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»Ein isländischer Schriftsteller kann nicht leben, ohne beständig über die alten Bücher nachzudenken.« Halldór Laxness Der Stellenwert, den die Isländersagas im kulturellen Gedächtnis der Isländer einnehmen, ist enorm. Bis heute haben die fesselnden Geschichten rund um die Besiedelung der nordischen Insel nicht an Leuchtkraft verloren: Die Prosatexte aus dem 13. und 14. Jahrhundert sind eine Sternstunde der Geistesgeschichte Europas – und können hier in einer breiten Auswahl bewundert werden. Mit der vorliegenden Neuedition öffnet sich dem Leser ein Tor in eine Welt, die beseelt ist von wütenden Außenseitern, starken Frauen und Rechtskundigen, von Rache, Totschlag und Buße, aber auch von Schadenszauber und Wiedergängern und nicht zuletzt abenteuerlichen Reisen in ferne Länder. Die Isländersagas sind Weltliteratur. Die ›Isländersagas‹ - vorgelegt von den besten literarischen Übersetzern und angereichert mit wissenschaftlichen Zusatzinformationen - räumen einer der bedeutendsten Literaturen den Platz ein, der ihr gebührt. Mit einem Vorwort der Herausgeber Mit Faksimiles der mittelalterlichen Handschriften Mit Karten der Handlungsorte der Sagas Mit einem Glossar
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Seitenzahl: 157
Die Saga von Víglund und Ketilrið
Isländersagas
Herausgegeben von Klaus Böldl, Andreas Vollmer und Julia Zernack
Aus dem Altisländischen von Thomas Esser
Fischer e-books
Mit einer Einleitung von Thomas Esser
Mit einem Vorwort der Herausgeber
Mit einer Faksimile der mittelalterlichen Handschrift
Mit einer Karte der Handlungsorte der Saga
Mit einem Glossar
Die Isländersagas (Íslendingasögur) sind umfangreiche Prosaerzählungen in altisländischer Sprache, entstanden im 13. und 14. Jahrhundert. Sie gelten als der wichtigste Beitrag Islands zur Weltliteratur und sind in viele Sprachen übersetzt worden, mehrfach auch ins Deutsche. Die vorliegende Ausgabe präsentiert eine breite Auswahl dieser Sagas in neuen deutschen Übertragungen, ergänzt durch eine Reihe thematisch und stilistisch verwandter Erzählungen (þættir) aus derselben Epoche. In ihrer novellenhaften Kürze und Pointiertheit legen sie zusammen mit den Isländersagas in eindrucksvoller Weise Zeugnis ab von der im Mittelalter einzigartigen Erzählkunst Islands.
Viele Übersetzer haben zum Entstehen der neuen Ausgabe beigetragen. Wenn die Übertragungen dadurch einen je individuellen Ton bekommen haben, dann ist dies durchaus beabsichtigt. Denn die Originaltexte haben bei allen Gemeinsamkeiten doch immer eine deutlich eigene Prägung, die auch in der Übersetzung noch durchscheint. Damit die Sagas als literarische Kunstwerke für sich wirken können, sollten sie von allen erläuternden Zusätzen möglichst frei bleiben. Für das Verständnis unverzichtbare Anmerkungen der Übersetzer sowie Karten zur geographischen Orientierung finden sich in einem Anhang. Den größeren kultur- und literaturgeschichtlichen Zusammenhang erschließt der Begleitband.
April 2011
Die Herausgeber
Víglundar saga ok Ketilríðar
Aus dem Altisländischen und mit einer Einleitung von Thomas Esser
Der Beginn der Saga von Víglund und Ketilríð, die Sigurður Magnússon zwischen 1759 und 1773 von einer gedruckten Vorlage abgeschrieben hat. Der Text beginnt mit der vergrößerten Überschrift (»Die Saga von Þorgrím Prúði und seinem Sohn Víglund«). Kapitel 1 wird mit dem Namen des Norwegerkönigs Harald Schönhaar eröffnet; die H-Initiale und der Name sind mit Blattornamenten (teils in Rot) verziert. Ganz unten in der Initiale hat der Schreiber seine Arbeit auf einen Tag im Februar 1759 datiert.
