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»Ein isländischer Schriftsteller kann nicht leben, ohne beständig über die alten Bücher nachzudenken.« Halldór Laxness Der Stellenwert, den die Isländersagas im kulturellen Gedächtnis der Isländer einnehmen, ist enorm. Bis heute haben die fesselnden Geschichten rund um die Besiedelung der nordischen Insel nicht an Leuchtkraft verloren: Die Prosatexte aus dem 13. und 14. Jahrhundert sind eine Sternstunde der Geistesgeschichte Europas – und können hier in einer breiten Auswahl bewundert werden. Mit der vorliegenden Neuedition öffnet sich dem Leser ein Tor in eine Welt, die beseelt ist von wütenden Außenseitern, starken Frauen und Rechtskundigen, von Rache, Totschlag und Buße, aber auch von Schadenszauber und Wiedergängern und nicht zuletzt abenteuerlichen Reisen in ferne Länder. Die Isländersagas sind Weltliteratur. Die ›Isländersagas‹ - vorgelegt von den besten literarischen Übersetzern und angereichert mit wissenschaftlichen Zusatzinformationen - räumen einer der bedeutendsten Literaturen den Platz ein, der ihr gebührt. Mit einem Vorwort der Herausgeber Mit Faksimiles der mittelalterlichen Handschriften Mit Karten der Handlungsorte der Sagas Mit einem Glossar
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Seitenzahl: 166
Die Saga von den Verbündeten
Isländersagas
Herausgegeben von Klaus Böldl, Andreas Vollmer und Julia Zernack
Aus dem Altisländischen von Mathias Kruse
Fischer e-books
Mit einer Einleitung von Mathias Kruse
Mit einem Vorwort der Herausgeber
Mit Faksimiles der mittelalterlichen Handschriften
Mit einer Karte der Handlungsorte der Saga
Mit einem Glossar
Die Isländersagas (Íslendingasögur) sind umfangreiche Prosaerzählungen in altisländischer Sprache, entstanden im 13. und 14. Jahrhundert. Sie gelten als der wichtigste Beitrag Islands zur Weltliteratur und sind in viele Sprachen übersetzt worden, mehrfach auch ins Deutsche. Die vorliegende Ausgabe präsentiert eine breite Auswahl dieser Sagas in neuen deutschen Übertragungen, ergänzt durch eine Reihe thematisch und stilistisch verwandter Erzählungen (þættir) aus derselben Epoche. In ihrer novellenhaften Kürze und Pointiertheit legen sie zusammen mit den Isländersagas in eindrucksvoller Weise Zeugnis ab von der im Mittelalter einzigartigen Erzählkunst Islands.
Viele Übersetzer haben zum Entstehen der neuen Ausgabe beigetragen. Wenn die Übertragungen dadurch einen je individuellen Ton bekommen haben, dann ist dies durchaus beabsichtigt. Denn die Originaltexte haben bei allen Gemeinsamkeiten doch immer eine deutlich eigene Prägung, die auch in der Übersetzung noch durchscheint. Damit die Sagas als literarische Kunstwerke für sich wirken können, sollten sie von allen erläuternden Zusätzen möglichst frei bleiben. Für das Verständnis unverzichtbare Anmerkungen der Übersetzer sowie Karten zur geographischen Orientierung finden sich in einem Anhang. Den größeren kultur- und literaturgeschichtlichen Zusammenhang erschließt der Begleitband.
April 2011
Die Herausgeber
Bandamanna saga
Aus dem Altisländischen und mit einer Einleitung von Mathias Kruse
Mit einer prachtvollen, über zwölf Zeilen reichenden O-Initiale beginnt die Saga von den Verbündeten in dieser sonst ganz schmucklosen Handschrift vom Ende des 17. Jahrhunderts, in Kanzleischrift von der Hand des Schreibers Þórður Þórðarson.
Bei der Saga von den Verbündeten hat man es einmal nicht mit der tragischen Geschichte eines Nachbarschafts- oder Familienstreits zu tun, der eskaliert und viele der Beteiligten ins Unglück stürzt, sondern mit einer kurzweiligen Geschichte von den Verlockungen der Macht und des Geldes, die mehr Komödie ist als Tragödie.
