1,99 €
»Ein isländischer Schriftsteller kann nicht leben, ohne beständig über die alten Bücher nachzudenken.« Halldór Laxness Der Stellenwert, den die Isländersagas im kulturellen Gedächtnis der Isländer einnehmen, ist enorm. Bis heute haben die fesselnden Geschichten rund um die Besiedelung der nordischen Insel nicht an Leuchtkraft verloren: Die Prosatexte aus dem 13. und 14. Jahrhundert sind eine Sternstunde der Geistesgeschichte Europas – und können hier in einer breiten Auswahl bewundert werden. Mit der vorliegenden Neuedition öffnet sich dem Leser ein Tor in eine Welt, die beseelt ist von wütenden Außenseitern, starken Frauen und Rechtskundigen, von Rache, Totschlag und Buße, aber auch von Schadenszauber und Wiedergängern und nicht zuletzt abenteuerlichen Reisen in ferne Länder. Die Isländersagas sind Weltliteratur. Die ›Isländersagas‹ - vorgelegt von den besten literarischen Übersetzern und angereichert mit wissenschaftlichen Zusatzinformationen - räumen einer der bedeutendsten Literaturen den Platz ein, der ihr gebührt. Mit einem Vorwort der Herausgeber Mit Faksimiles der mittelalterlichen Handschriften Mit Karten der Handlungsorte der Sagas Mit einem Glossar
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 207
Die Saga vom kriegerischen Björn aus dem Hítardal
Isländersagas
Herausgegeben von Klaus Böldl, Andreas Vollmer und Julia Zernack
Aus dem Altisländischen von Betty Wahl
Fischer e-books
Mit einer Einleitung von Thomas Esser
Mit einem Vorwort der Herausgeber
Mit einer Faksimile der mittelalterlichen Handschrift
Mit einer Karte der Handlungsorte der Saga
Mit einem Glossar
Die Isländersagas (Íslendingasögur) sind umfangreiche Prosaerzählungen in altisländischer Sprache, entstanden im 13. und 14. Jahrhundert. Sie gelten als der wichtigste Beitrag Islands zur Weltliteratur und sind in viele Sprachen übersetzt worden, mehrfach auch ins Deutsche. Die vorliegende Ausgabe präsentiert eine breite Auswahl dieser Sagas in neuen deutschen Übertragungen, ergänzt durch eine Reihe thematisch und stilistisch verwandter Erzählungen (þættir) aus derselben Epoche. In ihrer novellenhaften Kürze und Pointiertheit legen sie zusammen mit den Isländersagas in eindrucksvoller Weise Zeugnis ab von der im Mittelalter einzigartigen Erzählkunst Islands.
Viele Übersetzer haben zum Entstehen der neuen Ausgabe beigetragen. Wenn die Übertragungen dadurch einen je individuellen Ton bekommen haben, dann ist dies durchaus beabsichtigt. Denn die Originaltexte haben bei allen Gemeinsamkeiten doch immer eine deutlich eigene Prägung, die auch in der Übersetzung noch durchscheint. Damit die Sagas als literarische Kunstwerke für sich wirken können, sollten sie von allen erläuternden Zusätzen möglichst frei bleiben. Für das Verständnis unverzichtbare Anmerkungen der Übersetzer sowie Karten zur geographischen Orientierung finden sich in einem Anhang. Den größeren kultur- und literaturgeschichtlichen Zusammenhang erschließt der Begleitband.
April 2011
Die Herausgeber
Bjarnar saga Hítdœlakappa
Aus dem Altisländischen von Betty Wahl und mit einer Einleitung von Thomas Esser
Die erste Seite der Saga vom kriegerischen Björn aus dem Hítardal in einer Handschrift aus dem Jahr 1737. In der Überschrift ist der Name des Protagonisten hervorgehoben. Darunter beginnt der Text mit einer großen A-Initiale.
