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»Ein isländischer Schriftsteller kann nicht leben, ohne beständig über die alten Bücher nachzudenken.« Halldór Laxness Der Stellenwert, den die Isländersagas im kulturellen Gedächtnis der Isländer einnehmen, ist enorm. Bis heute haben die fesselnden Geschichten rund um die Besiedelung der nordischen Insel nicht an Leuchtkraft verloren: Die Prosatexte aus dem 13. und 14. Jahrhundert sind eine Sternstunde der Geistesgeschichte Europas – und können hier in einer breiten Auswahl bewundert werden. Mit der vorliegenden Neuedition öffnet sich dem Leser ein Tor in eine Welt, die beseelt ist von wütenden Außenseitern, starken Frauen und Rechtskundigen, von Rache, Totschlag und Buße, aber auch von Schadenszauber und Wiedergängern und nicht zuletzt abenteuerlichen Reisen in ferne Länder. Die Isländersagas sind Weltliteratur. Die ›Isländersagas‹ - vorgelegt von den besten literarischen Übersetzern und angereichert mit wissenschaftlichen Zusatzinformationen - räumen einer der bedeutendsten Literaturen den Platz ein, der ihr gebührt. Mit einem Vorwort der Herausgeber Mit Faksimiles der mittelalterlichen Handschriften Mit Karten der Handlungsorte der Sagas Mit einem Glossar
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Seitenzahl: 336
Die Saga von den Leuten auf Eyr
Isländersagas
Herausgegeben von Klaus Böldl, Andreas Vollmer und Julia Zernack
Aus dem Altisländischen von Klaus Böldl
Fischer e-books
Mit einer Einleitung von Klaus Böldl
Mit einem Vorwort der Herausgeber
Mit einer Faksimile der mittelalterlichen Handschrift
Mit einer Karte der Handlungsorte der Saga
Mit einem Glossar
Die Isländersagas (Íslendingasögur) sind umfangreiche Prosaerzählungen in altisländischer Sprache, entstanden im 13. und 14. Jahrhundert. Sie gelten als der wichtigste Beitrag Islands zur Weltliteratur und sind in viele Sprachen übersetzt worden, mehrfach auch ins Deutsche. Die vorliegende Ausgabe präsentiert eine breite Auswahl dieser Sagas in neuen deutschen Übertragungen, ergänzt durch eine Reihe thematisch und stilistisch verwandter Erzählungen (þættir) aus derselben Epoche. In ihrer novellenhaften Kürze und Pointiertheit legen sie zusammen mit den Isländersagas in eindrucksvoller Weise Zeugnis ab von der im Mittelalter einzigartigen Erzählkunst Islands.
Viele Übersetzer haben zum Entstehen der neuen Ausgabe beigetragen. Wenn die Übertragungen dadurch einen je individuellen Ton bekommen haben, dann ist dies durchaus beabsichtigt. Denn die Originaltexte haben bei allen Gemeinsamkeiten doch immer eine deutlich eigene Prägung, die auch in der Übersetzung noch durchscheint. Damit die Sagas als literarische Kunstwerke für sich wirken können, sollten sie von allen erläuternden Zusätzen möglichst frei bleiben. Für das Verständnis unverzichtbare Anmerkungen der Übersetzer sowie Karten zur geographischen Orientierung finden sich in einem Anhang. Den größeren kultur- und literaturgeschichtlichen Zusammenhang erschließt der Begleitband.
April 2011
Die Herausgeber
Eyrbyggja saga
Aus dem Altisländischen und mit einer Einleitung von Klaus Böldl
Die Saga von den Leuten auf Eyr beginnt in diesem Manuskript aus der Zeit von 1819 bis 1829 mit einer prächtigen K-Initiale in schwarzer Tinte, die über fünf Zeilen reicht und an einigen Stellen rot nachgezogen ist. Der Schreiber war Einar Bjarnason, der von 1782 bis 1856 im Norden Islands lebte. Auf Blatt 1 v hat er vermerkt: »Das Buch gehört demjenigen, der es am 16. März 1820 in Starrastaðir geschrieben hat. Der Besitzer Einar.«
Die Saga von den Leuten auf Eyr, die im zweiten Drittel des 13. Jahrhunderts entstanden ist, stellt eine Art Regionalchronik der Halbinsel Snæfellsnes in Westisland dar und umspannt einen Zeitraum von etwa 150 Jahren: Sie beginnt mit den Umständen, die zur Landnahme des auch in anderen Sagas erwähnten Norwegers Þórólf Mostrarskegg führen, und endet mit dem Tod der zentralen Gestalt der Saga, des Goden Snorri, im Jahr 1031. (Nicht eingerechnet ist hier ein kurzer Epilog, der von der Exhumierung und Umbettung Snorris und einiger seiner Zeitgenossen berichtet.) Die Haupthandlung spielt in den Jahren vor und nach der Bekehrung Islands 999 oder 1000 und reflektiert die Rivalitäten zwischen den herrschenden Familien des Bezirks. In der handschriftlichen Überlieferung erscheint die Saga unter verschiedenen Namen, die meist auf eine der in das Geschehen involvierten Familien zurückgehen; die meisten Handschriften beschließen die Geschichte mit dem Satz: »Und damit schließt die Saga von den Þórsnesleuten, den Leuten auf Eyr und den Leuten aus dem Álftafjord« – eine Formulierung, die als Titel den drei teils konkurrierenden, teils kollaborierenden Hauptgruppierungen der Saga gerecht würde, die sich aber aufgrund ihrer Länge nicht hat durchsetzen können. Der heute geläufige Titel Eyrbyggja saga bezeichnet also nur eine der handelnden Familien, und zwar inkonsequenterweise gerade nicht diejenige, der die zentrale Gestalt, der Gode Snorri, angehört.
