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Die jungen Detektive der Raben-Bande feiern den Start in die Sommerferien mit einem Grillfest. Während ihre Eltern sich gemütlich unterhalten, sitzen die fünf Freunde auf einer Decke im Gras und schlürfen eine leckere Limo. Plötzlich jedoch beginnen die Glocken der nahen Kirche wie wild zu läuten. Nele ist sofort klar, das muss die Tat des geheimnisvollen Turmfalken sein. Doch der Pfarrer der Kirche in Obervellmar winkt das Ganze ab, als die Kinder ihn wenig später nach der Legende des Falken befragen, und hält es für einen technischen Defekt. Aufgeben ist für die Detektive keine Option, und so beginnen sie auf eigene Faust zu ermitteln. Sie stürzen sich voller Elan in ein aufregendes Abenteuer. Dabei stoßen sie nicht nur auf eine spannende Geschichte, sondern finden weitere Hinweise, die auf einen Schatz hindeuten. Was hat es mit dem merkwürdigen Glockenläuten auf sich? Bringen die Kinder mehr ans Tageslicht als zunächst geplant? Seid dabei, wenn die Raben-Bande ihren dritten Fall löst, und helft kräftig mit.
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Seitenzahl: 182
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Sandra König wurde 1986 in Kassel geboren, seitdem lebt sie in Vellmar, einer Kleinstadt im Landkreis von Kassel. Schon zu ihrer Kinder- und Jugendzeit hat sie gerne Geschichten erfunden und aufgeschrieben. Den Traum, irgendwann ein eigenes Buch in den Händen zu halten, hatte sie bereits zu dieser Zeit. Im Herbst 2013 packte sie diesen beim Schopf und begann damit, Zeile für Zeile ihr Debüt zu schreiben. Melancholische Musik, ein Platz in der Sonne oder am Wasser, das sind für Sandra König die schönsten Orte und Gegebenheiten, um neue Ideen für ihre Geschichten zu sammeln. Immer mit dabei – ein Notizbuch, um alle Ideen, Gedanken oder Gefühle direkt festzuhalten. Am liebsten schreibt sie Geschichten für Kinder und Jugendliche.
Für meine Familie
Mein Anker, mein Halt – ganz egal, wie stark der Lebenssturm ist!
Über die Autorin
Prolog – Die Raben-Bande
Das Hauptquartier – eine Hütte im Garten von Bens Eltern
Ein neues Abenteuer
Magische Kraft der Natur
Das unheimliche Glockenspiel
Nur ein elektronischer Defekt
Wo ist Budsel?
Der Ruf zum Abenteuer
Die spannende Kirchengeschichte
Die Schätze des Museums
Die Legende des Turmfalken
Der Geheimcode im alten Buch
Onkel Peers Hilfe
Neue Erkenntnisse
Die Suche am Mühlenberg
Der Steincode
Der geheimnisvolle Stein
Ein spannender Fund
Eine wilde Verfolgungsjagd
Die Fakten
Der Glockenturm
Der Liebesbrief
Die Schatzsuche beginnt
Der Schatz des Turmfalken
Die Bedeutung des Schatzes
Ein mieser Streich
Ein Abenteuer geht zu Ende
Erfahre, wie es mit der Raben-Bande in Band vier weitergeht. Hier ein kurzer Einblick
Danksagung
Die Raben-Bande sind fünf junge Spürnasen im Alter von zehn bis zwölf Jahren, die auf eigene Faust in der Stadt Vellmar ermitteln. Dabei halten sie stets fest zusammen und stellen sich gemeinsam vielen Herausforderungen. Sie sind intelligent. Zusammen sind sie stark. Sie sind liebevoll und helfen, wenn sie helfen können. Sie halten zusammen, komme was da wolle – sie sind: die Raben-Bande!
