Die Rote Flut - Bàra Wiebke Grollius - E-Book

Die Rote Flut E-Book

Bàra Wiebke Grollius

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Beschreibung

Die Rote Flut erzählt eine andere Version der Covid19-Pandemie, die von 2020 bis 2023 die Welt in Atem hielt. Die Autorin distanziert sich ausdrücklich von jeglichen Verschwörungsmysthiken. Die in diesem Buch erzählte Geschichte ist frei erfunden und dient lediglich der Unterhaltung der Leser. "Alle intelligenten Nichtchinesen, und dazu gehörten auch Menschen befreundeter Staaten und Regime, sollten vernichtet werden, damit die Chinesen endlich ihren Weg gehen konnten, mehr Land und Ressourcen für ihre Bevölkerung zu bekommen und nicht durch Menschen daran gehindert wurden, die ihre Pläne frühzeitig durchschauen würden." Überarbeitete Neuauflage, Mai 2023, (C) Bàra Wiebke Grollius

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„Es war physiologisch völlig ungefährlich Femtoroboter im Körper zu haben, solange diese nur sendeten und nicht empfingen. Und inaktive Femtoroboter schadeten dem menschlichen Körper auch nicht. Zu gegebener Zeit würde Wong Baihu an seinen Boss berichten und der würde dann iterativ Knöpfe drücken lassen, wodurch bestimmte Menschen, ausgewählt durch diverse Filterkriterien, allem voran ihre Intelligenz und Nationalität, durch die Explosion der Femtoroboter in ihren Gehirnen sterben würden.“

Bàra Wiebke Grollius (B.Sc. Psychologie), geboren 1973 in Hamburg, lebt mit ihrer Familie in Bremen. Nach dem Abitur wurde sie zunächst Bankkauffrau und arbeitete im Anschluss in verschiedenen kaufmännischen Berufen in Hamburg, Berlin und Frankfurt, bis sie in Bremen in die Familienzeit wechselte. In dieser Zeit absolvierte sie ein Psychologiestudium und schloss mit einem Bachelor of Science ab. Fortbildungen zur psychologischen systemischen Beraterin und Coachin sowie eine Überprüfung vor dem Gesundheitsamt Bremen führten zu einer Heilerlaubnis nach HPG. Als ihr Hund pflegebedürftig wurde, begann sie zu schreiben …und fand großen Gefallen daran.

„Der Ursprung der Corona-Pandemie liegt wahrscheinlich in einem Laborleck, so ein US-Geheimdienstbereich. China erschwert währenddessen weiterhin die Suche nach der Ursache, bemängelt die WHO.“1

Wir werden die Wahrheit wahrscheinlich nicht erfahren.

Die Autorin distanziert sich ausdrücklich von sämtlichen Verschwörungsmysthiken. Die Geschichte in diesem Buch dient ausschließlich der Unterhaltung der Leser. Die Femtotechnologie in der beschriebenen Art sowie deren erzählte Anwendung sind frei erfunden.

Lektorat und Korrektorat: Bàra Wiebke Grollius

Ein Science-Thriller mit fiktionalen Anteilen basierend auf realen Ereignissen

Wichtige Personen in Reihenfolge des Erscheinens

Anne Falk - Privatdetektivin, geboren 1972, Detekteigründerin

Ben Wickler - ihr Partner, geboren 1978, Journalist und Privatdetektiv

John Falk - Annes Ehemann, Ingenieur für Elektrotechnik

Melinda Wickler – Bens Ehefrau, Rechtsanwältin

Miriam Brodmann – Mutter von Jessica und David, Ehefrau von Karl Brodmann, arbeitet bei Karl im Hotel, malt gern und gut Ölbilder

Karl Brodmann – Hotelbesitzer, Geldwäscher

Leon Walter – Kriminalhauptkommissar

Jessica Brodmann – Miriams Tochter, Webdesignerin

David Brodmann – Miriams und Karls Sohn, Informatiker, Hacker

Thomas Li – arbeitet seit sieben Jahren für die Organisation

Max Weber – leitet die Organisation

Wong Baihu – CEO der Shouzin Corporation Ltd.