Da es dem Autor offenbar in erster Linie um eine chronologische Präsentation der Ereignisse auf Snæfellsnes zu tun war, wirkt die Erzählung insgesamt episodenhaft, stellenweise sogar inkohärent. Diese scheinbare Abwesenheit eines »belletristischen« Erzählkonzepts in Verbindung mit dem vielfach nüchtern referierenden Duktus (die Eyrbyggja saga zählt zu den Sagas mit den geringsten Dialoganteilen) hat die ältere Forschung dazu verführt, diese Saga für historisch zuverlässiger als andere zu halten – obwohl es gleichzeitig keine andere Saga gibt, in der das Übernatürliche, insbesondere der Wiedergängerglauben, ähnlich breiten Raum einnehmen würde. Diese Episoden sind nicht nur von hohem religions- und mentalitätsgeschichtlichem Interesse, sie sind auch glänzend erzählt und gehören zu den Höhepunkten der Sagakunst. Dies gilt vor allem für die unheimlichen Ereignisse, die sich kurz nach der Christianisierung auf dem Hof Fróðá zutragen (vgl. Kap. 50 – 55) und sich wohl auf die historische Erfahrung einer Epidemie zurückführen lassen. Die Geschichte von den unheilvollen Ereignissen auf Fróðá wird vereinzelt als der Beginn der europäischen Schauererzählung angesehen; Robert Louis Stevenson hat den Stoff in der 1914 posthum erschienenen Novelle The Waif Woman verarbeitet. Kaum weniger beeindruckend ist die Gestalt des bösen Þórólf Bægifót, der nach seinem Tod immer wieder als verderbenbringendes Gespenst umgeht, oder die »Hexe« Katla, die durch zauberisches Blendwerk ihren Sohn vor Verfolgung zu schützen versucht und am Ende gesteinigt wird (vgl. Kap. 20).
Das zentrale Interesse des Autors lag indessen offenbar in der Entwicklung der Siedlergemeinschaft: Zeigt die Landnehmergeneration sich noch höchst gewaltbereit und konfliktfreudig, stellt sich der Bezirk am Ende der Saga unter der Vorherrschaft Snorris weitgehend befriedet dar. Dabei ist die differenzierte Darstellung und Deutung des Protagonisten hervorzuheben; während Snorri in zahlreichen anderen Sagas als eindimensional positive Nebenfigur erscheint, zeichnet die Eyrbyggja saga ein ambivalentes Bild ihres Helden. Wenn es um die Konsolidierung und Erweiterung seiner Macht geht, greift er wiederholt zu Mitteln, die dem modernen Leser als moralisch bedenklich aufstoßen. Er beauftragt Sklaven und in die Acht genommene Männer damit, seine Konkurrenten zu ermorden. Sein Gegenspieler Arnkell, der als ein makelloser Charakter geschildert wird, fällt einem nächtlichen Anschlag Snorris zum Opfer. Auf der anderen Seite ist Snorri gegenüber seinen Verwandten und Verbündeten loyal, hilfsbereit und großzügig; an Intelligenz und Weitblick überragt er alle seine Nachbarn.
Die Saga ist mit Sicherheit in jener Region entstanden, in der sie auch spielt. Dafür spricht die erwähnte topographische Fokussierung des Geschehens, die Vertrautheit des Verfassers mit den lokalen historischen und sagenhaften Traditionen und vor allem seine genaue Ortskenntnis. 1184 wurde das zwölf Jahre zuvor auf der Insel Flatey im Breiðafjord gegründete Augustinerkloster nach Helgafell verlegt, also auf jenen Hof, der als Wohnsitz des Goden Snorri einer der wichtigsten Schauplätze der Saga ist. Dieses Kloster bildete im Mittelalter das bei weitem bedeutsamste Bildungszentrum Westislands. Mit Þorfinn Þorgeirsson (1188 – 1216) und Ketill Hermundarson (1217 – 1230) hatte es zwei Priore aus der mächtigen Familie der Sturlungen, die sich in direkter Linie auf Snorri zurückführen konnte. Daher hat man auch den Autor der Saga unter den Sturlungen gesucht; am ehesten in Frage käme Sturla Þórðarson (1214 – 1284), dem neben einer Redaktion des Buchs der Landnahmen eine Reihe geschichtlicher Werke zugeschrieben wird. Beweisen lässt sich Sturlas Autorschaft jedoch nicht, und wenn wir uns auch von der Entstehung der Eyrbyggja saga ein etwas deutlicheres Bild machen können, als dies bei vielen anderen Sagas der Fall ist, so stellt doch auch diese letzten Endes eine anonyme Überlieferung dar, deren Verbindung mit historischen Autorenpersönlichkeiten spekulativ bleiben muss.
Die unmittelbar im Anschluss an die Saga abgedruckte Lebensgeschichte des Goden Snorri ist ein Fragment, das in einer Pergamenthandschrift aus dem 15. Jahrhundert, der sogenannten Melabók (AM 445 b, 4to), überliefert ist. Die in diesem Fragment enthaltenen Angaben wurden vermutlich von Snorris Tochter Þuríð gesammelt, die 1112 oder 1113 im Alter von 88 Jahren starb und eine der wichtigsten Gewährspersonen des Historikers Ari Þorgilsson war, der die Daten vermutlich auch aufgezeichnet hat.
Ketill Flatnef hieß ein berühmter Herse in Norwegen. Er war der Sohn von Björn Buna, dem Sohn des Grím, der Herse in Sogn war. Ketill war verheiratet mit Yngvild, einer Tochter Ketill Veðs, eines Hersen in Romerike. Björn und Helgi hießen ihre Söhne; ihre Töchter waren Auð Djúpauðga, Þórunn Hyrna und Jórunn Manvitsbrekka.
Björn, der Sohn Ketills, wurde im Osten in Jämtland aufgezogen, bei dem dortigen Jarl, der Kjallak hieß, einem weisen und angesehenen Mann. Der Jarl hatte einen Sohn, der Björn hieß; Gjaflaug aber war seine Tochter. Das war zu der Zeit, als König Harald Schönhaar in Norwegen an die Macht kam. Wegen des Unfriedens, der dadurch entstand, gaben viele vornehme Männer ihre angestammten Güter in Norwegen auf. Einige von ihnen zogen über das Gebirge Kjöl nach Osten, andere fuhren westwärts über das Meer. Es gab auch einige, die den Winter auf den Hebriden oder auf den Orkneys verbrachten, im Sommer aber in Norwegen Raubzüge unternahmen und großen Schaden anrichteten im Reich König Haralds. Die Bauern beklagten sich darüber beim König und baten ihn, sie vor diesen Übergriffen zu schützen. Da fasste König Harald den Entschluss, eine Flotte auszurüsten für einen Zug nach dem Westen über das Meer, und er befahl Ketill Flatnef, die Führung über diese Flotte zu übernehmen. Ketill wollte sich herausreden, doch der König bestand darauf, dass er die Fahrt unternahm. Und als Ketill sah, dass der König fest entschlossen war, machte er sich bereit zu der Fahrt und nahm seine Frau mit und die Kinder, die noch bei ihm lebten. Als Ketill dann im Westen angelangt war, hatte er dort mehrere Schlachten zu schlagen und trug jedes Mal den Sieg davon. Er unterwarf die Hebriden und rief sich dort zum Oberhaupt aus. Mit den mächtigsten Herrschern der Inseln im Westen schloss er Frieden und verbündete sich mit ihnen durch Verschwägerung, das Heer aber schickte er nach Norwegen zurück. Und als diese Männer zu König Harald zurückgekehrt waren, sagten sie, dass Ketill Flatnef nun Herr über die Hebriden sei, doch dass er dort im Westen die Herrschaft König Haralds verteidige, davon sei ihnen nichts bekannt. Als der König das hört, zieht er den gesamten Besitz ein, den Ketill in Norwegen hatte.
