzahl in den Gemeinden Shoreditch, Stepney, Whitechapel und Bishopsgate wohnte, nämlich um Spitalfields, das heißt, was Spitalfields damals war, denn es war um ein Fünftel kleiner als jetzt.

Danach kann man jedoch die Zahl der gesamten Bevölkerung beurteilen; und freilich wunderte ich mich oft darüber, dass, nachdem eine erstaunliche Vielzahl von Menschen zu Anfang fortgezogen war, noch eine so große Masse zurückgeblieben war, wie es sich dann zeigte.

Aber ich muss noch einmal auf die Anfänge dieser erstaunlichen Zeit zurückkommen. Solange die Befürchtungen des Volkes noch neu waren, wurden sie seltsam vermehrt durch verschiedene merkwürdige Umstände, die, zusammen betrachtet, es eigentlich wie ein Wunder erscheinen lassen, dass das ganze Volk nicht wie ein Mann aufstand und seine Behausungen aufgab, um den Ort als ein Stück Erde zu verlassen, das vom Himmel als ein Akeldama gezeichnet und dazu verurteilt war, aus dem Angesicht der Erde getilgt zu werden, und dass alles, was auf ihm vorgefunden werden würde, mit ihm untergehen solle. Ich werde nur einige von diesen Dingen nennen: aber sicher waren es so viele und so viele gauklerische und gerissene Leute, die sie verbreiteten, dass ich mich oft gewundert habe, dass überhaupt noch jemand (vor allem Frauen) zurückgelassen wurde.

Zunächst erschien einige Monate vor der Pest ein Haarstern oder Komet wie auch im übernächsten Jahre, kurz vor dem Brande, wiederum einer; die alten Frauen und der phlegmatische, hypochondrische Teil des anderen Geschlechts, den ich beinahe auch alte Weiber nennen möchte, bemerkten, besonders hinterher, aber nicht bevor diese beiden Strafgerichte vorüber waren, dass die zwei Kometen unmittelbar über die City hingezogen seien, und zwar so dicht über den Häusern, dass es ganz offenbar war, sie bedeuteten etwas Besonderes für die City allein; dass der Komet vor der Pest von matter, trüber, schwacher Farbe und sehr schwerer, feierlicher und langsamer Bewegung gewesen sei, wohingegen der Komet vor der Feuersbrunst hell und leuchtend oder, wie andere wissen wollten, flammend und seine Bewegung rasch und heftig gewesen sei und dass demgemäß der eine ein schweres Strafgericht voraussagte, langsam, aber ernst, furchtbar und schrecklich, wie die Pest war, während der andere einen Schlag bedeutete, jäh, schnell und ungestüm, wie die Feuersbrunst war; ja, manche Leute waren so genau, dass sie sich, als sie den Kometen erblickten, der dem Brande vorausging, einbildeten, ihn nicht nur rasch und wild vorüberziehen zu sehen und seine Bahn mit ihrem Auge wahrzunehmen, sondern ihn sogar zu hören, indem er einen sausenden, mächtigen Lärm machte, der wild und schrecklich war, obgleich in etlicher Entfernung und gerade noch wahrnehmbar.

Ich sah diese Sterne beide, und ich muss gestehen, ich hatte so viel von der allgemeinen Vorstellung in meinem Kopf gehabt, dass ich darauf eingestellt war, sie als die Vorboten und Warnzeichen von Strafgerichten Gottes anzusehen; und besonders als die Pest dem ersten gefolgt war und ich noch einen anderen von derselben Art sah, konnte ich nicht umhin zu sagen, Gott habe die Stadt noch nicht genug gezüchtigt.

Aber ich konnte die Dinge nicht zugleich so weit auf die Spitze treiben wie andere, da ich auch wusste, dass natürliche Ursachen von den Astronomen als Gründe für solche Dinge angegeben wurden und dass ihre Bewegungen, ja sogar ihr Umdrehungen berechnet werden, oder dass behauptet wurde, sie werden berechnet, sodass sie nicht so gänzlich Vorboten oder Vorzeichen, viel weniger Veranlasser solcher Geschehnisse wie Pest, Krieg, Feuer und so weiter genannt werden können.

Aber welcherart auch meine Gedanken und die der Philosophen waren oder gewesen sind, hatten diese Dinge einen mehr als gewöhnlichen Einfluss auf die Gemüter des gemeinen Volkes, und sie hatten fast allgemein düstere Befürchtungen, dass ein schreckliches Unheil oder Strafgericht über die Stadt kommen werde; und das hauptsächlich vom Anblick des Kometen und durch den kleinen Schrecken, der, wie oben berichtet, im Dezember vom Tode der beiden Männer in St. Giles ausging.