Rebecca von Langenguth – die Geheimwaffe:
Rebecca ist ein modebewusstes Mädchen, was gerne auf ihr Äußeres achtet. Ihre langen, dunkelblonden Haare, die ihr bereits bis auf den Rücken gehen, trägt sie gern offen, bindet sie zu einem Pferdeschwanz zusammen oder flechtet sich einen französischen Zopf. Ihre braunen Augen wirken treu und ehrlich, aber sie kann auch eine fiese Miene aufsetzen, vor allem dann, wenn sie sich mal wieder mit Ben streitet. Wenn sie aufgeregt ist, tippelt sie gerne von dem einen Bein auf das andere.
Alex Brinkmann – der Technikheld:
Alex ist der Technikfreak der Bande, und wann immer er im Hauptquartier ist, hat er seinen Laptop dabei und ist für die Recherche zuständig. Alex ist der beste Freund von Ben und gemeinsam haben sie das Hauptquartier eingerichtet. Seine braunen, wuscheligen Haare versteckt er gerne unter seiner geliebten Beanie-Mütze. Diese ist sein Markenzeichen. Seine Gesichtszüge sind im Gegensatz zu seiner Nase, die spitz zuläuft, sehr weich. Seine braunen Augen strahlen stets Ruhe und Gelassenheit aus. Wenn Alex aufgeregt ist oder intensiv nachdenkt, knubbelt er sich gerne am Ohr herum.
Ben Kramer – der Bandenchef:
Ben Kramer ist der Chef der Truppe, dennoch treffen die jungen Spürnasen die Entscheidungen gemeinsam. Er ist ein liebenswerter Junge, der aber auch schnell auf-brausend werden kann. Seine blauen Augen wirken gütig und freundlich. Auf seiner Nase hat er leichte Sommersprossen, die ihn aber nicht weiter stören, schließlich findet Emilia diese so süß an ihm. Die beiden sind erst seit Kurzem ein Paar und sehr schüchtern im Umgang miteinander. Seinen Pony hat er stets nach oben gegelt. Wenn Ben aufgeregt ist oder nachdenkt, knetet er seine Finger.
Emilia Sokolow – der ruhende Pol:
Emilia wurde im ersten Fall der Detektive von den älteren Mitschülern Mirko und Sascha mächtig in die Mangel genommen und abgezockt. Emilia ist ein sport-begeistertes Mädchen mit langen, blonden Haaren, welche sie meistens zum Zopf zusammengebunden trägt. An ihrem linken Unterarm hat sie eine Brandwunde, die sie sich vor einigen Jahren zugezogen hat. Ihre blauen Augen, die Ben sehr liebt, strahlen stets Freude und Güte aus. Wenn Emilia nervös ist oder angestrengt nachdenkt, zwirbelt sie ihre Haare mit dem Zeigefinger.
Nele von Langenguth – der kleine Wirbelwind:
Nele ist mit ihren zehn Jahren die Jüngste der Raben-Bande und die kleine Schwester von Rebecca. Da sie die Kleinste ist, kann sie sich überall hineinschmuggeln, verstecken und noch in die winzigsten Löcher krabbeln. Ihre langen, braunen Haare trägt sie meistens zum Zopf gebunden oder lässt sich von Rebecca die Haare flechten. Nele ist sehr wissbegierig und unendlich neugierig. Zudem ist sie eine kleine Kämpferin und stellt sich vor schwächere Mitschüler, um ihnen zu helfen. Sie hinterfragt alles und tritt immer und überall für Gleichberechtigung und Gerechtigkeit ein. Nele braucht zum Nachdenken immer einen Keks.
Die alte, bequeme Couch von Bens Eltern passt wunderbar in die mystisch dunkle Atmosphäre des Raumes. Dann gibt es noch den dazu passenden Couchtisch, den Ben und Alex mithilfe von Bens Vater vom Sperrmüll geholt haben, sowie einen Küchentisch, der passend lackiert in der Ecke steht. Er dient dazu, Pläne zu schmieden, und wann immer Alex da ist, steht stets sein Laptop darauf. Ben und Alex haben das Hauptquartier gemeinsam eingerichtet, auch wenn Ben das letzte Wort hatte, wie es wirklich aussehen sollte. Die Wände sind teilweise in Schwarz gestrichen und mit von Ben selbst angefertigten Fotografien, die Raben in diversen Lebenslagen zeigen, geschmückt. Auch ein selbst gebastelter Drache von Ben und Alex hat dort seinen Platz gefunden. Diesen haben sie vor einigen Jahren gemeinsam gebaut und im Herbst auf dem Feld steigen lassen. Nun hängt er als Andenken im Hauptquartier. In einer anderen Ecke baumelt ein Boxsack, auf den die Jungs gerne mal einschlagen, um Frust abzubauen oder nachzudenken. Über der Tür und auf dem kleinen Schrank neben der Couch sitzen zwei ausgestopfte Raben. Nele findet, dass sie sehr majestätisch aussehen.