Das Hauptthema der Saga von Víglund und Ketilríð ist wie in den Skaldensagas die unerfüllte Liebe des Titelhelden zu einer Frau. Schon im Kindesalter verliebt sich Víglund in Ketilríð, die Tochter eines benachbarten Bauern, die auf dem Hof seiner Eltern aufwächst. Ihre Mutter unternimmt zahlreiche Versuche, die beiden auseinanderzubringen, und im Verlauf der daraus resultierenden Auseinandersetzungen töten Víglund und sein Bruder Ketilríðs Brüder. Sie müssen das Land verlassen. Ketilríð wird unterdessen gegen ihren Willen mit einem alten Mann verheiratet, der sie mitnimmt auf seinen Hof am anderen Ende Islands. Nach zahlreichen Abenteuern kehren die beiden Brüder zurück und werden von einem Unwetter eben dort an Land getrieben, wo Ketilríð mit ihrem Mann lebt. Er nimmt die Schiffbrüchigen auf, und es kommt zum Wiedersehen der beiden Liebenden, aber ihrem Glück steht vorerst Ketilríðs Ehe im Weg.
Die Saga von Víglund und Ketilríð ist ungefähr um das Jahr 1400 entstanden, was sie zur jüngsten Isländersaga in dieser Ausgabe macht. Sie weist zahlreiche Parallelen zu den früheren Isländersagas auf: Erzählperspektive, Sprachduktus, die charakteristischen Skaldenstrophen, die sich wie in den Skaldensagas häufig um die Geliebte drehen, dies alles ist dem Leser aus anderen Isländersagas vertraut. Sie ist aber gleichzeitig ein Produkt ihrer Zeit und weist Merkmale auf, die in früheren Sagas nicht zu finden sind. Handlung und Titelheld sind fiktiv, und insbesondere die Liebesromanze zeigt deutliche Einflüsse der Rittersagas, der altnordischen Adaptionen der kontinentalen höfischen Literatur. Auch sprachlich ragen einige für Isländersagas untypische Passagen heraus, so zum Beispiel die Beschreibung der Liebe zwischen Víglund und Ketilríð oder der letzte Abschnitt der Saga. Kontinentale Einflüsse zeigen sich auch in dem Kontrast zwischen dem höfisch-phantastischen Norwegen und dem bäuerlich-realistischen Island. Darüber hinaus ist die gesamte Saga stark von christlichen Moralvorstellungen geprägt, insbesondere im Hinblick auf Rache und Sexualität. Im Ganzen kann man sagen, dass der Verfasser der Saga von Víglund und Ketilríð nach Konventionen, die die Gattung der Isländersagas prägen, eine Liebesromanze als christliches Exemplum komponiert hat (Ellen E. Peters).
Ein besonders anschauliches Beispiel für die Übernahme nicht-isländischer Stoffe in die Saga ist die Schachszene in Kapitel 22, wo sich Víglund und Ketilríðs Ehemann am Spielbrett gegenüberstehen. Der Alte bringt Víglund an den Rand einer Niederlage, doch durch Ketilríðs Einflüsterung in Form einer Strophe kann Víglund sich in ein Remis retten. Wie Robert Nedoma gezeigt hat, adaptiert diese Szene ein arabisches Schachproblem des 10. Jahrhunderts, das als »Matt der Dilārām« bekannt ist.
Die Saga von Víglund und Ketilríð wurde häufig als klischeebeladen und wenig gelungen angesehen, da sie wegen ihrer stilistischen und inhaltlichen Abweichungen von den für klassisch gehaltenen früheren Isländersagas Verfallserscheinungen aufweise. Die neuere Forschung gibt Anlass, dieses Urteil zu revidieren. Der Leser ist aufgefordert, sich ein eigenes Bild zu machen.