Die Saga vom kriegerischen Björn aus dem Hítardal zählt wie die Saga von Gunnlaug Schlangenzunge, die diese Ausgabe eröffnet, zu den Skaldensagas. Unter ihnen stehen sich diese beiden Sagas inhaltlich besonders nahe. Wie in der Saga von Gunnlaug Schlangenzunge ist das Hauptmotiv die unerfüllte Liebe des Titelhelden zu einer Frau, die schließlich einem anderen Mann verheiratet wird. Aus dieser Konstellation erwachsen sämtliche Konflikte.
Wegen der inhaltlichen Ähnlichkeit wurde lange vermutet, dass die Saga von Gunnlaug Schlangenzunge dem Verfasser der weniger straff komponierten und dramaturgisch schwächeren Saga vom kriegerischen Björn aus dem Hítardal als Vorbild gedient haben könnte, was sich allerdings als falsch erwiesen hat. Vielmehr ist die Saga vom kriegerischen Björn aus dem Hítardal wohl eine der frühesten Isländersagas; ihre Entstehung wird heute ungefähr auf das Jahr 1220 datiert. Hingegen ist die Saga von Gunnlaug Schlangenzunge erst gegen Ende des 13. Jahrhunderts (ca. 1270 – 1280) entstanden; darauf deuten ihre straffe Komposition und der ausgefeilte Erzählstil hin. Damit wäre sie mindestens ein halbes Jahrhundert jünger als die Saga vom kriegerischen Björn aus dem Hítardal.
Diese schildert eine Dreiecksgeschichte. Als jungen Mann zieht es Björn in die Welt hinaus. Vor seiner Abreise verlobt er sich mit Oddný, die drei Jahre auf ihn warten soll. Im Ausland trifft er den isländischen Skalden Þórð wieder, dessen Hohn und Spott Björn schon in seiner Jugend ausgeliefert war. Die beiden legen ihre alten Zwistigkeiten zunächst bei, und Björn bittet Þórð darum, bei Oddný die Verlobung aufrechtzuerhalten, auch wenn er ihm nicht ganz traut. Þórð aber heiratet Oddný. Als Björn Jahre später nach Island zurückkehrt, tragen die beiden Skalden ihren alten Konflikt aus, indem sie sich nicht nur mit Waffen, sondern häufig auch mit Spottstrophen duellieren.
Für wie wirkungsmächtig man solche Schmähstrophen gehalten haben muss, geht indirekt aus einem interessanten Detail der Saga hervor: Björn erwirkt auf dem Allthing, dass derjenige rechtlos sein solle und straflos getötet werden dürfe, der über den anderen eine solche Strophe so vorträgt, dass dieser sie hören kann.
Jetzt ist etwas von jenen Isländern zu erzählen, die in den Tagen von König Ólaf Haraldsson lebten und zu seinen engsten Freunden gehörten. Zuerst ist da ein ausgezeichneter Mann zu nennen, der hieß Þorkell Eyjólfsson und war mit Guðrún, einer Tochter von Ósvíf, verheiratet. Zu jener Zeit war Þorkell häufig im Ausland unterwegs und war, wenn er sich dort am Hof König Ólafs aufhielt, stets hoch angesehen.
Zur selben Zeit lebte auf Hítarnes in Island Þórð Kolbeinsson, der war ein großer Skalde und stets bemüht, sich überall hervorzutun; er war sehr klug und gebildet und deshalb auch bei mächtigen Männern im Ausland hoch geachtet. Þórð gehörte zu den Gefolgsleuten von Jarl Eirík Hákonarson, der ihn sehr schätzte. Sonst war Þórð bei den Leuten weniger beliebt, denn er galt als schnippisch und unfreundlich gegenüber allen, denen er sich überlegen fühlte.