Die Geschichte spielt im Vergleich zu anderen Isländersagas spät, etwa um die Mitte des 11. Jahrhunderts. Ihren Namen trägt sie ausnahmsweise nicht nach der zentralen Figur der Saga, dem jungen und aufstrebenden Odd Ófeigsson – heutzutage würde man ihn wohl als Selfmademan bezeichnen –, sondern nach dessen Widersachern, den sogenannten Bandamenn, den »Verbündeten«, einer Gruppe von acht mächtigen Männern, die sich gegen ihn zusammenschließen. Sein enormes, mit ausgeprägtem Geschäftssinn und einem Quäntchen Glück erworbenes Vermögen ist es, das die Missgunst und den Neid jener Männer weckt, die ihn gemeinsam um sein Gold erleichtern wollen.
Den Auftakt der Auseinandersetzung bildet ein Prozess, den Odd gegen Óspak zu führen beginnt, einen kräftigen Hünen von zweifelhafter Gesinnung, der sich zunächst Odds Freundschaft erworben hatte, dessen wahrer Charakter sich jedoch offenbart, als auch er den Verlockungen der Macht zu erliegen beginnt und es durch unglückliche Umstände dazu kommt, dass Óspak Odds Ziehbruder Váli erschlägt. Schon in diesem Prozess wenden sich zwei der späteren Verbündeten gegen Odd und lassen die gegen Óspak erhobene Klage wegen einer bloßen Formsache scheitern, so dass schließlich nur das Eingreifen des alten Ófeig, der die Richter besticht, noch die Ächtung Óspaks herbeiführen kann. Gerade dieser Bestechungsakt ist es jedoch, der nun die acht »Großen« auf den Plan ruft, die ihre Chance wittern, an Odds Vermögen zu gelangen. Sie nehmen die Bestechung zum Anlass, Odd zu verklagen. Durch geschicktes Taktieren und unter Anwendung weiterer Bestechungsgelder und Heiratsversprechungen, aber auch mit Hilfe offener Drohungen beginnt der alte Ófeig, der sich wiederum in der Verantwortung sieht, auf dem Allthing schließlich die Anklage der Verbündeten zu sabotieren.
Als eigentlicher Held der Geschichte entpuppt sich damit der weise und verschlagene Ófeig, der seinem Sohn Odd im Verlauf der Saga auch zunehmend den Rang abläuft – ein Grund, weshalb die Saga auch schon als die »Geschichte vom durchtriebenen Ófeig« herausgegeben wurde. Während die Figur des Odd selbst nämlich vergleichsweise blass bleibt und kaum Eigenleben entwickelt, gehört der alte Ófeig unzweifelhaft zu den Figuren, die der Leser im Gedächtnis behält.
Mit ihren außergewöhnlich zahlreichen Dialogen und den unzähligen darin enthaltenen, offenen wie versteckten Anklagen und Vorwürfen, wie man sie sich etwa auf dem Allthing gegenseitig an den Kopf wirft, entpuppt sich die Saga von den Verbündeten als Satire, die vor allem die sozialen Verhältnisse der Entstehungszeit der Saga – wohl des ausgehenden 13. Jahrhunderts – offenlegt und kritisiert. So werden die meisten der Verbündeten, mächtige Männer, die man fast alle auch aus anderen Sagas kennt – Hermund etwa aus der Saga von Gunnlaug Schlangenzunge, Gellir aus der Saga von den Leuten aus dem Laxárdal, der Saga von den Leuten am Ljósavatn und dem Isländerbuch, wo man ihm deutlich mehr Achtung entgegenbringt –, hier der Lächerlichkeit preisgegeben und regelrecht vorgeführt.
Ófeig hieß ein Mann, der wohnte auf der westlichen Seite des Miðfjordes auf jenem Hof, der den Namen Reykir trägt. Er war ein Sohn Skíðis, und seine Mutter hieß Gunnlaug. Deren Mutter war Járngerð, die Tochter Ófeig Járngerðarsons aus dem Norden aus Skörð. Er war verheiratet, und seine Frau hieß Þorgerð und war eine Tochter Vális. Sie war eine Frau, die aus einer angesehenen Familie stammte und der niemand an Tüchtigkeit gleichkam. Ófeig war ein Mann von außergewöhnlichem Verstand und in seiner Weitsicht auch ein äußerst beliebter Ratgeber. Er war in jeglicher Hinsicht ein bedeutender Mann, auch wenn ihm das Geld bisweilen etwas knapp war. Er besaß viel Land, doch kaum anderweitiges Vermögen. Und auch wenn die notwendige Versorgung des Hofes schon schwierig genug war, geizte er niemandem gegenüber mit dem Essen. Er gehörte zu den Thingleuten von Styrmir aus Ásgeirsá, der damals dort im Westen als der wichtigste Mann galt.