Die Befürchtungen des Volkes wurden ebenso ungewöhnlich gesteigert durch den Irrglauben jener Zeit, in der, glaube ich, die Leute – aus welchem Grunde, kann ich mir nicht vorstellen – Prophezeiungen, Träumen, astrologischen Beschwörungen und Altweiber mären mehr als je zuvor oder danach ergeben waren. Ob dieser unglückliche Hang seinen Ursprung den Narrheiten einiger Leute verdankte, die damit Geld verdienten, das heißt, indem sie Weissagungen und Vorhersagungen drucken ließen, weiß ich nicht, aber gewiss ist, dass Bücher wie „Lilys Almanach“, Gadburys „Astrologische Voraussagen“, „Poor Robins Almanach“ und andere sie furchtbar in Schrecken versetzten, ebenso wie verschiedene angeblich religiöse Bücher, darunter eines mit dem Titel „Fliehe Ägypten, mein Volk, damit du nicht Teilnehmer an seinen Plagen wirst“, ein anderes betitelt „Aufrichtige Warnung“, wieder ein anderes „Britanniens Mahner“ und viele solche; alle oder doch der größte Teil von ihnen sagten offen oder versteckt den Untergang der Stadt voraus; ja, einige waren so schwärmerisch begeistert, dass sie mit ihren mündlichen Weissagungen durch die Straßen liefen und behaupteten, sie seien gesandt, um der Stadt zu predigen, und vor allem rief einer, wie Jona zu Ninive, in den Straßen aus: „Noch vierzig Tage, und London wird zerstört werden.“ Ich will nicht fest behaupten, ob er „vierzig Tage“ oder nur „ein paar Tage“ sagte. Ein anderer rannte nackt umher, nur ein Paar Unterhosen um seinen Leib gewickelt, und rief Tag und Nacht wie ein Mann, den Josephus erwähnt und der „Wehe Jerusalem“ kurz vor der Zerstörung dieser Stadt geschrieen habe; so rief dieses arme nackte Geschöpf: „Oh, der große und schreckliche Gott!“ Weiter sagte er nichts, sondern wiederholte beständig mit einer Stimme und einem Gesicht voller Schrecken und mit schnellem Schritt diese Worte, und nie sah ihn jemand, wie er einhielt oder ruhte oder etwas Nahrung zu sich nahm, wenigstens habe ich davon nichts gehört. Ich traf diese bedauernswerte Kreatur verschiedene Male in den Straßen und hätte ihn angesprochen, aber er wollte sich weder mit mir noch mit sonst jemand in ein Gespräch einlassen, sondern fuhr ohne Pause in seinem schauderhaften Schreien fort.

Diese Dinge erschreckten die Leute in höchstem Maße, und besonders, als sie zwei- oder dreimal einen oder zwei an der Pest Gestorbene in den Totenlisten von St. Giles entdeckten.

Zunächst nach diesen sich offen abspielenden Vorfällen kamen die Träume alter Frauen oder, wie ich sagen müsste, die Deutungen von anderer Leute Träumen durch alte Weiber, und diese brachten nun eine große Menge Menschen um den Verstand. Einige hörten Stimmen, die sie ermahnten, sich wegzubegeben, weil eine solche Pest in London herrschen werde, dass die Lebenden nicht imstande sein würden, die Toten zu beerdigen; andere nahmen Erscheinungen in der Luft wahr, und es muss mir erlaubt sein, es, wie ich hoffe, ohne Verletzung der Nächstenliebe auszusprechen, dass sie Stimmen hörten, die niemals sprachen, und Gesichte hatten, die nie erschienen. Aber die Leute waren in ihren Einbildungen wirklich unberechenbar und wie besessen geworden, und es ist kein Wunder, wenn Menschen, die beharrlich nach den Wolken spähten, Gestalten und Figuren sahen, Darstellungen und Erscheinungen, die aus nichts als aus Luft und Dampf bestanden. Hier erzählten sie uns, sie hätten ein von einer Hand gehaltenes flammendes Schwert gesehen, das aus einer Wolke hervorkam, und seine Spitze hätte gerade über der City gehangen. Dort sahen sie Leichenwagen und Särge, die zur Bestattung gefahren wurden, und dort wieder Haufen von Leichen, die unbeerdigt dalagen, und anderes, womit gerade die Einbildung der armen verängstigten Leute sie mit Stoff versorgte, um ihn auszuspinnen:

Von Schiffen, Heeren, Schlachten ein Gewimmel

Sieht die erregte Phantasie am Himmel,

Bis klarer Blick das Dunstgebild erkennt

Als das, was man ganz einfach Wolken nennt.