Liesy – Miriam Brodmanns beste Freundin

Kay Wiesel – falscher Name, unter dem Ben Wickler in der Spielhalle ermittelt

Bordeyan und Yorgas (alias Bert und Uwe alias Albert

Becker und Heiko Mehnert) – E-mail-Kontakt mit Karl

Elly – eine weitere Nachbarin

Michael – Johns Bruder

Mike Plante – Annes IT-Kontakt ins Bundeskriminalamt

Inhalt

Eine kurze Nacht

John Falk

Das Büro

Der Auftrag

Einbrecher

Der Kontakt

Im Büro

Das Virus

Jessi Brodmann

Thomas Li

Impfstoffe

David Brodmann

Karl Brodmann

Bunte Ablenkung

Kontakte

Lorenzo Mancini

Ahnungen

Dolce Vita

Der Anschlag

Keine Grillparty

Femtotechnologie

Auslieferung

Im Alten Land

Körperflutungen

Die rote Flut

Die Zeit drängt

Verblassen

Exit

Das Ende

Anhang

Anmerkungen

Quellenhinweise

Eine kurze Nacht

Miriam Brodmann drehte sich noch einmal um, der Wecker würde heute nicht klingeln, ein kalter nebliger Spätwinter-Sonntag lag vor ihr. Es war kuschelig warm unter der Bettdecke. Und so verfiel Miriam zurück in einen leichten Schlaf.

Sie war noch nicht wieder ganz eingeschlafen, als sie ein Geräusch im Haus hörte. Es war das Knarzen einer Treppenstufe. Die Nackenhaare stellten sich ihr auf, das Gehör wurde übersensibel. Sie selber wusste genau, an welchen Stellen dieses Geräusch entstand, wenn man auf die zugehörige Treppenstufe trat. Auch ihr Mann wusste es. Und er lag schlafend neben ihr. Also konnte Karl es nicht sein, der durch das Haus ging. Die Kinder Jessica und David waren längst erwachsen. Haustiere hatten sie nicht. Miriam war schlagartig hellwach. Voller Angst zog sie die Bettdecke bis über ihr Kinn. Sie stieß ihren Mann an, doch der schnarchte und schlief tief und fest weiter.

Miriam Brodmann wollte unter keinen Umständen ein Geräusch machen. Fast hörte sie auf zu atmen. Sich zu bewegen traute sie sich nicht. Hoffnungsvoll dachte sie ‚vielleicht waren es nur einfache Einbrecher, die auf die Schnelle alles mitnehmen wollten, was herumlag und sich als leichte Beute eignete. Dann wären sie bestimmt gleich wieder weg.‘

Sie wartete auf das erneute Knarzen der unteren Treppenstufe, was den Rückzug der Einbrecher ziemlich sicher angezeigt hätte.

Sie lauschte. Stattdessen knarzte nun aber die oberste Treppenstufe. Miriam hielt mit aufsteigender Panik den Atem an. Stocksteif lag sie unter ihrer Decke, die inzwischen auch ihren Kopf bedeckte.

Der Einbrecher war ganz offenbar die Treppe heraufgekommen und würde bestimmt gleich vor ihrer Schlafzimmertür stehen.

Eine Sekunde später wurde die Schlafzimmertür tatsächlich sehr vorsichtig und leise geöffnet.

Und dann war es von einer Sekunde auf die andere taghell im Schlafzimmer. Jemand hatte zusätzlich zu seinem Taschenlampenlicht das grelle Oberlicht angeknipst. Und dann ging alles ziemlich schnell.