Ófeig hatte mit seiner Frau einen Sohn, der Odd hieß. Er war ein gutaussehender junger Mann, der schnell erwachsen wurde. Von seinem Vater wurde ihm nicht viel Liebe entgegengebracht. Odd zeigte keine große Lust, auf dem Hof mit anzupacken.
Ein Mann hieß Váli, der im Hause Ófeigs aufwuchs. Man hielt große Stücke auf ihn, und er war sehr beliebt. Odd wuchs zu Hause bei seinem Vater heran, bis er zwölf Winter alt war. Ófeig war Odd gegenüber lange Zeit verschlossen und schätzte ihn wenig. Unter den Leuten erzählte man sich, dass niemand dort in der Gegend ein tüchtigerer Kerl sei als Odd.
Eines Tages kommt Odd zu seinem Vater, um mit ihm zu reden, und bittet ihn um Geld, »denn ich möchte von hier fort. Es ist wohl so«, sagt er, »dass du wenig von mir hältst. Für euren Hof hier bin ich auch kaum von Nutzen.«
Ófeig antwortet: »Ich werde dir keinen geringeren Anteil auszahlen als den, den du dir verdient hast. Ich werde dir zukommen lassen, was deinem Wert hier am ehesten entspricht, und dann wirst du schon sehen, wie weit du damit kommst.«
Odd sagte, dass er damit keine großen Sprünge machen könne, und damit endete das Gespräch.
Am Tag darauf nimmt Odd eine Angelschnur von einer der Holzwände im Haus, dazu alles andere, was man zum Fischen braucht, sowie zwölf Ellen Wollstoff. Er verlässt dann das Haus und verabschiedet sich von niemandem. Er geht nach Vatnsnes hinaus und schließt sich dort einer Gruppe von Fischern an, bei denen er auf Vorschuss und gegen Leihgebühr erhält, was er am dringendsten benötigt. Und als sie erfahren, dass er aus einer angesehenen Familie stammt, und auch er selbst sich Freunde gemacht hatte, lassen sie es darauf ankommen und beteiligen ihn. Er erwarb dann alles auf Kredit und war das Jahr über mit ihnen bei ihren Fanggründen, und man erzählt sich, dass die, die mit Odd unterwegs waren, stets den besten Fang nach Hause brachten. Dort war er drei Winter und drei Sommer lang, bis es schließlich dahin gekommen war, dass er jedem zurückgezahlt hatte, was er ihm schuldete, und sich darüber hinaus noch Handelsware erworben hatte. Seinen Vater besuchte er nie, und sie taten beide so, als hätten sie nichts miteinander zu schaffen. Bei seinen Kameraden war Odd beliebt.
Da kommt es, dass er auch Transporte unternimmt und mit Waren in den Norden nach Strandir segelt, und er besorgt sich ein Fährschiff. So kommt er dann zu Geld. Schnell wächst sein Vermögen, bis er eine ganz eigene Fähre hat. Einige Sommer lang pendelt er nun zwischen Miðfjord und Strandir, und es beginnt eine Zeit, in der er zu ordentlichem Wohlstand gelangt. Da kommt es wiederum, dass ihn die Arbeit zu langweilen beginnt. Daraufhin kauft er sich bei einem Handelsschiff ein, fährt außer Landes und ist eine Zeitlang auf Handelsfahrten unterwegs, und auch dies geht ihm gut von der Hand, und seinen Gefährten ist er eine große Hilfe. So kommt er nicht nur zu einem Vermögen, sondern findet auch sein Glück. Dieser Arbeit geht er so lange nach, bis er einen eigenen Knörr besitzt und auch den Großteil der Ladung. Damit ist er auf Handelsfahrten unterwegs und wird zu einem sehr reichen und angesehenen Mann. Oft war er im Ausland bei Fürsten und Herrschern und anderen Mächtigen, und wo immer er hinkam, stand er in hohem Ansehen. Mit der Zeit wurde er so wohlhabend, dass er zwei Knörre besaß, die beide auf Handelsfahrt waren. Und so sagt man sich, dass es zu jener Zeit keinen Kauffahrer mehr gegeben hätte, der so reich gewesen wäre wie Odd. Er hatte auf seinen Fahrten auch mehr Glück als andere Leute. Nördlicher als bis zum Eyjafjord kam er auf seinem Schiff nie, und auch nicht weiter in den Westen als bis zum Hrútafjord.