Bei Skúli Þorsteinsson auf Borg wuchs ein Mann auf, der Björn hieß, er war ein Sohn des Arngeir und der Þórdís, einer Tochter von Þorfinn Strangi, und von Sæunn, einer Tochter Skalla-Gríms. Björn war schon in jungen Jahren groß und kräftig gebaut, er war von männlicher Statur und überhaupt recht ansehnlich. Auch Björn war, wie viele andere, bereits zum Opfer von Þórðs Spott und seinen Belästigungen geworden, deshalb hielt er sich in seiner Jugend zumeist bei seinem Verwandten Skúli auf, denn dort fühlte er sich vor den Übergriffen des Þórð Kolbeinsson sicherer als zu Hause bei seinem Vater. Die kleineren Reibereien aber, die zwischen Björn und Þórð vorgefallen waren, bevor jener zu Skúli kam, will ich hier nicht erwähnen, denn sie gehören nicht in diese Saga.
Skúli war gut zu Björn und schätzte ihn sehr, denn er war ein kluger Mann und ahnte bereits, welches Ansehen er der Familie einmal verschaffen würde; und auch Björn war mit seinem Leben dort bei Skúli zufrieden.
Zur selben Zeit lebte auf Hjörsey vor der Küste von Mýrar ein Mann namens Þorkell, er war ein Sohn von Dufgus dem Mächtigen aus dem Dufgusdal. Þorkell war ein wohlhabender Mann und ein tüchtiger Bauer. Er hatte eine Tochter namens Oddný, eine schöne und tatkräftige Frau; sie wurde Oddný Eykyndill, ›Insellicht‹, genannt. Björn ging sie häufig besuchen, und dann saß er immer lange mit Oddný Þorkelsdóttir zusammen und unterhielt sich mit ihr, und die beiden gefielen einander sehr. Viele waren damals der Meinung, dass es eine Verheiratung gleichrangiger Familien sein würde, wenn Björn sie zur Frau bekäme, denn er gehörte zu den angesehensten Männern und war sehr gebildet.
Als Björn bereits seit fünf Jahren bei seinem Verwandten Skúli lebte, erfuhr er, dass ein Schiff in die Mündung der Gufuá eingelaufen war; dieses Schiff gehörte Norwegern. Der Bauer Skúli ritt sogleich zum Fluss hinunter und lud die Kaufleute zu sich ein, denn er hatte die Gewohnheit, fremde Seefahrer bei sich aufzunehmen und mit ihnen freundschaftlich zu verkehren. Auch diesmal nahm er, sobald das Schiff fest vor Anker lag, drei von ihnen mit nach Hause und quartierte sie bei sich ein. Björn ging freundlich mit den Kaufleuten um, er bediente sie und leistete ihnen Gesellschaft, und sie mochten ihn sehr. Da sprach Björn mit seinem Verwandten Skúli und bat ihn, er möge ihn doch mit diesen Kaufleuten ins Ausland reisen lassen. Skúli nahm den Plan wohlwollend auf und sagte, der Wahrheit entsprechend, das hätten schon weniger reife und erfahrene Männer als er bewerkstelligt; und er versprach, er wolle zu dieser Reise beisteuern, was immer Björn glaube zu benötigen. Björn bedankte sich für die großzügige Unterstützung, für diese wie die bereits erhaltene.
Nun sollte Björn also bei diesen Kaufleuten an Bord gehen; Skúli und dessen Vater statteten ihn großzügig mit Reisegeld aus, so dass er gut genug dastand, um mit wohlhabenden Männern auf Fahrt zu gehen. Mehr ist von diesem Aufenthalt der Kaufleute nicht zu berichten; als es Frühjahr wurde, machten sie ihr Schiff startklar und warteten auf günstigen Fahrtwind.
Nun reitet Björn noch einmal nach Borg zu Skúli, und als er dort eintrifft, sagt Björn zu ihm, er habe keinen größeren Wunsch, als Oddný Þorkelsdóttir noch vor seiner Abreise zur Frau zu bekommen. Skúli fragt, ob er schon mit ihr selbst geredet habe. Björn sagt, gewiss habe er das. »Dann lass uns aufbrechen«, sagt Skúli, und sie machen sich auf nach Hjörsey und treffen Þorkell und seine Tochter Oddný; dort trägt Björn sein Anliegen vor und wirbt um Oddný.
