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»Ein isländischer Schriftsteller kann nicht leben, ohne beständig über die alten Bücher nachzudenken.« Halldór Laxness Der Stellenwert, den die Isländersagas im kulturellen Gedächtnis der Isländer einnehmen, ist enorm. Bis heute haben die fesselnden Geschichten rund um die Besiedelung der nordischen Insel nicht an Leuchtkraft verloren: Die Prosatexte aus dem 13. und 14. Jahrhundert sind eine Sternstunde der Geistesgeschichte Europas – und können hier in einer breiten Auswahl bewundert werden. Mit der vorliegenden Neuedition öffnet sich dem Leser ein Tor in eine Welt, die beseelt ist von wütenden Außenseitern, starken Frauen und Rechtskundigen, von Rache, Totschlag und Buße, aber auch von Schadenszauber und Wiedergängern und nicht zuletzt abenteuerlichen Reisen in ferne Länder. Die Isländersagas sind Weltliteratur. Die ›Isländersagas‹ - vorgelegt von den besten literarischen Übersetzern und angereichert mit wissenschaftlichen Zusatzinformationen - räumen einer der bedeutendsten Literaturen den Platz ein, der ihr gebührt. Mit einem Vorwort der Herausgeber Mit Faksimiles der mittelalterlichen Handschriften Mit Karten der Handlungsorte der Sagas Mit einem Glossar
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Seitenzahl: 445
Die Saga von den Leuten aus dem Laxárdal
Isländersagas
Herausgegeben von Klaus Böldl, Andreas Vollmer und Julia Zernack
Aus dem Altisländischen von Karl-Ludwig Wetzig
Fischer e-books
Mit einer Einleitung von Karl-Ludwig Wetzig
Aus dem Altisländischen von Thomas Esser
Mit einem Vorwort der Herausgeber
Mit Faksimiles der mittelalterlichen Handschriften
Mit einer Karte der Handlungsorte der Saga
Mit einem Glossar
Die Isländersagas (Íslendingasögur) sind umfangreiche Prosaerzählungen in altisländischer Sprache, entstanden im 13. und 14. Jahrhundert. Sie gelten als der wichtigste Beitrag Islands zur Weltliteratur und sind in viele Sprachen übersetzt worden, mehrfach auch ins Deutsche. Die vorliegende Ausgabe präsentiert eine breite Auswahl dieser Sagas in neuen deutschen Übertragungen, ergänzt durch eine Reihe thematisch und stilistisch verwandter Erzählungen (þættir) aus derselben Epoche. In ihrer novellenhaften Kürze und Pointiertheit legen sie zusammen mit den Isländersagas in eindrucksvoller Weise Zeugnis ab von der im Mittelalter einzigartigen Erzählkunst Islands.
Viele Übersetzer haben zum Entstehen der neuen Ausgabe beigetragen. Wenn die Übertragungen dadurch einen je individuellen Ton bekommen haben, dann ist dies durchaus beabsichtigt. Denn die Originaltexte haben bei allen Gemeinsamkeiten doch immer eine deutlich eigene Prägung, die auch in der Übersetzung noch durchscheint. Damit die Sagas als literarische Kunstwerke für sich wirken können, sollten sie von allen erläuternden Zusätzen möglichst frei bleiben. Für das Verständnis unverzichtbare Anmerkungen der Übersetzer sowie Karten zur geographischen Orientierung finden sich in einem Anhang. Den größeren kultur- und literaturgeschichtlichen Zusammenhang erschließt der Begleitband.
April 2011
Die Herausgeber
Laxdœla saga
Aus dem Altisländischen und mit einer Einleitung von Karl-Ludwig Wetzig
Aus dem Altisländischen von Thomas Esser
Eine Seite aus der berühmtesten mittelalterlichen Handschrift mit Isländersagas, der Möðruvallabók (»Buch aus Möðruvellir«), entstanden Mitte des 14. Jahrhunderts. Die abgebildete Seite zeigt den Text der Saga von den Leuten aus dem Laxárdal. Gut zu lesen ist in der rechten Spalte der Name Bolli mit der B-Initiale, der Beginn von Kapitel 45.
Der aufwändig gestaltete Anfang der Saga von den Leuten aus dem Laxárdal in einer 1746–1747 von dem Pfarrer Tyrfingur Finnsson geschriebenen, sonst überwiegend schmucklosen Papierhandschrift.
Die Saga von den Leuten aus dem Laxárdal gehört nicht nur zu den umfangreichsten Isländersagas, sie ist aufgrund einiger Besonderheiten auch eine der bemerkenswertesten und wichtigsten. Gleich ihr Anfang enthält eine Erzählung von der frühen Besiedlung Islands, die zur Matrix für einen Gründungsmythos der isländischen Nation geworden ist: Männer und Frauen aus Norwegen verlassen aus Freiheitswillen lieber Haus und Hof in der Heimat und wandern zu unbekannten Inseln aus, als sich einem Herrscher zu unterwerfen.
Bemerkenswert ist die zentrale Rolle, die eine Frau in dieser Auswanderergeschichte spielt. Unn die Weise (oder die sehr Reiche, je nach Überlieferung ihres Beinamens) bringt nicht nur ihre Kinder und Enkel heil durch kriegerische Ereignisse auf den Britischen Inseln bis nach Island, sondern wird dort auch zur ersten und zeit ihres Lebens tonangebenden Siedlerin, die weite Landstriche im Westen der Insel in Besitz nimmt, und zur Stammmutter nahezu aller wichtigen Personen der Saga. Angefangen bei ihren verfeindeten Urenkeln, den Halbbrüdern Hrút und Höskuld, über den pracht- und friedliebenden Sohn des Letzteren, Ólaf Pfau, bis hin schließlich zu der wohl ritterlichsten Gestalt der gesamten Sagawelt, Bolli Bollason dem Prächtigen, der gegen Ende der Saga am Hof des byzantinischen Kaisers in Konstantinopel zu Ruhm und Ansehen kommt. Insgesamt umspannt die Handlung dieser Familiengeschichte einen Zeitraum von bald zweihundert Jahren (ca. 870 – 1070) mit einer entsprechenden Zahl von Generationen und handelnden Personen.
Den Kern der Saga macht die im Mittelteil stehende unglückliche Liebes- und Dreiecksbeziehung zwischen Guðrún Ósvífsdóttir und den eng befreundeten Ziehbrüdern Kjartan und Bolli aus. Ihre Verwicklungen und ihr tragischer Ausgang verleihen der Saga der Leute aus dem Laxárdal einen in der Gattung einzigartigen, geradezu romantischen Schimmer, der Leserinnen und Leser bis heute immer wieder sehr für diese Saga eingenommen hat. So jung, wie man deswegen vermuten könnte, ist die Saga jedoch nicht. Die Zeit ihrer Niederschrift lässt sich mit guten Gründen auf die beiden Jahrzehnte zwischen etwa 1230 und 1250 einschränken. Es war genau die Zeit, in der am Hof des norwegischen Königs Hákon IV. in Bergen französische oder anglonormannische höfische Versepen wie der Tristan oder Chrétien de Troyes Erec und viele andere in die damals noch gemeinsame Volkssprache Norwegens und Islands übersetzt wurden. Der namentlich nicht bekannte Autor der Saga hat zumindest einige dieser Werke gekannt, denn er hat erkennbar versucht, die einheimische Gattung der Saga auf die Höhe dieser Epen, des Neusten und Modernsten, was die europäische Literatur auf dem Kontinent damals zu bieten hatte, zu heben. Das lässt sich anhand allgemeiner Stilzüge, in Beschreibungsvorlieben, in der sprachlichen Angleichung an wichtige Schlüsselkonzepte aus dem Bereich der höfischen und ritterlichen Kultur bis hin zu einzelnen Wörtern sehr genau erkennen, und man hat nicht zuletzt darum immer wieder von der »Modernität« dieser Saga gesprochen. Nimmt man noch den im Vergleich zu anderen Sagas weitaus fließenderen und wortreicheren Stil des glänzenden Erzählers hinzu, der der Autor dieser Saga zweifellos war, dann trägt das zur Erklärung bei, weshalb die Saga von den Leuten aus dem Laxárdal bis heute zu den meistgelesenen Vertreterinnen ihrer Gattung zählt.