Harald Schönhaar, ein Sohn Hálfdans des Schwarzen, war zu der Zeit, als sich diese Geschichte zutrug, alleiniger Herrscher über Norwegen. Er hatte schon in jungen Jahren den Thron bestiegen, war ein überaus weiser Mann und geübt in all jenen Fertigkeiten, die seiner königlichen Würde geziemten. Der König hatte ein großes Gefolge und bestimmte dazu nur hervorragende Männer, die sich durch Tapferkeit und ruhmreiche Taten ausgezeichnet hatten. Diejenigen, die der König in seinem erlesenen Gefolge haben wollte, hatten es besser als irgendwelche anderen Leute in diesem Land, weil es der König ihnen weder an Unterstützung noch an Geld mangeln ließ, wenn sie denn darauf achtgeben konnten. Ebenso war es um diejenigen schlecht bestellt, die sich seinem Willen widersetzten: Einige wurden außer Landes getrieben, andere wurden getötet. Dann beschlagnahmte der König sämtliche Besitztümer, die diese hinterließen. Viele bedeutende Menschen flohen aus Norwegen, da sie dem König keine Abgaben entrichten wollten. Diejenigen, die aus vornehmen Familien kamen, wollten lieber ihren Besitz, Freunde und Verwandte zurücklassen, als in Knechtschaft und unter dem königlichen Joch der Unterdrückung leben, und so flohen sie in verschiedene Länder.
Zu König Haralds Lebzeiten wurde Island besonders stark besiedelt, denn es kamen viele dorthin, die sich seiner Herrschaft nicht beugen wollten.
Ein Jarl hieß Þórir, er herrschte über ein Gebiet in Norwegen. Er war ein ausgezeichneter Mann und verheiratet. Er hatte eine hervorragende Frau. Der Jarl und seine Frau hatten eine Tochter namens Ólöf, sie war schon in jungen Jahren außerordentlich wohlerzogen. Sie war die schönste aller Frauen, die damals in Norwegen lebten. Daher hatte man ihr einen Beinamen gegeben: Sie wurde Ólöf Sonnenstrahl genannt.
Der Jarl liebte seine Tochter sehr und wachte eifersüchtig über sie, so dass kein Mann je mit ihr ins Gespräch kommen konnte. Er ließ ihr ein kleines Nebenhaus errichten und dieses Gebäude sorgfältig höchst kunstfertig ausstatten. Die Kemenate war über und über mit Gravuren, Ornamenten und Einlegearbeiten aus Gold verziert. Das Dach des Gebäudes war mit Blei gedeckt, und von innen war es ganz und gar bemalt. Ein hoher Zaun umgab das kleine Haus, und ein Gatter mit Türflügeln aus massivem Eisen verwehrte den Zugang. Außen war es keineswegs weniger prächtig hergerichtet als innen. Dort wohnte die Tochter des Jarls mit ihren Dienstmägden.
Der Jarl lässt auch Frauen kommen, von denen er wusste, dass sie überaus vornehm waren, und lässt sie seine Tochter in all jenen weiblichen Fertigkeiten unterrichten, die Frauen von vornehmer Herkunft beherrschen sollten. Zudem wollte der Jarl erreichen, dass seine Tochter alle Frauen ebenso in handarbeitlichen Fertigkeiten überragte, wie sie eine jede von ihnen an Schönheit übertraf, und so kam es auch.
Sobald sie alt genug war, entschlossen sich zahlreiche vornehme Männer dazu, um ihre Hand anzuhalten, aber der Jarl war sehr wählerisch, was seine Tochter betraf, und es fand sich niemand ein, dem er sie vermählen wollte. Er wies sie alle mit höflichen Worten ab. Auch sie schmähte niemanden mit Worten oder Taten, und das führte dazu, dass die Tochter des Jarls von allen hochgelobt wurde.
Nun sollen noch weitere Personen genannt werden, die in der Saga eine Rolle spielen. Ein Mann wurde Ketill genannt, er herrschte über Romerike. Ketill war ein sehr angesehener Mann von großem Reichtum, klug und beliebt. Er war mit einer Frau namens Ingibjörg verheiratet, die aus einer vornehmen Familie stammte. Sie hatten zwei Söhne, Gunnlaug und Sigurð. Beide Brüder trugen Beinamen: Gunnlaug wurde der Stolze genannt, Sigurð der Kluge. Ketill ließ seine Söhne in all jenen Fertigkeiten unterweisen, die man zur damaligen Zeit beherrschen sollte, da er selbst weitaus geschickter darin war als die meisten. Sie hielten sich Spielkameraden, denen sie Gold und andere kostbare Dinge schenkten. Die Brüder ritten für gewöhnlich mit ihren Leuten aus, um Tiere oder Vögel zu jagen. Sie waren außerordentlich geschickte Burschen.