Þorkell nahm dies wohlwollend auf und überließ die Entscheidung ganz seiner Tochter; und da sie Björn seit langem kannte und die beiden sich schon damals innig zugetan waren, willigte sie ein. Da wurde die Verlobung sogleich vollzogen. Oddný sollte drei Winter an ihn gebunden sein, und wenn Björn im vierten Winter wieder im Lande wäre, aber nicht erschiene, um seine Verlobte zu heiraten, sollte sie dennoch auf ihn warten. Wäre er aber nach Ablauf von drei Wintern noch immer nicht aus Norwegen zurück, dann dürfte Þorkell, wenn er das wollte, sie einem anderen verheiraten. Björn hingegen sollte auch andere Männer schicken können, um die Verlobung aufrechtzuerhalten, falls er nicht selbst erscheinen könnte.
Skúli gab Björn so viel Geld, dass es nicht weniger war als alles, was Þorkell besaß, samt der Mitgift seiner Tochter Oddný. Damit trennten sie sich, und Skúli begleitete Björn zum Schiff und sprach zu ihm: »Wenn du nach Norwegen kommst, Björn, und meinen Freund, den Jarl Eirík, triffst, dann übermittle ihm meinen aufrichtigen Gruß und diese Nachricht, damit er dich gut aufnimmt – was er dann gewiss tun wird. Zum Zeichen meiner Freundschaft überbringe ihm dieses Gold, dann wird ihm mein Anliegen nicht verborgen bleiben.« Björn dankt Skúli für die gute Obhut, die er in all den Jahren dort genossen hatte, und damit trennten sie sich.
Dies geschah in den letzten Tagen des Jarls Eirík. Im Frühsommer segelten sie los, ihre Überfahrt ging mühelos vonstatten, und als sie nach Norwegen kamen, trat Björn sogleich vor den Jarl und überbrachte ihm Skúlis Grüße und dessen Zeichen der Freundschaft. Der Jarl nahm alles freundlich entgegen und sagte, er werde diese Bitte gerne erfüllen: »und du, Björn, sollst mein Gast sein!« Björn erwiderte, das wolle er gern; dann schloss er sich dem Gefolge des Jarls an und wurde dort am Hof gut behandelt.
Im Frühsommer desselben Jahres lief ein norwegisches Schiff in den Straumfjord ein. Þórð Kolbeinsson ritt zur Anlegestelle, und als er erfuhr, dass die Kaufleute vorhatten, noch vor dem Winter wieder zurückzusegeln, kaufte er einen Anteil an dem Schiff und gab bekannt, er habe vor, ins Ausland zu reisen. Þórð hatte einen Verwandten mit Namen Hrói der Reiche, der lebte in Dänemark und besaß dort in Roskilde ein Anwesen; von ihm sollte Þórð einmal alles erben. Nun bereitete er sich auf die Überfahrt vor, doch die Abreise verzögerte sich.
Am Hof des Jarls wurde indessen bekannt, dass Þórð aus Island nach Norwegen gekommen sei, und zwar auf jenem Schiff, das innerhalb eines Sommers hin- und wieder zurückgesegelt war und dessen Schiffsführer er sei; außerdem wolle er dem Jarl ein Gedicht darbringen. Der Jarl fragte Björn, ob dieser Þórð ihm bekannt sei. Björn antwortete, er kenne ihn sogar sehr gut und nannte ihn einen tüchtigen Skalden, »und dieses Gedicht, das er vortragen will, wird vorzüglich sein!« Der Jarl fragte: »Rätst du mir also, Björn, das Gedicht anzuhören?« »Gewiss solltest du das«, antwortet er, »denn es wird euch beiden nichts anderes als Ehre antun.«
Kurz darauf traf Þórð beim Jarl ein und begrüßte ihn voller Ehrerbietung. Der Jarl nahm ihn freundlich auf und wollte wissen, wer er sei. Er erwiderte, er heiße Þórð und sei Isländer, »und ich möchte, dass Ihr das Gedicht anhört, das ich für Euch gemacht habe«. Der Jarl sprach, das wolle er gern. Da trug Þórð sein Gedicht vor, es war eine Drápa und ein äußerst kunstvolles Lied. Der Jarl war voll des Lobes und lud ihn ein, den Winter bei ihm zu verbringen. Þórð nahm dies an und wurde dort gut bewirtet; und so verbrachten sie beide, er und Björn, diesen Winter am Hof des Jarls.
