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Dieses Buch wirft Fragen auf: Kann man mit dem iPad Kinder erziehen? Ist es pietätlos einen toten Hund durch den Supermarkt zu tragen? Sind Massenvernichtungswaffen eigentlich ein Totschlagargument? Kann man davon leben? Und selbstverständlich: Was macht eine Wanderhure, wenn sie sich verlaufen hat? "Als Schriftsteller muss man sich gut vermarkten können, sonst geht man in der Masse unter. Die Vorstellung, dass man irgendwann von irgendwem entdeckt wird, ist ungefähr so realistisch wie meine Idee, dass ich durch einen Auftritt in der Mini-Playback-Show zu einem Rockstar hätte werden können. Leute wie ich werden nicht entdeckt, weil keiner nach uns sucht." (aus: "Lebenslauf") Ein Buch, das alles hat, was ein Buch braucht, vor allem aber Seiten.
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Seitenzahl: 172
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»Der Outdoor-Autor« wurde erstmals veröffentlicht in »Über Wachen und Schlafen – systemrelevanter Humor. Das Lesedünenbuch«, Voland & Quist 2012
Verlag Voland & Quist, Dresden und Leipzig, 2013
© by Verlag Voland & Quist – Greinus und Wolter GbR
Korrektorat: Annegret Schenkel, Leipzig
Umschlaggestaltung: Tim Jockel, Berlin
Satz: Fred Uhde, Leipzig
ISBN 978-3-86391-060-0
www.voland-quist.de
Prollog
Die schönsten Wanderwege der Wanderhure
Neustadt
Das ist doch Poesie
Platonisches Plaudern mit philosophischem Proll – Schicksal und Struktur
Blitzkrieg
Ich hasse Menschen – Kann man davon leben?
Platonisches Plaudern mit philosophischem Proll – Wir sind, was folgt
Basenfasten für Eilige
Charms-Chrams – Versuche mit Daniil
Intermedium 1
Hund
Der Lebenslauf
Ich hasse Menschen – Nur wer selbst brennt …
Text, in dem erstaunlich oft das Wort Penis vorkommt …
Günther
Platonisches Plaudern mit philosophischem Proll – Authentizität
Der Rundgang
iNachten
Torsten
Intermedium 2
Der Outdoor-Autor
Ich hasse Menschen – Ein zwei Meter großes Ausrufezeichen …
Ein kleines, wuscheliges Zentrum des Togethers
Heike Maroni
Elend
Platonisches Plaudern mit philosophischem Proll – Die Grenzen der Sprache
Ich sehe nackte Menschen!
Ich hasse Menschen – Wissen und verstehen
Vom Mann, der eines Tages den Mond verschluckte
Epilog
Glossar
»Du, Justus, ich kenn mich jetzt mit Literatur ni so aus, aber was man dir lassen muss, der neue Buchtitel ist übelst geil: Die schönsten Wanderwege der Wanderhure. Witzsch!«
»Danke. Und das aus deinem Mund.«
»War die eigentlich ooch in Dresden?«
»Wer?«
»Na die Wanderhure!«
»Nicht dass ich wüsste.«
»Wo denn dann?«
»Keine Ahnung.«
»Hä, ich dachte, du bist das alles geloofen. Und hast Karten gemalt und so.«
»Ach so, nee, das Buch ist kein Reiseführer.«
»Warum heißt’n das dann so wie eener?«
»Weil’s lustig ist.«
»Kapierschni.«
»Das macht nichts. Dafür kannst du gut kloppen.«
Als Schriftsteller muss man sich aktuelle Themen suchen, sonst geht man in der Masse unter. Die Vorstellung, dass sich irgendein Mensch außer dem Autor für aus der Welt gefallene Topoi wie die Sybel-Ficker-Kontroverse oder den späten Minnesang im mittelsächsischen Raum interessiert, ist ungefähr so unrealistisch wie der Wunsch vieler Kinder nach Weltfrieden.
Die meisten von ihnen kaufen später Waffen. Oder Samsung-Tablets. Oder Produkte von Nestlé. Was im Prinzip dasselbe ist.