Ein Mann hieß Ketill Flatnef, Sohn des Björn Buna. Er war ein reicher Herse in Norwegen und stammte aus einer angesehenen Familie. Er lebte im Romsdal in der nach diesem Tal benannten Landschaft. Sie liegt zwischen Nord- und Sunnmøre. Zur Frau hatte Ketill Flatnef Yngvild, die Tochter des berühmten Ketill Veð. Sie hatten fünf Kinder. Einen der Söhne nannte man Björn aus dem Osten, einen zweiten Helgi Bjólan. Þórunn Hyrna hieß eine Tochter Ketills, die die Frau Helgi des Mageren wurde, und der war ein Sohn von Eyvind dem Norweger und der Rafarta, einer Tochter des Irenkönigs Kjarval. Unn Djúpúðga war die zweite Tochter Ketills, die Ólaf Hvíti bekam, ein Sohn des Ingjald, Sohn des Dänenkönigs Fróði Frækni, den die Svertlingar erschlugen. Jórunn Manvitsbrekka hieß die dritte Tochter Ketills. Sie war die Mutter Ketills, des verrückten Christen, der in Kirkjubær Land nahm. Sein Sohn war Ásbjörn, der Vater Þorsteinns, der wiederum der Vater Surts war und der Vater des Gesetzessprechers Sighvat.
Gegen Ende von Ketills Tagen wurde die Herrschaft von König Harald Schönhaar so drückend überlegen, dass Könige anderer Gegenden oder sonstige Mächtige nicht mehr bestehen konnten, sofern nicht er ihnen einen Titel verlieh. Als Ketill davon hörte, dass König Harald ihm das Gleiche zudachte wie anderen Großen, nämlich für getötete Verwandte keine Buße mehr fordern zu dürfen und selbst zu einem Dienstmann herabgedrückt zu werden, da rief er seine Angehörigen zusammen und eröffnete ihnen Folgendes: »Euch ist unser Verhältnis zu König Harald hinlänglich bekannt, und ich brauche es nicht noch einmal eigens darzulegen, denn wir müssen dringend über neue Schwierigkeiten reden, die uns bevorstehen. König Haralds feindselige Einstellung uns gegenüber ist mir inzwischen bestätigt worden, und mir scheint, von ihm können wir wenig Sicherheit erwarten. Wie es aussieht, bleiben uns nur zwei Möglichkeiten, entweder wir verlassen das Land oder wir werden einer nach dem anderen in unseren Betten erschlagen werden. Ich persönlich zöge es vor, den gleichen Todestag wie meine Freunde und Verwandten zu haben, aber ich möchte euch mit dem, was ich jetzt sage, nicht in eine schwierige Lage bringen, denn mir ist eure Einstellung bekannt, dass ihr mich auch dann nicht im Stich lassen wollt, wenn es einigen Mut erfordert, bei mir zu bleiben.«
Ketills Sohn Björn sagte darauf: »Meinen Willen habe ich schnell erklärt. Ich will dem Beispiel respektabler Männer folgen und das Land verlassen. Ich glaube nicht dadurch größer zu werden, dass ich zu Hause auf die Knechte König Haralds warte, die uns von unseren Besitzungen vertreiben oder gar umbringen werden.«
Beifall erhob sich, und man fand, das sei beherzt gesprochen. Es wurde der Beschluss gefasst, dass sie auswandern wollten, denn die Söhne Ketills drängten sehr darauf, und niemand sprach sich dagegen aus. Björn und Helgi wollten nach Island fahren, denn sie meinten, von dort viel Vorteilhaftes gehört zu haben, das Land sei gut und man brauche es nicht einmal zu kaufen, es trieben Wale an, und es gebe jede Menge Lachs. Fischen könne man das ganze Jahr über.
»Zu diesen Fischgründen komme ich auf meine alten Tage nicht mehr«, bemerkte Ketill und legte seine eigenen Pläne offen. Er wollte übers Meer lieber nach Westen segeln, da lasse es sich gut leben. Er kannte jene Länder gut, denn er hatte dort ausgedehnte Raubzüge unternommen.
Im Anschluss gab Ketill ein großes Fest. Bei dem verheiratete er seine Tochter Þórunn Hyrna mit Helgi dem Mageren, wie bereits geschrieben wurde. Danach bereitete Ketill seine Ausreise nach Westen übers Meer vor. Seine Tochter Unn begleitete ihn und ebenfalls viele andere, die zu ihm hielten. Die Söhne Ketills fuhren im gleichen Sommer nach Island und ebenso ihr Schwager Helgi der Magere. Björn Ketilson erreichte mit seinem Schiff den Breiðafjord im Westen, segelte in den Fjord hinein und an seinem südlichen Ufer entlang bis dahin, wo ein weiterer Fjord ins Land einschneidet; dort erhob sich ein hoher Berg auf einer Landzunge, und nicht weit vor dem Ufer lag eine Insel. Björn verkündete, da wollten sie sich für eine Weile niederlassen. Mit einigen Männern ging er an Land und erkundete es in Ufernähe; viel Raum war nicht zwischen Strand und Berg. Doch ihm erschien der Ort bewohnbar. In einer Bucht fand Björn die Pfeiler seines Hochsitzes angetrieben; da glaubten sie, ihnen sei der Platz zum Bau ihres Hauses gewiesen worden. Dann ergriff Björn Besitz von allem Land zwischen dem Fluss Stafá und dem Hraunsfjord und richtete sich an dem Ort ein, der seitdem nach ihm Bjarnarhöfn heißt. Ihn selbst nannte man Björn den Ostmann. Seine Frau war Gjaflaug, eine Tochter Kjallaks des Älteren; ihre Söhne waren Óttar und Kjallak. Der Sohn des Letzteren hieß Þorgrím; er wurde der Vater von Víga-Styr und Vermund. Eine Tochter Kjallaks hieß Helga. Sie bekam Vestar auf Eyri, der Sohn Þórólf Blöðruskallis, der Eyri als Erster in Besitz nahm. Ihr Sohn war Þórlák, der Vater Steinþórs auf Eyri.
Helgi Bjólan landete mit seinem Schiff an der Südküste, nahm ganz Kjalarnes zwischen Kollafjord und Hvalfjord und lebte bis zu seinem Tod auf Esjuberg.
Helgi der Magere erreichte mit seinem Schiff die Nordküste und nahm den gesamten Eyjafjord zwischen Siglunes und Reynisnes und wohnte in Kristnes. Von ihm und Þórunn stammt das Geschlecht der Eyfirðingar.
Ketill Flatnef führte sein Schiff nach Schottland und wurde dort von hochstehenden Leuten freundlich empfangen, denn er war ein berühmter Mann und von bester Abstammung. Sie boten ihm an, sich niederzulassen, wo und wie es ihm beliebte. Ketill und sein Anhang siedelten sich dort an, bis auf seinen Enkel Þorsteinn, der sogleich einen Kriegszug durch weite Teile Schottlands unternahm und überall den Sieg davontrug. Später schloss er ein Abkommen mit den Schotten und erhielt das halbe Land, dessen König er wurde. Verheiratet war er mit Þuríð Eyvindardóttir, einer Schwester Helgis des Mageren. Die Schotten hielten sich nicht lange an das Abkommen und brachen ihm die Treue. Ari Þorgilsson der Gelehrte berichtet über den Tod Þorsteinns, dass er bei Caithness gefallen sei.
Unn Djúpúðga hielt sich auf Caithness auf, als ihr Sohn Þorsteinn fiel; und nachdem sie die Nachricht erhalten hatte, dass Þorsteinn umgekommen war – auch ihr Vater war bereits gestorben –, da glaubte sie, ihre Macht dort nicht wieder aufrichten zu können. Daraufhin ließ sie heimlich im Wald einen Knörr bauen, und als das Schiff fertig war, belud sie es, und sie hatte eine Menge an Hab und Gut zu verstauen. Sie nahm all ihre Angehörigen mit sich, die noch am Leben waren, und man ist allgemein der Ansicht, dass sich kaum ein anderes Beispiel finden lässt, in dem eine Frau aus solchem Unfrieden mit derart großem Reichtum und so großem Gefolge entkommen ist. Daraus darf man schließen, dass sie anderen Frauen weit überlegen war.