Abgezockt! ist der erste Band der jungen Spürnasen aus Vellmar, wo sie zusammenfinden, um ihrer neuen Mitschülerin Emilia zu helfen. Gemeinsam versuchen sie, den beiden älteren Schülern Mirko und Sascha eine Falle zu stellen, damit sie Emilia endlich in Ruhe lassen. Immer wieder treiben die Ganoven die neue Mitschülerin in die Enge und zocken ihr Geld ab. Das möchte Ben, der in sie verliebt ist, verhindern. Am Ende kommt der kecken Nele die Idee, dass Vellmar dringend eigene Detektive braucht. Nach kurzer Überlegung bastelt sie die Anfangsbuchstaben ihrer Vornamen zusammen und es entsteht – Die Raben-Bande. Rebecca, Alex, Ben, Emilia und Nele.
Giftköder! ist der zweite Band der jungen Agenten, wo es bereits zu Beginn der Geschichte zur Sache geht. Die Polizei der Stadt Vellmar bittet um Mithilfe der Bürger, denn arme Hunde werden im stadtbekannten Ahnepark vergiftet. Den Detektiven wird sofort klar, dass sie die Übeltäter schnappen müssen. Dabei bekommen sie tierische Unterstützung von Whiskey, dem Hund von Bens Onkel. Schlussendlich decken sie mehr auf als gedacht.
Aber nun wartet bereits das dritte Abenteuer auf die Detektive. Seid ihr bereit, der Raben-Bande beim Lösen des dritten Falls zu helfen? Dann macht euch bereit für
– Der geheimnisvolle Turmfalke.
Endlich Sommerferien! Die Sonne hatte sich heute mal wieder von ihrer besten Seite gezeigt, als die Kinder gemütlich auf einer Decke vorm Hauptquartier saßen und leckere Limo schlürften, die Bens Mutter für die Freunde selbst hergestellt hatte.
Die jungen Spürnasen lauschten gerade den Gesprächen der Erwachsenen, tuschelten, kicherten und verwöhnten Whiskey, den Hund von Bens Onkel Peer, mit Streicheleinheiten. Bens Eltern hatten für heute Abend eine große Grillparty organisiert und sogar die Eltern von Alex, Emilia, Rebecca und Nele eingeladen, sodass der Garten gut gefüllt war. Es roch bereits nach gegrillten Würstchen und leckeren Steaks. Den Kindern knurrten die Mägen.
»Ich freu mich schon auf ein saftiges Steak«, kam es in Vorfreude auf ein Stück Fleisch von Ben.
»Man könnte meinen, du hast den ganzen Tag noch nichts gegessen. Dein Magen knurrt wie ein Bär«, frotzelte Alex und knuffte seinen besten Freund in die Seite.
»Hahaha«, erwiderte Ben und gab Alex einen Klaps auf die Schulter. Die Detektive mussten lachen und waren in freudiger Stimmung. Die Sonne wanderte langsam in ihren wohlverdienten Feierabend, während sie den Himmel in ein wunderschönes Abendrot tauchte. Ein lauer Sommerwind ließ auf Neles Armen eine leichte Gänsehaut entstehen, als plötzlich die Kirchturmglocken wild zu läuten begannen. Verwundert blickten sich alle an, denn es war keineswegs Zeit für das Geläut – noch dazu war der Klang mehr als komisch. Er wirkte irgendwie verzerrt und dunkel. Nele ließ vor Schreck ihre Limo fallen. Ihre Augen waren wie erstarrt, als sie plötzlich wie ferngesteuert sagte: »Er ist wieder da!«
»Wer ist wieder da?«, fragte Emilia, die in die erschrockenen Augen ihrer Freunde blickte.