Man erzählt sich, dass Odd eines Sommers mit seinem Schiff in den Hrútafjord nach Borðeyri kam und vorhatte, den Winter dort zu verbringen. Da wurde von seinen Freunden der Vorschlag gemacht, er möge sich doch dort niederlassen, und auf ihre Bitte hin erklärte er sich einverstanden und kaufte sich Land am Miðfjord, da wo es Mel heißt. Er errichtete dort eine große Wirtschaft und wurde ein angesehener Hausherr auf seinem Hof, und es wird erzählt, dass diese Leistung nicht geringer geachtet wurde als seine Fahrten zuvor, und damit gab es nun im ganzen Nordland niemanden mehr, der vergleichbaren Reichtum besaß. Was Geld anging, war er besser gestellt als die meisten anderen Leute, und denen gegenüber, die bei ihm waren und seiner Hilfe bedurften, zeigte er sich hilfsbereit. Seinen Vater aber unterstützte er nie. Sein Schiff zog er am Hrútafjord an Land. Man sagt, dass hier auf Island niemand so reich wie Odd gewesen sei. Die Leute behaupten vielmehr, er habe nicht weniger Geld besessen als die drei Reichsten zusammengenommen. Sein Vermögen war in jeder Hinsicht enorm, sei es an Gold oder Silber, an Grundbesitz oder an Vieh. Váli, sein Ziehbruder, war stets an seiner Seite, ob er hier im Land war oder im Ausland. Odd saß nun auf seinem Hof in solchem Ansehen, wie jetzt erzählt wurde.
Ein Mann wurde Glúm genannt. Er wohnte auf Skriðinsenni. Das liegt zwischen dem Bitrufjord und dem Kollafjord. Er war mit einer Frau verheiratet, die Þórdís hieß. Sie war die Tochter von Ásmund Grauhaar, dem Vater von Grettir Ásmundarson. Der Sohn Glúms und seiner Frau hieß Óspak. Er war ein Hüne von kräftiger Statur, aber auch ein dreister und unangenehmer Mensch, mit dem nur schwer auszukommen war. Er fuhr schon in jungen Jahren zwischen Strandir und den nördlichen Bezirken hin und her, um Leute und Waren zu befördern. Er war ein tüchtiger Kerl und wurde stark und kräftig.
Eines Sommers kam er in den Miðfjord und bot dort seinen Fang zum Verkauf an. Und eines Tages besorgte er sich ein Pferd und ritt nach Mel hinauf, wo er Odd aufsuchte. Sie grüßten einander und tauschten Neuigkeiten aus, die man sich gerade so erzählte.
Óspak sprach: »Man darf wohl behaupten, Odd«, sagte er, »dass man über eure wirtschaftliche Lage hier nur Gutes hört. Alle loben dich in den höchsten Tönen, und jeder, der bei dir ist, ist davon überzeugt, es gut erwischt zu haben. Nun hatte ich gehofft, dass es mir genauso ergehen könnte. Ich würde gern bei dir unterkommen.«
Odd antwortet: »Über dich erzählt man sich nicht viel Gutes, und beliebt bist du wohl nicht. Du scheinst es faustdick hinter den Ohren zu haben und schlägst in der Hinsicht wohl ganz nach deiner Familie.«
Óspak erwidert: »Darüber solltest du dir dein eigenes Urteil bilden und nicht auf das Geschwätz anderer hören, denn über Gebühr lobt man wohl kaum einen. Ich verlange keine Almosen von dir. Ich würde gern unter deinem Dach unterkommen. Um die Verpflegung würde ich mich selbst kümmern, und dann wirst du sehen, was du an mir hast.«
Odd antwortet: »Du und deine Sippschaft, ihr seid schon beeindruckend, und es ist nicht leicht, es mit euch aufzunehmen, wenn euch einmal etwas gegen den Strich geht. Und so wie du mich darum bittest, dich aufzunehmen, werden wir es wohl einen Winter lang darauf ankommen lassen können.«
Óspak nimmt das dankbar an, kommt im Herbst mit seinen Vorräten nach Mel und stimmt sich Odd dort bald gewogen. Er arbeitet gut auf dem Hof mit und schuftet für zwei. Odd gefällt er sehr.