Unn hatte eine ganze Reihe von Männern in ihrer Begleitung, die viel wert und von vornehmer Abstammung waren. Unns hochrangigster Begleiter hieß Koll. Er stammte aus der vornehmsten Familie von allen und trug den Titel eines Hersen. Dann gehörte noch ein Mann namens Hörð zu Unns Begleitung, ebenfalls aus bester Familie und sehr angesehen.
Als sie zur Abfahrt bereit war, nahm Unn mit ihrem Schiff Kurs auf die Orkneys und hielt sich eine Weile dort auf. Da verheiratete sie Þorsteinns Tochter Gró. Sie wurde die Mutter der Greilöð, die Jarl Þorfinn zur Frau nahm, der Sohn von Jarl Torf-Einar, einem Sohn des Jarls Rögnvald von Møre. Ihr Sohn war Hlöðver, der Vater Jarl Sigurðs, des Vaters von Jarl Þorfinn, und aus dieser Linie stammen sämtliche Jarle der Orkneyingar.
Danach fuhr Unn weiter zu den Färöern und blieb auch dort eine Zeitlang. Da verheiratete sie die zweite Tochter Þorsteinns mit Namen Ólöf. Daraus ging die beste Familie der Inseln hervor, die man Götuskeggjar nannte.
Als Nächstes bereitet Unn ihren Aufbruch von den Färöern vor und erklärt der Besatzung ihres Schiffs, nun wolle sie nach Island. Mit sich nimmt sie den Sohn von Þorsteinn dem Roten, Ólaf Feilan, und seine noch unverheirateten Schwestern. Darauf sticht sie in See, hat eine gute Überfahrt und erreicht Land an der Südküste bei Vikrarskeið; dort aber zerschellt das Schiff, die Menschen allerdings können sich retten und die Ladung bergen.
An der Spitze von zwanzig Mann sucht Unn ihren Bruder Helgi auf. Als sie dort eintrifft, geht er ihr entgegen und lädt sie ein, sie mit neun Männern ihrer Begleitung bei sich aufzunehmen. Sie aber antwortet verärgert, sie habe nicht gewusst, dass er ein so kleinlicher Mensch sei, und reitet davon. Stattdessen will sie ihren Bruder Björn am Breiðafjord aufsuchen, und als der von ihrem Kommen erfährt, reitet er ihr mit großem Gefolge entgegen, heißt sie großartig willkommen und lädt sie mit ihrer gesamten Begleitmannschaft zu sich ein, denn er kannte ihren hochmütigen Stolz. Ihr gefiel das alles sehr, und sie dankte ihm für seine noble Art. Den Winter über blieb sie bei ihm, und man bewirtete sie auf großzügige Weise, denn Mittel dazu waren vorhanden, und es wurde an nichts gespart.
Im nächsten Frühjahr setzte sie über den Breiðafjord und kam zu einer Landzunge, wo sie ihr Frühstück einnahmen. Dort heißt es seitdem Dögurðarnes oder Frühstückskap, und das springt bei den Meðalfellsströnd vor. Dann lief sie mit ihrem Schiff in den Hvammsfjord ein, kam zu einer weiteren Landzunge und hielt sich eine Weile dort auf. Da verlor Unn ihren Kamm, und es heißt dort seitdem Kambsnes. Anschließend erkundete sie alle Täler des Breiðafjords und nahm von so viel Land Besitz, wie es ihr gut dünkte. Dann ließ Unn ihr Schiff ganz ans Ende des Fjords steuern; da lagen die Hochsitzpfeiler an Land getrieben, und damit war es für sie offenbar, wo sie ihren Wohnsitz nehmen sollte. Da, wo es seitdem Hvamm heißt, ließ sie einen Hof erbauen und wohnte dort. Im gleichen Frühjahr, in dem Unn in Hvamm Haus und Hof errichtete, erhielt Koll Þorgerð zur Frau, die Tochter Þorsteinns des Roten. Die Hochzeitsfeier richtete Unn aus, und sie gab Þorgerð das gesamte Laxárdal als Mitgift. Koll erbaute da einen Hof am Südufer der Laxá. Er war ein äußerst angesehener Mann. Ihr Sohn war Höskuld.
Anschließend verteilte Unn an mehrere Männer Land aus ihrer Landnahme. Hörð verlieh sie das ganze Hörðadal bis zur Skraumuhlaupsá. Er wohnte auf Hörðabólstad und war ein herausragender Mann mit zahlreichen bedeutenden Nachkommen. Sein Sohn war Ásbjörn Auðgi, der auf Ásbjarnarstaðir im Örnólfsdal lebte. Er hatte Þorbjörg zur Frau, die Tochter des Miðfjord-Skeggi. Ihre Tochter hieß Ingibjörg, die Illugi Svarti heiratete. Deren Söhne waren Hermund und Gunnlaug Ormstunga. Man nannte die Familie die Gilsbekkingar.
Zu ihren Leuten sagte Unn: »Nun sollt ihr den Lohn für euren Einsatz erhalten, und uns fehlt es jetzt auch nicht an Mitteln, euch eure Mühe und euren guten Willen zu vergelten. Es ist euch bekannt, dass ich Erp, dem Sohn des Jarl Meldun, die Freiheit geschenkt habe. Ich wollte einen Mann von solch hoher Abkunft nicht Knechtsnamen tragen lassen.« Und sie gab ihm Sauðafellsland zwischen den Flüssen Tunguá und Miðá. Seine Kinder waren Orm und Ásgeir, Gunnbjörn und Halldís, die Álf in den Dalir zur Frau nahm.
Sökkólf gab sie Sökkólfsdal, wo er bis in sein Alter wohnen blieb. Einer ihrer Freigelassenen hieß Hundi, er stammte aus Schottland; dem verlieh sie Hundadal. Vífill war ein vierter Knecht von Unn. Dem schenkte sie Vífilsdal. Die vierte Tochter Þorsteinn Rauðs hieß Ósk. Sie war die Mutter von Þorsteinn Surt dem Klugen, der die Sommerschaltwoche einführte. Þórhild hieß die fünfte Tochter Þorsteinns, die Mutter Álfs in den Dalir, von dem viele ihre Abstammung herleiten. Seine Tochter war Þorgerð, die spätere Frau von Ari Másson auf Reykjanes, dem Sohn von Atli, dem Sohn von Úlf Skjálgi und Björg Eyvindardóttir, einer Schwester Helgis des Mageren. Vigdís schließlich hieß die sechste Tochter Þorsteinns. Von ihr kommen die Leute auf Höfði im Eyjafjord.
Ólaf Feilan war das jüngste von Þorsteinns Kindern. Er war ein großer und starker Mann, sah gut aus und war ausgesprochen tüchtig. Unn schätzte ihn mehr als alle anderen, und sie erklärte ihren Leuten, es sei ihr Wille, dass Ólaf nach ihrem Tod auf Hvamm ihren gesamten Besitz erben solle. Damals wurde Unn schon sehr altersmüde. Sie rief Ólaf Feilan zu sich und sagte: »Ich habe darüber nachgedacht, mein Enkel, dass es für dich Zeit ist, dir eine Frau zu suchen und zu heiraten.« Ólaf stimmte ihr zu und erklärte, er würde sich darin ganz nach ihrem Rat richten. Darauf sagte Unn: »Am liebsten wäre mir, wenn wir deine Hochzeit gegen Ende dieses Sommers feiern könnten. Dann lässt sich am ehesten alles beschaffen, denn es ist meine Absicht, möglichst viele unserer Verwandten dazu einzuladen, weil es das letzte von mir ausgerichtete Fest sein soll.« Ólaf antwortete: »Das ist gut gesprochen. Ich möchte aber nur eine Frau heiraten, die weder dein Vermögen noch dein Ansehen schmälert.«
Im gleichen Herbst bekam Ólaf Feilan Álfdís zur Frau. Die Hochzeit fand in Hvamm statt. Unn ließ sie sich eine Menge kosten, denn sie lud auch hochstehende Gäste aus anderen Landesteilen dazu ein. Ihre Brüder Björn und Helgi Bjólan kamen beide mit zahlreichem Gefolge. Dala-Koll, der Mann ihrer Enkelin Þorgerð, erschien ebenso wie Hörð aus dem Hörðadal und auch sonst noch mancher angesehene Gast. Das Fest war sehr zahlreich besucht, und doch kamen noch längst nicht alle, die Unn eingeladen hatte, denn für die aus dem Eyjafjord war es ein sehr weiter Weg.