Unter den Gefolgsleuten am Hof waren aber Männer, die dem Jarl zutrugen, dass Björn und Þórð keine Freunde wären. Und einmal, so wird erzählt, da ließ der Jarl Þórð zu sich kommen und fragte ihn, ob er Björn kenne und ob er wisse, warum Skúli ihm diesen Mann geschickt habe. Þórð jedoch antwortet, Björn sei ein äußerst fähiger Mann, »ich jedenfalls weiß nur Gutes über ihn; und Skúli wird ihn Euch deshalb geschickt haben, weil er keinen anderen Verwandten hatte, der ihm ebenbürtig gewesen wäre.« »Dann wird es wohl so sein«, sprach der Jarl. Þórð fragte ihn: »Habt Ihr Euch einmal erkundigt, wie alt Björn überhaupt ist?« »Nein«, erwidert der Jarl. Da sagt Þórð: »Er zählt jetzt achtzehn Winter; hier bei Euch gibt es viele unerschrockene Burschen, und Björn wird sich wohl den tüchtigsten unter ihnen anschließen.« Den Jarl freute das zu hören, und Þórð erwähnte mit keinem Wort, dass zwischen ihm und Björn nicht immer nur Eintracht geherrscht hatte.
Im folgenden Winter kam Þórð eines Tages zu Björn und bat ihn, mit ihm zu trinken, »denn wir sind hier zusammen an einem Ort, wo man von uns erwartet, dass wir uns gut verstehen, und die Reibereien, die damals zwischen uns herrschten, sind nicht der Rede wert; lass uns die Sache also einfach vergessen.« Björn war einverstanden, und so verging die Zeit bis zum Julfest. Am achten Jultag teilte der Jarl unter seinen Leuten Geschenke aus, wie es im Ausland unter vornehmen Männern Brauch ist. Björn schenkte er einen goldenen Ring, der eine halbe Mark wert war, als Anerkennung für seine Tüchtigkeit und die seines Verwandten Skúli, und Þórð schenkte er ein Schwert, ein wertvolles Stück, als Lohn für sein Gedicht.
Und an einem anderen Abend in diesem Winter geschah es, dass Þórð und Björn sich wieder unterhielten – beide waren betrunken, ganz besonders Björn: »Was wirst du unternehmen, wenn es Frühling wird? Oder willst du zurück nach Island?« »Nein, ich will im Sommer nicht nach Island«, sagt Björn, »ich werde Jarl Eirík um Reiseerlaubnis bitten, denn ich will auf Wikingerfahrt ziehen und mir, so gut ich kann, Reichtum und Ehre verdienen.« Þórð antwortet: »Es scheint mir wenig ratsam, dass du dich auf ein solches Wagnis einlässt, wo du doch vorher schon Ruhm und Ansehen erworben hast. Komm lieber im Sommer mit mir nach Island, um deine großzügigen Verwandten zu besuchen und dein Heiratsversprechen einzulösen.« Björn spricht: »Ich werde im Sommer nicht nach Island fahren.« Darauf erwidert Þórð: »Das halte ich für ziemlich unbedacht, mit so viel Geld ins Ausland zu reisen, ohne zu wissen, ob du jemals zurückkehren wirst oder nicht.« »Wer wagt, gewinnt«, entgegnet Björn, »ich werde auf Wikingerfahrt gehen.« Da spricht Þórð: »Dann aber sende deiner Verlobten Oddný den Ring, das Jarlsgeschenk, und vertraue ihn mir als Überbringer an, denn wenn du ihr ein solches Kleinod schickst, wird sie wissen, dass du sie noch immer liebst und es ernst mit ihr meinst; und sie wird dich ihrerseits umso mehr lieben und dir nicht untreu werden. Und wenn du dann hoffentlich nach Island heimkehrst, dann holst du dir den Ring und die Frau und die ganze Mitgift, die man dir mit der Heirat versprochen hat. Denn glaube mir«, fügt Þórð hinzu, »eine Partie wie Oddný findest du in ganz Island kein zweites Mal.