Das Winterhalbjahr vergeht, und als es Frühling wird, bietet Odd ihm an, bei ihm zu bleiben, und meint, das wäre ihm am liebsten. Er ist damit einverstanden. Óspak übernimmt nun die Verwaltung des Hofes, und der macht große Fortschritte. Allen kommt es beachtlich vor, wie sich dieser Mann entwickelt. Auch Freunde hatte er inzwischen gewonnen. Der Hof steht nun in großer Blüte, und kein anderer Haushalt kann sich an Pracht noch mit dem von Odd messen. Nur eines noch, so schien es den Leuten, fehlte Odd zum größten Ansehen, nämlich ein Godentum. Damals war es häufiger Brauch, ein neues Godentum zu errichten oder sich eines zu kaufen, und dies tat er nun. Binnen kurzem hatte er eine Schar von Thingleuten beisammen. Sie rissen sich regelrecht darum. Es blieb jetzt eine Weile lang ruhig.
Odd ist zufrieden mit Óspak und überlässt ihm auf dem Hof weitgehend die Entscheidung. Er arbeitet schwer und ist fleißig, und für den Hof ist er eine große Hilfe. Der Sommer geht vorüber, und Odd ist nun mit Óspak zufriedener als zuvor, da er jetzt noch mehr leistet. Im Herbst treibt er die Schafe von den Bergen, und sie kehren alle wohlbehalten zurück, kein Einziges geht verloren.
Der Winter verstreicht, und es wird Frühling. Odd lässt verlauten, er wolle im Sommer außer Landes fahren, und meint, dass Váli, sein Ziehbruder, solange den Hof übernehmen solle.
Váli erwidert: »Die Sache ist nur die, Bruder, dass ich keine große Übung in so etwas habe, und ich würde mich lieber um unsere Geldgeschäfte und die Handelsware kümmern.«
Odd wendet sich daraufhin an Óspak und bittet ihn, sich des Hofes anzunehmen.
Óspak erwidert: »Es läuft zwar ganz gut, solange du dabei bist, aber für mich allein ist die Verantwortung zu groß.«
Odd lässt nicht locker, doch Óspak bleibt ablehnend, obwohl er der Sache eigentlich gar nicht abgeneigt ist. So kommt es, dass er es Odd überlässt, ob er ihm seine Unterstützung und sein Vertrauen aussprechen möchte. Odd meint, so solle er seinen Besitz übernehmen, mit dem er zum mächtigsten und einflussreichsten Mann aufsteigen werde, und fügt hinzu, er habe bereits gezeigt, dass niemand anders besser für seinen Besitz sorgen könne oder wolle. Óspak meint, es liege ganz in seiner Hand. Damit endet nun ihr Gespräch.
Odd machte jetzt sein Schiff bereit und ließ Waren dorthin bringen. Das sprach sich schnell herum und war bald in aller Munde. Odd brauchte nicht lange für die Vorbereitungen. Váli begleitete ihn. Und als er alles vorbereitet hatte, kamen seine Leute noch mit ihm zum Schiff. Óspak blieb lange an seiner Seite. Sie hatten viel zu besprechen. Und als es nicht mehr weit war bis zum Schiff, sprach Odd: »Da ist noch eine Sache, die nicht geklärt ist.«
»Und was ist das?«, fragte Óspak.
»Für mein Godentum ist nicht gesorgt«, sagte Odd, »und ich möchte, dass du es übernimmst.«
»Das kommt nicht in Frage«, sagt Óspak, »so etwas liegt mir nicht. Ich habe schon mehr aufgeladen bekommen, als ich wahrscheinlich bewältigen oder gut hinbekommen werde. Dafür ist niemand so gut geeignet wie dein Vater. Er ist weiser und sehr erfahren, was Rechtsangelegenheiten angeht.«
Odd meint, dem würde er es nicht überlassen, »und ich möchte, dass du es übernimmst.«
Óspak lehnt noch ab, obwohl er es eigentlich will. Odd sagt, er würde zornig, sollte er es nicht übernehmen, und bei ihrem Abschied nimmt Óspak das Godentum an. Odd fährt nun außer Landes, und seine Reise verläuft gut, ganz wie man es von ihm gewohnt ist. Óspak kehrte nach Hause zurück, und es wurde viel über diese Sache geredet. Man war der Ansicht, Odd habe diesem Mann große Macht in die Hände gelegt.