Ketill Flatnef verheiratete Auð, seine Tochter, mit Ólaf dem Weißen, der damals der mächtigste Heerkönig der Inseln im Westen war; er war der Sohn Ingjald Helgasons; die Mutter Ingjalds aber war Þóra, die Tochter des Sigurð Schlange-im-Auge, des Sohnes von Ragnar Loðbrók. Þórunn Hyrna gab Ketill Helgi dem Mageren zur Frau, dem Sohn Eyvind Ostmanns und Rafartas, der Tochter des Irenkönigs Kjarval.
Björn, der Sohn von Ketill Flatnef, blieb in Jämtland, bis Kjallak starb. Er heiratete Gjaflaug, die Tochter des Jarls, und zog dann westwärts über das Gebirge Kjöl, zuerst nach Trondheim, dann hinunter nach Süden, wo er die Güter, die seinem Vater gehört hatten, wieder in Besitz nahm. Die Verwalter, die König Harald über diese Güter eingesetzt hatte, verjagte er. König Harald war gerade in Vík, als er das hörte, und fuhr dann sofort nordwärts nach Trondheim. Als er dort ankam, berief er das Thing der acht Bezirke ein, und auf diesem Thing verbannte er Björn Ketilsson aus Norwegen. Er solle getötet oder gefangen genommen werden, wo immer er auch angetroffen würde. Danach sandte er Hauk Hábrók und andere seiner Krieger aus, ihn zu töten, wenn sie ihn fänden. Als sie aber Stað umschifft hatten auf ihrem Weg nach Süden, wurden sie von Freunden Björns bemerkt, und diese gaben ihm Nachricht. Björn ging da sofort an Bord einer Schute, die ihm gehörte, mitsamt seiner Familie, den Hausleuten und seiner beweglichen Habe, und fuhr südwärts an der Küste entlang, denn es war gerade tiefer Winter und deshalb wagte er es nicht, auf das offene Meer hinauszusteuern. Björn fuhr so lange, bis er zu der Insel kam, die Moster heißt und vor Sunnhordaland liegt, und dort nahm ihn ein Mann mit Namen Hrólf auf, der Sohn des Örnólf Fiskreki. Dort verbarg sich Björn den Winter über. Die Männer des Königs kehrten zurück, nachdem sie Björns Eigentum mit Beschlag belegt und Männer für dessen Verwaltung eingesetzt hatten.
Hrólf war ein mächtiger Höfding und lebte auf großem Fuß. Er unterhielt einen Thorstempel auf der Insel und war ein großer Freund Thors, und aus diesem Grund wurde er Þórólf genannt. Er war ein großer und kräftiger Mann, sah gut aus und hatte einen mächtigen Bart, deswegen nannte man ihn Mostrarskegg, Mosterbart. Er war der angesehenste Mann auf der Insel.
Im Frühjahr verschaffte Þórólf Björn ein gutes Langschiff und heuerte eine tüchtige Mannschaft an und gab Björn seinen Sohn Hallsteinn zur Begleitung mit. Sie segelten nach Westen übers Meer, um Verwandte Björns zu treffen. Als aber König Harald erfuhr, dass Þórólf Mostrarskegg Björn Ketilsson, den von ihm Verbannten, bei sich aufgenommen hatte, da schickte er Männer zu ihm und wies ihn außer Landes und erklärte, er solle entweder wie sein Freund Björn verbannt sein, oder er solle den König aufsuchen und sich ganz seiner Macht unterwerfen. Das geschah zehn Jahre, nachdem Ingólf Arnarson ausgezogen war, um sich in Island anzusiedeln, und diese Fahrt war weithin berühmt geworden, denn die Männer, die aus Island zurückkamen, berichteten Gutes über die Beschaffenheit des Landes.
Þórólf Mostrarskegg veranstaltete ein großes Opfer und bat Thor, seinen lieben Freund, in einem Orakel um Rat, ob er sich mit dem König aussöhnen oder lieber das Land verlassen sollte, um anderswo sein Glück zu finden. Das Orakel bedeutete Þórólf, nach Island zu gehen. Daraufhin verschaffte er sich ein großes seetüchtiges Schiff und rüstete es für die Fahrt nach Island aus, und er nahm alle seine Leute mit und den gesamten Hausstand. Viele seiner Freunde schlossen sich dem Auszug an. Er brach den Tempel ab und nahm einen großen Teil des Holzes mit, aus dem dieser bestanden hatte, und auch etwas von der Erde unter dem Sockel, wo Thor seinen Platz gehabt hatte.
Dann stach Þórólf in See, er hatte guten Wind und erreichte das Land und segelte an der Südküste entlang nach Westen bis um Reykjanes herum. Da flaute der Wind ab, und sie sahen, dass große Fjorde in das Land einschnitten. Þórólf warf da seine Hochsitzpfeiler über Bord, die im Tempel gestanden hatten; in einen der beiden war ein Thorsbild eingeschnitzt. Er erklärte, dass er sich dort in Island ansiedeln wolle, wo Thor die Pfeiler an Land kommen lasse. Und sowie sie sich vom Schiff entfernten, trieben sie zu den Fjorden im Westen hin, und es kam den Leuten so vor, als geschehe dies viel schneller, als man erwarten konnte. Daraufhin kam eine Seebrise auf; sie segelten weiter nach Westen um Snæfellsnes herum und in den Fjord hinein. Sie sahen, dass der Fjord außerordentlich lang und breit war, mit mächtigen Bergen zu beiden Seiten. Þórólf gab dem Fjord einen Namen und nannte ihn Breiðafjord. Er ging auf seiner Südseite, auf Höhe der Mitte, an Land und machte das Schiff in jener Bucht fest, die sie dann später Hofsvog nannten. Danach erkundeten sie die Gegend und entdeckten an einer weit vorspringenden Landzunge nördlich der Bucht, dass Thor mit den Säulen an Land gekommen war. Diese Stelle wurde später Þórsnes genannt.