Das Alter machte Unn inzwischen schwer zu schaffen. Darum stand sie erst mitten am Tag auf und legte sich früh wieder zu Bett. Vom Abend, wenn sie schlafen ging, bis sie sich am nächsten Tag wieder angekleidet hatte, war sie für niemanden zu sprechen, und auch wenn sich jemand nach ihrem Befinden erkundigte, konnte sie höchst ungehalten werden. An dem Tag, an dem das Fest begann, schlief sie noch länger als gewöhnlich, war aber auf den Beinen, als die Gäste eintrafen, ging ihnen entgegen und begrüßte ihre Freunde und Verwandten mit Anstand und Würde. Sie sagte, wie liebenswürdig sie es fände, dass sie von so weit hergekommen seien, »besonders möchte ich Björn und Helgi hervorheben, aber ich will euch allen danken, die ihr gekommen seid.« Dann schritt Unn ins Haus, und alle folgten ihr. Als die Gäste Platz genommen hatten, machte es großen Eindruck auf sie, wie prächtig alles war. Da sprach Unn: »Ich wende mich an Björn, meinen Bruder, und Helgi und meine übrigen Freunde und Verwandten und teile euch mit, dieses Anwesen mit allem, was ihr jetzt darin seht, vermache ich meinem Enkel Ólaf zu Besitz und freier Verfügung.« Darauf erhob sie sich und sagte, sie wolle ihr Gemach im Anbau aufsuchen, in dem sie üblicherweise schlafe, und forderte die Gäste auf, jeder solle sich vergnügen, wie es ihm beliebe, für alle aber solle es frisch gebrautes Bier geben.
Es heißt, Unn sei eine große und stattliche Frau gewesen. Mit festen Schritten durchmaß sie den Raum, und die Leute sprachen untereinander davon, dass sie noch immer eine würdevolle Erscheinung sei. Der Abend wurde mit Trinken zugebracht, bis es an der Zeit schien, schlafen zu gehen.
Am Tag suchte Ólaf Feilan das Schlafgemach seiner Großmutter Unn auf, und als er eintrat, saß sie gegen die Kissen gelehnt und war tot. Darauf ging Ólaf in den Festsaal und gab die Neuigkeit bekannt. Die Leute waren sehr beeindruckt, wie Unn bis zu ihrem Todestag ihre Würde bewahrt hatte. Darauf tranken sie auf Ólafs Hochzeit und zugleich den Leichenumtrunk für Unn.
Am letzten Tag der Feier wurde Unn in den Hügel getragen, den man für sie aufgeworfen hatte. Sie wurde in das Schiff darin gebettet und mit vielen Beigaben ausgestattet, dann warf man den Hügel wieder zu.
Ólaf Feilan übernahm mit Einverständnis seiner anwesenden Verwandten den Hof in Hvamm und allen Besitz, der dazugehörte. Als die Feier zu Ende ging, überreichte er den angesehensten unter den Gästen beim Aufbruch großzügige Geschenke. Ólaf wurde ein reicher Mann mit großer Autorität, und er wohnte sein Leben lang auf Hvamm. Seine und Álfdís’ Kinder waren Þórð Gellir, der Hróðný, eine Tochter des Miðfjord-Skeggi, heiratete und mit ihr drei Söhne bekam: Eyjólf Grái, Þórarinn Fylsenni und Þorkell Kuggi. Eine Tochter Ólaf Feilans mit Namen Þóra erhielt Þorsteinn Þorskabít zur Frau, der Sohn von Þórólf Mostrarskegg. Ihre Söhne waren Börk der Dicke und Þorgrím, der Vater des Goden Snorri. Helga hieß Ólafs zweite Tochter, die Gunnar Hlífarson bekam. Deren Töchter waren Jófríð, die zunächst Þórodd heiratete, den Sohn des Tungu-Odd, und später Þorsteinn Erlingsson, und Þórunn, die Hersteinn zur Frau bekam, der Sohn von Þorkell Blund-Ketilsson. Þórdís hieß Ólafs dritte Tochter; die heiratete der Gesetzessprecher Þórarinn Ragabróðir.
Um die Zeit, als Ólaf Hvamm übernommen hatte, wurde sein Schwager Dala-Koll krank und starb. Dessen Sohn Höskuld war noch jung an Jahren, als sein Vater starb, aber über sein Alter hinaus reif an Verstand. Höskuld war ein vielversprechender und tüchtiger Mann. Er übernahm das Erbe seines Vaters und den Hof, auf dem er gelebt hatte, der aber dann nach ihm Höskuldsstaðir genannt wurde. Höskuld gewann in seiner Umgebung bald viele Anhänger, denn er fand auch viel Unterstützung bei seinen Verwandten und den Freunden, die sich sein Vater Koll gemacht hatte.
Þorgerð Þorsteinsdóttir aber, seine Mutter, war noch eine junge und sehr attraktive Frau, der es nach Kolls Tod in Island nicht mehr gefiel. Darum erklärte sie ihrem Sohn Höskuld, dass sie mit dem ihr zustehenden Teil des Erbes nach Norwegen fahren wolle. Höskuld meinte, es sei ein schwerer Schlag für ihn, wenn sie sich trennen sollten, aber er würde sich ihr auch darin nicht widersetzen. Daraufhin erwarb er für sie die Hälfte eines Schiffs, das bei Dögurðarnes aufgebockt stand, und Þorgerð machte sich mit reicher Ausstattung zur Ausreise bereit. Dann stach Þorgerð in See. Das Schiff hatte eine gute Überfahrt und erreichte Norwegen. Dort fand Þorgerð noch zahlreiche angesehene Verwandte und viele hochgestellte Bekannte vor; die nahmen sie wohlwollend auf und boten ihr jede erdenkliche Hilfe, die sie von ihnen annehmen wollte. Þorgerð akzeptierte das gern und sagte, sie habe vor, sich im Land niederzulassen.
Sie war noch nicht lange Witwe, als ihr ein Mann namens Herjólf einen Antrag machte. Er stand im Rang eines Lehnsmanns des Königs, war sehr begütert und hochangesehen. Dieser Herjólf war groß und stark, nicht gerade eine Schönheit, aber eine sehr männliche Erscheinung und der Beste aller Kämpfer. Über diese Werbung konnte Þorgerð selbst entscheiden, da sie Witwe war, und auf Anraten ihrer Verwandten wies sie den Antrag nicht zurück. Sie vermählte sich mit Herjólf und zog zu ihm. Bald fassten sie auch große Zuneigung zueinander. Ebenso zeigte sich bald, was für eine prächtige Frau Þorgerð war; Herjólfs Lebensverhältnisse und Haushaltung erschienen nun weitaus besser und würdiger als vorher, ehe er eine solche Frau bekam, wie Þorgerð eine war.
Herjólf und Þorgerð hatten noch nicht lange zusammengelebt, als ihnen ein Sohn geboren wurde. Man begoss den kleinen Kerl mit Wasser und gab ihm einen Namen; sie nannten ihn Hrút.
Als er heranwuchs, wurde er früh stark und kräftig; er war größer und besser gewachsen als jeder andere, hatte breite Schultern, schmale Hüften und kräftige Arme und Beine. Hrút sah ungewöhnlich gut aus, ganz wie Þorsteinn, sein Großvater mütterlicherseits, oder Ketill Flatnef. Er war in jeder Hinsicht ein außergewöhnlicher Mann. Herjólf aber erkrankte und starb, was den Leuten als großer Verlust erschien. Darauf zog es Þorgerð nach Island zurück; sie wollte ihren Sohn Höskuld aufsuchen, denn er stand ihr von allen Menschen am nächsten. Hrút aber blieb wohlversorgt bei seinen Verwandten zurück. Þorgerð machte sich auf die Reise nach Island und kam zu ihrem Sohn Höskuld im Laxárdal. Er nahm seine Mutter in allen Ehren auf, sie verfügte über ein großes Vermögen und lebte bei Höskuld bis zu ihrem Tod. Wenige Winter später bereits bekam Þorgerð eine tödliche Krankheit und starb. Man setzte sie in einem Hügel bei, und Höskuld nahm ihr gesamtes Vermögen an sich, obwohl die Hälfte davon doch seinem Bruder Hrút zustand.