*

Nebenan in der anderen Doppelhaushälfte schlief Anne Falk seit Monaten auf der Couch im Wohnzimmer. Ihre betagte Hündin signalisierte in dieser Nacht bereits zum dritten Mal, dass sie in den Garten müsse. Verschlafen stand Anne auf, zog mechanisch das quietschende Raffrollo hoch und öffnete schlaftrunken das Sicherungsschloss am Türrahmen sowie das Schloss am Türgriff. Sobald sie die Terrassentür geöffnet hatte, stürmte Luka in den Garten und verrichtete nötig ihr Geschäft. Erleichtert kam sie danach wieder angelaufen und Anne ließ sie zurück ins Wohnzimmer. Es war kalt draußen. Anne fror. Sie wollte so schnell wie möglich wieder unter ihre warme Bettdecke. Luka hatte es sich auf ihrem Platz bereits wieder gemütlich gemacht. Anfangs war es ihr peinlich, in den eigenen Garten zu machen. Mittlerweile war sie froh nicht warten zu müssen, bis ihr Frauli sich angezogen hatte für einen kurzen Gassigang zur Wiese in der Nähe. So hatten sie das anfangs gemacht. Anne schlief noch im Schlafzimmer, Luka quietschte, John weckte Anne, Anne zog sich im Bad halbwach an, torkelte die Treppe hinunter, warf sich irgendeine Jacke über, schlüpfte in die erstbesten Schuhe und nahm Luka an die Leine. Dann gingen sie schnell und oft rannten sie auch die paar Meter bis zum Naturschutzgebiet. Inzwischen hatte Anne kapituliert. Denn es wurde nicht mehr wesentlich besser, im Gegenteil. Die nächtlichen Unruhen wurden immer mehr. Die Tierärztin wusste keinen besseren Rat, als es als altersbedingten Zustand einzuordnen. Und sollte es sich tatsächlich als neuer Dauerzustand entpuppen, musste eine pragmatischere Lösung her. Die Couch im Wohnzimmer.

So ging das also nun bereits seit einem dreiviertel Jahr. Mal schlief Luka auch durch, wenn es ihr besser ging. Sie war bereits eine Seniorin, fast 15 Jahre alt. In anderen Nächten musste sie mehrmals die Nacht raus. Es war überhaupt nicht planbar.

Annes Mann hatte großes Verständnis für die Situation. Schließlich hatte er einen Vorteil davon, dass Anne nun unten beim Hund schlief. Dadurch hatte er seine Nachtruhe und wurde durch das alarmierende drängende Quietschen Lukas gar nicht erst wach. Bei Anne wurden durch das Hundegequietsche wahrscheinlich dieselben Hirnareale angesprochen wie damals, als ihre beiden Kinder noch Säuglinge waren. Auch früher wachte Anne bereits bei der kleinsten Regung auf, stillte die Kinder, döste dabei weiter und schlief danach sofort wieder ein. Ammenschlaf nannte man das. Jeder und jede, die Kinder großgezogen hatte, kannte das zombieähnliche Auftreten, das man nach Monaten schlafarmer Nächte zeigte. Anne konnte abends zum Glück meist früh schlafen gehen oder sich tagsüber ein paar Minuten aufs Ohr legen. So konnte sie den drohenden Schlafmangel auffangen.

Ihr Mann wachte also inzwischen gar nicht erst auf und konnte somit durchschlafen. Das war wichtig. John stand in der Woche früh auf, um zu arbeiten. Seit der Covid19-Pandemie 2, 3 war es in der Firma zwar möglich, an drei Tagen onsite im Büro zu arbeiten und an zwei Tagen im Homeoffice zu Hause, wodurch dann der Arbeitsweg entfiel und er theoretisch etwas länger schlafen konnte. Aber das hätte den Arbeitsrhythmus durcheinandergebracht. Also hieß es Montag morgens zur gewohnten Zeit aufzustehen. Meist blieb John montags und freitags im Homeoffice oder auch schon mal, wenn es terminlich an anderen Tagen leichter für Anne war, wenn er von zu Hause aus arbeitete und er dann netterweise den Hundedienst übernehmen konnte. Das kam zum Glück nur selten vor. John musste Tage mit Hundedienst aktiv einplanen, denn wenn er von morgens bis abends im Online-meeting wäre, könnte er sich nicht um Luka kümmern. Luka brauchte ihre Medikamente und ihr Futter musste exakt ausgewogen und zusammengestellt werden.

Insgesamt war die Homeofficeoption ein entspanntes Konzept in der angespannten Pandemielage. John hatte mit seiner Firma großes Glück gehabt. Weil es ein riesiges Unternehmen war, konnten Arbeitszeitkürzungen aufgefangen werden, ohne dass John Einkommenseinbuße hatte.

Anne war nun schon seit fast 18 Jahren zu Hause. Sie konnte und musste sich ihre Zeit frei einteilen. Nebenbei und mitten in der Pandemie hatte sie sich ein kleines Business aufgebaut. Sie arbeitete seit zwei Jahren als Privatdetektivin. Ihr Detekteipartner Ben stand ihr dabei clever und sehr motiviert zur Seite. Sie harmonierten gut zusammen. Ben verstand sich ausgezeichnet mit John und Anne kam prima mit Bens Frau Melinda zurecht.

