Die Rückkehr von K. - Jürgen Heimlich - E-Book

Die Rückkehr von K. E-Book

Jürgen Heimlich

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Beschreibung

Und schon wieder eine Kafka-Biographie? Aber nein, gemach, gemach! Die Grenzen einer Biographie werden gesprengt. Der Erzähler möchte eine Kafka-Biographie schreiben und gerät in Kontakt mit Figuren aus dem Kafka-Universum, die in die Jetzt-Zeit transformiert wurden. Die Erzählung bindet biographische Elemente aus dem Leben von Franz Kafka ein und korrespondiert zudem mit Lebenserinnerungen des Autors. Also wenn das (k)eine Biographie ist, was dann?

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Seitenzahl: 84

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„Was ich geleistet habe, ist nur ein Erfolg des Alleinseins.“

Franz Kafka

Inhaltsverzeichnis

Kapitel I

Kapitel II

Kapitel III

Kapitel IV

Kapitel V

Kapitel VI

Kapitel VII

Kapitel VIII

Kapitel IX

Kapitel X

Kapitel XI

Kapitel XII

Kapitel XIII

Kapitel XIV

Kapitel XV

Kapitel XVI

Kapitel XVII

Kapitel XVIII

Kapitel XIX

I

Endlich raffe ich mich dazu auf, mich dem Projekt zu widmen, das meine Beziehung zu meinem Lieblingsschriftsteller Franz Kafka in den Fokus stellt. Mein Leben ist seit Jahrzehnten sehr stark von den Schriften Franz Kafkas geprägt. Zudem habe ich viele Biographien über ihn gelesen, und mich selbst gefragt, ob ich auch eine schreiben könnte.

Da klopft es an der Tür. Wahrscheinlich wieder wer, der mir irgendetwas verkaufen will, denke ich mir. Also warte ich ab. Doch das Klopfen wird lauter. Vielleicht etwas Wichtiges? Ich gehe also zur Tür und öffne sie. Draußen steht ein Mann mit Hut, der mir bekannt vorkommt. Ich kenne ihn jedenfalls von Fotos aus Büchern. „Sie brauchen aber lange, bis Sie sich sehen lassen. Dabei können Sie froh sein, dass ich mir für Sie Zeit nehme.“ Ich versuche zu lächeln. Irgendwie ist mir der Mann vertraut, aber von wo? „Nun, bitten Sie mich doch herein, guter Mann. Ich habe etwas mit Ihnen zu besprechen.“ Völlig perplex mache ich eine Handbewegung und der Mann betritt meine Wohnung. „Die Schuhe können Sie anlassen“, sage ich.

Der Mann, den ich auf Mitte 50 schätze, folgt mir ins Wohnzimmer. Er setzt sich auf den einzigen Sessel im Raum und ich nehme auf der Couch Platz. Da fällt bei mir endlich der Groschen. „Das kann ja nicht sein. Sie sind doch nicht etwa...“ „Oh, ja, der bin ich!“, sagt der Mann und lüftet seinen Hut. „Gestatten, Max Brod, bester Freund von Franz Kafka.“ Diese Tatsache muss ich erst einmal verdauen. „Nun, Sie brauchen nicht nervös zu sein“, sagt Max Brod mit einem Lächeln im Gesicht. „Sie haben überlegt, Ihre Verbindung zu Franz Kafka literarisch festzuhalten. Sie wollen Begegnungen in den Raum stellen, wohl fiktive Dialoge mit Franz führen. Tja, ich hatte unzählige Begegnungen mit Franz. Und ich darf Ihnen verraten, dass er mir trotz dieser vielen Begegnungen immer ein großes Geheimnis geblieben ist. Wir waren uns als Freunde sehr nah und doch wirkte er auf mich oft wie ein Fremder. Er konnte von einem Moment zum anderen seine Stimmungslage wechseln und es kam nicht selten vor, dass er vereinbarte Treffen deswegen absagte. Franz wuchs mir ans Herz. Er vertraute mir kurz vor seinem Tod seine Manuskripte an. Ich sollte mich darum kümmern. So verstand ich ihn. Die Manuskripte zu verbrennen konnte nicht in seinem Sinne sein. Ich habe die fantastischen Werke von Franz Kafka der Nachwelt zugänglich gemacht. Nun, und somit will ich Sie nicht länger auf die Folter spannen. Es wäre gut, wenn Sie morgen gegen 14 Uhr an Ihrem Lieblingsplatz am Zentralfriedhof zugegen sind. Dort erwarte ich Sie und wir können in aller Ruhe in Ihrer besonders vertrauten Umgebung sprechen.“ Max Brod setzt seinen Hut wieder auf und ist im nächsten Moment verschwunden.