In jener Zeit herrschte Hákon Aðalsteinsfóstri über Norwegen. Höskuld war Mitglied seines königlichen Gefolges und hielt sich abwechselnd einen Winter bei König Hákon und den folgenden zu Hause auf seinem eigenen Hof auf. Er war sowohl in Norwegen als auch in Island ein berühmter Mann.
Björn hieß ein Mann; er hatte in dem nach ihm benannten Bjarnarfjord Land genommen und lebte dort. Dieser Fjord schneidet nördlich des Steingrímsfjords ins Land ein, und zwischen ihnen ragt der Rücken einer Halbinsel ins Meer vor. Björn war ein Mann von guter Herkunft und sehr reich. Seine Frau hieß Ljúfa, ihre Tochter Jórunn. Sie war eine schöne Frau und eingebildet hochmütig, dabei außergewöhnlich intelligent. Sie galt als die beste Partie in den gesamten Westfjorden. Von dieser Frau hatte Höskuld gehört und ebenso, dass Björn der größte Bauer von ganz Strandir sein sollte. Mit einem Gefolge von neun Mann brach Höskuld von zu Hause auf und besuchte den Bauern Björn im Bjarnarfjord. Er wurde dort gut aufgenommen, denn Björn wusste, wen er vor sich hatte. Da brachte Höskuld seinen Antrag vor, und Björn nahm ihn positiv auf und erklärte, er dächte, seine Tochter könnte wohl kaum besser verheiratet werden, doch trotzdem werde er sie nach ihrem Einverständnis fragen. Als sie mit Jórunn über die Angelegenheit sprechen, antwortet sie folgendermaßen: »Wir haben von dir nur Gutes gehört, Höskuld, und würden deinen Antrag deshalb annehmen, denn wir glauben, die Frau, die dich heiratet, ist in guten Händen. Allerdings soll hier mein Vater entscheiden, und ich werde mit dem einverstanden sein, was er möchte.« Ob sie nun kürzer oder länger über die Sache sprachen, jedenfalls war das Ergebnis, dass Jórunn Höskuld mit reichlicher Mitgift versprochen wurde. Die Hochzeit sollte auf Höskuldsstaðir stattfinden. Im Anschluss an diese Verlobung ritt Höskuld nach Hause und blieb dort bis zum verabredeten Zeitpunkt. Björn kam von Norden mit ansehnlichem Gefolge; auch Höskuld hatte viele Leute aus der Umgebung eingeladen, Freunde wie Verwandte, und es wurde ein prächtiges Fest. Als es zu Ende ging, kehrte jeder in guter Freundschaft und großzügig beschenkt nach Hause zurück.
Jórunn Bjarnardóttir blieb auf Höskuldsstaðir und führte die Wirtschaft gemeinsam mit Höskuld. An der Art, wie sie sich dabei anstellte, war bald abzulesen, dass sie klug und überlegt handelte und sich mit vielen Dingen auskannte, aber auch immer ein wenig hochmütig bleiben würde. Ihr Zusammenleben mit Höskuld war gut und nicht viel darin grauer Alltag.
Höskuld wurde nun ein einflussreicher Mann; er besaß Macht und war ehrgeizig, und es fehlte ihm nicht an Vermögen. Er galt in keiner Hinsicht für geringer als sein Vater Koll. Höskuld und Jórunn lebten noch nicht lange zusammen, als sie Kinder bekamen. Der älteste Sohn erhielt den Namen Þorleik, ein zweiter hieß Bárð. Eine Tochter namens Hallgerð wurde später Langbrók gerufen, Hallgerð mit den langen Hosen. Eine weitere Tochter hieß Þuríð. Alle ihre Kinder entwickelten sich vielversprechend. Þorleik wurde groß und stark und eine stattliche Erscheinung, war schweigsam und ein Einzelgänger. Die Leute glaubten Anzeichen in seinem Charakter zu sehen, dass er einmal ein nicht sehr verträglicher Mensch werden würde. Höskuld behauptete ständig, er käme ganz auf die mütterliche Familie von den Strandir. Auch Bárð Höskuldsson wuchs zu einem gutaussehenden, kräftigen und intelligenten jungen Mann heran, doch schien er mehr nach der väterlichen Seite zu schlagen. Bárð war schon in seiner Jugend ein umgänglicher und freundlicher Mensch, Höskuld mochte ihn von allen seinen Kindern am liebsten. Sein Haus stand nun in hoher Blüte und genoss großes Ansehen. Um diese Zeit verheiratete Höskuld seine Schwester Gró mit dem alten Véleif. Ihr Sohn war Holmgang-Bersi.
Hrapp hieß ein Mann, der im Laxárdal auf der nördlichen Flussseite wohnte, Höskuldsstaðir gegenüber. Dieser Hof hieß seitdem Hrappsstaðir; jetzt ist er verödet. Hrapp war der Sohn eines Manns mit Namen Sumarliði und wurde Víga-Hrapp genannt, der Totschläger. Durch seinen Vater war er schottischer Herkunft, doch seine ganze mütterliche Familie saß auf den Hebriden, wo auch er zur Welt gekommen war. Er war groß und stark und wollte niemals nachgeben, selbst wenn andere beträchtlich in der Überzahl waren. Und da er nun einmal, wie geschrieben wurde, ein unangenehmer Zeitgenosse war und für das, was er verbrochen hatte, keine Buße zahlen wollte, floh er nach Westen übers Meer und kaufte das Land, auf dem er sich dann ansiedelte. Seine Frau, die Tochter eines Hallsteinn, hieß Vigdís, ihr gemeinsamer Sohn Sumarliði. Vigdís’ Bruder war Þorsteinn Surt, der damals, wie ebenfalls geschrieben wurde, auf Þórsnes wohnte. Sumarliði wurde dort als Pflegesohn aufgezogen und ließ gute Anlagen erkennen. Þorsteinn war verheiratet gewesen, doch war seine Frau gestorben. Er hatte zwei Töchter, Guðríð hieß die eine, Ósk die andere. Guðríð nahm Þorkell Trefill auf Svignaskarð zur Frau; er war ein Sohn von Björn dem Roten, ein angesehener Anführer unter den Bauern und ein schlauer Kopf. Þorsteinns Tochter Ósk wurde einem Mann namens Þórarinn aus dem Breiðafjord gegeben. Der war ein zupackender und sympathischer Kerl und zog zu seinem Schwiegervater, denn Þorsteinn wurde schon etwas altersschwach und war sehr auf ihre Fürsorge angewiesen.
Hrapp war nicht nach dem Geschmack der meisten und erlaubte sich Übergriffe gegen seine Nachbarn. Manchmal ließ er ihnen gegenüber fallen, ihnen würde das Leben in seiner Nähe sauer werden, falls sie einmal einem anderen Mann als ihm den Vorzug geben wollten. Alle Bauern aber kamen darin überein, zu Höskuld zu gehen und ihm ihre schwierige Lage zu schildern. Höskuld forderte sie auf, ihm zu melden, wenn Hrapp sich etwas zuschulden kommen ließe, »denn er soll mich weder an Gut noch an Menschen schädigen.«
Þórð Goddi hieß ein Mann, der im Laxárdal auf der Nordseite des Flusses wohnte. Goddastaðir wird der Hof seitdem genannt. Þórð war ein schwerreicher Mann, hatte aber keine Kinder. Das Land, auf dem er lebte, hatte er gekauft. Er war Hrapps Nachbar und hatte oft unter ihm zu leiden. Höskuld hielt aber seine Hand über ihn, so dass er seinen Wohnsitz behielt. Vigdís hieß seine Frau; sie war eine Tochter Ingjalds, eines Sohns von Ólaf Feilan. Somit war sie eine Nichte des Þórð Gellir, mütterlicherseits aber eine Nichte Þórólf Rauðnefs. Der war ein verwegener Kämpfer und hatte sich ein Vermögen erworben. Seine Verwandten und Freunde wandten sich oft an ihn, wenn sie Schutz brauchten. Vigdís aber hatte man eher des Geldes wegen als für handgreifliche Hilfe verheiratet. Ihr Mann Þórð besaß einen Sklaven namens Ásgaut, der mit ihm nach Island gekommen war. Er war kräftig und geschickt, und auch wenn er Knecht gerufen wurde, konnten sich wenige, obwohl sie sich Freie nannten, mit ihm messen. Seinem Herrn aber verstand er zu dienen. Þórð besaß noch mehr Sklaven, obwohl nur dieser eine erwähnt wird.