Ich könnte diesen Bericht mit den seltsamen Erzählungen füllen, die solche Leute tagtäglich über das gaben, was sie gesehen hatten; und jeder war so hartnäckig in der Behauptung dessen, was er gesehen haben wollte, dass ohne Bruch der Freundschaft keinerlei Widerspruch möglich war, es sei denn, man hätte sich als roh und ungesittet auf der einen Seite oder als gottlos und unempfindlich auf der anderen ansehen lassen wollen. Einmal vor dem Ausbruch der Pest, auf andere Weise, als ich es über St. Giles gesagt habe, ich glaube, es war im März, sah ich eine Menschenmenge auf der Straße, und ich schloss mich zur Befriedigung meiner Neugier an und fand, dass sie alle in die Luft starrten, um zu sehen, was einer Frau nach deren Aussage deutlich erschien, und das war ein weißgekleideter Engel, der ein feuriges Schwert in der Hand hatte und es über seinem Haupt schwang oder schwenkte. Sie beschrieb jeden Teil der Gestalt naturgetreu, zeigte ihnen die Bewegung und die Form, und das arme Volk ging darauf so eifrig und bereitwillig ein. „Ja, ich sehe es ganz deutlich!“ sagte einer. „Da ist das Schwert, so deutlich, wie es nur sein kann.“ Ein anderer sah den Engel; einer sah sein Gesicht ganz genau und rief aus: „Was für ein herrliches Geschöpf er war!“ Einer sah dies, ein anderer jenes. Ich sah ebenso ernstlich wie die anderen hin, aber vielleicht nicht mit so viel Bereitwilligkeit, mich täuschen zu lassen, und ich erklärte, ich könne nichts weiter als eine weiße Wolke sehen, die auf einer Seite leuchtete, da die Sonne auf der anderen schien. Das Weib gab sich alle Mühe, es mir zu zeigen, konnte mich aber nicht zu einem Geständnis bringen, dass ich es sähe, was ich freilich hätte lügen müssen; aber als sich die Frau mir zuwandte, um mir ins Gesicht zu blicken, bildete sie sich ein, ich lache – worin ihre Einbildungskraft sie auch täuschte, denn ich lachte wirklich nicht, sondern dachte ernstlich darüber nach, wie sehr die armen Leute durch die Gewalt ihrer eigenen Einbildung in Schrecken versetzt waren. Jedenfalls wandte sie sich von mir ab, nannte mich einen gottlosen Kerl und Spötter und erklärte mir, es sei eine Zeit des göttlichen Zorns und es nahten schreckliche Strafgerichte und Verächter so wie ich würden sich wundern und verderben.

Die Menschen um sie herum schienen ebenso ärgerlich wie sie, und ich sah ein, dass es vergeblich sei, sie davon überzeugen zu wollen, ich lachte nicht über sie, und dass ich eher von ihnen misshandelt werden würde, ehe ich es fertig brächte, sie über ihren Irrtum aufzuklären. So zog ich mich zurück, und diese Erscheinung galt als wirklich wie der Komet selbst.

Ein anderes Zusammentreffen hatte ich auch am hellen Tage, und zwar, als ich mich in einem engen Durchgange durch eine Reihe Armenhäuser von Petty France zum Friedhof von Bishopsgate befand. Zwei Kirchhöfe gehören zur dortigen Kirche oder Pfarre von Bishopsgate, deren einen man überschreitet, um von dem Petty France genannten Platz in die Bishopsgate Street zu gelangen, wobei man unmittelbar an der Kirchentür herauskommt; der andere liegt auf der Seite des engen Weges, an dem links die Armenhäuser stehen, rechts dagegen eine Grundmauer mit einem Zaun und die Stadtmauer auf der anderen Seite mehr zur Rechten.

Auf diesem engen Wege stand ein Mann und blickte durch den Zaun auf die Begräbnisstätte, und ebenso viele Menschen, wie bei der Enge des Weges anhalten können, ohne dass der Verkehr behindert ist; und dieser Mann redete ungemein eifrig auf sie ein und zeigte bald hierhin, bald dorthin und versicherte, er sehe einen Geist, der auf einem Grabstein spuke. Er beschrieb die Gestalt, die Stellung und die Bewegung so genau, dass es ihm zum höchsten Erstaunen auf Erden gereichte, dass nicht jedermann ihn ebenso sah wie er. Plötzlich schrie er: „Da ist er! Jetzt kommt er diesen Weg!“, dann: „Er ist zurückgegangen!“, bis er schließlich der Menge einen so festen Glauben an den Geist beigebracht hatte, dass einer sich einbildete, ihn zu sehen, und ein anderer ebenso; und so kam er Tag für Tag und rief einen Menschenauflauf hervor – der um so auffälliger war, wenn man bedenkt, dass es ein so enger Weg war –, bis die Uhr von Bishopsgate elf schlug. Dann pflegte der Geist aufzubrechen und verschwand urplötzlich, als sei er weggerufen worden.