*

Das plötzliche helle Licht und der erstickte Aufschrei seiner Frau ließen Karl Brodmann hochschrecken. Er versuchte in einem Verteidigungsvorhaben aufzuspringen, verhedderte sich aber mit den Füßen in seiner voluminösen Kunstdaunendecke und dem Überzug.

Zwei Männer standen seitlich am Bett. Ihre Gesichter waren in der Hektik nicht zu erkennen, obwohl sie maskenfrei waren. Die nächsten Sekunden folgte alles viel zu schnell aufeinander. Der erste Eindringling kam auf die andere Seite des Bettes, beugte sich zu Miriam hinunter und schlug ihr mit einem harten Gegenstand mitten ins Gesicht. Sie brachte keinen weiteren Laut heraus und glitt sofort in die Bewusstlosigkeit ab. Karl Brodmann saß stocksteif und damit absolut handlungsunfähig im Bett. Alle Bewegungen waren durch den einsetzenden Totstellreflex eingefroren. Dagegen konnte Karl sich nicht wehren. Sein Reptiliengehirn, der Teil des menschlichen Gehirns, den es am längsten gab, hatte die Kontrolle übernommen.

Der zweite Eindringling hielt ebenso wie der erste einen Baseballschläger in der Hand und deutete an, diesen genauso zu benutzen wie sein Kumpel. Sie brauchten allerdings nicht mehr viel zu machen. Miriam lag blutüberströmt und bewusstlos auf ihrer Seite des Bettes. Karl war handlungsunfähig.

*

Es war inzwischen kurz nach fünf Uhr morgens. Wieder machte der Hund sich bemerkbar und wieder stand Anne gequält auf, öffnete die Tür und ließ den Hund in den Garten. Diese Nacht hatte Luka Durchfall. Entweder hatte sie unterwegs wieder etwas aufgenommen. Oder es machte sich das Stück Sahnetorte bemerkbar, das Luka gestern vom Küchentisch gemopst hatte und das sie aufgrund des hohen Fettanteils nicht mehr in der Lage war zu verdauen. Oder es lag an ihrer Herzerkrankung. Die Folgen waren dieselben.

Luka musste seit geraumer Zeit eine Reihe von Medikamenten einnehmen, seit Anne den Tierarzt gewechselt hatte. Von den Medikamenten, die das Herz stärkten, wurden allerdings die Nieren und die Bauchspeicheldrüse in Mitleidenschaft gezogen. Wie so oft musste abgewogen werden, welche Wirkung für Luka die wichtigere war. Ihre Verdauung allerdings versagte durch die Nebenwirkungen ohne weitere Unterstützung komplett. Dagegen bekam sie einfach zwei weitere Medikamente. Ein Medikament gegen das Leiden, das nächste gegen die Nebenwirkungen, wieder das nächste gegen das Leiden, das das Medikament gegen die Nebenwirkungen des Ausgangsmedikaments ausgelöst hatte. Es war immer dasselbe. Genau wie bei der Medikation für Menschen. Nutzen-Risiko-Abwägungen waren an der Tagesordnung. ‚Sie wollen ja nicht an ihrer Erkrankung sterben, oder? Dann nehmen sie das Medikament. Gegen die Nebenwirkungen können wir dann ja etwas machen.‘ Und gegen die Nebenwirkungen des nächsten Medikaments und so weiter. Aber es stimmte ja. Menschen handelten äußerst leichtsinnig, wenn sie ein wichtiges Medikament ablehnten, dass ihnen weitere Lebensjahre schenken konnte und sie ohne das Medikament ziemlich sicher erneute lebensbedrohlich erkrankten würden. Da wäre es schon besser, gegen die Nebenwirkungen und die nächsten Nebenwirkungen weitere Medikamente einzunehmen.

Manchmal konnte Luka das drängende Geschäft einfach nur aufgrund ihres hohen Alters nicht aufschieben. Vielleicht hatte sie inzwischen auch eine Demenz entwickelt. Oft stand sie nämlich gleich mehrfach hintereinander vor Anne und wollte in den Garten. Sie schien sich in solchen Momenten gar nicht mehr daran zu erinnern, dass sie bereits kurz zuvor im Garten war. Insgesamt war sie jedoch inzwischen dank des neuen Tierarztes medikamentös sehr gut eingestellt und durfte noch auf ein paar lebensfrohe Jahre hoffen, auch weil in ihrer Rasse andere Rassen steckten, die gegen DCM4 robuster reagierten, Spaniel zum Beispiel. Anne war sich gar nicht so sicher, ob sie das gut fand. Klar, sie liebte ihre Hündin, aber einen alten Hund zu betreuen hatte es wirklich in sich. Es war in erster Linie mal unglaublich anstrengend. Aber darüber sprach kaum jemand, der oder die auch einen alten Hund hatte.

