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Der 4. Band der magischen Bestsellerserie aus den USA! Die frechste von allen Jasmine Jolly will alles, aber nicht bei ihrem Namen genannt werden. Sie ist eine mächtige Wandlerin, aber sie verwandelt sich nicht in ein cooles gefährliches Wesen, sondern in ein Stinktier. Was würde sie dafür geben sich stattdessen ebenfalls in einen Löwen oder einen Wolf zu verwandeln. Allerdings entwickelt Jasmine in diesem Semester ganz eigene Fähigkeiten. Sie scheint plötzlich über eine neue Form der Magie zu verfügen, die ihre Wünsche wahr werden lässt. Doch leider scheint Jasmine sich oft Dinge zu wünsche, die sie sich besser nicht gewünscht hätte.
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Seitenzahl: 349
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Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Es klopfte an meiner Schlafzimmertür. Ich stöhnte in mein Kissen. "Geh weg, Ma!", grummelte ich.
"Zeit zum Aufstehen, Jasmine", sagte meine Mutter, und ihre Stimme drang klar und deutlich durch die Tür.
"Ist es nicht. Ich habe meinen Wecker gestellt und der hat bisher kein einziges Mal geklingelt."
"Dann hast du ihn zu spät eingestellt. Du willst doch das neue Schuljahr nicht damit beginnen, dass du am ersten Schultag zu spät kommst."
Ich stöhnte noch einmal. Durch die ständigen Nörgeleien meiner Mutter war mir der Sommer unerträglich lang vorgekommen. "Die Schule fängt doch erst morgen an."
"Ja, aber du musst heute anreisen, und wer weiß, was möglicherweise Unvorhergesehenes passiert. Man muss auf alles vorbereitet sein. Du willst doch keine Verspätung riskieren."
"Nein, Ma, du willst keine Verspätung riskieren", sagte ich, allerdings nur zu meinem Kopfkissen. Es hatte keinen Sinn, mit der Frau zu diskutieren.
"Je eher du aufstehst, desto eher wirst du ..."
"Ich bin aufgestanden! Lass mich einfach in Ruhe, damit ich mich anziehen kann."
"Das bist du nicht. Du liegst im Bett und wartest darauf, dass ich weggehe, damit du noch ein bisschen dösen kannst."
Anscheinend hatte die Frau einen Röntgenblick. Es hätte mich nicht überrascht, wenn sie eine Art geheime Superkraft besäße, die es ihr möglich machte, jeden meiner Schritte zu verfolgen.
"Ich habe diese Schlummerfunktion nie verstanden", plapperte Mom weiter. "Wie jemand wieder einschlafen kann, wenn er weiß, dass er aufstehen muss, ist mir ein Rätsel."
Sie würde keine Ruhe geben, bis sie sicher sein konnte, dass ich aufgestanden war. Ich verdrehte die Augen in Erwartung dessen, was sie noch alles zu sagen hatte und warf laut stöhnend die kuschelige Daunendecke von mir. Meine nackten Füße patschten auf den Holzboden, als ich zur Schlafzimmertür ging und sie aufriss.
"So. Ich bin wach. Bist du jetzt zufrieden?"
Ich schenkte ihr ein gezwungenes Lächeln. Sie zuckte nicht einmal mit der Wimper. Meine Mutter war ein Profi.
"Ich werde noch zufriedener sein, wenn du dein hübsches Gesicht gewaschen hast und dich beeilst. Du solltest wirklich nicht mit Make-up ins Bett gehen, Jasmin. Ich verstehe nicht, warum du all diesen Dreck benutzt, um dein schönes Gesicht zu verbergen."
"Ich 'verberge' meine Schönheit nicht, ich betone sie."
Mom schüttelte den Kopf. "Nein, du maskierst dich. Warum willst du dich hinter einer Maske verstecken?" Sie schaute mich aus hellblauen Augen an, die mich an meine eigenen erinnerten.
"Ich bin nicht in der Stimmung für Psychotherapie am frühen Morgen, Ma."
Mom strich sich ihr langes, schwarzes Haar hinter ein Ohr und musterte mich viel zu aufmerksam.
"Fang gar nicht erst damit an ...", warnte ich.
"Vielleicht sollte ich dir einen netten Therapeuten suchen, der dir hilft, deine Probleme zu bewältigen. Ich bin sicher, dass ich einen finden kann, der auch an der Akademie mit dir arbeitet."
Ich atmete tief durch und rief den Gott der Geduld an, in der Hoffnung, dass es ihn gab. "Mom", sagte ich und versuchte, ruhiger zu wirken, als ich war, "ich brauche keine Therapie."