« Björn sprach: »Recht hast du, Þórð, Oddný ist eine großartige Frau und mir in jeder Hinsicht ebenbürtig, und wärest du schon damals auf Island zu mir so gewesen, würde ich jetzt alles tun, was du sagst. So aber fällt es mir schwer, dir zu glauben, denn wenn ich dir den Ring anvertraute, könnte man mir nachsagen, ich ginge leichtfertig mit dem Jarlsgeschenk um.« Da gab Þórð ihm den Rat, seine Verlobte zu besuchen. Björn erwidert, er habe bereits andere Männer beauftragt, sich darum zu kümmern, »und du, Þórð, sollst über meine Heerfahrten die Wahrheit erzählen, wenn du nach Island kommst, denn ich halte mich für wenig kampferprobt und bin noch nicht weit genug herumgekommen, um die Art tüchtiger Männer kennenzulernen. Führe ich aber gleich nach Island, könnte ich mich von meiner Braut sicher so bald nicht wieder trennen.« Þórð versprach ihm das, »ebendeshalb bat ich dich ja um diese Kostbarkeit, um meine Geschichte zu belegen; du hast keinen Grund, mir zu misstrauen, Björn, denn ich werde dich nicht enttäuschen«. »Dann will ich es also wagen«, lenkt Björn ein, »für diesmal. Doch wenn du mich hintergehst, werde ich dir mein Leben lang nie mehr vertrauen.« Darauf übergibt er Þórð das Jarlsgeschenk und bittet ihn, Oddný den Ring zu überbringen. Þórð versprach es, und dann beteuerte er noch einmal mit schönen Worten, er werde Björn immer treu sein und seinen Auftrag gewiss gut ausführen; und damit beendeten sie vorerst ihre Unterredung. Und als Björn wieder nüchtern war, fand er, er habe Þórð allzu viel erzählt und sei allzu vertrauensselig gewesen.
Nun geht der Winter seinem Ende zu, und Þórð bereitet sein Schiff zum Auslaufen vor; da treffen er und Björn noch einmal aufeinander. »Vergiss nicht, Þórð«, sagt Björn, »was wir besprochen haben, und führe meinen Auftrag gut aus.« Þórð versprach ihm das, und sie trennten sich in gutem Einvernehmen. Über dieses Gespräch zwischen den beiden wusste niemand etwas Näheres. Man erzählte sich, Þórð sei fünfzehn Jahre älter gewesen als Björn. Seine Drápa, die er Jarl Eirík verehrt hatte, heißt »Belgskakadrápa«.
Im Frühsommer stach Þórð in See, und zu Beginn des Allthings lief sein Schiff in die Mündung der Gufuá ein. Er ritt sogleich zum Thing und wurde dort freudig empfangen, denn er konnte unterhaltsam erzählen; Björns Auftrag erfüllte er für diesmal gut, er sagte, er sei gekommen, um die Verlobung mit Oddný zu bekräftigen, und überreichte ihr den Ring, doch er behauptete, Björn habe ihm das Recht auf Heirat übertragen, falls er selbst in der Fremde umkäme oder nicht rechtzeitig nach Island zurückkehrte.
In jenem Sommer, in dem Þórð nach Island segelte, trat Björn also vor den Jarl und bat ihn um Erlaubnis, im Osten auf Heerfahrt zu gehen. Der Jarl sagte, er sei frei zu reisen, wohin immer er wolle. Da fuhr Björn mit einem Handelsschiff ostwärts nach Russland zu König Valdimar und verbrachte den Winter in der Gastfreundschaft des Königs; dabei verstand er sich gut mit den vornehmen Männern dort am Hof, denn sein Auftreten und seine Sinnesart gefiel allen sehr.