Der Bauer Ketill war ein sehr großer Krieger. Er hatte vierundzwanzig Holmgänge bestritten und in allen den Sieg davongetragen. König Harald und er waren gute Freunde. Ketill war ein rechtskundiger Mann, es kam niemals vor, dass er in einer rechtlichen Angelegenheit den Kürzeren zog, ganz egal mit wem er es zu tun hatte. Sobald er das Wort ergriff, hatte er mit dem, was er sagte, sofort alle auf seiner Seite.
Der König bot Ketill eine höhere Stellung an und sagte, diese werde ihm sowohl im Hinblick auf sein Ansehen als auch auf manch andere Dinge gerechter als seine bisherige, aber Ketill lehnte ab, da er lieber ein einfacher Bauer bleiben wolle und er sich auch so denjenigen ebenbürtig fühle, die eine höhere Stellung innehätten. Ketill liebte seine Frau so sehr, dass er den Gedanken nicht ertrug, dass ihr ein Leid geschehen könnte. So verging einige Zeit.
Eines Tages bot König Harald Mannschaft und Schiffe für einen Kriegszug auf und wollte entlang der Küste in Richtung Süden ziehen. Er hatte sowohl die Schiffe als auch die Männer sorgfältig ausgesucht. Ketill brachte seine Söhne und ebenso ein großes, gut ausgerüstetes Gefolge dazu, den König zu begleiten. Er selbst blieb daheim, da er damals schon in hohem Alter war.
Sobald der König zur Fahrt bereit war, segelte er die Küste entlang nach Süden. Er kam im Süden nach Rogaland, dort herrschte damals ein Jarl namens Eirík. Dieser war ein mächtiger Anführer und bei seinen Leuten beliebt. Als er von der Ankunft des Königs hört, lässt er ein stattliches Fest vorbereiten. Zu diesem Gastmahl lädt er den König und dessen ganzes Gefolge ein. Der König nahm die Einladung an und ging mit seiner Mannschaft an Land. Der Jarl geleitete mit seinem gesamten Gefolge den König zu seiner Halle mit allen möglichen Musikinstrumenten, mit Liedern, mit zum Saitenspiel gesungenen Weisen und jeder Art des Zeitvertreibs, die man sich nur vorstellen konnte. Mit dieser Begrüßung hieß der Jarl den König in seiner Halle willkommen und wies ihm den Hochsitz zu. Es wurde ein außerordentlich prächtiges Fest, der König und seine Männer waren sehr ausgelassen, und um den König gut zu unterhalten, ließ es der Jarl an nichts mangeln. Da nur die besten Getränke aufgetragen wurden, waren die Leute schon bald betrunken. Der König platzierte Ketills Söhne stets in seiner Nähe, denn er schätzte sie außerordentlich. Der Jarl selbst stand vor dem König und bediente ihn und seinen Tisch persönlich. In der Halle herrschte ein fröhliches Treiben. Der König teilte die beiden Brüder zum Nachschenken ein und ließ den Jarl neben sich auf dem Hochsitz Platz nehmen. Die Brüder taten umgehend, was der König ihnen aufgetragen hatte, und sie ernteten für ihr mustergültiges Benehmen großes Ansehen.
Nachdem die Tische abgeräumt worden waren, ließ der Jarl kostbare Geschenke hereintragen, die er dem König überreichte, ebenso erhielten alle seine Leute angemessene Geschenke. Nachdem die Geschenke verteilt worden waren, ließ der Jarl eine Harfe bringen, deren Saiten abwechselnd aus Gold und Silber gemacht waren. Sie war ein überaus prächtiges Kunstwerk. Der König ergriff sie und begann sie zu spielen. Diese Harfe gab einen so vollen Klang von sich, dass es alle Anwesenden erstaunte und sie dachten, noch nie etwas Ähnliches gehört zu haben.