»Der geheimnisvolle Turmfalke!«, flüsterte Nele.
»Nele, wie meinst du das? Geht es dir gut?« Rebecca blickte ihre kleine Schwester besorgt an und legte ihren Arm um sie. Die Erwachsenen hatten das Läuten zwar gehört, aber schenkten diesem keine weitere Aufmerksamkeit, als es wieder verstummte. Eine leichte Brise zog durch den Garten, was nun auch die anderen Detektive erschaudern ließ. Whiskey bellte kurz auf, um die angespannte Stimmung der Kinder zu lockern – der kleine Kerl war so einfühlsam. Sie zuckten zusammen und schauten Nele voller Neugier an.
»Natürlich geht es mir gut, aber habt ihr denn noch nie von dem geheimnisvollen Turmfalken gehört?« Nele blickte ihre Freunde fragend an.
»Nein, also ich habe davon noch nichts gehört«, erwiderte Alex und auch die anderen schüttelten wild den Kopf.
»Was hat denn ein Vogel mit dem Läuten der Glocken zu tun?« Ben ließ seinen Blick von einem Detektiv zum anderen wandern, aber keiner konnte sich einen Reim darauf bilden, was Nele ihnen damit sagen wollte.
»Ach, Ben, es geht nicht um den Turmfalken als Vogel. Verdammt, wie war das noch gleich? Ich habe irgendwo einmal gehört, dass es vor Hunderten von Jahren schon mal so ein komisches Glockenläuten gegeben haben soll, und da ging es um einen geheimnisvollen Turmfalken, der damit etwas zu tun hatte. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich richtig erinnere, aber ich meine, gehört zu haben, dass in der Legende des Turmfalken ein Schatz eine wichtige Rolle gespielt hat. Ein versteckter Schatz, stellt euch das mal vor.«
Nun waren alle Detektive hellwach und starrten Nele mit großen Augen an.
»Ich würde sagen, wir fahren morgen einfach mal zur Kirche nach Obervellmar und schauen uns das Ganze mal an. Vielleicht ist ja nur die Elektronik der Glockenanlage oder so defekt – möglicherweise decken wir aber auch ein Geheimnis auf. Wir sollten der Sache auf jeden Fall auf den Grund gehen. Was meint ihr?« Ben blickte fragend in die Runde und seine Freunde nickten aufgeregt.
»Auf, auf, Freunde, das ist ein klarer Fall für die Raben-Bande!«, jubelte Ben und die anderen brachen in leise Vorfreude auf ein neues Abenteuer aus.
***
Bereits am nächsten Vormittag trafen sich die Detektive am Hauptquartier, um gemeinsam zur Kirche nach Obervellmar zu radeln. Die Sonne zeigte bereits in den frühen Morgenstunden ihre Kraft und die Kinder waren in fröhlicher Stimmung. Gespannt auf das, was sie erwarten würde. Die Vögel zwitscherten friedlich vor sich hin, als Emilia plötzlich bremste, von ihrem Rad abstieg und ihre Augen schloss. Ihre Freunde hielten ebenfalls abrupt an.
»Emilia, was ist los?« Bens Blick schweifte verwundert zu seiner Freundin.
»Hört ihr das denn nicht?«
»Was denn?« Fragend schaute Alex Emilia an.
»Ach, ihr Naturbanausen. Macht mal die Augen zu und lauscht.«
Alex, Ben, Nele und Rebecca schlossen auf Emilias Wunsch hin die Augen und hörten die Vögel intensiver als zuvor zwitschern. Ein leichter Wind wehte durch die Büsche und Bäume, was wie Gesang klang. Es war belebend, fast magisch. Sie atmeten tief durch und alle spürten, wie die Sonnenstrahlen auf ihrer Haut eine schöne Wärme verbreiteten. Es fühlte sich an, als würde ihnen jemand pure Energie zukommen lassen. Ben war der Erste, der seine Augen wieder öffnete und langsam zu Emilia ging, um seinen Arm um sie zu legen und ihr einen sanften Kuss auf die Wange zu geben. Emilia öffnete bei der herzlichen Berührung die Augen und strahlte ihren Freund glücklich an. Ben liebte ihre blauen Augen, die stets Freude und Güte ausstrahlten und so rein wie ein blauer Sommermorgen waren. Emilia musste man einfach gernhaben.
