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Dieses Buch beschäftigt sich mit den unterschiedlichen Erziehungsstilen und Methoden, mit Problemen und Schwierigkeiten und mit den einzelnen Entwicklungsphasen des Kleinkindes. Es soll Ratgeber sein und Eltern zeigen, worauf es letztendlich ankommt. Denn diese haben nun einmal immer den größten Anteil daran, wie sich ein Kind entwickelt und wie es das Leben in allen Höhen und Tiefen meistert. Ein gutes Vorbild zu sein, ist eine Sache; dem Kind Liebe und Geborgenheit zu vermitteln, die andere. Besser als jede Disziplin ist das Vorleben guter Werte, an denen sich das Kind orientiert. Mitunter scheint jedoch genau das der schwierigste Aspekt an der Sache zu sein, weswegen wir Ihnen dabei helfen möchten.
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Seitenzahl: 156
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Die richtige Erziehung gibt es nicht
Eine Schadensbegrenzung
Julia Schneider
Copyright © 2020 Julia Schneider
Alle Rechte vorbehalten.
Einleitung
Einfach ist es, so heißt es, ein Kind zu erziehen, schwierig jedoch, das Ergebnis zu lieben. Wie viele Eltern sprechen irgendwann den Satz aus: „Was haben wir falsch gemacht?“ Erziehung ist wahrscheinlich so lange einfach, bis Kinder ihren eigenen Kopf entwickeln. Das kann auch schon sehr früh der Fall sein, besonders wenn die ersten Phasen der Bockigkeit, des Trotzverhaltens oder der Rebellion aufkommen. Gute Ratschläge haben viele parat. Letztendlich bleibt das Miteinander zwischen Eltern und Kindern ein sich ständig wandelnder Prozess und unterliegt dabei vielen Schwankungen in Zu- und Abneigung.
Erziehung ist daher auch eine Art Schadensbegrenzung. Während früher bestimmte Erziehungsregeln angewandt wurden, die oftmals die strengere Ausbildung und Zucht über die Liebe stellten, gibt es heute viele Möglichkeiten, das Kind gleichzeitig liebevoll und moralisch zu erziehen, ihm die geeigneten Werte beizubringen und den Charakter günstig zu prägen. Es gibt ganzheitliche Erziehungsansätze und Lehren, die für Eltern hilfreich sein können und ihnen als guter Wegweiser beim eigenen Konzept dienen.
Dieses Buch beschäftigt sich mit den unterschiedlichen Erziehungsstilen und Methoden, mit Problemen und Schwierigkeiten und mit den einzelnen Entwicklungsphasen des Kleinkindes. Es soll Ratgeber sein und Eltern zeigen, worauf es letztendlich ankommt. Denn diese haben nun einmal immer den größten Anteil daran, wie sich ein Kind entwickelt und wie es das Leben in allen Höhen und Tiefen meistert. Ein gutes Vorbild zu sein, ist eine Sache; dem Kind Liebe und Geborgenheit zu vermitteln, die andere. Besser als jede Disziplin ist das Vorleben guter Werte, an denen sich das Kind orientiert. Mitunter scheint jedoch genau das der schwierigste Aspekt an der Sache zu sein.