Danach trug Þórólf Feuer um das Land herum, das er in Besitz nehmen wollte, vom Fluss Stafá im Westen bis zu jenem im Osten, den er Þórsá nannte, und siedelte dort seine Schiffsmannschaft an. Er erbaute einen großen Hof am Hofsvog, den er Hofstaðir nannte. Dort ließ er einen Tempel errichten, und das war ein mächtiges Gebäude. Die Tür war an der Längsseite, nahe dem Ende der Wand. Im Inneren hinten standen die Hochsitzpfeiler; in diesen steckten Nägel, die Götternägel hießen. Das Innere des Tempels bildete eine Friedensstätte, die alle zu respektieren hatten. Weiter drinnen im Tempel war ein Raum, der dem Chor in den heutigen Kirchen ähnelte, und dort stand in der Mitte auf dem Boden ein Gestell ähnlich einem Altar, und es lag da offen ein Ring, zwanzig Öre schwer, auf den mussten alle ihre Eide schwören. Diesen Ring trug der Tempelgode bei allen Versammlungen am Arm. Auf dem Gestell pflegte auch eine Opferschale zu stehen, und darin befand sich der Sprengwedel für das Opferblut, ähnlich einem Weihwedel, und mit diesem verspritzte man das Blut aus der Schale, das Opferblut genannt wurde. Es war das Blut von Tieren, die man schlachtete, um sie den Göttern zum Opfer zu bringen. Um den Altar herum waren in diesem Nebenraum die Götterbilder aufgestellt. An den Tempel hatte jedermann Abgaben zu zahlen, und alle waren dazu verpflichtet, dem Tempelgoden bei Zusammenkünften Gefolgschaft zu leisten, so wie jetzt die Thingleute ihrem Höfding. Der Gode aber hatte den Tempel auf eigene Kosten zu erhalten, so dass er nicht verfiel, und hatte darin Opferfeste zu veranstalten.
Þórólf nannte das Gebiet zwischen dem Vigrafjord und Hofsvog Þórsnes. Auf dieser Landzunge gibt es einen Berg, dem Þórólf so große Verehrung entgegenbrachte, dass kein Mensch ihn, ohne sich vorher gewaschen zu haben, anschauen durfte. Weder Vieh noch Mensch sollte auf diesem Berg Schaden zugefügt werden, abgesehen von dem Vieh, das von allein dort hinaufging. Diesen Berg nannte er Helgafell, und er glaubte, dass er in diesen Berg eingehen würde, wenn er stürbe, wie auch alle seine Verwandten auf der Landzunge. Dort, wo Thor an Land gegangen war, am Ende der Landzunge, ließ er alle Gerichtssitzungen abhalten, und er gründete dort ein Bezirksthing. Auch diese Stätte war ihm so heilig, dass sie in keiner Weise besudelt werden sollte, weder durch Blutvergießen noch dadurch, dass dort jemand seine Notdurft verrichtete, und dafür bestimmte man dann eine Schäre, die Kackschäre genannt wurde.
Þórólf führte eine sehr reiche und großzügige Wirtschaft auf seinem Hof und hatte viele Männer um sich, weil dort immer reichlich Nahrung zu beschaffen war von den Inseln und aus dem Meer.
Nun soll weiter von Ketill Flatnefs Sohn Björn erzählt werden, der nach Westen über das Meer segelte, nachdem er sich von Þórólf Mostrarskegg getrennt hatte, wie schon gesagt wurde. Er steuerte die Hebriden an. Aber als er dort ankam, da war Ketill, sein Vater, unterdessen gestorben, doch traf er seinen Bruder Helgi und seine Schwestern an. Und seine Geschwister luden ihn ein, ihren Wohlstand mit ihm zu teilen. Björn bemerkte, dass sie inzwischen einem anderen Glauben anhingen, und es erschien ihm nicht anständig, dass sie von der alten Religion ihrer Verwandten abgefallen waren. Es behagte ihm dort nicht, und er wollte sich nicht auf Dauer bei ihnen niederlassen, aber er verbrachte doch den Winter bei seiner Schwester Auð und bei Þorsteinn, ihrem Sohn. Aber als ihnen klarwurde, dass er nicht auf sie hören wollte, da nannten sie ihn Björn den Ostmann, und es missfiel ihnen, dass er sich nicht bei ihnen ansiedeln wollte.
Björn blieb zwei Winter auf den Hebriden; dann rüstete er zur Fahrt nach Island; mit ihm fuhr Hallsteinn Þórólfsson. Sie gingen im Breiðafjord an Land, und Björn nahm mit Zustimmung Þórólfs das Gebiet zwischen dem Fluss Stafá und dem Hraunsfjord in Besitz. Björn wohnte als ein sehr angesehener Mann auf Borgarholt in Bjarnarhöfn. Hallsteinn Þórólfsson erschien es unwürdig, Land von seinem Vater anzunehmen; er fuhr westwärts über den Breiðafjord und nahm dort Land und wohnte dann auf Hallsteinsnes. Einige Jahre später kam Auð Djúpauðga nach Island und verbrachte den ersten Winter bei Björn, ihrem Bruder; dann nahm sie das ganze Gebiet von Dalir im Breiðafjord in Besitz, zwischen Skraumuhlaupsá und Dögurðará, und wohnte auf Hvamm. In dieser Zeit wurde der gesamte Breiðafjord besiedelt, doch braucht hier nicht von der Landnahme solcher Männer erzählt zu werden, die in dieser Saga nicht vorkommen.
Geirröð hieß ein Mann, der von der Þórsá landeinwärts Land nahm und auf Eyr wohnte. Mit ihm war Úlfar Kappi nach Island gekommen, dem er um Úlfarsfell herum Land gab, und Finngeir, der Sohn Þorsteinn Öndurs; er wohnte im Álftafjord. Sein Sohn war Þorfinn, der Vater Þorbrands im Álftafjord. Vestar hieß ein Mann, der Sohn von Þórólf Blöðruskalli. Er kam mit seinem alten Vater nach Island und nahm Land im Westen des Urthvalafjords und wohnte auf Öndurðeyr. Sein Sohn war Ásgeir, der später dort wohnte.