»Wow, das ist echt magisch«, platzte es aus Nele heraus, als auch sie ihre Lider öffnete.
»Das stimmt, das sollten wir öfter machen, die Kraft der Natur schenkt einem so viel«, erwiderte Rebecca.
»Danke, Emilia. Von alleine hätte ich das nicht gemacht. Also den Moment genossen und einfach mal in die Natur gelauscht. Dabei steckt sie so voller Leben«, gestand Alex. Die fünf Freunde tauschten einen Blick miteinander und grinsten sich verschmitzt an.
»Nun aber weiter. Wir sind schließlich auf einer Mission unterwegs«, gab Ben zu bedenken. Fröhlich und mit aufgetankter Energie radelten die Freunde ihres Weges.
Nur wenige Minuten später kamen sie an der Kirche in Obervellmar an und stellten ihre Räder an den Bäumen am Eingang ab und schlossen sie dort mit Fahrradketten zusammen, die Emilia und Rebecca stets dabeihatten.
»Seht mal, dort steht ein Lieferwagen von einer Elektrofirma!«, rief Nele aufgeregt. Sollte Ben recht behalten mit dem, was er gestern gesagt hatte? Sie wirkte etwas enttäuscht, denn scheinbar war es wirklich nur ein Defekt an der Elektronik. Dabei hatte sie sich so sehr auf ein echtes Abenteuer, einen richtigen Fall gefreut.
»Kommt, wir gehen mal rein und schauen nach«, schlug Ben vor. Gemeinsam schlenderten die fünf Freunde in die Kirche, wo sie prompt den Pfarrer und einen weiteren Mann erspähten. Die beiden Herren bemerkten sie jedoch nicht, denn sie steckten mit ihren Köpfen in einem Schrank, der sich links nach dem Eingang befand. Die Kinder standen im Vorraum der Kirche. Direkt neben der Tür gab es rechts einen kleinen, verschlossenen Schrank. In unmittelbarer Nähe davon befanden sich die Garderobe und ein Regal, in dem sich die Gesangsbücher stapelten. Links von den Kindern wand sich eine Wendeltreppe nach oben, die allerdings nach wenigen Treppenstufen endete, da eine verschlossene Luke die weitere Sicht versperrte. Neben der Wendeltreppe war eine Art Wandschrank in die Mauer gelassen, die Türen waren in der Regel verschlossen. Heute aber waren beide Türen geöffnet. Der Elektriker kniete direkt davor, während der Pfarrer neben ihm stand, ebenfalls mit dem Blick in den Schrank gerichtet, was den jungen Detektiven die Sicht verstellte.
»Hallo, Herr Braun«, begrüßte Alex den Pfarrer.
Die beiden Männer wirbelten herum und starrten die Kinder mit großen Augen an. Sie hatten sich wohl mächtig erschreckt.
Der Pfarrer war im mittleren Alter, aber im Herzen jung geblieben. Er war bereits seit einigen Jahren in der Kirche tätig und bei den Kindern in dem Stadtteil sehr beliebt. Pfarrer Lukas Braun trug heute nicht seinen schwarzen Talar, sondern eine Jeanshose mit einem blauen Hemd. Seine Haare waren schon etwas grau. Seine blaugrünen Augen wirkten liebevoll und freundlich, wie man durch seine moderne Brille erkennen konnte.
»Hallo, Kinder, wie kann ich euch helfen? Entschuldigt diesen Aufzug, aber heute ist einiges los.« Fragend betrachtete der Pfarrer die Ankömmlinge.