Þórð am nächsten wohnte im Laxárdal ein Mann namens Þorbjörn Skrjúp, ebenfalls reich, vor allem an Gold und Silber. Er war groß und verfügte über Bärenkräfte. Kleinen Leuten gegenüber war er alles andere als großzügig.
Höskuld Dala-Kollsson meinte, es sei seinem Ansehen abträglich, dass die Gebäude auf seinem Hof nicht so waren, wie er sie sich wünschte. Daher kaufte er einem Hjaltländer von den Shetlandinseln dessen Schiff ab, das in der Mündung der Blandá lag. Er rüstete es aus und erklärte, er wolle eine Fahrt ins Ausland unternehmen. Jórunn übernahm die Obhut über den Hof und die Kinder. Darauf stachen die Männer in See, bekamen guten Wind und erreichten Norwegen recht weit im Süden, in Hordaland, da, wo später die Stadt Bergen gegründet wurde. Dort setzte er sein Schiff an Land, und dort besaß er eine Menge Angehörige und Freunde, obwohl deren Namen hier nicht aufgezählt werden. König Hákon hielt sich zu dieser Zeit in Vík auf. Höskuld suchte ihn erst gar nicht auf, mit solch offenen Armen empfingen ihn die Seinen. Den Winter über blieb alles still.
Zu Beginn des nächsten Sommers segelte der König mit der aufgebotenen Flotte ostwärts zu den Brenneyjar und erneuerte den Frieden für sein Land, wie es die Gesetze für jeden dritten Sommer vorsahen. Dieses Treffen der Mächtigsten war dazu bestimmt, Dinge zu verhandeln, in denen die Entscheidung den Königen vorbehalten war. Es galt als Vergnügungsreise, diese Versammlung zu besuchen, denn dorthin kamen Menschen aus nahezu allen Ländern, die uns bekannt sind. Auch Höskuld ließ sein Schiff zu Wasser und wollte dorthin, da er den König im vergangenen Winter nicht aufgesucht hatte. Eine Handelsmesse wurde da ebenfalls abgehalten. Da kamen viele Menschen zusammen, und es gab viel Abwechslung, Gelage und Spiele und alle Arten von Vergnügungen, aber große Ereignisse trugen sich nicht zu.
Höskuld traf etliche seiner Bekannten, die in Dänemark lebten, und eines Tages, als er sich mit einigen Kumpanen amüsieren ging, sah er ein festlich herausgeputztes Zelt abseits der übrigen Buden stehen. Höskuld ging dorthin und trat ein. Drinnen saß ein Mann in kostbaren Baumwollkleidern aus dem Osten und mit einem russischen Pelzhut auf dem Kopf. Höskuld fragte ihn nach seinem Namen, und er antwortete, er heiße Gilli, »aber viele kennen mich eher mit meinem Beinamen; ich werde Gilli Gerzki genannt.«
Da meinte Höskuld, er habe diesen Namen schon oft gehört, und bezeichnete ihn als den Reichsten in der gesamten Kaufmannschaft. »Dann«, sagte er, »musst du doch etwas im Angebot haben, was wir gern kaufen möchten.« Gilli erkundigte sich, was seine Kunden denn wünschten. Höskuld sagte, er wolle gern eine Sklavin kaufen, »falls du eine im Angebot hast.«
»Ihr wollt mich wohl in Verlegenheit bringen, indem Ihr etwas haben möchtet, von dem Ihr glaubt, dass ich es nicht vorrätig habe«, sagte Gilli, »aber noch ist es nicht ausgemacht, ob das wirklich so ist.«
Höskuld fiel erst da auf, dass quer durch das Zelt ein Vorhang gespannt war. Gilli lüftete den Vorhang, und Höskuld sah, dass dahinter zwölf Frauen saßen. Gilli sagte, Höskuld solle hingehen und sich umsehen, ob er eine dieser Frauen kaufen wolle. Das tat Höskuld. Die Frauen saßen alle in einer Reihe nebeneinander. Höskuld inspizierte sie eingehend. Eine saß ganz am Rand an der Zeltwand in abgerissenen Kleidern. Soweit er sehen konnte, schien Höskuld die Frau selbst aber gut auszusehen, und er fragte: »Wie teuer wäre diese hier, wenn ich sie kaufen wollte?«
»Für die sollst du drei Mark Silber zahlen.«
»Ich habe den Eindruck, du veranschlagst diese Magd ziemlich teuer«, erwiderte Höskuld. »Das ist ja das Dreifache des üblichen Preises.«
»Ganz recht«, sagte Gilli, »sie ist mir mehr wert als andere. Such dir unter den elf übrigen eine aus und bezahle eine Mark Silber für sie; die andere aber behalte ich.«
»Erst muss ich wissen, wie viel das Silber wiegt, das ich hier im Beutel an meinem Gürtel habe«, sagte Höskuld und bat Gilli, die Waage zu holen, während er an seinem Geldbeutel nestelte.
Da sagte Gilli: »Bei diesem Geschäft will ich dir meinerseits nichts vormachen; die Frau hat nämlich einen schweren Makel, und ich will, dass du das weißt, Höskuld, bevor wir den Handel abschließen.«
»Und der wäre?«, wollte Höskuld wissen.
»Die Frau ist stumm«, erklärte Gilli. »Ich habe auf viele verschiedene Weisen versucht, sie zum Sprechen zu bringen, aber nie ein Wort aus ihr herausbekommen. Daher bin ich wirklich überzeugt, diese Frau kann nicht sprechen.«
Darauf sagt Höskuld: »Hol die Waage, und lass uns sehen, wie viel das Silber wiegt, das ich hier habe.«
Gilli tat es, sie wogen das Silber, und es waren genau drei Mark.
Da sagte Höskuld: »Es sieht so aus, als ob das unser Handel sein sollte. Nimm du das Geld, und ich nehme die Frau. Ich muss sagen, du hast dich sehr anständig verhalten, denn du hast mich wirklich nicht hinters Licht führen wollen.«
Dann ging Höskuld zu seiner Hütte zurück. Noch in derselben Nacht schlief er mit der Frau. Als am nächsten Morgen alle aufstanden und sich anzogen, sagte Höskuld: »An den Kleidern, die dir der reiche Gilli verpasst hat, ist wenig Reiches zu sehen; aber andererseits ist es auch richtig, dass es ihn mehr kostet, zwölf Frauen zu kleiden, als mich nur eine einzige.« Damit schloss Höskuld eine Truhe auf, entnahm ihr ein gutes Frauengewand und gab es der Frau. Da waren sich alle einig, dass ihr teure Kleider gut standen.
Nachdem die Mächtigen ihre Angelegenheiten verhandelt hatten, wie es den Gesetzen entsprach, wurde die Versammlung geschlossen. Darauf suchte Höskuld König Hákon auf und machte ihm seine Aufwartung, wie es sich geziemte. Der König musterte ihn und sagte: »Wir hätten deine Grüße auch schon früher entgegengenommen, Höskuld, aber wir wollen es auch jetzt noch tun.«
Darauf sprach der König voller Güte mit Höskuld und lud ihn ein, an Bord seines eigenen Schiffes zu kommen, »und bleibe so lange bei uns, wie du in Norwegen weilen möchtest.«
Höskuld antwortete: »Habt Dank für Eure Einladung, aber diesen Sommer habe ich sehr viel zu tun. Auch dass ich Euch erst so spät aufsuchen konnte, hängt damit zusammen, dass ich mir Holz für den Hausbau besorgen möchte.«
Der König wies ihn daraufhin an, mit seinem Schiff in die Vík zu fahren. Höskuld hielt sich eine Weile beim König auf; der verschaffte ihm Bauholz und ließ sein Schiff beladen. Dann sprach er zu Höskuld: »Du brauchst dich nicht länger bei uns aufzuhalten, als es dir gefällt, aber uns scheint, es dürfte uns schwerfallen, deinen Platz mit einem anderem zu besetzen.« Darauf geleitete der König Höskuld zu seinem Schiff und sagte: »Ich habe dich als einen Mann von Ehre kennengelernt, doch leider muss ich annehmen, du bist jetzt in der Zeit meiner Regierung zum letzten Mal in Norwegen gewesen.« Damit zog er einen goldenen Reif vom Arm, der eine ganze Mark wog, und reichte ihn Höskuld, außerdem schenkte er ihm noch ein Schwert, das eine halbe Mark Gold wert war. Höskuld dankte dem König für diese Gaben und all die Ehre, die er ihm erwiesen hatte. Dann bestieg er sein Schiff und segelte davon.