Björn der Ostmann starb als Erster dieser Landnahmemänner und wurde in einem Hügel am Borgarlæk beigesetzt. Er hinterließ zwei Söhne: Der eine war Kjallak der Alte, der den Hof seines Vaters in Bjarnahöfn übernahm. Kjallaks Frau war Ástríð, die Tochter des Hersen Hrólf und Schwester Steinólfs des Kurzen. Sie hatten drei Kinder: Þorgrím der Gode war ihr Sohn, Gerð ihre Tochter, die den Goden Þormóð zum Mann hatte, den Sohn von Odd Rakki. Das dritte Kind war Helga, die mit Ásgeir auf Eyr verheiratet war. Von den Kindern Kjallaks stammt ein großes Geschlecht ab, und das wird Kjalleklingar genannt. Ottar hieß der andere Sohn Björns. Er war mit Gró Geirleifsdóttir verheiratet, der Schwester Oddleifs vom Barðastrand. Ihre Söhne waren Helgi, der Vater Ósvífs des Klugen, und Björn, der Vater von Vigfús in Drápuhlíð. Vilgeir hieß der dritte Sohn von Ottar Bjarnarson.
Þórólf Mostrarskegg heiratete noch, als er schon alt war, und nahm eine Frau, die Unn hieß. Manche sagen, sie sei eine Tochter Þorsteinns des Roten gewesen, aber Ari Þorgilsson der Gelehrte zählt sie nicht unter dessen Kindern auf. Þórólf und Unn hatten einen Sohn, der Steinn hieß. Diesen Jungen weihte Þórólf Thor, seinem Freund, und nannte ihn Þorsteinn, und dieser Junge reifte sehr schnell zum Mann heran. Hallsteinn Þórólfsson verheiratete sich mit Ósk, der Tochter Þorsteinns des Roten; Þorsteinn hieß auch ihr Sohn. Ihn zog Þórólf auf, und er nannte ihn Þorsteinn den Schwarzen, seinen eigenen Sohn jedoch nannte er Þorsteinn Þorskabít.
Zu dieser Zeit kam Geirríð, die Schwester Geirröðs auf Eyr, nach Island, und Geirröð gab ihr einen Wohnsitz im Borgardal im Inneren des Álftafjords. Sie ließ ihre Halle quer über den Hauptweg errichten, und alle Leute, die dort vorbeikamen, mussten durch diese hindurchreiten. Es stand da stets ein Tisch mit Speisen darauf, bestimmt für jeden, der davon essen wollte. Aus diesem Grund galt sie als eine außerordentlich großzügige und vornehme Frau. Geirríð hatte sich mit Björn verheiratet, dem Sohn Bölverks Blindingatrjónas, und ihr Sohn hieß Þórólf; der war ein großer Wikinger. Er kam einige Zeit später als seine Mutter nach Island und verbrachte bei ihr den ersten Winter. Nach Þórólfs Meinung gab es da zu wenig Land zum Bewirtschaften, und er forderte deshalb Úlfar Kappi zum Holmgang heraus, denn dieser war schon bejahrt und kinderlos. Úlfar wollte lieber sterben als von Þórólf bezwungen zu sein. Sie begaben sich auf eine Insel im Álftafjord und kämpften, und Úlfar fiel, Þórólf aber zog sich eine Wunde am Fuß zu und ging seither lahm; aus diesem Grund wurde er Bægifót, Hinkebein, genannt. Er errichtete ein Gehöft in Hvamm im Þórsárdal. Er nahm sich Úlfars Land und war ein außergewöhnlich gewalttätiger und schlechter Mensch. Er verkaufte Land an Freigelassene Þorbrands im Álftafjord, Úlfarsfell an Úlfar und Örlygsstaðir an Örlyg, und diese wohnten dann dort für lange Zeit.
Þórólf Bægifót hatte drei Kinder. Arnkell hieß sein Sohn und Gunnfríð seine Tochter. Diese war verheiratet mit Þorbeinir von Þorbeinisstaðir auf dem Vatnháls landeinwärts von Drápuhlíð. Ihre Söhne waren Sigmund und Þorgils; ihre Tochter war Þorgerð, die Frau des Vigfús von Drápuhlíð. Die zweite Tochter Þórólfs hieß Geirríð, die war die Frau von Þórólf, dem Sohn von Herjólf Hölkinrazi, und diese beiden wohnten auf Mávahlíð. Ihre Kinder waren Þórarinn der Schwarze und Guðný.
Þórólf Mostrarskegg starb in Hofstaðir. Da trat Þorsteinn Þorskabít das Erbe seines Vaters an. Er verheiratete sich mit Þóra, der Tochter Ólaf Feilans und Schwester Þórð Gellirs, der damals in Hvamm wohnte. Þórólf wurde in Haugsnes, westlich von Hofstaðir, beigesetzt.
In jener Zeit war die Überheblichkeit der Kjalleklingar so groß, dass sie sich für vornehmer hielten als die anderen Leute in der Gegend; auch gab es so viele Nachkommen Björns, dass kein anderes Geschlecht im Breiðafjord ihnen gleichkam an Größe und Macht. Damals wohnte Kinder-Kjallak, ein Verwandter von ihnen, am Meðalfellsstrand, an der Stelle, die heute Kjallaksstaðir heißt. Er hatte viele Söhne, alles wohlgeratene Männer; und alle unterstützten sie ihre Verwandten südlich des Fjords bei Thingversammlungen und anderen Zusammenkünften.
Einmal im Frühjahr auf dem Þórsnes-Thing geschah es, dass die Schwäger Þorgrím Kjallaksson und Ásgeir auf Eyr erklärten, sie würden den Hochmut der Þórsnesleute nun nicht mehr hinnehmen und daher ihre Notdurft im Gras verrichten, wie sie es auch bei anderen Zusammenkünften täten, dem Stolz zum Trotz, mit dem die Þórsnesleute ihr Land für weniger antastbar erklärten als andere Plätze im Breiðafjord. Sie verkündeten, dass sie nicht länger ihre Schuhe abnutzen würden, nur um draußen auf einer Schäre zu kacken. Aber als Þorsteinn Þorskabít das erfuhr, wollte er nicht dulden, dass jene Stätte besudelt würde, die sein Vater Þórólf vor allen anderen Stellen seines Landbesitzes in Ehren gehalten hatte. Er rief seine Freunde zu sich in der Absicht, die anderen mit Gewalt von jener Stelle fernzuhalten, falls sie sich anschickten, sie zu beschmutzen. In diesem Entschluss wurde er bestärkt von Þorgeir Keng, dem Sohn Geirröðs auf Eyr, und von den Männern aus dem Álftafjord, Þorfinn und dessen Sohn Þorbrand, Þórólf Bægifót und von vielen anderen Thingleuten und Freunden Þorsteinns.