"Aber was ist, wenn es Dinge gibt, über die du reden musst, aber nicht mit mir reden willst? Was ist, wenn du deine Gefühle in dir einschließt und sie dort einfach verrotten lässt? Das ist nicht gut, weißt du? Du solltest dein wahres Ich nicht verstecken. Früher hast du mit mir über alles geredet, und jetzt ..." Sie ließ die Schultern hängen, und ich war nicht sicher, ob sie wirklich traurig war oder ob es nur ein Trick war, um mich zum Reden zu bringen. Die Frau war gut.
Ich seufzte. "Ich rede doch mit dir."
Sie sah mich hoffnungsvoll an, und ich war mir noch immer nicht sicher, ob sie mir etwas vormachte. Resigniert lehnte ich mich an den Türrahmen, um das Gespräch hinter mich zu bringen.
Moms dunkle Wimpern flatterten und sie legte den Kopf zur Seite. "Du hast mir nichts von dem Jungen erzählt, der dich im Sommer besucht hat."
Mir stockte der Atem und ich verschluckte mich fast. "Du wusstest davon?"
Der nüchterne Ausdruck verschwand aus ihrem Gesicht, das dem meinem so ähnlich war, und ich erkannte, dass ich hereingelegt worden war.
Sie strahlte siegesbewusst. "A-ha. Also hatte ich recht."
"Willst du mich veralbern? Ma, das war eine Falle."
"Das war ein Mutter-Tochter-Gespräch"
Sie hatte mich absichtlich viel zu früh geweckt, weil sie wusste, dass ich genauso ein Morgenmensch war wie ein Vampir, und mich reingelegt, bevor ich meine Sinne beisammen hatte.
"Verdreh nicht die Augen, Jasmine", fuhr Mom unbeeindruckt fort. Sie kam jetzt richtig in Schwung, und ich fragte mich, wie lange sie das schon geplant hatte.
Ich warf die Hände in die Luft. "Wie oft muss ich dir und Dad noch sagen, dass ihr mich nicht Jasmine nennen sollt?"
"Vermutlich bis du es satt hast. Du hast einen so schönen Namen, Jasmine, du solltest ihn benutzen. Jazz klingt so ... zwanglos ... als wärst du eine Gangsterbraut oder so."
"Wenn ich die Leute bitte, mich Jas zu nennen, anstatt mich mit dem Namen einer blöden Blume anzusprechen, macht mich das zu einer Gangsterbraut ..." Ich verzog das Gesicht. "Ist das dein Ernst?"
"Jasmin ist nicht blöd. Es ist ein Strauch mit wunderschönen Blüten und einem umwerfenden Duft." Sie atmete tief ein, als könnte sie ihn in diesem Moment riechen. "Es ist der perfekte Name für meine wunderschöne Tochter."
"Ich bin eine Stinktier-Wandlerin, Ma", erwiderte ich trocken. "Oder hast du diese unwesentliche Tatsache vergessen? Man kann doch eine Stinktier-Wandlerin nicht nach einer Blume benennen."
"Und warum nicht? Du bist umwerfend. Ich habe noch nie von einem anderen Stinktier-Wandler gehört, dessen Tier so groß und stark ist wie deins. Du solltest stolz darauf sein. Dein Vater und ich sind stolz auf unsere Tiere."
"Ja, aber ich bin ein Stinktier. Du bist ein Opossum und Dad ist ein Waschbär. Das ist um Welten besser. Stinktiere stinken."
Mom legte entrüstet eine Hand auf ihre Brust. "Du stinkst nicht. Wenn Stinktiere sprühen, ist das ein Abwehrmechanismus, du sprühst also nur, wenn du musst."
Mit einem dumpfen Schlag lehnte ich meinen Kopf gegen die Tür. "Ich habe noch nie jemanden angesprüht."
"Siehst du! Du bist eine Blume, die nicht stinkt."
"Blumen stinken auch." Das konnte ich mir jetzt nicht verkneifen.
"Auf die beste Art und Weise, genau wie du." Sie streichelte meine Wange und ich wich zurück.
Mom begann den Kopf zu schütteln. Als mir klar wurde, worauf ihr Blick gefallen war, öffnete ich den Mund, um zu verhindern, was jetzt kommen würde.
Doch sie war zu schnell, und ihr hübsches Gesicht verfinsterte sich. "Warum ist da ein Loch in deinem wunderschönen Gesicht ..."
"Es ist nur ein Nasenpiercing, Ma, keine große Sache."
"Keine große Sache? Von wegen - keine große Sache! Du hast das Gesicht, das ich dir gegeben habe, mit einem Loch verunstaltet!" Ihre Wangen röteten sich, während sie sich anschickte, erst richtig loszulegen. In den fast zwanzig Jahren meines Lebens hatte ich noch nie erlebt, dass meine Mutter von alleine aufhörte.