*

Aufgeschreckt sprang Luka zur Seite und fing an zu bellen.

„Nein Luka, aus! Sei still Luka, du weckst ja die ganze Nachbarschaft auf!“

Luka war zum Gartenzaun gestürmt und bellte aus Leibeskräften in die Richtung der anderen Doppelhaushälfte, so gut es ihr in ihrem Alter noch möglich war.

„Luka, hierher!“

Anne wurde mulmig. Luka würde nicht ohne Grund bellen, sondern nur, wenn sie ihr Territorium oder ihre Menschen gefährdet sah. Was war da los?

„Luka!“

Luka gehorchte schließlich und kam brav angelaufen, sah sich aber immer wieder um und wirkte sehr aufgeregt. Anne stand wie versteinert in der Terrassentür.

*

Miriam lag bewusstlos und in ihrer eigenen Blutlache auf ihrer Seite des Ehebetts. Ihr Mann Karl wurde vom zweiten Eindringling aus seinem Bett gezerrt und brutal hinunter ins Wohnzimmer geschubst. Widerstand war unmöglich. Nach dem ersten Schlag auf den Kopf war Karl Brodmann bereits ziemlich benommen. Erneut erhielt er Schläge auf den Hinterkopf und in die Nierengegend. Bewusstlos sollte er gar nicht werden, denn es gab noch etwas zu erledigen, doch er blieb mit einer klaffenden Kopfverletzung ohne Bewusstsein hinter der Couch auf dem Boden liegen und rührte sich nicht mehr.

*

Aus dem Nachbargarten sah Anne zwei Gestalten stürmen. Einbrecher! Sie musste John wecken.

John war längst durch das Gepolter von nebenan und den anschließenden Gebell Lukas aufgewacht und hinunter ins Wohnzimmer geeilt.

„Anne, was ist los? Warum hat Luka gebellt?“

„Keine Ahnung, sie fing plötzlich draußen im Garten an anzuschlagen und dann sind diese zwei Typen abgehauen von nebenan!“

„Hast du mal ‘ne Taschenlampe?“

„Ja hier, nimm die, sei vorsichtig!“

Der Garten war taghell erleuchtet. Anne und John hatten vor einiger Zeit Lampen mit Bewegungsmelder installiert, damit sie Luka nachts im Garten im Auge behalten konnten. Die Lampen leuchteten nahezu ihren gesamten Garten aus, aber so gut wie keinen Quadratmeter vom Garten der Nachbarn.

John hatte sich rasch eine Jacke übergeworfen, die er im Vorbeilaufen von der Garderobe gegriffen hatte und war anschließend draußen in seine neben der Tür stehenden Gartenlatschen geschlüpft. Mit eingeschalteter Taschenlampe näherte er sich vorsichtig dem Gartenzaun. Dort angekommen wagte er einen Blick in den Garten der Nachbarn und zu deren Terrassentür. Die Tür stand weit offen, niemand war zu sehen.

John kam zurück zu Anne, die an der eigenen Terrassentür frierend auf ihn wartete.

„Die Tür steht offen, aber Karl ist nirgends zu sehen. Miriam habe ich auch nicht entdeckt. Anne wir sollten mal vorn herum gehen und klingeln. Miriam und Karl sind doch zu Hause, oder? Sie sind grad nicht im Urlaub, das hätten sie uns gesagt.“

In diesem Moment gab es einen lauten Knall. Luka rannte panisch in die Abstellkammer, verkroch sich dort und zitterte am ganzen Körper. Wenigstens war sie jetzt drinnen, so dass sie nicht abhauen konnte. Um Luka konnten sie sich jetzt nicht kümmern.