Sie bekamen günstigen Fahrtwind und erreichten die Südküste Islands. Sie segelten westlich um Reykjanes herum und an Snæfellsnes vorbei und liefen dann in den Breiðafjord ein. Höskuld landete an der Mündung der Laxá und ließ dort das Schiff entladen, das anschließend ein Stück flussaufwärts auf Land gesetzt wurde. Ein Bootsschuppen wurde darüber errichtet, dessen Fundamente noch heute zu sehen sind. Daneben erbauten sie einige mit Zeltdächern überspannte Hütten, und deswegen heißt der Ort Búðadal. Dann ließ Höskuld das Holz nach Hause schaffen. Das ging gut, weil es von dort nicht mehr weit zum Hof war. Nachdem alles erledigt war, ritt Höskuld mit einigen Männern nach Hause und wurde, wie zu erwarten, freudig begrüßt. Tiere und Besitz waren in bestem Zustand. Jórunn fragte, wer die Frau sei, die er mitgebracht habe, und Höskuld antwortete: »Du glaubst jetzt vielleicht, ich halte dich zum Besten, aber ich kenne ihren Namen nicht.«
»Dann«, erwiderte Jórunn, »ist entweder das Gerücht eine Lüge, das mir zu Ohren gekommen ist, oder du hast mindestens ebenso viel mit ihr geredet, als wenn du sie nach dem Namen gefragt hättest.«
Höskuld meinte, das wolle er nicht abstreiten, und sagte ihr die Wahrheit, bat sie auch, die Frau anständig zu behandeln, und erklärte, er wünsche, dass sie in den Haushalt aufgenommen werde.
Jórunn antwortete: »Ich werde mich nicht mit einer Bettgespielin streiten, die du dir aus Norwegen mitgebracht hast, selbst wenn sie keine Manieren haben sollte, aber mir scheint, sie ist obendrein auch noch taub und stumm.«
Seit er zu Hause war, schlief Höskuld jede Nacht bei seiner Frau und war nur selten bei seiner Geliebten. Jedermann sah gleich ihr vornehmes Wesen und dass sie keinesfalls zurückgeblieben war. Gegen Ende des Winters brachte sie einen kleinen Jungen zur Welt. Höskuld wurde hinzugerufen, und man zeigte ihm das Kind. Wie die anderen auch, glaubte er, nie ein schöneres und prächtigeres Kind gesehen zu haben. Man fragte ihn, wie der Junge heißen solle. Er gab ihm den Namen Ólaf, denn sein Onkel Ólaf Feilan war kurz zuvor gestorben. Der kleine Ólaf war ein außergewöhnliches Kind, und er wurde der Augapfel seines Vaters.
Im folgenden Sommer verlangte Jórunn, dass die Zweitfrau eine Arbeit übernehmen oder andernfalls verschwinden solle. Höskuld trug ihr auf, ihm und Jórunn aufzuwarten und sich ansonsten um den Kleinen zu kümmern. Als der Junge zwei Jahre alt war, konnte er bereits richtig sprechen und verhielt sich auch sonst wie ein Vierjähriger. Eines Morgens, Höskuld war früh hinausgegangen, um auf dem Hof nach dem Rechten zu sehen, die Sonne schien, stand aber noch tief, da hörte er Stimmen und ging dorthin, wo ein Bach über einen Wiesenabhang hinabfiel, und da erblickte er zwei ihm wohlbekannte Menschen: Ólaf und seine Mutter. Da stellte Höskuld fest, dass sie keineswegs stumm war, denn sie unterhielt sich munter mit ihrem Jungen. Höskuld ging auf die beiden zu und fragte sie nach ihrem Namen, jetzt würde es nichts mehr nützen, sich zu verstellen. Die Frau meinte, das sei wohl richtig, und sie setzten sich miteinander auf die abschüssige Wiese. Dann sprach sie: »Gut, wenn du meinen Namen wissen willst, ich heiße Melkorka.«
Höskuld wollte Genaueres über ihre Herkunft erfahren.
»Mein Vater heißt Mýrkjartan. Er ist König in Irland. Als ich fünfzehn Jahre alt war, bin ich von dort geraubt worden.«
Da meinte Höskuld, sie habe viel zu lange eine so edle Abkunft verschwiegen. Dann ging er ins Haus und erzählte Jórunn, was für eine Überraschung seine Reise mit sich gebracht hatte. Jórunn erwiderte, man könne nicht wissen, ob sie überhaupt die Wahrheit sage, und ihr seien im Übrigen alle dahergelaufenen schrägen Vögel herzlich gleichgültig. Damit beendeten sie das Gespräch. Jórunn verhielt sich Melkorka gegenüber von da an keineswegs besser, doch Höskuld besuchte sie nun häufiger.
Kurze Zeit später, als Jórunn einmal zu Bett gehen wollte, kleidete Melkorka sie aus und stellte gerade die Schuhe auf den Fußboden, als Jórunn die Strümpfe nahm und sie ihr um die Ohren haute. Da fuhr Melkorka wütend auf und schlug ihr die Faust auf die Nase, dass Blut herauslief. Höskuld ging dazwischen und trennte sie. Daraufhin entfernte er Melkorka aus dem Haushalt und baute ihr weiter oben im Laxárdal ein kleines Heim. Da heißt es seitdem Melkorkastaðir, doch jetzt ist es dort wüst. Es liegt südlich der Laxá. Melkorka richtete sich dort ein, und Höskuld versah sie mit allem, was sie brauchte. Der kleine Ólaf kam mit ihr. Als er größer wurde, war ihm bald anzusehen, dass er andere Männer einmal an Aussehen und höfischen Tugenden übertreffen würde.
Ingjald hieß ein Mann; er lebte auf den Sauðeyjar, die liegen im Breiðafjord. Man nannte ihn Sauðeyjargode; er war reich und mächtig. Sein Bruder hieß Hall; er war groß und stark, aber arm. Die meisten hielten ihn für einen Nichtsnutz. Selten waren die beiden einer Meinung. Ingjald war der Ansicht, Hall finde sich allzu selten bereit, sich wie ein vernünftiger Mensch aufzuführen, Hall dagegen meinte, Ingjald würde ihn viel zu wenig unterstützen.
Im Breiðafjord gibt es gute Fischgründe bei den Bjarneyjar. Sie bilden eine Gruppe von vielen Inselchen und waren sehr ertragreich. In jener Zeit wurde dort viel gefischt, und in jeder Fangzeit kamen da viele Männer zusammen. Besonnenen Leuten war darum sehr daran gelegen, dass man dort draußen friedlich miteinander umging. Es hieß, Streitigkeiten brächten Unglück beim Fischen, und die meisten verhielten sich entsprechend.
Eines Sommers, wird erzählt, kam Hall, der Bruder Ingjalds des Sauðeyjargoden, zu den Bjarneyjar, um dort auf Fischfang zu gehen. Dazu tat er sich mit einem Mann namens Þórólf zusammen. Der stammte aus dem Breiðafjord, war kaum mehr als ein mittelloser Herumtreiber, aber ein gewitzter Kerl. Hall hält sich eine Weile dort auf und benimmt sich, als sei er allen anderen überlegen. Eines Abends kommen er und Þórólf an Land und wollen ihren Fang aufteilen, da will Hall sowohl teilen als auch wählen, weil er sich für etwas Besseres hält. Þórólf aber will nicht nachgeben und stimmt ein großes Geschrei an. Ein heftiger Wortwechsel entspinnt sich, und jeder will seinen Kopf durchsetzen. Da greift Hall nach einem eisernen Fanghaken, der neben ihm liegt, und will ihn Þórólf in den Schädel schlagen. Doch andere Männer springen dazwischen und fangen Hall ab, er aber ist völlig außer sich, kommt allerdings diesmal nicht damit durch, und ihr Fang wird nicht geteilt.