Index
1. Die richtige Erziehung gibt es nicht!
2. Die Entwicklungsphasen des Kindes
2.1 Nach der Geburt – die Entwicklung in den ersten Monatsphasen
2.2 Vom Säugling zum Kleinkind
3. Die Entstehung der Gefühle, auf die Eltern Einfluss nehmen können
3.1 Die Wut- und Trotzphase
4. Pädagogik als Wegbereiter zu einem zufriedenen und selbstbewussten Menschen
5. Verschiedene Erziehungsstile
5.1 Die bekanntesten Erziehungsstile im Überblick
5.2 Ungesunde Erziehungsmethoden und -stile
6. Erziehungsmaßnahmen und Konzepte
6.1 Lob und Belohnung
6.2 Tadel und Bestrafung
6.3 Probleme mit bestrafenden Maßnahmen
6.4 Zuhören und Kommunikation
6.5 Erfolgserlebnisse
7. Erzieherischer Freiraum – Eltern bestimmen das Konzept
8. Liebe, Geduld und Zeit – der Schlüssel zum Erfolg
9. Kinderentwicklung und Lerntheorien – Spieltrieb nutzen und Kreativität fördern
9.1 Spieltrieb
9.2 Lerntheorien
10. Sicherheit und Geborgenheit in der Familie
11. Das Kind verwöhnen und verhätscheln
12. Die Ehrlichkeit der Kinder
13. Ständiges Schimpfen – was wird dadurch erreicht ?
14. Was sind Rabeneltern?
15. Die Eltern-Kind-Bindung
15.1 Das kindliche Gedächtnis als Speicherplatz für unbewusste Erfahrungen
15.2 Resilienz und Eigenverantwortung
16. Die Schattenseiten der Erziehung – Verhaltensauffälligkeiten und andere Schwierigkeiten beim Kind
16.1 Aggression
16.2 Furcht und Ängstlichkeit
16.3 ADHS
17. Was habe ich falsch gemacht? – Situationen und Lösungen, wenn das Kind nicht hören will
18. Respektvoller Umgang zwischen Kindern und Eltern – alternative Erziehungsmethoden
1. Die richtige Erziehung gibt es nicht!
So manche Eltern wünschen sich sicherlich ab und zu einen Schimpf-Ratgeber oder möchten eine Wut-Diät angehen, wenn am Ende der Nerven immer noch genügend Kind übrig ist. Es ist gar nicht so leicht, in den schwierigen Phasen der Entwicklung nicht auszurasten oder immer auf alles gelassen und ruhig zu reagieren. Das Staunen wächst, wenn sich die geliebten Kinder auf einmal in wahre Monster verwandeln, wenn das Verständnis nicht richtig zu klappen scheint und wenn die Peinlichkeit wächst, weil Monsieur Sohn oder Madame Tochter auf einmal mitten in der S-Bahn einen Wutanfall bekommt und sich in einer beeindruckenden Ausdauer übt, die Stimme heiser zu schreien und dabei auszusehen, als könnte er oder sie jederzeit wie ein Luftballon zerplatzen.
Häufig werden Eltern in solchen Situationen in völlige Ratlosigkeit gestürzt. Sollen sie schimpfen, dem Kind den Hintern versohlen, so tun, als wäre nichts, oder als Belohnung für das Aufhören ein Eis versprechen? All diese Dinge sind völlig sinnlos, hat sich das Kind erst so richtig in seine Wut hineingesteigert. Die Auslöser für ein solches Verhalten können ganz banal sein, z. B. wenn das Kind etwas will und es nicht bekommt oder wenn es zu etwas gezwungen wird, was es nicht möchte. Hier dienen der Trotz und die Wut vor allen Dingen dazu, mehr Autonomie zu erlangen. Jedes Kleinkind probiert verschiedene Möglichkeiten und Verhaltensweisen aus, um zu sehen, was damit erreicht wird und welche Mittel helfen, sich gegenüber den Eltern durchzusetzen. Die Methoden sind dabei oftmals auch kreativ und überraschend. Das lässt schon vermuten, dass eine falsche Reaktion der Eltern nur zu mehr Wutausbrüchen führt. Geduld und Ruhe sind nötig. Das aber ist gar nicht so leicht.
Oft zeigt sich, dass Eltern ein regelrechtes dickes Fell entwickeln, wenn es um das Geschrei und den Trotz ihrer Kinder geht. Wo andere bereits ausflippen, sitzt die geübte Mutter lässig neben dem vor Wut im Gesicht rot anlaufenden Sohn und liest ein Buch. Es scheint, als hätte sie Watte in den Ohren, während die Lautstärke noch ansteigt. Einerseits ist dieses Verhalten natürlich gut für die Nerven der Mutter, zumal ihr kaum etwas anderes übrig bleibt, andererseits bringt eine Abhärtung der Gefühle wenig, wenn es um die Erziehung geht. Etwas erinnert das Ganze an Resignation und Flucht.
Viele Menschen zeigen im Alltag zwar Verständnis, wenn das Geschrei groß ist, sobald Eltern jedoch gar nicht reagieren, wird hinterfragt, was da nicht stimmt. Auch anders herum ist das Ganze schwierig. Sehr unangenehm wirken Erwachsene, die ihr Kind anschreien oder gewaltsam wegziehen. Kein Elternteil möchte, dass sich Fremde in die Erziehung einmischen.