„Verdammt, was war das denn?“

John war als erster wieder ansprechbar. Anne und er sahen sich verängstigt an. Sie verstanden sich oft wortlos, so auch jetzt. Beide liefen zu ihrer Haustür, spähten hinaus und öffneten die Tür, sorgsam darauf bedacht, dass Luka im Haus blieb. Sie liefen ein paar Meter weiter und blieben vor Karls und Miriams Haustür stehen. Drinnen war alles dunkel, niemand rührte sich.

„Ich bin mir sicher, dass die Explosion bei Karl und Miriam war!“

John drückte den Klingelknopf und hörte hinter der Haustür der Nachbarn das vertraute Bimbam. Er drückte erneut den Klingelknopf. Aber auch nach dem dritten Läuten regte sich nichts.

„Wieso macht denn niemand auf?“

John hämmerte nun mit den Fäusten gegen die Tür. Nichts geschah.

Andere Nachbarn standen inzwischen in Nachtbekleidung und übergezogenen Jakken und Mützen in der Nähe auf der Straße. Sie blickten zur Doppelhaushälfte der Brodmanns. Sie sahen Anne und John vor Brodmanns Tür stehen und hörten sie hämmern und rufen.

„John, die Terrassentür ist doch offen. Sollen wir dort nochmal nachsehen?“

„Nein, wer weiß, was uns drinnen erwartet! Vielleicht tritt irgendwoher Gas aus. Wir müssen die Polizei rufen!“

„Ist schon geschehen!“ rief ein anderer Nachbar, der in unmittelbarer Nähe stand.

„Und die Feuerwehr kommt auch gleich mit wegen der Explosion!“

„John, wir haben alle Fernwärme in der Straße. Wieso ziehst du Gasaustritt in Betracht?“

„Ausgeschlossen ist es im Moment nicht, dass jemand einen Propangasvorrat eingerichtet hat. Für Notfälle. Falls der Strom ausfällt. Wir hatten sehr kaltes Wetter diesen Winter und die Gesamtsituation in der Pandemie und außenpolitisch ist fragil. Lagerst du nicht auch einige Kartuschen Butangas in deinem Büro? Für deinen Campingkocher?“

Anne stand so unter Adrenalin, dass sie diese einfache Möglichkeit noch gar nicht in Betracht gezogen hatte. Ja richtig, auch sie hatte sich vorsichtshalber einen neuen Campingkocher und einige Butangaskartuschen gekauft, um im Falle eines Stromausfalls wenigstens einen heißen Tee und eine Suppe vorbereiten zu können.

Keine acht Minuten später hörten sie Sirenengeheul ganz in der Nähe und sahen einen Augenblick später auch schon die Einsatzwagen der Feuerwehr mit eingeschaltetem Blaulicht in ihre Straße einbiegen, gefolgt von einem Polizeiwagen. Einige der Umstehenden winkten, so dass die Fahrzeugführer wussten, wohin sie mussten. Als die Wagen angehalten hatten, stieg zunächst ein Polizist aus seinem Dienstfahrzeug.

„Was ist passiert?“ fragte der Beamte in die Runde und wandte sich dabei schließlich an John.

„Es gab einen sehr lauten Knall, fast eine Explosion. Es macht hier niemand auf. Hinten ist die Terrassentür offen. Es waren wohl Einbrecher im Haus. Meine Frau hat sie fliehen sehen, als sie mit unserem Hund im Garten war.“

Der Polizist klingelte abermals bei Karl und Miriam Brodmann und als sich immer noch nichts tat, umrundete er mit seiner Kollegin sehr umsichtig das Haus. Vom Garten aus sahen auch sie schließlich die offenstehende Terrassentür. Im Haus war es dunkel. Es roch bis zu ihnen nach Verbranntem und etwas Qualm lag noch in der Luft.

„Lass mal lieber erst die Kollegen von der Feuerwehr rein!“ sagt die Polizistin zu ihrem Kollegen. „Gasaustritt checken!“

So geschah es. Ihr Kollege gab den Feuerwehrleuten Bescheid. Sie sollten das Haus durch den Garten betreten und dabei mit ihren Messgeräten die Umgebungsluft prüfen. Dabei würden sie nachsehen, ob es einen Schwelbrand gab.

Einige Minuten vergingen, in denen manche der Umstehenden nervös mit den Füßen wippten. Oder war ihnen kalt?