Am Abend, nachdem die Kjalleklingar gegessen hatten, nahmen sie ihre Waffen und gingen hinaus auf die Landzunge. Als aber Þorsteinn und seine Leute sahen, dass jene von dem Weg abwichen, der zu der Schäre führte, da liefen sie zu ihren Waffen und rannten mit herausforderndem Geschrei hinter den Männern her. Und als die Kjalleklingar das sahen, liefen sie zusammen und verteidigten sich. Der Angriff der Þórsnesleute war aber so heftig, dass die Kjalleklingar das Feld räumten und an den Strand zurückwichen. Dort aber wandten sie sich dem Gegner wieder zu, und es kam zu einem sehr harten Kampf. Die Kjalleklingar waren in der Unterzahl, doch hatten sie eine auserwählte Schar. Nun bemerkten zwei Männer vom Skógarstrand, Þorgest der Alte und Áslák aus dem Langadal, was da vorging. Sie liefen herbei und traten zwischen die Kämpfenden, aber beide Parteien stritten mit solcher Wut, dass sie sich nicht eher trennen ließen, bis Þorgest und Áslák denjenigen ihre Unterstützung zusagten, die auf sie hörten und vom Kampf abließen, und damit gelang es, sie zu trennen, jedoch unter der Bedingung, dass die Kjalleklingar das Feld nicht mehr betreten durften, und diese gingen an Bord ihrer Schiffe und verließen das Thing.
Auf beiden Seiten waren Männer gefallen, die größere Zahl bei den Kjalleklingarn, und es gab viele Verwundete. Es kam kein Friedensgelöbnis zustande, weil keiner der Gegner ein solches abgeben wollte, und sie erklärten vielmehr, einander sofort wieder angreifen zu wollen, sobald sich die Gelegenheit dazu böte. Das Feld war von Blut durchtränkt, da wo sie gekämpft hatten, auch dort, wo die Þórsnesleute während der Auseinandersetzung gestanden hatten.
Nach dem Thing hielten beide Seiten ein stattliches Gefolge zusammen, und sie standen sich in großer Feindseligkeit gegenüber. Freunde von ihnen fassten den Entschluss, Þórð Gellir zu holen, der damals der bedeutendste Höfding im Breiðafjord war. Er war verwandt mit den Kjalleklingarn, aber auch verschwägert mit Þorsteinn; er schien am ehesten dazu geeignet, den Streit zu schlichten. Und als Þórð diese Botschaft erhielt, zog er mit vielen Männern dorthin und versuchte, Frieden zu stiften. Er stellte fest, dass ihre Meinungen sehr weit auseinandergingen, aber dennoch brachte er einen Waffenstillstand und eine Vereinbarung über eine Zusammenkunft zuwege. Das Treffen ging so aus, dass Þórð vermitteln sollte. Die Kjalleklingar willigten unter der Bedingung ein, dass sie niemals mehr zu der Kackschäre zu gehen brauchten, wenn sie ihre Notdurft verrichten wollten; Þorsteinn hingegen stellte die Bedingung, die Kjalleklingar sollten ebenso wenig wie früher die geheiligte Stätte besudeln. Die Kjalleklingar nannten die Gefallenen auf Þorsteinns Seite unheilig gefallen, weil diese zuerst auf sie losgegangen seien, in der Absicht, einen Kampf zu beginnen, die Þórsnesleute aber erklärten die Kjalleklingar für unheilig gefallen wegen des Gesetzesbruchs, den sie auf dem geheiligten Thing begangen hätten. Und obwohl es schwierig werden würde, unter den Streitenden zu schlichten, willigte Þórð ein, einen Schiedsspruch zu fällen. Lieber übernahm er diese Aufgabe, als dass man sich in Feindschaft trennte. Þórð begann seinen Schiedsspruch mit der Erklärung, jeder solle den Vorteil behalten, den er erlangt habe. Er bestimmte, dass weder für die Totschläge noch für die Verwundungen auf Þórsnes Buße gezahlt werden müsse; das Thingfeld aber bezeichnete er als besudelt durch das Blut, das im Streit geflossen war, und die Erde dort sei nicht mehr heiliger als anderswo, und er gab denen die Schuld daran, die als Erste gewalttätig geworden waren gegen die anderen. Schon allein dies sei ein Friedensbruch, sagte er, und es dürfe dort fortan kein Thing mehr stattfinden. Damit sie aber versöhnt seien und von nun an Freunde blieben, verfügte er, dass Þorgrím Kjallaksson zur Hälfte den Tempel mit unterhalten und die Hälfte der Tempelabgaben bekommen solle, und auch die Hälfte der Thingleute. Und er sollte Þorsteinn in allen Rechtsdingen unterstützen und ihm zur Seite stehen, wie die Heiligkeit auch immer beschaffen sein möge, die er dem Ort beimessen wolle, der demnächst für das Thing bestimmt werde. Außerdem gab Þórð Gellir Þorgrím Kjallaksson seine Verwandte Þórhild zur Frau, die Tochter Þorkell Meinaks, seines Nachbarn. Man nannte ihn von da an Þorgrím den Goden.
Sie verlegten das Thing dann in östlicher Richtung landeinwärts, dorthin, wo es heute ist. Und als Þórð Gellir die Viertelsthinge für die verschiedenen Bezirke einrichtete, bestimmte er, dass dort das Viertelsthing der Westfjordleute sein solle. Alle Leute aus den westlichen Gebieten sollten an diesem Ort zusammenkommen. Noch immer sieht man dort den Gerichtskreis, in dem die Männer zur Opferung verurteilt wurden. In diesem Kreis steht Thors Stein, an dem den Männern die Knochen gebrochen wurden, die zum Opfer bestimmt waren, und man kann noch immer die Blutflecken an dem Stein sehen. Dieser Thingplatz wurde besonders in Ehren gehalten, wenn es den Leuten auch nicht verwehrt war, dort ihre Notdurft zu verrichten.
Þorsteinn Þorskabít lebte in besten Verhältnissen; er hatte stets sechzig freie Männer um sich. Mit großem Eifer kümmerte er sich um seine Wirtschaft, und er war ständig draußen auf Fischfang. Er ließ als Erster ein Gehöft am Helgafell errichten und siedelte sich dort an, und dort war auch der bedeutendste Tempel jener Zeit. Er ließ auch auf der Landspitze in der Nähe der Stelle, wo früher das Thing gewesen war, einen Hof bauen. Diesen Hof ließ er reich ausstatten und übergab ihn später Þorsteinn dem Schwarzen, seinem Verwandten; der wohnte von nun an dort und war ein Mann von außerordentlichem Verstand. Þorsteinn Þorskabít hatte einen Sohn, der Börk der Dicke genannt wurde. Und in dem Sommer, als Þorsteinn fünfundzwanzig Jahre alt war, gebar Þóra einen Jungen, und der wurde Grím genannt, als man ihn mit Wasser besprengte. Diesen Jungen weihte Þorsteinn Thor und bestimmte, er sollte einmal Tempelgode sein, und er nannte ihn Þorgrím.