„Was ich mit meinem Kind mache, geht nur mich etwas an“, heißt es nicht selten giftig von bereits gestressten Eltern. Wie sollte eine fremde Person auch nachvollziehen können, dass das Geschrei täglich mehrere Male mit Ausdauer erfolgt. Guter Rat ist dann teuer.
Kinder haben lange Zeit eine wunderbar freie Sicht auf die Dinge, stellen Tausende von Fragen und erleben die Welt in ihrem ganz eigenen Verständnis. Der Blick ins Leben ist von Staunen und Neugier geprägt. Erwachsene meinen, das Kind wäre damit leicht zu durchschauen. Es bleibt jedoch eine Tatsache, dass ein Kind die Umwelt anders erlebt als der Erwachsene. Deshalb kommt es auch immer wieder zu Unstimmigkeiten oder schweren Enttäuschungen beim Kind.
Kinder können, gerade im unschuldigen Alter zwischen 2 und 5 Jahren, das Handeln und Verhalten der Eltern entlarven und in Frage stellen. Der Erwachsene blickt dann erstaunt, wenn er sich durch die Reaktion des Kindes beim Lügen oder bei der Gleichgültigkeit Dingen gegenüber ertappt fühlt. Hinterfragt das Kind ein Ereignis immer wieder, gehen die Antworten bald aus, während das Kind noch lange nicht zufrieden ist. Während der Erwachsene die Frage schnell fallen lässt, bohrt sie im Kind weiter und fordert eine Antwort. Dass es nicht immer eine gibt, akzeptiert das Kind nicht.
Schnell wird der Erwachsene, dem das alles nicht so wichtig ist, dann zum bösen Menschen und fordert so Trotz und Wut heraus. Kein Kind handelt böswillig, wenn es rebelliert. Meistens liegt der Ursprung für das bockige Verhalten in einer enttäuschten Erwartung oder in heftigen Konflikten, die durch ein Erlebnis hervorgerufen werden. Das Kind verschließt sich dann und will nicht mehr angesprochen werden, lässt die Hand des Elternteils los oder möchte davonlaufen. Je nach Charakter kann ein enttäuschtes Gefühl auch in heftige Verzweiflung und Wut umschlagen, die mit Zerstörungswut und Toben einhergehen.
Im Kennenlernen der Welt macht das Kind viele neue Erfahrungen. Neben normalen Eindrücken bietet die moderne Gesellschaft eine wahre Reizüberflutung, die ein Kind auch schnell überfordern kann. Schon die Auswahl an Spielzeug oder von Fernsehsendungen stellt Eltern vor eine schwierige Wahl, und das Kleinkind weiß schon gar nicht, was es will. Alles, was ihm begegnet und mit dem es sich beschäftigt, hat Einfluss auf die Entwicklung. Daher möchten Eltern pädagogisch wertvolles Spielzeug kaufen, ebenso im Fernsehen Sendungen auswählen, die für das Alter des Kindes geeignet sind. Trotzdem ist eine uneingeschränkte Kontrolle über das, was das Kind aufnimmt und verarbeitet, nicht möglich.
Die kindliche Aufmerksamkeit wirkt immer auf die Erwachsenen. Im Grunde ist die Unschuld des Kindes wie das Vorhalten eines Spiegels, in dem sich der Erwachsene erkennt und auch auf seine eigene Kindheit zurückgeworfen wird. Nicht umsonst heißt es, man solle mit den Augen eines Kindes in die Welt blicken. Das ist häufig auch in Erziehungsangelegenheiten sinnvoll, um die Kleinen besser zu begreifen und ihre Reaktion zu verstehen. Wenn Eltern es schaffen, sich an die eigene Kindheit zu erinnern, werden auch Trotzreaktionen nachvollziehbar. In den einzelnen Entwicklungsphasen verändert sich die geistige Auffassung nach und nach. Das Kind beginnt eigene Schlüsse aus einem Geschehen zu ziehen und sich dementsprechend zu verhalten.