"Ja, habe ich, Ma, aber dafür haben wir jetzt keine Zeit", unterbrach ich sie. "Ich bin spät dran, schon vergessen? Du willst doch nicht, dass ich an meinem ersten Schultag zu spät komme, oder?"
"Hast du nicht gesagt, der ist erst Morgen?"
"Aber ich habe noch jede Menge zu tun. Ich muss packen und mein Gesicht waschen und so."
Ich warf Mom einen Blick zu, um zu sehen, ob sie das genügend abgelenkt hatte. Nein, hatte es nicht. Ihr Blick wanderte immer noch ein bisschen zu oft zu meiner Nase.
Also versuchte ich es anders. "Es ist mein viertes Semester an der Akademie. Das ist eine große Sache. Drei volle Semester habe ich bereits hinter mir, fehlen nur noch sechs", fügte ich mit falscher Begeisterung hinzu.
Sie musterte mich mit zusammengekniffenen Augen und ich überlegte, was ich noch sagen könnte. Als sie ruhig ausatmete und mich stolz anstrahlte, entwich mir ein erleichterter Seufzer.
Mom lächelte. "Du bist wirklich fleißig gewesen. Deine Ausbilder haben nur Gutes über dich berichtet."
Ja, wahrscheinlich, weil du sie so lange verfolgt hast, dass es der einfachste Weg war, dich loszuwerden.
"Jepp. Also ... dann mache ich mich mal besser für die Schule fertig."
"Wie oft muss ich dir noch sagen, dass du auf deine Sprache achten sollst, junge Dame?"
"Was?" Meine Augenbrauen zogen sich zusammen. "Was war jetzt wieder falsch?"
"'Jepp ist kein Wort."
Gott der Geduld, wo steckst du? Ich lächelte angestrengt. "Gut, dann eben ja."
"Sprich nicht in diesem Ton mit mir. Es ist meine Pflicht, dich ordentlich zu erziehen. Und es gibt nur einen Grund, warum ich dich auf eine Schule gehen lasse, die so weit entfernt ist: Es gibt für Wandler keinen besseren Ort zum Lernen. Wäre das nicht der Fall, würde ich dich bei mir haben wollen, um deine Ausbildung persönlich zu überwachen."
Allein der Gedanke daran ließ mich erschaudern und Mom musterte mich scharf. Bevor sie noch etwas sagen konnte, beschloss ich, dass es das Beste war, die Wogen zu glätten.
Ich legte meinen Arm um ihre Schultern. "Danke, dass du so gut auf mich aufpasst." Das meinte ich sogar halbwegs ehrlich. "Ich weiß, dass du dir nur Sorgen machst, weil du mich liebst."
Ihre Augen leuchteten. "So ist es, meine kleine Jasmine. Ich liebe dich mehr als mein Leben."
Das ist wirklich süß von ihr, dachte ich, während ich mich bemühte, nicht darauf zu reagieren, dass sie meinen vollen Vornamen benutzt hatte. Ich konnte nie entscheiden, ob sie mich damit absichtlich ärgern wollte oder nicht.
Mom umarmte mich fest, und ich beschloss, dass es keine Absicht von ihr war. Es war einfach ihre Art.
Ich tätschelte ihr ein paarmal den Rücken und löste mich dann von ihr. "In Ordnung. Dann lass mich anfangen. Wenn ich mit dem Packen fertig bin, sage ich dir Bescheid, damit du einen Wagen rufen kannst."
"Nicht 'fertig'. Kuchen werden fertig, Menschen beenden etwas."
"Ja, richtig." Ich setzte zum letzten Mal ein falsches Lächeln auf und begann, ihr die Tür vor der Nase zuzuschieben. "Ich beeile mich."
Mom musterte mich, als würde sie nach weiteren Gründen suchen, mir Anweisungen zu geben.
"Denk dran, ich werde bald zwanzig Jahre alt", erinnerte ich sie. "Ich brauche niemanden mehr, der meine Hand hält."
Sofort wurde mir klar, dass ich das Falsche gesagt hatte. Ihr Gesicht verzog sich wie in Zeitlupe, und ich hätte mir selbst in den Hintern treten können. Die Tür war schon fast geschlossen gewesen, und dann musste ich hingehen und es vermasseln.
"Ich komme doch in den Winterferien zurück", sagte ich beruhigend. "Es sind nur vier Monate bis dahin."
Mom hatte Tränen in den Augen. "Mein Baby." Sie schüttelte den Kopf, vermutlich, ohne es selbst zu merken. "Meine einzige Tochter ist erwachsen und verlässt das Nest."
Nicht zum ersten Mal wünschte ich mir, ich wäre kein Einzelkind. Ich hätte diese obsessive Aufmerksamkeit gerne mit mehreren Geschwistern geteilt.