Nun wird erzählt, dass zu der Zeit, als Björn bei König Valdimar in Russland war, ein unüberwindliches Heer ins Land einfiel; der Anführer hieß Kaldimar, ein naher Verwandter des Königs; er war groß und stark, ein mächtiger Heerführer und kampferprobter Draufgänger. Wie es heißt, hatten sie beide den gleichen Herrschaftsanspruch, König Valdimar und der Krieger. Dieser aber hatte die Herrschaft nicht bekommen, weil er der Jüngere war, also war er auf Heerfahrt gezogen, um sich Kampfesruhm zu verdienen. Und zu jener Zeit gab es dort im Osten keinen zweiten Wikinger, der so berühmt gewesen wäre wie er. Als König Valdimar davon erfuhr, schickte er Männer mit Versöhnungsangeboten zu seinem Verwandten, bat ihn um friedliche Einigung und bot ihm die Hälfte seines Reiches an; doch der Krieger wollte das Reich alleine besitzen und forderte ihn, falls der König nicht einwillige, zum Holmgang, es sei denn, sie würden beide mit ihrem gesamten Heer gegeneinander antreten. König Valdimar aber wollte weder das eine noch das andere, sein Heer wollte er ungern verlieren, und im Holmgang hielt er sich für nicht ausreichend erfahren. So fragte er seine Gefolgsleute um Rat, und diese rieten ihm, ein Heer aufzustellen und zu kämpfen. Und innerhalb kurzer Zeit kam eine große Zahl an Männern dort zusammen, und König Valdimar trat dem Krieger erneut entgegen. Nun bot der König an, ihm einen einzelnen Mann zum Zweikampf entgegenzustellen, und das nahm der Krieger an, doch unter der Bedingung, dass er das ganze Reich bekäme, wenn er diesen Mann tötete; würde er aber selbst getötet, sollte der König sein Reich behalten dürfen, und alles wäre wie vorher. Da ging der König seine Männer durch, wer von ihnen für ihn zum Holmgang antreten wolle, doch die Männer waren sehr zurückhaltend, denn jeder von ihnen sah sich dem sicheren Tod gegenüber, wenn er es mit diesem Krieger aufzunehmen hätte; der König versprach ihnen seine besondere Freundschaft und weitere Begünstigungen, wenn einer sich dazu bereit erklärte, dennoch trat keiner von ihnen vor. Da sprach Björn: »Ich sehe, dass alle hier auf höchst unrühmliche Art ihren Herrn im Stich lassen, wenn er in Not ist; ich hingegen bin von zu Hause ausgezogen, um Ruhm und Ehre zu erlangen. Und dazu gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder, tapfer den Sieg zu erringen, auch wenn das bei einem Gegner wie diesem unwahrscheinlich erscheint, oder aber mannhaft und ehrenvoll zu fallen, denn das ist immer noch besser, als in Schande zu leben und nicht den Mut aufzubringen, seinem König Ehre anzutun. Ich erkläre mich bereit, gegen Kaldimar zu kämpfen.« Der König dankte Björn; und dann wurden die Gesetze für den Holmgang vorgetragen. Der Krieger besaß ein Schwert, das Mæring hieß, eine ausgezeichnete Waffe. Sie kämpften beide hart und unerbittlich, und schließlich endete es damit, dass der Krieger unterlag und von Björn getötet wurde. Doch auch Björn war schwer verwundet und entging dem Tod nur knapp. Dies trug ihm beim König große Anerkennung ein. Dann wurde ein Zelt über Björn gespannt, denn man glaubte ihn in diesem Zustand nicht fortschaffen zu können, und der König begab sich zurück in sein Reich. Björn und seine Leute blieben im Zelt, und als seine Wunden zu heilen begannen, sprach er eine Strophe:
Hier wollte nun die schöngestaltige
Göttin der Arme, Insellicht,
– aufs Dichten versteh’n wir uns! –
als meine Gespielin einschlafen;
wenn die Leinenstütze mich,
den Gebieter der Speere,
in ihrer Nähe wüsste, mit noch
dreien im Zelt, würde ich berühmt.