„Alles ok, kein Gasaustritt“ sagte einer der Feuerwehrmänner schließlich, als er aus dem Haus zurück in den Garten trat. „Auch nirgendwo ein Brandherd zu finden. Eine schwerverletzte Frau oben im Schlafzimmer, bewusstlos, und ein ebenfalls verletzter und bewusstloser Mann unten im Wohnzimmer. Da sollte sofort der Notarzt helfen.“

Er sprach mit einer Polizistin, aber Anne und John standen nahe genug daneben, um einige Wortfetzen auffangen zu können.

*

Als kurze Zeit später der Morgen anbrach wurde das ganze Ausmaß des nächtlichen Vorfalls deutlich. Es dämmerte bereits Ein Rettungshubschrauber war inzwischen angefordert worden und auf dem angrenzenden Feld gelandet. Miriam wurde nach der Erstversorgung durch einen Notarzt in den Hubschrauber geschoben und in die nächste Klinik geflogen. Karl wurde im Rettungswagen abtransportiert und in dieselbe Klinik gebracht. Seine Verletzungen waren offenbar weniger schwer.

„Ach du heiliger Bimbam.“ entfuhr es Anne. Soviel Aufregung am frühen Sonntagmorgen.

Sie hatten kein besonders freundschaftliches Verhältnis zu Karl und Miriam, aber die Nachbarschaft funktionierte gut. Jeder war für jeden da. Ein Plausch am Gartenzaun, der neueste Tratsch aus der Straße, ein ausgeliehenes Gartengerät oder ein Ei zum Backen waren immer möglich. Man half sich gegenseitig.

John wandte sich indes an eine Polizistin, die in unmittelbarer Nähe des Hauseingangs stand und soeben dabei war, alles mit Polizeiflatterband abzusperren. John wollte Details wissen, doch die Polizistin war wohl nicht befugt, Auskunft zu geben und verwies an die inzwischen eingetroffene Kriminalpolizei. Die Spurensicherung befand sich immer noch im Haus. Kriminalhauptkommissar Leon Walter kam John zuvor und begann den Anwesenden Fragen zu stellen. Da John und Anne nebenan wohnten und Anne die Einbrecher im Garten bemerkt hatte, wurden sie als erste vernommen.

„Hallo Anne, geht es euch gut?“ Regelmäßig trafen sich Anne und Leon, um sich über ihre Arbeit auszutauschen, insofern wussten sie voneinander und die verwendete Floskel ließ zwar nur die Antwort ‚ja‘ zu, es sei denn, es ging Anne wirklich schlecht, doch sie war keineswegs oberflächlich gemeint. Leon interessierte sich wirklich dafür, wie es Anne ging. Besonders in ihrer Situation mit Luka, denn Leon hatte früher auch einmal einen Hund und konnte so nachfühlen, wie es Anne im Moment gehen könnte. „Erzähl mir bitte so gut es geht, was sich in den letzten zwei Stunden hier zugetragen hat.“

Anne und Leon kannten sich bereits aus dem Kindergarten. Anne unterhielt sich gern mit Leon über dessen Arbeit, davon konnte sie nur lernen. Hin und wieder zog man sich sogar gegenseitig zu Rate, weil Leon langjährige Erfahrung in seinem Beruf hatte und Leon wusste, dass Anne gern ihren kriminalistischen Spürsinn walten ließ. Sie löste ja schon im Kindergarten ihre ersten Fälle: Wer hat meine Zahnbürste versteckt? Wo ist mein Frühstück geblieben? Warum steht das Spiel nicht im Regal? Anne liebte es bereits als kleines Mädchen, sich dieser Fälle anzunehmen und in die Rolle der Detektivin zu schlüpfen.

Nun antwortete sie: „Ich war mit Luka im Garten, wie so oft in letzter Zeit mitten in der Nacht oder am frühen Morgen. Kennst ja Lukas Zustand. Luka fing plötzlich an zu bellen. Und das macht sie nur, wenn sie unser Grundstück und uns vor Eindringlingen beschützen möchte. Und noch bevor ich genauer hinsehen konnte, kamen diese beiden Typen durch die Terrassentür aus Brodmanns Haus gestürmt. Ich habe ihre Gesichter erkannt. Leider haben sie auch mich gesehen. Wir haben diese solarbetriebenen Strahler im Garten, die bei Bewegung angehen.“

„Und du hast nicht bemerkt, wie die beiden bei den Nachbarn eingebrochen sind? Oder Luka?“