Þórólf verschwand noch am gleichen Abend, und Hall behielt den gesamten Fang – da zeigte sich, wer von beiden der Stärkere war. Hall heuerte einen neuen Mann an und fuhr wie zuvor zum Fischen aus. Þórólf konnte sich indes mit seinem Abschneiden in der Sache schlecht abfinden und fand, dass er eine schmähliche Schlappe erlitten hatte. Dennoch blieb er weiterhin auf den Inseln und nahm sich fest vor, den Nagel wieder geradezuklopfen, der ihm so gegen seinen Willen krummgeschlagen worden war. Hall schöpfte nicht den leisesten Verdacht und fühlte sich sicher, dass ihm in seinem eigenen Revier keiner das Wasser reichen konnte. An einem schönen Tag rudert er mit zwei anderen Männern hinaus, und der Fisch beißt gut an diesem Tag. Am Abend rudern sie zurück und sind sehr vergnügt. Þórólf hat Halls Pläne für den Tag in Erfahrung gebracht und postiert sich gegen Abend an der Bootslände, als Hall mit seinen Genossen zurückkommt. Hall sitzt auf der vordersten Ruderbank und springt über Bord, um das Boot an Land zu ziehen. Als er das Ufer erreicht, steht Þórólf auf einmal neben ihm und versetzt ihm einen Hieb. Er trifft den Hals über den Schultern, und der Kopf fliegt herab. Darauf läuft Þórólf davon, während Halls Gefährten herbeistürzen.
Die Nachricht von Halls Ermordung sprach sich auf den Inseln herum und galt als ein folgenschwerer Zwischenfall, denn immerhin stammte Hall aus einer einflussreichen Familie, wenn er selbst auch kein reicher Mann gewesen war. Þórólf wollte die Inseln verlassen, denn er konnte nicht darauf hoffen, dass ihm irgendwer nach dieser Großtat dort Schutz gewähren würde. Er besaß dort auch keine Verwandten, auf die er sich hätte stützen können, vielmehr saßen Männer in der näheren Umgebung, die ihm mit Sicherheit nach dem Leben trachten würden und über große Macht verfügten, wie Halls Bruder Ingjald der Sauðeyjargode. Immerhin fand Þórólf jemanden, der ihn zum Festland übersetzte. Dort bewegte er sich ganz im Verborgenen, und von seiner Flucht ist nichts bekannt, ehe er eines Abends auf Goddastaðir auftauchte. Vigdís, die Frau von Þórð Goddi, war weitläufig mit ihm verwandt, und deshalb wandte er sich dorthin. Außerdem hatte Þórólf schon früher davon gehört, dass Vigdís mehr Mumm in den Knochen hatte als ihr Mann.
An dem Abend, an dem Þórólf dort ankommt, sucht er Vigdís auf, erzählt ihr von seinen Schwierigkeiten und bittet sie um Hilfe.
Vigdís antwortet ihm folgendermaßen: »Ich leugne unsere Verwandtschaft nicht, und für das, was du getan hast, werde ich dich keinen schlechten Kerl nennen, aber ich glaube, wer dir beispringt, bringt alles, was er hat, und sich selbst in Gefahr, denn derart mächtige Leute werden sich der Sache annehmen. Mein Þórð aber ist kein großer Held«, sagt sie, »und die Ratschläge von uns Frauen sind meist wenig weitsichtig, wenn’s drauf ankommt; trotzdem will ich mich nicht ganz drücken, wo du nun schon einmal hierhergekommen bist, um Hilfe zu suchen.«
Darauf führt sie Þórólf in einen abseits stehenden Speicher, weist ihn an, er solle da auf sie warten, und legt anschließend den Riegel vor. Dann geht sie zu Þórð. »Es ist ein Mann zu Besuch gekommen, der Þórólf heißt. Er ist entfernt mit mir verwandt, und es sieht so aus, als hätte er einen längeren Aufenthalt hier nötig, wenn du nichts dagegen hast.«
Þórð meint, er sei nicht dafür, dass sich Leute bei ihm einquartierten, der Mann könne sich seinetwegen für einen Tag bei ihnen ausruhen, sofern er nichts ausgefressen habe, sonst solle er sich aber gleich wieder vom Hof scheren.
Da entgegnet Vigdís: »Ich habe ihm schon Unterkunft zugesagt und will mein Wort nicht zurücknehmen, obwohl er nicht mit allen gut Freund ist.«
Dann erzählte sie Þórð von der Ermordung Halls und dass dieser Þórólf, der jetzt zu ihnen gekommen sei, ihn erschlagen habe. Da wurde Þórð wütend und sagte, er sei sicher, dass ihm Ingjald ein hohes Bußgeld für dieses Asyl abknöpfen werde, das nun schon gewährt worden sei, »denn hier sind hinter diesem Mann Türen verriegelt worden.«
Darauf erwiderte Vigdís: »Für eine Nacht Unterschlupf soll dir Ingjald kein Geld abnehmen, denn der Mann wird den ganzen Winter hierbleiben.«
Þórð sagte: »Du bringst mich so in größte Schwierigkeiten, und es geht mir ganz wider meinen Willen, dass ein solcher Unglücksrabe sich hier aufhalten soll.«
Trotzdem blieb Þórólf den ganzen Winter über dort.
Ingjald, der den Mord an seinem Bruder zu verfolgen hatte, bekam Wind davon. Gegen Ende des Winters ließ er ein großes Lastboot, das er besaß, für eine Fahrt zu den Dalir klarmachen. Zu zwölft segelten sie unter einem stürmischen Nordwestwind von Westen in den Fjord und landeten gegen Abend in der Mündung der Laxá, zogen das Boot an Land und erschienen am Abend in Goddastaðir, wo sie allerdings nicht unerwartet kamen. Sie wurden freundlich willkommen geheißen. Ingjald nahm Þórð auf ein Gespräch beiseite und nannte den Grund seines Kommens, er habe nämlich erfahren, dass sich Þórólf, der Mörder seines Bruders, auf dem Hof aufhalte. Þórð stritt das ab. Ingjald meinte, er solle es doch nicht leugnen, »und ich schlage dir einen Handel vor: Du lieferst mir den Mann aus und lässt mich nicht erst Gewalt anwenden; ich zahle dir im Gegenzug drei Mark Silber und verklage dich nicht dafür, dass du diesem Þórólf Unterschlupf gewährt hast.«
Þórð fand das eine ansehnliche Summe, und zudem wurde ihm der Verzicht auf das in Aussicht gestellt, was er am meisten gefürchtet hatte, dass ihn die Sache ein empfindliches Bußgeld kosten könnte. Deshalb antwortete er: »Was wir hier besprochen haben, bleibt unter uns, aber der Handel gilt.« Dann gingen sie zu Bett und schliefen bis kurz vor Tagesanbruch.
Dann standen Ingjald und seine Männer auf und kleideten sich an. Vigdís fragte Þórð, was er am Vorabend mit Ingjald besprochen habe. Er gab zurück, sie hätten sich über vieles unterhalten und seien übereingekommen, dass eine Hausdurchsuchung vorgenommen werde und sie aus der Sache heraus seien, wenn Þórólf nicht bei ihnen gefunden würde. »Ich habe den Mann von meinem Knecht Ásgaut wegbringen lassen.«
Vigdís meinte, sie halte nichts von Lügen und ebenso wenig davon, dass Ingjald in ihrem Haus herumschnüffele, aber Þórð solle tun, was er für richtig halte. Anschließend durchsuchte Ingjald das Haus und fand den Mann nicht. In der Zwischenzeit kam Ásgaut zurück, und Vigdís fragte ihn, wo er Þórólf gelassen habe.
»Ich habe ihn zu unseren Schafställen gebracht, wie Þórð befohlen hat«, antwortete Ásgaut.
»Gibt es etwas, das näher an Ingjalds Weg zurück zum Schiff liegt?«, fragte Vigdís. »Und sollten sie das nicht gestern Abend zusammen so ausgeheckt haben? Ich will, dass du sofort losgehst und den Mann so schnell wie möglich wegbringst. Begleite ihn zu Þórólf auf Sauðafell. Wenn du tust, was ich dir auftrage, wirst du auch etwas davon haben, dann werde ich dir die Freiheit schenken und so viel Geld, dass du gehen kannst, wohin du willst.«
Ásgaut erklärte sich einverstanden, lief zu den Schafställen zurück, traf dort Þórólf und erklärte ihm, sie müssten so schnell wie möglich aufbrechen.