»Wir haben das merkwürdige Läuten gestern Abend gehört und wollten mal nachschauen, ob was Aufregendes passiert ist«, erwiderte Rebecca, doch statt einer Antwort vom Pfarrer drehte sich der Elektriker herum und blickte die Bande finster an. Er musste bereits etwas älter sein als der Pfarrer. Sein Gesicht war gerötet und mit seinen Augen funkelte er die Detektive an. Seine Haut im Gesicht war faltig und von einem Dreitagebart mit grauen Stellen umgeben.
»Kinder machen immer nur Ärger, wie man sieht! Müssen überall herumfuchteln, ihre Nase in Angelegenheiten stecken, die sie nichts angehen – und machen am Ende alles kaputt«, grummelte er.
»Kommt, Kinder, wir gehen nach draußen, er meint es sicher nicht so«, sagte der Pfarrer und trat mit den jungen Spürnasen vor die Kirche. Verwundert und etwas eingeschüchtert sah sich Emilia beim Herausgehen noch einmal um.
»Der ist aber nicht sehr kinderfreundlich«, gab Ben zu bedenken.
»Nein, nicht wirklich. Er glaubt, dass Kinder nur Unfug anstellen. Scheinbar hat er keine guten Erfahrungen gemacht. Aber er ist ja nicht dafür hier, um euch zu mögen, sondern um seine Arbeit zu machen. Aber nun sagt, wie kann ich euch helfen?« Liebevoll beobachtete der Pfarrer die Kinder, wie sie sich neugierig umschauten.
»Nun ja, das Läuten gestern Abend – es klang irgendwie sehr bedrohlich. Es war ja auch kein normales Läuten, wie wir es sonst kennen, oder?« Ben schaute den Pfarrer eindringlich an.
»Das habt ihr richtig vernommen. Daher habe ich heute Morgen direkt den Elektriker angerufen. Die Glocken werden ja nicht mehr wie früher geläutet, wo sie an einem langen Tau hingen, sondern elektronisch gesteuert.«
»Und die Elektronik befindet sich in diesem Schrank?«, fragte Nele neugierig.
»Das stimmt, die befindet sich im Schrank. Warum fragst du?«
»Also hätte quasi auch jeder Zugriff auf die Glocken beziehungsweise auf ihre Steuerung? Die Kirche ist ja immer offen, oder?« Grübelnd blickte Alex den Pfarrer an, als er genauer nachhakte.
»Nun ja, der Schrank ist eigentlich verschlossen und nur wenige wissen, wo der Schlüssel dazu hängt. Ihr glaubt doch nicht etwa, dass jemand absichtlich die Glocken falsch geläutet hat? Wozu?«
»Nun ja, es könnte doch sein, dass sich jemand Zugang verschafft hat«, gab Ben zu bedenken.
»Also in diesem Fall kann ich euch beruhigen. Der Elektriker meinte, es sei ein simpler Defekt gewesen. Vermutlich wegen des Unwetters neulich.«
»Das Unwetter ist aber schon ein paar Tage her«, kam es zweifelnd von Emilia. Nun redeten sich die Kinder richtig in Rage. Sie waren fest davon überzeugt, dass mehr dahintersteckte als nur ein technischer Defekt durch ein Unwetter.
»Vielleicht war es ja auch der Turmfalke?«, warf Nele plötzlich in die Runde.
»Wie meinst du das?« Fragend blickte der Pfarrer die Kinder an.
»Haben Sie denn noch nie von der Legende des geheimnisvollen Turmfalken gehört?« Gebannt waren nun alle Augenpaare auf den Pfarrer gerichtet. Er schien angestrengt nachzudenken, denn seine Stirn lag in Falten, als die angespannte Stimmung plötzlich durch den Elektriker unterbrochen wurde.
»Pfarrer Braun, ich bin fertig. In der Elektronik konnte ich etwas Feuchtigkeit ausmachen. Ich habe zwei Drähte ausgetauscht und einige Kabel neu verlegt. Nun sollte wieder alles gehen.«
»Vielen Dank für Ihre Mühe. Die Rechnung schicken Sie dann bitte ans Pfarrhaus. Ich leite sie dann weiter.« Die beiden verabschiedeten sich voneinander, ehe sich der Pfarrer wieder zu den Kindern umdrehte.