Da sprach der Jarl: »Ich möchte, Herr, dass Ihr zum Zeitvertreib mit mir einen Spaziergang unternehmt, da ich Euch all meinen Besitz, drinnen und draußen, Äcker und Obstgärten, zeigen möchte.«
Der König folgte der Einladung, ging mit, sah sich um und zeigte sich ziemlich beeindruckt. Sie gelangten an einen Apfelgarten, dort lag ein schöner Hain mit hübschen Blumen und saftigen Äpfeln, in dem drei Jungen miteinander spielten. Alle drei waren überaus ansehnlich, wobei einer die anderen beiden noch übertraf. Sie saßen beim Brettspiel zusammen, zwei traten gegen den Dritten an. Die beiden hatten den Eindruck, sie würden verlieren, und warfen das Spielbrett um. Da wurde derjenige, der dabei gewesen war zu gewinnen, zornig und verpasste den beiden anderen eine Ohrfeige. Anschließend gingen sie aufeinander los und rangen miteinander, zwei gegen einen, aber ebenso wie beim Brettspiel waren die beiden im Ringkampf die Unterlegenen. Da befahl der Jarl ihnen, aufzuhören und sich zu vertragen, das taten sie auch. Dann wandten sie sich wieder dem Brettspiel zu.
Danach gingen der König und sein Gefolge zur Halle zurück und ließen sich auf ihren Plätzen nieder. Es war augenfällig, dass der König an dem jungen Mann Gefallen gefunden hatte, und daher erkundigte er sich beim Jarl danach, wer diese Jungen waren.
»Das sind meine Söhne«, erzählt der Jarl.
»Haben sie alle dieselbe Mutter?«, fragt der König.
»Das ist nicht der Fall«, antwortet der Jarl.
Dann wollte der König die Namen der Jungen wissen.
Der Jarl nennt sie ihm: »Sie heißen Sigmund und Helgi, der dritte heißt Þorgrím, aber er ist ein uneheliches Kind.«
Kurz darauf betreten die drei Brüder die Halle. Þorgrím kam zuletzt herein, da er der am wenigsten Angesehene war. Der Jarl ruft die Jungen zu sich und weist sie an, vor den König zu treten. Das befolgten sie und begrüßten den König. Als sie vor ihm standen, schob Þorgrím die beiden mit den Händen fort und drängte sich zwischen sie. Er stieg auf den Fußschemel, begrüßte den König und umarmte ihn. Der König nahm den Jungen lächelnd hoch, setzte ihn neben sich hin und fragte ihn nach der Herkunft seiner Mutter. Der Junge antwortet, er sei ein Neffe des Hersen Þórir aus Sogn. Der König zog sich einen goldenen Ring vom Arm und schenkte ihn Þorgrím, der dann zu seinen Brüdern zurückging.
Das Fest verlief weiterhin prächtig, bis der König sagte, dass er aufbrechen wolle, »und für deine Freigebigkeit, die du mir erwiesen hast, sollst du dir selbst einen Lohn wählen.«
Den Jarl freute das, und er bat darum, dass der König sich seines Sohnes Þorgrím annehme. Das sei besser als alles Geld, sagte er, »weil das, was Ihr ihm gewährt, mir viel besser erscheint als alles, was Ihr mir gewähren würdet. Dass er zu Euch kommt, möchte ich auch deshalb, weil ich ihn von meinen Söhnen am meisten liebe.«
Der König stimmt zu und nimmt Þorgrím bei seinem Aufbruch gleich mit. Von Anfang an war er dem König demütigst in allem zu Diensten, was ihm sofort viele Neider am Hof einbrachte.
Eines Tages, so wird erzählt, begab sich der König zu einem großen Gastmahl zu einem Mann namens Sigurð, der war ein sehr wohlhabender Herse. Das Fest war außerordentlich prachtvoll, und es wurde an nichts gespart. Der König wies Þorgrím an, vorn zu stehen und ihm und seinen Vertrauten tagsüber einzuschenken. Viele seiner Männer hielten es für übertrieben, wie der König Þorgrím immer wieder mit Aufmerksamkeit bedachte.