Vom Schreiben leben kann man aber im Grunde genommen nur, wenn man einen hochbrisanten Stoff wie den Korea-Konflikt oder die Bühnenschlüpfer von Lady Gaga mit einem Titel kombiniert, der so gut ist, dass die Leute das Buch ganz selbstverständlich in den Einkaufswagen legen. Wie Klopapier.
Der Inhalt ist vollkommen irrelevant, es muss sich nur verkaufen.
Bei der Wahl des Titels müssen mehrere Faktoren beachtet werden. Zuerst natürlich die Art des Buches.
Was heutzutage geht: Krimis, historische Krimis, Kochbücher, historische Kochbücher, Fantasy, Ratgeber, alles mit Vampiren, Frank Schätzing. Das wissen dummerweise alle anderen Autoren auch.
Wenn man auf einer Buchmesse unterwegs ist, wird einem schlagartig bewusst, wie viele Autoren es eigentlich gibt. Die dann von niemandem gelesen werden, denn das Publikum auf der Buchmesse hat nur zwei Gründe für seine Anwesenheit. Riesige Beutel mit Infomaterial von Cornelsen abzustauben oder sich als Manga-Mäuschen zu verkleiden.
Ein Beweis dafür, dass kaum einer den ganzen Kram lesen kann, der heutzutage geschrieben wird, war die Autogrammstunde einer Fantasy-Autorin, an deren Namen und Buch ich mich nicht mehr erinnern kann. Sagen wir, sie hieß Anne Zimmermann und das Buch Die Drachenorks vom Azal-Zûm. Kein Mensch kam zu ihrer Autogrammstunde. Außer mir. Und das obwohl sie als Prinzessin Mononoke verkleidet war und dabei nur entfernt an Vin Diesel erinnerte.
Statistiken zufolge, die ich hier nicht richtig wiedergeben kann, weil mich das nicht interessiert, soll der Umsatz des deutschen Buchmarktes 2012 zu drei Vierteln von der Sadomaso-Klamotte Shades of Grey bestritten worden sein. Insofern wäre das natürlich das perfekte Trittbrett, nur gibt es eben nicht so viele Farben.
Das neueste Buch von Peter Handke wiederum, immerhin einer der wichtigsten deutschsprachigen Schriftsteller der letzten 40 Jahre, beheimatet in der Titanic der Großverlage, also Suhrkamp, soll sich laut unabhängigen Medienberichten in den ersten zwei Wochen exakt viermal verkauft haben. Und wie war der Titel? … Sehnse?
Dann doch lieber Krimis oder Ratgeber. Oder Ratgeber-Krimis. Mit nordisch klingenden Namen.
Kommissar Hagelund betrat das Gebäude allein und ohne Taschenlampe. Auch seine Pistole hatte er im Auto vergessen. Seit seiner Arthroskopie im vergangenen Herbst zog er das linke Bein etwas nach. Als er einen der beiden Täter sah, war es zu spät. Er konnte ihn weder einholen noch erschießen.
Merke: Taschenlampe, Dienstwaffe und eine funktionierende Anatomie sind unbedingte Vorraussetzung für die erfolgreiche Verbrecherjagd.
Oder Krimi-Ratgeber: Krimis für Dummies.
Oder Dummie-Ratgeber: Dummies für Dummies.
Ratgeber sind prinzipiell eine gute Sache. Wenn sie sich kombinieren lassen mit aktuellen Hypes oder Themen, umso besser.
Hilfe, ich bin noch kein Vampir!
Atombunker im Praxistest
Wie bio ist mein Baby?
Abnehmen durch sterben
Oder Bildbände über Popmusik und Dadaismus:
Papa-papa-razzi: Als Dada plötzlich Gaga war.
Wichtig ist nur: Irgendwas im Titel müssen die Leute kennen. Dann verkauft es sich.
Historische Fischgerichte mit Frank Schätzing – Mega-Bestseller.
Wenn ich ein Kochbuch schreiben würde, dann hieße es:
Das riecht aber komisch – 50 Gerichte mit Spargel.