Ich sah angespannt genau in dem Augenblick in die Richtung, die dieser Mensch angab, konnte aber nicht die geringste Erscheinung von irgend etwas wahrnehmen; jedoch war dieser arme Mann so unwiderstehlich darin, den Leuten unbeschreiblich viel blauen Dunst vorzumachen, dass sie vor Schrecken zitternd weggingen, bis schließlich nur noch wenige Menschen, die davon wussten, es wagten, diesen Weg zu benutzen, und kaum jemand bei Nacht, unter gar keinen Umständen.

Wie der gute Mann versicherte, machte dieser Geist Zeichen nach den Häusern, dem Erdboden und nach den Leuten, indem er deutlich zu verstehen gab oder doch sie es so verstanden, dass eine gewaltige Menge von Menschen in Zukunft auf diesem Kirchhofe beerdigt werden würde, wie es tatsächlich geschah. Aber dass er solche Erscheinungen wahrnahm, muss ich gestehen, glaubte ich nie, und ich konnte selbst auch nie etwas von ihnen sehen, obgleich ich recht ernstlich spähte, um womöglich etwas zu sehen.

Diese Dinge sollen zeigen, inwieweit die Leute tatsächlich der Selbsttäuschung erlegen waren; und da sie die Vorstellung hatten, dass eine Heimsuchung bevorstehe, liefen alle ihre Vorhersagen auf eine höchst furchtbare Seuche hinaus, welche die ganze Stadt und sogar das Königreich verwüsten und die ganze Nation mit Mann und Maus vernichten sollte.

Diesem fügten, wie ich schon sagte, die Astrologen Geschichten von der unheilvollen Weise und dem verderblichen Einfluss des Zusammentreffens der Planeten hinzu; eine dieser Begegnungen sollte im Oktober eintreffen und traf ein, die andere im November, und sie füllten die Köpfe der Leute mit Prophezeiungen nach diesen Zeichen des Himmels, die andeuteten, dass diese Begegnungen Trockenheit, Hungersnot und Pest im voraus anzeigten; in den ersten beiden irrten sie jedoch völlig, denn wir hatten keine trockene Jahreszeit, sondern zu Beginn des Jahres einen strengen Frost, der vom Dezember bis fast zum März anhielt, und darauf gemäßigtes Wetter, eher warm als heiß, mit erfrischenden Winden und, kurz gesagt, gerade das Wetter, wie es zu jeder Jahreszeit gehört, und auch mehrere sehr starke Regenfälle.

Es fehlte nicht an Bemühungen, den Druck solcher Bücher zu unterbinden, die das Volk in Unruhe brachten, und deren Verbreiter abzuschrecken; einige von ihnen wurden festgenommen, aber es geschah nichts mit ihnen, wie ich gehört habe, da die Regierung das Volk nicht aufreizen wollte, das sozusagen schon von Sinnen war.

Ich kann auch nicht jene Geistlichen freisprechen, die in ihren Predigten die Herzen ihrer Zuhörer eher niederdrückten, anstatt sie zu erheben; denn ich zweifle nicht, dass viele von ihnen dies taten, um die Entschlossenheit der Menschen zu stärken und sie besonders zur Buße anzuregen; aber es erfüllte sicherlich nicht seinen Zweck, wenigstens nicht im Verhaltens zu dem Nachteil, den es andererseits hervorrief; und wahrhaftig, wie uns Gott in der ganzen Heiligen Schrift eher durch Aufforderungen zu sich zieht und uns ruft, sich ihm zuzuwenden und zu leben, als uns durch Schrecken und Verwunderung forttreibt, so, muss ich gestehen, dachte ich, hätten die Geistlichen ebenso tun sollen, indem sie unserem segenbringenden Herrn und Heiland darin nachgeeifert hätten, dass sein ganzes Evangelium beständig vom Himmel Gottes Gnade und seine Bereitwilligkeit verkündet, die Bußfertigen aufzunehmen und ihnen zu vergeben, wobei er Klage führt: „Ihr wollt nicht zu mir kommen, dass ihr das Leben habet“; und dass das Evangelium deshalb Evangelium des Friedens und Evangelium der Gnade genannt wird.