Göttin der Arme = Frau = Oddný; Leinenstütze = Frau = Oddný; Gebieter der Speere = Krieger = Björn
Später brachte man Björn in großen Ehren an den Königshof zurück. Der König schenkte ihm alles an Kriegsgerät, was dem Krieger gehört hatte, darunter auch das Schwert Mæring. Und von da an wurde Björn selbst stets als Krieger bezeichnet und hieß nach seinem Landstrich der »Hítardal-Krieger«.
Den Sommer über kurierte Björn seine Wunden, den folgenden Winter verbrachte er in Russland – nun war er schon drei Winter lang im Ausland –, und danach machte er sich nach Norwegen auf. Doch als er dort ankam, waren die Schiffe, die nach Island wollten, schon alle abgereist. Da war es bereits Spätsommer.
Im Sommer zuvor hatte Þórð von Kaufleuten an der Hvítá erfahren, dass Björn verwundet worden war, da bot er ihnen Geld an, damit sie ihn für tot erklärten, und darauf gingen sie ein. Sodann erzählte er öffentlich vom Tod Björns und behauptete, er wisse das von denselben Männern, die Björn in der Erde verscharrt hätten. Das konnte keiner widerlegen, und eine Lüge traute man Þórð nicht zu. Darauf begab sich Þórð nach Hjörsey und hielt um Oddnýs Hand an. Doch ihre Verwandten wollten sie nicht mit ihm verheiraten, bevor die Frist verstrichen wäre, die sie mit Björn vereinbart hatten, hätte man aber bis zum nächsten Sommer, wenn die Schiffe wiederkämen, noch immer nichts von Björn gehört, könne man die Sache noch einmal bereden.
Nun liefen Schiffe aus Norwegen ein, doch niemand der Ankommenden hatte etwas von Björn gehört, denn er war dort erst eingetroffen, als diese Schiffe bereits abgereist waren. Þórð indessen beharrt auf seiner Werbung, und schließlich wird Oddný mit ihm vermählt. Doch als Björn und seine Leute zur Abfahrt bereit waren, entdeckten sie draußen auf See ein Schiff, das segelte auf sie zu. Björn nahm ein Boot, ruderte hinaus und fragte die Besatzung nach Neuigkeiten, denn das Schiff kam aus Island. Da erzählten die Leute von Oddnýs Jawort, und als Björn das hörte, wollte er nicht nach Island zurück.
Im kommenden Winter begab sich Björn zu Jarl Eirík und blieb dort an dessen Hof, und während ihr Schiff vor Hamarseyr lag, dichtete Björn eine Strophe:
Die Göttin des Handgoldes
hat der Bursche beglückt;
hart auf das Lager schlagen
Insellichts straffe Schenkel;
während wir biegsame Ruder
– nicht ohne Grund – aufrichten wollen
an der Schiffsseite; ich muss
den Stützenski vom Stapel lassen.
Göttin des Handgoldes = Frau = Oddný; Stützenski = Schiff
Björn genoss beim Jarl noch immer unvermindert gutes Ansehen.
Im Sommer darauf segelte Björn westwärts nach England, dort wurde er gebührend aufgenommen und verbrachte zwei Winter bei König Knút dem Großen. Nachdem Björn sich dem König angeschlossen hatte, der mit seinem Gefolge südwärts über die Meere zog, da trug es sich zu, dass ein Flugdrache über das Heer des Königs flog, hinabstieß und einen der Männer packen wollte; da hielt Björn, der sich in der Nähe befand, seinen Schild über den Mann, doch der Drache schlug mit den Klauen fast den Schild entzwei. Da packte Björn den Drachen mit der einen Hand am Schwanz, und mit der anderen hieb er ihm hinter die Flügel, so dass der Drache in zwei Teile gespalten wurde und tot zu Boden fiel. Der König belohnte ihn großzügig und schenkte ihm ein gutes Langschiff, auf dem segelte Björn nach Dänemark.
Dort tat er sich mit Auðunn Bakskiki zusammen, einem Mann aus Vík