Die richtige Erziehung, das sei hier schon einmal gesagt, gibt es nicht. Standardformeln würden ganz im Gegenteil eine verheerende Wirkung haben, da jeder Mensch anders ist. Dennoch gibt es typische Entwicklungsphasen, in denen das Kind lernt und auch in seinen Erwartungen enttäuscht wird. Meistens folgt daraus eine Trotzreaktion, mit der Eltern lernen müssen umzugehen. Dieses Verhalten ist Teil der Entwicklung und Erziehung und stellt im Grunde einen positiven Verweis darauf dar, dass Kinder sich geistig weiterentwickeln. Für die Eltern allerdings sind diese Phasen wesentlich schwerer zu ertragen und können auch ordentlich die Nerven reizen.
Interessant bleibt, dass sich fast alle Menschen im Laufe ihres Lebens immer wieder Orientierungs- und Bezugspersonen suchen, die die Rolle der Eltern spielen. Die Kindheit bestimmt den Werdegang und die Art des Lebens, das Vertrauen in Menschen und die Suche nach Freundschaften und Kontakten. Schaffen es Eltern, dem Kind eine sichere Bindung an die Familie und die notwendige Geborgenheit und Liebe zu vermitteln, wird die Entwicklung eines Kindes enorm unterstützt. Reagieren Eltern auf alle Signale des Kindes empathisch und mit der notwendigen Zuwendung, nimmt das Kind dies wahr und verhält sich ähnlich zu seiner Umwelt. Schon im Säuglingsalter wächst aus dem Vertrauen, dass Eltern die Signale verstehen und auf das Kind eingehen, die Lust zu Lernen.
Erziehung ist zwar eine Pflicht, sollte den Eltern aber auch Spaß machen. Nur dann bestimmt Geduld und Liebe das Miteinander. In einer hektischen Welt mit einem sehr hohen Anspruch an Beruf und Familienleben ist diese natürliche Freude an der Erziehung ein bisschen verlorengegangen. Im Gegenteil haben viele Eltern Angst, etwas falsch zu machen, gerade weil sie das Beste für ihr Kind wollen. Sie verfangen sich in dem Eindruck, etwas fördern und erzwingen zu müssen, während die Entwicklung auch viel gemütlicher verlaufen könnte.
Alles, so denken moderne Eltern, muss pädagogisch wertvoll sein. Kein Wunder, dass aus vielen Häusern ein seltsamer Meckerton dringt und das Kind, so sehr auch das Bemühen groß ist, eigenartige Verhaltensstörungen entwickelt. Häufiger sollten Eltern auf die traditionellen Wege zurückblicken, die von ihren eigenen Eltern oder Verwandten vorgegeben wurden und die zu einem festen Zusammenhalt der Familie geführt haben. Wenn es bei Tolstoi in „Anna Karenina“ heißt, alle glücklichen Familien gleichen einander, jede unglückliche Familie ist auf ihre eigene Weise unglücklich“, dann ist damit der Kern der Sache getroffen. Wie schön aber wäre es, wenn viele Familien sagen können, wir gleichen einander, da unsere Kinder glücklich sind und damit auch wir.
2. Die Entwicklungsphasen des Kindes
Bevor die Erziehung selbst genauer betrachtet werden soll, ist es wichtig, die einzelnen Entwicklungsphasen eines Kindes zu kennen und zu verstehen, wann Erziehungsmaßnahmen besonders wichtig sind und in welchen Phasen Eltern positiv auf das Kind einwirken können. Die Geburt ist immer ein wichtiges Ereignis für Eltern und krempelt das gewohnte Leben vollständig um. Nach der Entbindung ist kaum Zeit für die Erholung. Der Säugling hat nur die Möglichkeit, sich durch Schreien auszudrücken, und lernt über die Zuwendung das Vertrauen in die Umwelt und in die Mutter. Die Entwicklung erfolgt als vielschichtiger Prozess auf körperlicher und geistiger Ebene, wobei die Bewegungsentwicklung und die sinnliche Wahrnehmung eng miteinander verbunden sind.
Junge Eltern müssen heutzutage meistens selbstständig herausfinden, wie sie ihr Kind richtig umsorgen und erziehen. Das, was früher in typischen Großfamilien als Ratschläge weitergegeben wurde, ist heute höchstens durch den Austausch mit den eigenen Eltern oder mit anderen Erziehungsberechtigten möglich. Gültige Regeln gibt es nicht mehr. Was früher gängig war, hat sich teilweise als verkehrt herausgestellt, besonders bestimmte Erziehungsstile, die wir im Buch noch vorstellen werden. Auch waren die Regeln strenger, so dass Kinder ein höfliches und diszipliniertes Verhalten an den Tag legen mussten und von klein auf lernten.