„Nein, wenn wir beide schlafen, dann auch tief und fest. Sowenig Schlaf, wie wir gerade bekommen. Luka hustet nachts so viel. Die ist dann richtig kaputt, wenn sie wieder zur Ruhe kommt. Und holt dann ihren Schlaf nach. Genau wie ich.“

John mischte sich ein und stellte endlich seine Frage:

„Was könnt ihr zu dem Vorfall denn bisher sagen?“

Leon antwortete:

„Es gab eine Explosion im Wohnzimmer. Vermutlich hatte es jemand auf den Safe in der Wand abgesehen“ sagte Kriminalhauptkommissar Walter zu Anne und John und fuhr fort:

„Die Täter hatten wohl gehofft, von Herrn und Frau Brodmann mit etwas Druck die Zahlenkombination für den Safe zu erfahren. Und ich vermute mal, als Herr Brodmann sich weigerte, schlugen und traten sie erst auf seine Frau und dann ihn ein, bis sie ihn mit ins Wohnzimmer nahmen, damit er doch noch den Safe öffnete. Er schien sich aber weiterhin geweigert zu haben, denn sonst hätten sie es wohl nicht mit dem Aufsprengen versucht. Soweit die Theorie. Aber vermutlich werden wir es nie erfahren, aus welchem Grund es geschah und wer es war. Ihr wisst ja, Personalmangel. Einbruch, selbst mit schwerer Körperverletzung wird doch gegenwärtig überhaupt nicht weiterverfolgt.“

Anne wurde mulmig und gleichzeitig war sie neugierig. Sie hatte nach der Schule nicht die Laufbahn einer Detektivin eingeschlagen, sondern war einen der sozial erwarteten klassischen Wege mit Ausbildung und Angestelltsein gegangen. Lange Jahre tüddelte sie sich durch die Lebensphasen einschließlich ihrer Rolle als Ehefrau und Mutter, spürte aber die ganze Zeit, dass es das noch nicht gewesen sein konnte. Und als die Kinder schließlich aus dem Haus waren, erinnerte sie sich zum Glück an das, was ihr früher so viel Freude bereitet hatte, nämlich Rätsel zu lösen.

Anne hatte nach der Schule eine Banklehre gemacht. Langweiliger ging es gar nicht, und sie hatte sogar den Eindruck, dass Banken anderen sogar schadeten. Sie erinnerte sich an das Ding mit den Krediten. Die Bank hatte überhaupt kein Interesse daran, ihren Kunden mittels eines Kredits zu helfen, sondern rechnete von Anfang an mit ein, dass ein Kredit auf absehbare Zeit nicht mehr bedient werden konnte und die Bank dadurch an die damit finanzierten Werte gelangte, wenn es sich beispielsweise um Häuser und Grundstücke handelte. Bankangestellte mochten es anders darstellen, Anne nahm es so wahr. Sie war ein viel zu sozialer Mensch, als dass sie sich im Bankenumfeld ein Leben lang hätte verbiegen können.

Der Lebenslauf durfte damals noch keine Lücken aufweisen oder Sprünge enthalten. Daher entschied Anne sich nach der Ausbildung, in einem Immobilienbüro zu arbeiten. Das war immerhin auch kaufmännisch und in gewisser Weise nach außen erklärbar. Da sie nur rudimentäre Kenntnisse von Immobilienwirtschaft hatte, durfte sie lediglich die Büroorganisation übernehmen. Das Leben musste schließlich bezahlt werden, dachte sie sich und stimmte zu.

In dieser Zeit lernten sich Anne und John kennen. John war damals noch im Studium. Als John nach seinem Abschluss zwei Jahre bei seinem ersten Arbeitgeber beschäftigt war, folgte Anne ihm in die Stadt, in der er derzeit lebte. Dort arbeitete Anne in zwei verschiedenen Büros. Beides klappte nicht, vielleicht auch, weil Annes innerer Widerstand gegen stumpfe Büroarbeit immer mehr anwuchs und sie irgendwann nicht mehr dagegen ankam. Als Anne mit dem ersten Kind schwanger wurde, hatte sich das Thema Beruf zum Glück erstmal erledigt. Die Familienzeit erlebte Anne als sehr bereichernd. Sie liebte es sich um ihre Kinder, ihren Mann und den gemeinsamen Haushalt zu kümmern.