Im Sommer ritt Óspak mit einer Gruppe Männer zum Thing, und es verlief dort gut für ihn, und er erwies sich als tüchtiger Vertreter seiner Leute. Alles ging ihm gut von der Hand, wozu er dort dem Gesetz nach verpflichtet war. Geachtet ritt er vom Thing. Er kümmerte sich sorgsam um seine Leute, so dass jeder seinen Anteil bekam, und es wurde kaum gegen sie vorgegangen. Allen seinen Nachbarn gegenüber war er zuvorkommend und hilfsbereit. Niemand war der Ansicht, der Hof wäre nun weniger prachtvoll und gastfreundlich als zuvor. Nirgendwo fehlte es an Sorgfalt, und die Wirtschaft entwickelte sich gut. Der Sommer ging nun vorüber. Er ritt zum Herbstthing und eröffnete es mit der vorgeschriebenen Zeremonie. Und als es Herbst wurde, zog er in die Berge, als die Leute die Schafe heimtrieben, und man brachte sie alle wohlbehalten nach Hause. Die Beteiligung am Abtrieb war groß, und kein einziges Schaf ging verloren, weder von seinen eigenen noch von denen, die Odd gehörten.
Da geschah es im Herbst, dass Óspak nach Norden ins Víðidal nach Svölustaðir kam. Dort wohnte die Frau, die Svala hieß. Er wurde dort in aller Gastfreundlichkeit bewirtet. Sie war eine schöne Frau und noch jung. Sie unterhielt sich mit Óspak und bat ihn darum, sich um ihren Hof zu kümmern: »Ich habe gehört, dass du ein Mann bist, der gut zu wirtschaften versteht.«
Er nahm das gut auf, und sie redeten viel. Sie fanden Gefallen aneinander und warfen sich freundliche und liebevolle Blicke zu. Und ihr Gespräch kam darauf, dass er sich erkundigte, wer die Entscheidung habe, was die Wahl ihres Mannes angehe.
»Unter den Männern, die da in Frage kommen«, sagt sie, »ist niemand näher mit mir verwandt als Þórarinn der Weise, der Gode aus dem Langadal.«
Óspak reitet daraufhin los, um sich mit Þórarinn zu treffen, und er wird dort recht freundlich empfangen. Er bringt sein Anliegen vor und bittet darum, Svala zur Frau zu bekommen.
Þórarinn antwortet: »Ich habe kein großes Verlangen, mich mit dir zu verschwägern. Es wird viel über dein Auftreten gesprochen. Mir ist klar, dass man einem wie dir gegenüber Entschlossenheit zeigen muss, und entweder übernehme ich ihren Hof und hole sie hierher zu mir, oder ihr zwei macht, was euch gefällt. Damit will ich mich jetzt nicht abgeben. Ich behaupte aber nicht, dass das nach meinem Willen geht.«
Danach reitet Óspak fort, kommt nach Svölustaðir und berichtet dort vom Stand der Dinge. Sie treffen nun selbst die Entscheidung, und Svala geht von sich aus die Verlobung mit ihm ein und zieht mit ihm nach Mel. Den Hof auf Svölustaðir aber besitzen sie gemeinsam, und sie setzen Leute ein, ihn zu verwalten. Óspak ist jetzt in Mel und führt auf dem Hof ein aufwendiges Leben. Er erschien als ein sehr überheblicher Mensch.
Der Winter geht nun vorüber, und im Sommer kommt Odd aus dem Ausland in den Hrútafjord zurück. Wieder einmal war er nicht nur zu Geld gekommen, sondern auch das Glück war ihm gefolgt. Er kehrte nach Mel zurück und verschaffte sich einen Eindruck von seinem Besitz. Er schien ihm gut verwaltet worden zu sein, und damit war er zufrieden. Der Sommer verstrich nun.
Einmal geschah es, dass Odd sich an Óspak wandte und meinte, es wäre gut, wenn er sein Godentum wieder übernähme.