Was heute an Möglichkeiten mehr Freiraum für Eltern lässt, stellt sie gleichzeitig auch vor die Schwierigkeit der richtigen Entscheidung. Die Erziehung hängt eng mit den Besonderheiten des Kindes und mit dem Familienalltag zusammen. Schon sehr früh ist der enge Kontakt zur Mutter maßgebend für die Entwicklung und das Vertrauen von Babys. Eltern dürfen dabei weder die Fürsorge noch die Erziehung als ständige Belastung empfinden. Mit der großen Verantwortung darf niemals die Freude und Liebe verloren gehen.
Für eine frühzeitig gute Erziehung gibt es zwar Konzepte, leider sind diese teilweise auch sehr theoretisch und verallgemeinert ausgelegt oder längst überholt und auch psychologisch widerlegt; selbst moderne können bei einem Kind kontraproduktiv oder sogar nutzlos sein. Die Sicherheit für den Umgang mit Kindern durch festgelegte Erziehungsmaßnahmen gibt es genauso wenig wie die richtige Erziehung. Eltern haben daher allgemein einen größeren erzieherischen Spielraum und können diesen auch an die Persönlichkeit des Kindes anpassen. Diese prägt sich mit der Zeit, während sich das Kind dabei rasend schnell entwickelt. Das ist sowohl auf der körperlichen als auch auf der geistigen und emotionalen Basis der Fall. Und immer zählt der enge Kontakt zur Mutter und zum Vater. Aus der Persönlichkeit bildet sich dann der Charakter. Dieser bestimmt, wie gut der Mensch im Leben zurechtkommt.
2.1 Nach der Geburt – die Entwicklung in den ersten Monatsphasen
Natürlich bleiben Eltern von Anfang an die wichtigste Bezugsperson im Leben eines Säuglings und Kleinkinds, besonders die Mutter, die ständig im direkten Kontakt zu dem Neugeborenen steht und durch ihr Verhalten die Reaktionen des Säuglings mit bestimmt. Dabei lässt sich in der ersten Zeit kaum vermeiden, dass auch der Stress und die Müdigkeit, die Erschöpfung und andere Alltagsprobleme nicht einfach verdrängt werden können. Dennoch ist die Zuwendung durch die Mutter entscheidend dafür, wie schnell das Kind lernt, seine Umwelt wahrzunehmen und Vertrauen zu entwickeln. Im Zusammenspiel aller Anlagen, des Reifeprozesses und der Erfahrungen wird ein Kind nach und nach immer komplexer denken, wenn auch auf kindliche Weise. Die Entwicklungsstufen sind dabei relativ klar vordefiniert und treffen dann, mit kleinen Unterschieden und Zeitverzögerungen, auf fast alle Säuglinge und Kleinkinder zu.
Bereits von der Geburt an ist das Kind neugierig und versucht seine Umgebung zu entschlüsseln. Während die körperliche Entwicklung sehr schnell voranschreitet, lernt der Säugling gleichzeitig, die Umgebung nicht mehr als Bedrohung wahrzunehmen, sondern Vertrauen zu fassen. Das Baby beginnt bereits, nach dem Finger der Eltern zu greifen, die Stimme der Mutter zu erkennen und wird dann immer aktiver. Bald nimmt es Geräusche deutlicher wahr und kann Gegenstände klar unterscheiden, auch das Lächeln der Eltern richtig deuten.
Das Greifen nach Gegenständen fördert die Muskelausbildung, dabei erforscht das Baby genau seine Umwelt und steckt sich dann auch vieles gleich in den Mund. Der Körper wird langsam kräftiger, die Bewegungen können allmählich einfacher gesteuert werden. Das bedeutet auch, dass beim Liegen auf dem Bauch ein Abstützen mit den Unterarmen möglich wird oder das Kind heftig strampelt.
In dieser Phase lernen Säuglinge, den Kopf selbstständig zu halten und können auch häufiger auf den Schoß genommen werden und das Gesicht dann seitlich drehen. Das wiederum ermöglicht noch einmal besser, die Umwelt zu beobachten und zu erfassen. Die visuellen Sinne entwickeln sich, auch weiter entfernte Dinge können erkannt werden. Das Baby richtet dabei ein Lächeln bereits gezielt auf bestimmte Bezugspersonen.