Ich bleibe eine Weile einfach sitzen. Ein Tagtraum? Wie sollte ich die Geschehnisse einordnen? Nein, der Besuch von Max Brod war keine Einbildung. In diesem Moment beschließe ich, mein Projekt nicht umzusetzen. Ich sollte die Gelegenheit ergreifen und tun, was Max Brod mir vorschlug, ehe er sich in Luft auflöste...

II

Als Kind hatte ich das Gefühl, die Erwachsenen würden mir Theater vorspielen. Diese Welt, in der sie agierten, erschien mir wie eine Kulisse. Ich fragte mich, ob das tatsächlich die Realität sei und was mich später erwartete? Meine Fantasie erschuf andere Welten, in denen Ritterturniere stattfanden, Cowboys und Indianer kriegerische Auseinandersetzungen hatten und Frieden schlossen, in denen ein Bäcker Fußballer werden wollte und überhaupt Wunder geschahen. Spiele erschlossen mir einen Zugang zu jenen Welten, die mir näher waren als das, was sich mir zeigte, wenn ich meinem Tagwerk nachging. Ich war in der Volksschule ein guter Schüler. Mit den Gedanken war ich während des Unterrichts aber meist woanders. Ich träumte vor mich hin und imaginierte mir stets neue Welten. Dieses Bewusstsein, dass ich nicht dazu gehöre, verstärkt sich wieder. Nicht jener Welt anzugehören, in der Menschen die Vorherrschaft übernommen haben, obzwar sie hierfür nicht geeignet sind. Der Mensch hat sich die Welt angeeignet und beutet sie gnadenlos aus. Und er versklavt sich oft selbst, beteiligt sich an jenem Spiel, das nur Gewinner und Verlierer kennt.

Hier ist meine Verbindungslinie zu Franz Kafka. Er muss sich sehr verloren in der Welt gefühlt haben. Sein Schreiben war sein Ausweg aus dieser Verlorenheit. Was er schrieb bildete eine Welt ab, die gnadenloser oder besser, unsinniger oder sinnerfüllter ist als jene Welt, in der wir Menschen uns als Kulissenschieber betätigen. Die Figuren taumeln in den Romanen und Erzählungen Kafkas durch eine Welt, an der sie ständig abprallen. Und so überrascht es mich nicht, dass Max Brod mir einen Besuch abgestattet hat. Egal, ob dieser Besuch eine Fantasie oder Realität ist: Er ist Teil dessen, was mich als Menschen kennzeichnet. Ich spiele immer noch gerne, um mich in anderen Welten zu bewegen. Das schönste Spiel aber ist die Literatur. Bücher lassen mich in Gegenden reisen, wo ich nie gedacht hätte, dass sie existieren. Seit ich des Lesens mächtig bin, kann ich auf diese Art des Reisens nicht verzichten. Es ist nicht notwendig, meine Flugangst zu überwinden oder Koffer zu packen. Ich kann mir die Destination aussuchen und doch weiß ich nie, was mich erwartet.

Sigmund Freud war der Ansicht, dass das Schreiben die Fortsetzung des kindlichen Spiels ist. Auch Franz Kafka liebte es zu spielen. Er dachte sich sogar kleine Theaterstücke aus, die er seinen drei Schwestern mit Begeisterung vorspielte. In Berlin, in schlechter gesundheitlicher Verfassung, schrieb er Briefe einer Puppe an ein Mädchen, der diese Puppe verloren gegangen war. Die Puppe wurde lebendig, und das Mädchen wird begeistert von den Briefen gewesen sein. Literatur eröffnet Erfahrungsräume, die der Kulisse Welt überlegen sind. Wer keine Fantasie hat, der scheitert an der Welt mit Karacho. Wäre die Welt nicht mehr, als wir zu sehen bekommen, dann könnten wir unsere Hände in die Hosentaschen stecken und uns dazu verurteilen, überhaupt nichts zu tun. Franz Kafka entdeckte die prächtigsten Orte und die schrecklichsten Gegenden und nimmt seine Leser mit auf die Reise.