Neben dem Wunsch der Menschen nach Rat, den sie nicht in der Kirche finden, sondern eher bei Richard David Precht, ist auch der Wunsch nach politischer oder historischer Erkenntnis in Bezug auf aktuelle Themen sehr wichtig. Sobald ein neuer Diktator erscheint oder ein alter abtritt, sobald eine Partei oder ein Standpunkt lange genug existieren, werden dazu Bücher geschrieben.
Kim Jong-un – Mein Papa hat gesagt, ich darf nicht mit fremden Männern reden
Angela Merkel – Eine belanglose Kindheit
Nicht unter jedem Schleier steckt eine Braut – Die lauernde Gefahr des Terrorismus
In der Belletristik gibt es wieder andere Regeln. Wichtig ist, dass man als Autor beachtet, welche Zusatzartikel sich rund um’s eigene Werk noch schaffen lassen. Anhand von Shades of Grey lässt sich das sehr gut zeigen. Überall auf der Welt gibt es mittlerweile Läden für Frauenbedarf, sprich: Öle, Seifen, Crémes, Literatur, aber auch Dinge für untenrum. Was würde da besser passen, als solche Geschäfte mit Shades of Grey-Produkten auszustatten? Hier einige Beispiele, gesehen in Wien im Laden »Liebenswert – Erotikfachgeschäft für Frauen und alle, die Frauen lieben«:
Shades of Grey – Seidenmalfarben (50er-Set, plus graues Seidentuch)
Shades of Grey – Aktfotografien, schwarz-weiß, 50 Abbildungen
… und natürlich eine Auswahl an Dildi und Vibratae in diversen Grauschattierungen.
Das ist aggressives Marketing, das auch noch kreativ ist. Amerika halt. Beziehungsweise Österreich.
In Deutschland fehlt mir das.
Bei der Wanderhure beispielsweise. Das lief sogar bei Sat.1 als Film. Schon mal von einem Ratgeber diesbezüglich gehört?
Wie werde ich eine gute Wanderhure?
Die 50 weitgereistesten Wanderhuren
Wie bio ist meine Wanderhure?
Oder eben mein Liebling:
Die schönsten Wanderwege der Wanderhure
Warum gibt es das nicht?
Da muss man dem Verlag doch mal mit einer Shades of Grey-Peitsche auf die Finger klopfen.
Da muss was passieren.
Da muss man Prostituierte als Plakatflächen mieten können oder einen Vibrator entwickeln, der im Idealfall auch noch zum Laufen verwendet werden kann: Der Wanderhure Wanderstock.
Da muss man viel breiter aufgestellt sein, Jack Wolfskin mit einbinden, eine Travel Bitch Outdoor Collection entwerfen, dann gleich noch eine Spiegel-TV-Reportage hinterherschieben: Der Lude der Wanderhure. Man sähe die ganze Zeit goldbekettete Schnauzbartträger verschwitzt an einer Straßenecke stehen oder durch idyllische Landschaften japsen, dabei verzweifelt rufend: »Hey, warte, ich will meinen Anteil.«
Das wäre witzig, das hätte Charme. So kann man Interesse wecken, eben neue Wege gehen. Ach, wenn man mich nur öfter fragen würde.
Wenn ich ein Buch wie diese Leute schreiben würde, wo es nicht darum ginge, was drin steht, dann würde ich es vielleicht Die 40 Wanderhuren des Frank Schätzing nennen.
Obwohl konsequenter wäre: Die 40 Wanderorks der Prinzessin Mononoke – histo-erotischer Fantasy-Ratgeber mit großem Glossar und vielen farbigen Abbildungen.
Würde bestimmt ein Hit werden. Ich seh schon den Kinofilm vor mir. Mit Vin Diesel. Als Prinzessin.
Ein Proll kotzt gegen eine Fensterscheibe.
Wie Enrico damals, denke ich, nur draußen. Ich bin hier aufgewachsen, zu Hause ist woanders.
So geht es mir immer, wenn ich nach Dresden zurückkomme. Das mache ich ziemlich oft, deswegen ist der Schock nicht so groß. Ich kenne viele andere, die nur um die Weihnachtszeit oder zu Klassentreffen in die Heimat fahren. Ich hingegen bin jeden Monat mindestens einmal da. Ich lese irgendwo vor, schlafe irgendwo, meistens in der Scheune, dann bin ich wieder weg.
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