Ein Verwandter Sigurðs hieß Grím, er war ein reicher und derart hochmütiger Mann, dass er die meisten anderen geringer achtete als sich selbst. Er war bei diesem Fest zugegen und saß auf dem oberen Platz in der Mitte der Längsbank, dem Hausherrn gegenüber. Þorgrím bediente tagsüber. Als er Grím ein großes Trinkgefäß reichte, stolperte er, und der Inhalt schwappte aus dem Gefäß und ergoss sich auf Gríms Kleidung. Grím wurde darüber wütend, sprang mit lautem Schimpfen auf und schrie, es sei offensichtlich, dass dieser Hurensohn es wohl eher gewohnt sei, Schweine zu hüten und ihnen den Trog vorzusetzen als ehrenwerten Männern aufzuwarten. Þorgrím erzürnten seine Worte so sehr, dass er sein Schwert zog und ihn durchbohrte. Die Leute zogen Grím tot unter den Tischen hervor. Sigurð rief seine Männer und befahl ihnen, aufzuspringen und Þorgrím zu ergreifen.
Der König sprach: »Tu das nicht, Sigurð. Grím hat durch seine Worte sein Leben verwirkt. Dennoch will ich für den Mann die volle Mannesbuße entrichten, wenn du mir das Urteil überlässt. So kann unsere Freundschaft am besten weiter Bestand haben.«
Man fügte sich dem Willen des Königs. Er bezahlte die volle Summe, und Sigurð war damit sehr zufrieden. Das Fest endete, ohne dass sich noch Weiteres ereignete. Der König trat die Heimreise an.
Er lud zahlreiche einflussreiche Männer an seinen Hof ein. Gleich zu Beginn ließ er Jarl Þórir und den Bauern Ketill von Romerike zu sich rufen. Ketill war verwitwet. Seine Frau war im Wochenbett gestorben, nachdem sie eine Tochter zur Welt gebracht hatte, die nach ihrer Mutter Ingibjörg hieß. Außerdem ließ der König noch zahlreiche andere Leute zu sich kommen, da es an nichts mangelte. Alle Leute erschienen, die zum Fest eingeladen worden waren. Ólöf Sonnenstrahl kam mit ihrem Vater zu den Festlichkeiten. Dann wurde den Leuten ein Sitzplatz zugewiesen und ein vorzügliches Getränk aufgetragen. Þorgrím übernahm die Bewirtung, und die Leute waren äußerst beeindruckt, welch tüchtiger und ehrenwerter Mann er war. Er war vornehm gekleidet, da der König große Stücke auf ihn hielt, aber es brachte Þorgrím viel Missgunst ein, denn viele am Hof fanden das übertrieben. Er erhielt einen Beinamen und wurde Þorgrím der Prächtige genannt.
Als Þorgrím Ólöf sah, verliebte er sich auf den ersten Blick in sie. Genauso erging es ihr mit ihm, und sie verliebte sich, ohne dass es jemand bemerkte. Sobald sich die Gelegenheit bot, trafen sie sich und fanden großen Gefallen aneinander. Þorgrím fragte sie, was sie antworten würde, wenn er um ihre Hand anhielte. Sie sagte, sie hätte nichts dagegen, solange ihr Vater zustimme. Am Ende des Festes trug Þorgrím seine Werbung vor und hielt um die Hand von Ólöf Sonnenstrahl an. Der Jarl stimmte dem Antrag nicht gleich zu, und so ging man unverrichteter Dinge auseinander.
Einige Zeit später suchte Þorgrím das Gespräch mit dem König und bat ihn darum, den Jarl Þórir aufsuchen zu dürfen, was der König ihm gewährte. Als Þorgrím bei Jarl Þórir eintraf, wurde er herzlich aufgenommen. Dann brachte er erneut seine Brautwerbung vor und wollte auf der Stelle wissen, wie der Jarl darüber entscheiden werde. Der Jarl antwortete, er werde ihn nicht mit seiner Tochter vermählen. Þorgrím blieb dort drei Nächte und verstand sich gut mit Ólöf. Manche Leute erzählen, sie hätten einander die Ehe versprochen. Anschließend kehrte Þorgrím vorerst zum König zurück.
Dann begab er sich auf Raubzug. Zu der Zeit war er bereits erwachsen. Er verbrachte den Sommer mit Raubzügen und erwies sich in allen Gefahren als überaus tapferer Mann. Diese Raubzüge brachten ihm Vermögen und Ansehen ein.