»Seht ihr, nur ein elektronischer Defekt. Alles in Ordnung.«
»Aber kennen Sie diese Legende nun oder nicht?« Nele wollte einfach nicht lockerlassen. Ihr Bauchgefühl sagte ihr, dass hier mehr dahintersteckte, als die leichteste und offensichtlichste Lösung.
»Ja, ich habe mal davon gehört, dass es da so eine Legende gibt. Aber ich kenne sie nicht. Ich habe mich nie damit beschäftigt. Es ist nur eine Legende – niemand weiß, ob da wirklich was dran ist«, erwiderte der Pfarrer und sah die Enttäuschung der Kinder, daher lenkte er sofort ein.
»Aber wenn ihr wollt, kann ich euch ein bisschen was erzählen, wie es hier früher mal ausgesehen hat? Wenn ihr schon mal da seid, immerhin habt ihr euch um unsere Kirche gesorgt, das ist sehr lieb.« Damit hatte er die Kinder erreicht und ihre Augen begannen zu leuchten.
»Na, dann kommt mal mit. Ich zeig euch ein bisschen was«, sagte der Pfarrer und weckte bei den Kindern die Neugier.
Er lächelte wissend und die Detektiv-Freunde konnten es vor Aufregung kaum abwarten, ihm zu folgen.
Gemeinsam gingen die Kinder nur wenige Meter vom Eingang entfernt zu den Bäumen und Herr Braun zeigte auf den Boden.
»Seht ihr hier die verschiedenen Steine, die wie ein Rechteck angeordnet sind?« Neugierig schauten die Kinder nach unten und Alex ging die Steine ab.
»Klaro, aber haben die eine Bedeutung?«
»O ja, das haben sie. Hier soll früher einmal eine Schule gestanden haben. Das hier sind ein paar Steine der alten Mauer. Ein Überbleibsel sozusagen.«
»Wow, das ist ja krass. Kann ich mir nur schwer vorstellen. Man müsste in die Vergangenheit reisen können, um zu erleben, wie es hier früher einmal ausgesehen hat«, erwiderte Nele ganz aufgeregt.
»Das stimmt, wenn das gehen würde, das hätte schon was.« Der Pfarrer ging weiter und blieb an der Mauer stehen.
»Ist die Mauer noch von früher?« Neugierig beobachtete Rebecca den Pfarrer und strich ehrfürchtig über das raue Gestein. Es wirkte schon sehr alt, war teilweise brüchig und an einigen Ecken mit Moos übersät.
»Diese sogenannte Ringmauer ist noch von früher, ja. Und zwar genau so, wie sie mal war, aber man geht davon aus, dass der Kirchhof einst viel größer und diese Mauer viel höher war. Weiter unten gab es sogar eine Toranlange mit einem nach innen liegenden Toren, welche stets versperrt waren. Gerade mal so groß, dass eine Kutsche hindurchpasste.« Strahlend sah der Pfarrer die Detektive an. Es freute ihn sehr, wenn Kinder sich für die Geschichte seiner geliebten Kirche interessierten.
»Wie alt ist diese Kirche?« Nele ließ ihren Blick von der Mauer aus zur Kirche und bis hinauf zum Glockenturm schweifen. Sie staunte nicht schlecht, was sie sah, strahlte Leben aus – und unzählige Geheimnisse und Geschichten.
»Puh, es gibt keine genaue Dokumentation, wann die Kirche – oder auch das Gotteshaus genannt – erbaut wurde. Im Jahr 1426 wurde die Kirchengemeinde als ecclesia Filmar das erste Mal erwähnt. Aufgrund des Baustils geht man aber davon aus, dass sie bereits im vierzehnten Jahrhundert erbaut wurde.«
»Was ist das für ein Baustil?« Alex war nicht nur der Technikheld der Bande, sondern interessierte sich auch für die alte Geschichte – vor allem, wenn es die Stadt betraf, in der er wohnte.
»Es ist ein spätgotischer Baustil.«
»In der Zeit des Mittelalters, oder?« Fragend blickte Emilia den Pfarrer an.
»Ja, das ist richtig.«