Im selben Herbst fuhr Þorsteinn zur Höskuldsey hinaus zum Fischfang. Es war eines Abends im Herbst, da war ein Schafhirte Þorsteinns nördlich von Helgafell zu seinem Vieh unterwegs. Er sah, dass der Berg an seiner Nordseite offen lag. Im Inneren des Bergs sah er lodernde Feuer und hörte dort fröhliches Stimmengewirr und den Klang von Trinkhörnern. Und als er lauschte, ob er nicht ein paar Wörter unterscheiden könnte, hörte er, wie Þorsteinn Þorskabít und seine Gefährten begrüßt wurden und wie gesagt wurde, er solle sich auf den Hochsitz gegenüber seinem Vater setzen. Von dieser Erscheinung erzählte der Schafhirt am Abend Þóra, der Frau Þorsteinns. Sie ließ sich wenig anmerken, meinte aber, dies könne ein Vorzeichen größerer Ereignisse sein. Am Morgen darauf kamen Leute von der Höskuldsey und brachten die Nachricht, dass Þorsteinn Þorskabít beim Fischfang ertrunken sei, und dies erschien den Leuten als ein großes Unglück. Þóra führte nun die Wirtschaft weiter, und es zog ein Mann mit ihr zusammen, der Hallvarð hieß. Sie hatten einen Sohn namens Már.
Die Söhne Þorsteinn Þorskabíts wuchsen zu Hause bei ihrer Mutter auf und waren sehr vielversprechende Männer; Þorgrím aber übertraf seinen Bruder in allem und wurde auch Tempelgode, sobald er das Alter dazu erreicht hatte. Þorgrím verheiratete sich im Westen im Dýrafjord mit Þórdís Súrsdóttir, und er zog dann dorthin zu seinen Schwägern, Gísli und Þorkell. Þorgrím tötete Vésteinn Vésteinsson beim Herbstgelage im Haukadal. Im Herbst darauf aber, als Þorgrím fünfundzwanzig war, wie sein Vater bei seinem Tod, da erschlug ihn sein Schwager Gísli beim Herbstgelage auf Sæból. Ein paar Tage darauf gebar Þórdís, seine Frau, ein Kind, und dieser Junge wurde Þorgrím genannt nach seinem Vater. Kurz darauf verheiratete sich Þórdís mit Börk dem Dicken, dem Bruder Þorgríms, und sie zog mit ihm nach Helgafell, um dort zu wirtschaften. Da siedelte Þorgrím, ihr Sohn, in den Álftafjord um und wurde dort von Þorbrand aufgezogen. Er war sehr eigensinnig und streitlustig als junger Mensch und wurde deshalb Snerrir genannt und später dann Snorri. Þorbrand im Álftafjord hatte Þuríð, die Tochter von Þorfinn Sel-Þórisson aus Rauðamel, zur Frau. Diese waren ihre Kinder: Þorleif Kimbi der älteste, der zweite Snorri, der dritte Þórodd, der vierte Þorfinn, der fünfte Þormóð; Þorgerð hieß ihre Tochter. Die Brüder waren alle Ziehbrüder von Snorri Þorgrímsson. Zu dieser Zeit wohnte Arnkell, der Sohn des Þórólf Bægifót, auf Bólstad bei Vaðilshöfði. Er war ein sehr mächtiger und starker Mann, außerordentlich gesetzkundig und klug. Er war ein ehrbarer Mensch, entschlossen und bei den Leuten in der Gegend beliebter als sonst irgendjemand. Er war auch Tempelgode und hatte viele Thingleute.
Þorgrím Kjallaksson wohnte auf Bjarnarhöfn, wie schon erzählt worden ist, und hatte mit Þórhild drei Söhne: Brand war der älteste; er wohnte in Krossnes bei Brimlárhöfði. Der zweite war Arngrím; er war sehr groß und stark, hatte eine große Nase, ein starkknochiges Gesicht; sein Haar war rotblond, und seine Schläfen waren schon früh kahl geworden. Er hatte dunkle Brauen und große schöne Augen. Er war ein ungestümer und gewalttätiger Mensch, und deshalb nannte man ihn Styr, Unruhestifter. Vermund hieß der jüngste Sohn Þorgrím Kjallakssons; er war ein hochgewachsener Mann, schlank und gutaussehend; er wurde Vermund der Schlanke genannt.
Der Sohn Ásgeirs auf Eyr hieß Þorlák; er hatte Þuríð zur Frau, die Tochter von Auðunn Stoti aus dem Hraunsfjord. Diese waren ihre Kinder: Steinþór, Bergþór, Þormóð, Þórð Blíg und Helga. Steinþór tat sich am meisten hervor unter den Kindern Þorláks; er war ein großer und starker Mann und konnte besser als alle anderen mit Waffen umgehen, und er war ein sehr geschickter Mensch. Gewöhnlich war er von ruhigem Wesen. Von Steinþór hieß es, dass er unter den drei kampferprobtesten Männern Islands gewesen sei, neben Helgi Droplaugarson und Vémund Kögur. Þormóð war ein kluger und sehr besonnener Mann. Þórð Blíg war hitzig und äußerte sich oft unbedacht. Bergþór war der jüngste und trotzdem sehr vielversprechend.
Snorri Þorgrímsson war vierzehn Winter alt, als er mit seinen Ziehbrüdern Þorleif Kimbi und Þórodd ins Ausland fuhr. Börk der Dicke, sein Onkel, gab ihm für die Fahrt fünfzig Öre in Silber. Sie hatten eine gute Überfahrt und kamen im Herbst nach Norwegen; den Winter verbrachten sie in Rogaland. Snorri war bei Erling Skjálgsson auf Sóli, und Erling behandelte ihn freundlich, denn es hatte eine alte Freundschaft bestanden zwischen ihren Vorfahren Hörða-Kári und Þórólf Mostrarskegg.