Ich bleibe mir treu, indem ich über die Welt hinaus denke und den Besuch von Max Brod nicht als Unmöglichkeit qualifiziere. Ob ich dies als metaphysisches Phänomen oder als überbordende Fantasie einstufen soll, ist so und so über jene Kulissen zu stellen, die sehr viele Menschen Tag für Tag herumschieben und dabei selbst nicht von der Stelle kommen.

III

Ich bin pünktlich am vereinbarten Ort. Ein Mann sitzt auf der Bank, wo ich gerne sinniere. Neben ihm steht eine Dose Bier. Der Mann starrt vor sich hin. Er muss in meinem Alter sein, also um die 50. Ich mache einen Schritt auf ihn zu. Er schaut auf und lächelt. „Da sind Sie also, Herr Heimlich! Setzen Sie sich doch zu mir!“ Ich nicke. Wir sitzen einige Minuten stumm da. Ich betrachte das Grab. Der ehemalige Chefinspektor Kneiffer hat es sich zu Lebzeiten organisieren lassen. Gleich in der Nähe ist die Grabstätte von Linda Wunderlich, der Frau, die er so sehr geliebt hat, dass er ihre kriminelle Energie nicht erkennen wollte.

„Max hat mir gesagt, dass er heute keine Zeit hat. Und im Grunde bin ich Ihnen als Konversationspartner wohl lieber?“, sagt der Mann und trinkt einen Schluck Bier. Mit einem Mal wird die Figur lebendig. Ja, das ist Blumfeld, MEIN Blumfeld! Der Blumfeld aus dem Universum von Franz Kafka, den ich in die Jetzt-Zeit transformierte. Der sich das Leben nahm und den ich Jahre später wie Rip van Winkle wieder zum Leben erweckte. „Damit haben Sie mir ganz schön was aufgebürdet!“, sagt Blumfeld und rümpft dabei die Nase. „Warum haben Sie mich nicht einfach tot sein lassen? Ich konnte mit der Welt ja nichts mehr anfangen. Alles hatte sich verändert. Und es ist ja nicht so angenehm, sich als Fremder zu fühlen. Ich hätte auf diese Erfahrung verzichten können.“ Ich stehe auf und stelle mich vor das Grab von Eduard Kneiffer. Dann drehe ich mich um, sodass mir Blumfelds Blick ins Herz dringen kann. „Ich habe Sie nie vergessen, Herr Blumfeld! Sie sind mir noch näher als Kneiffer. Mit Kneiffer verbindet mich einiges und doch gibt es viel mehr Divergenzen. Sie aber sind so eine Art Bruder im Geiste. Ein herumirrender Geist sogar. Freilich habe ich die schrecklichen Erfahrungen nicht gemacht, mit denen ich Sie allein ließ. Die Untiefen Ihrer Seele repräsentieren allerdings jene Wunden, die mir das Leben zufügte oder zufügen hätte können. Also, ich freue mich, nun Ihre Bekanntschaft zu machen...“

Blumfeld steht nun auch auf. Er ist größer als ich. Trägt einen tadellosen Anzug mit Krawatte. Er ist ein schöner Mann. „Sie können mir glauben“, sagt er mit einem melancholischen Ton in der Stimme. „Sie können mir wirklich glauben, dass ich nichts dagegen hätte, wenn Sie mich endgültig aus Ihren Alpträumen verbannen. Sehen Sie, was aus mir geworden ist. Ich bin ein Säufer, ich lese schlechte Zeitungen, ich lebe in einer Einzimmerwohnung zusammen mit einer alten Katze. Und ich bin immer noch arbeitslos. Was habe ich noch zu erwarten? Sie haben mir das Leben gegeben, es mir genommen und wieder gegeben. Das ist kein Spaß. Für mich ist das eine Qual. Ich habe mich