Etwa im 5. Monat wird die Bewegung stärker und der Säugling versucht, sich selbstständig zu drehen. Das Interesse an der Umwelt ist stark gestiegen. Das Packen von Gegenständen ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem gezielten Greifen. In dieser Phase beginnen Babys, Gefühlsregungen zu unterscheiden. Sie begreifen allmählich, wann jemand mit einem liebevollen oder strengeren Tonfall spricht, können auch vertraute und fremde Personen auseinanderhalten. Schon hier ist es daher wichtig, darauf zu achten, mit welchem Ton man zu dem Kind spricht. Dazu erfasst es sehr wohl alle Emotionen und Gefühlsregungen der Mutter.
Bald beginnen die neugierigen Bewegungen. Das Baby setzt sich selbstständig auf und beginnt zu krabbeln und seine Umwelt zu erkunden. Es ist ihm möglich, das Gleichgewicht besser zu halten und auch das Greifen klappt noch besser. Erste Versuche, sich über Laute auszudrücken, erfolgen, bis dann das erste Wort erklingt. Die Vorbereitung darauf ist natürlich, dass Eltern viel mit dem Kind sprechen, seine Aufmerksamkeit auf Gegenstände und Personen richten und alles erklären. Der Wissensdrang ist dabei hoch. Aus dem Wunsch, Sprache zu hören, wird der Wunsch, selbst zu kommunizieren. Das erfolgt zunächst in Signalen und dann mehr und mehr in Lauten und Worten. Auch schauen Babys immer auf die Mimik desjenigen, der sich mit ihm beschäftigt. Das erste Wort ist für die Eltern dann eine der schönsten Überraschungen.
Für die Sprachentwicklung entscheidend ist die elterliche Zuwendung. Das Sprechenlernen ist ein emotionaler Vorgang, wobei auch Eltern lernen müssen, die kindlichen Signale richtig zu deuten und darauf angemessen zu reagieren. Ist das nicht der Fall, kann es sein, dass die sprachliche Entwicklung sehr verzögert stattfindet. Fehlen die geeigneten Kommunikationssignale, reagiert das Baby darauf mit Weinen und Protest.
Da viele Sinne aktiviert sind, um das Sprechen zu lernen, hilft es Kindern, wenn Eltern von Anfang an mit ihnen sprechen, ihnen vorsingen, mit ihnen lachen, auf Dinge zeigen und diese benennen, Ereignisse erklären, Geschichten erzählen und Trost spenden. Das Ausdrücken von Worten hängt natürlich mit dem Hören zusammen und mit der Art, wie sie sprachlich und emotional vermittelt werden. Die Stimme der Mutter hat dabei eine entscheidende Rolle. Der Säugling gewöhnt sich an die ganz eigene Sprachmelodie und entwickelt das Vertrauen dadurch, dass es sich an die Stimme gewöhnt.
Es ist dabei schon erstaunlich, wie schnell ein Kind lernt und sich entwickelt. Das betrifft motorische Fähigkeiten, das Sitzen-, Krabbeln- und Gehen-Lernen, das Sprechenlernen, das Trinken- und Essenlernen. Die zeitliche Spanne ist von Kind zu Kind verschieden. Schon hier werden wichtige Grundlagen für das weitere Leben erworben. Die körperlichen Anlagen, die eigenen Erfahrungen, die Zuwendung der Eltern und die Eindrücke der Umwelt sind dabei entscheidende Faktoren für die kindliche Entwicklung und deren Verlauf.
2.2 Vom Säugling zum Kleinkind
Nach und nach wird der Nachwuchs immer selbstständiger und entwickelt eine eigene Persönlichkeit. Das frühkindliche Temperament steht dabei noch nicht direkt im Zusammenhang mit dem wahren Charakter.
Zwar sind biologisch manche Dinge von vorneherein festgelegt, darunter der Körperbau, die Augenfarbe, die Neigung zu Krankheiten, bestimmte Begabungen oder die Intelligenz; die Persönlichkeit selbst kann jedoch entscheidend mit durch die Erziehung gefestigt werden.