Im Sommer darauf fuhren sie nach Island zurück, doch waren sie erst spät reisefertig geworden. Sie hatten eine schwere Überfahrt und kamen erst kurz vor Wintereinbruch in den Hornafjord. Und als sie das Schiff verließen, die Breiðafjordleute, da zeigte sich, dass die Ausrüstung von Snorri und von Þorleif Kimbi sehr unterschiedlich war. Þorleif hatte sich das beste Pferd gekauft, das er bekommen konnte; er hatte auch einen prächtig bemalten Sattel und war ausgestattet mit einem kostbaren Schwert, einem mit Gold beschlagenen Speer und einem dunkelblauen Schild mit Goldverzierung; ganz erlesen war seine Kleidung. Er hatte für das alles fast seine ganzen Reisemittel ausgegeben. Snorri dagegen trug einen schwarzen Mantel und ritt auf einer tüchtigen schwarzen Stute. Sein Sattel war altmodisch, und seine Waffen zeigten keinen besonderen Schmuck. Der Wert von Þórodds Ausrüstung hielt sich in der Mitte zwischen den beiden.
Sie ritten westwärts und durchquerten Síða und folgten dann dem Weg zum Borgarfjord, und von da ging es über den Fletir, und sie übernachteten im Álftafjord. Danach ritt Snorri nach Helgafell, und er hatte vor, dort den Winter zu verbringen. Börk nahm das mit Zurückhaltung auf, und die Leute machten sich über Snorris Ausstattung lustig. Börk meinte, dass es ihm mit seinem Geld unglücklich ergangen sein musste, da ja alles dahin sei.
Es war eines Tages am Anfang des Winters auf Helgafell, dass zwölf Männer in voller Bewaffnung hereinkamen. Das war Eyjólf der Graue, ein Verwandter Börks, der Sohn Þórð Gellirs; er wohnte im Otradal im Westen des Arnarfjords. Und als sie nach Neuigkeiten gefragt wurden, da erzählten sie von der Tötung Gísli Súrssons und von den Männern, die durch diesen ihr Leben ließen, bevor er selbst fiel. Über diese Neuigkeit war Börk sehr erfreut, und er forderte Þórdís und Snorri auf, Eyjólf aufs beste willkommen zu heißen, den Mann, der so große Schmach von seinen Verwandten genommen hatte. Snorri zeigte sich wenig beeindruckt von den Neuigkeiten, aber Þórdís sagte, es sei wohl eine ausreichend herzliche Willkommensgeste, »wenn Grütze gereicht wird dem Gíslitöter«.
Börk entgegnet: »Es ist nicht meine Aufgabe, mich um das Essen zu kümmern.«
Börk gibt Eyjólf seinen Platz auf dem Hochsitz; seinen Gefährten aber weist er die Plätze links und rechts von Eyjólf zu. Sie legten ihre Waffen auf den Boden. Börk saß gleich neben Eyjólf, und dann kam Snorri. Þórdís brachte die Schüsseln mit der Grütze herein auf den Tisch und hatte gleichzeitig die Löffel in der Hand. Und als sie die Grütze vor Eyjólf hinsetzte, da fiel ihr ein Löffel aus der Hand. Sie bückte sich danach und griff dabei nach Eyjólfs Schwert. Blitzschnell zog sie es und stieß es unter dem Tisch nach oben und traf Eyjólfs Schenkel, aber der Griff schlug gegen den Tisch, und trotzdem gab es eine große Wunde. Börk warf den Tisch um und schlug nach Þórdís. Snorri versetzte Börk einen Stoß, so dass er fiel. Und er nahm seine Mutter und setzte sie neben sich und sagte, dass sie schon genug Verdruss habe, auch wenn sie nicht geschlagen würde. Eyjólf und seine Männer waren aufgesprungen, aber Börks Männer hielten sie fest. Die Sache ging dann so aus, dass Börk Eyjólf anbot, selbst ein Urteil zu fällen, und der verlangte eine hohe Buße für die Verwundung. Damit brach er auf. Nach alldem wuchs die Abneigung zwischen Börk und Snorri sehr.
Auf dem Frühjahrsthing im Sommer forderte Snorri sein Vatererbe von Börk.
Börk erwidert, dass er ihm sein Vatererbe auszahlen werde, »doch möchte ich nicht gern«, sagt er, »dass Helgafell geteilt wird, aber ich sehe, dass wir beide nicht recht geeignet sind, einen Hof mit zwei Haushaltungen zu führen, und deshalb will ich dir deinen Anteil an dem Besitz auszahlen.«
Snorri antwortet: »Es erscheint mir am gerechtesten, dass du einen Preis, den du für angemessen hältst, für das Land festsetzt, und ich dann wähle, wer von uns seinen Anteil auslösen soll.«
Börk überlegt sich die Sache, und er dachte bei sich, Snorri hätte wohl kaum das Geld zum Kauf des Landes, wenn er es sofort bezahlen müsste, und so setzte er sechzig Öre in Silber als Preis für die Hälfte des Landes fest und nahm davon aber die Inseln aus, weil er dachte, sie für geringes Geld zu bekommen, wenn Snorri sich erst anderswo niedergelassen hätte. Er forderte auch, dass das Geld sofort bezahlt werden sollte und dass man sich dafür nichts von anderen Leuten leihen dürfte, »und jetzt wähle, Snorri«, sagte Börk, »hier auf der Stelle, was du willst.«
Snorri antwortet: »Da merkt man nun, Onkel Börk, dass du mich für einen armen Schlucker hältst, da du einen so niedrigen Preis für das Helgafellsland ansetzt. Ich aber entscheide mich für mein Vatererbe zu diesem Preis, und darum reich mir die Hand und übertrage mir das Land durch Handschlag.«
»Das wird nicht früher geschehen«, sagt Börk, »als bis der letzte Pfennig bezahlt ist.«
Snorri sprach zu Þorbrand, seinem Ziehvater: »Ich habe dir doch im Herbst einen Beutel mit Geld übergeben?«
»Ja«, sagt Þorbrand und zog den Beutel unter seinem Mantel hervor. Da wurde das Silber gezählt und das Land bezahlt bis auf den letzten Pfennig, und da blieben noch sechzig Öre Silber im Beutel übrig. Börk nahm das Geld entgegen und übertrug Snorri das Land durch Handschlag.
Dann sagte Börk: »Reicher an Silber bist du geworden, Verwandter, als wir angenommen haben. Ich möchte nun, dass wir die Feindschaft, die zwischen uns bestanden hat, begraben, und zu deinem Vorteil schlage ich vor, dass wir das kommende halbe Jahr noch gemeinsam auf Helgafell wirtschaften, da du selbst ja erst wenig Vieh besitzt.«
Snorri antwortet: »Mögest du deinen Nutzen von deinem Vieh haben, aber mach, dass du von Helgafell fortkommst.«