"Ich werde nach Hause zurückkommen, Mom, das verspreche ich."
Schniefend nickte sie, und ihr trauriger Gesichtsausdruck hätte fast ausgereicht, um sie erneut zu umarmen - fast. Gerade war sie abgelenkt. Das war meine Chance, und die würde ich nutzen.
"Mom, ich liebe dich. Und jetzt mache ich mich für die Schule fertig, okay?"
Sie schniefte noch mehr und nickte, wobei sie klein und zerbrechlich aussah. Doch der Schein trog.
"Ich werde jetzt die Tür schließen, in Ordnung?" Langsam schob ich die Tür zu, behielt Mom dabei aber im Blick, während ich mit meinem Gewissen kämpfte. Kurz bevor ich sie ganz geschlossen hatte, seufzte ich. "Kommst du zurecht?"
"Ich komme schon klar, Jasmine. Das tue ich doch immer, oder?" Aber es war lange her, dass sie so niedergeschlagen geklungen hatte. Das letzte Mal war bei meiner ersten Abreise zur Akademie gewesen.
"Geh zu Dad", schlug ich vor. "Er ist für dich da."
Mom nickte abwesend und lief den Flur hinunter, eine Hand auf die Brust gelegt, als ob das gegen den Herzschmerz helfen könnte. In der Hoffnung, dass Dad sie aufmuntern würde, schloss ich schließlich die Tür und lehnte mich schwer dagegen. Seufzend atmete ich auf, bis die weiße Strähne, die mein sonst schwarzes Haar durchzog, in meinem Blickfeld erschien.
Plötzlich konnte ich es kaum erwarten, zur Schule zu kommen. Ich liebte meine Mutter, aber auf das tägliche Drama konnte ich gut verzichten.
Langsam ging ich ins Badezimmer und stellte mich unter die Dusche. Die vergangenen drei Semester an der Akademie für magische Wesen waren anstrengend gewesen; die Schule war bei weitem nicht so sicher, wie Mom es vermutlich glaubte, sonst würde sie mich niemals zurückkehren lassen. Obwohl Dad eines der Oberhäupter der Wandler-Allianz war - der wahren Wandler-Allianz, nicht der Rebellenfraktion innerhalb der Stimme, die von dem inzwischen toten und sehr verrückten Berglöwen-Wandler Rage angeführt worden war - kannten meine Eltern nicht das ganze Ausmaß dessen, was in der Schule passiert war.
Ich konnte mir nicht vorstellen, dass der Schulleiter, der gelehrte Sperlingskauz Sir Lancelot, den Eltern absichtlich Informationen vorenthielt. Vermutlich lag es daran, dass die letzten drei Semester an der Akademie eine Aneinanderreihung von Katastrophen gewesen waren und er mit der Schadensbegrenzung alle Hände - äh, Flügel - voll zu tun hatte.
Als ich Sir Lancelot gebeten hatte, meine Eltern nicht über meinen Unfall im letzten Semester zu informieren, hatte er ihnen meine schweren Verletzungen nicht verschweigen wollen. Schließlich hatte er jedoch nachgegeben, und das hatte wahrscheinlich viel mit der Persönlichkeit meiner Mutter zu tun. Da sie dem Vorstand der Wandler-Allianz angehörte, war Sir Lancelot ihr mit Sicherheit schon einmal begegnet, und wer meine Mutter kennengelernt hatte, vergaß sie so schnell nicht mehr. Es war für alle Beteiligten besser, wenn sie niemals erfuhr, dass mein gesamtes linkes Bein vom Oberschenkel abwärts zerquetscht worden war. Sonst würde sie mir nie wieder von der Seite weichen.
Auch nachdem die rebellischen Wandler und ihre Anhänger, denen es gelungen war, die angeblich undurchdringlichen Verteidigungsanlagen der Schule zu überwinden, entweder tot oder gefangen waren, war die Schule nicht die sichere Lernumgebung, als die sie angepriesen wurde. Die Akademie für magische Wesen würde nie völlig sicher sein; das konnte sie auch gar nicht - sie war ein Schmelztiegel aus Magie und mächtigen jungen Erwachsenen, die ihre Fähigkeiten nicht beherrschten. An guten Tagen wirkte sie wie eine Kloake aus Hormonen, eifersüchtigen Mädchen und Vampiren, die etwas beweisen wollten.
Ich legte den Kopf in den Nacken und ließ das Wasser auf mich hinunterprasseln, wobei es über die Halskette lief, die tief zwischen meinen Brüsten hing. Ich hatte sie nicht abgenommen, seit mein Sommerflirt sie zurückgelassen hatte, als er in den goldenen Wald der Feen zurückgekehrt war. Wir würden uns nicht wiedersehen. Es war verboten in das Land der Feen zu reisen, ohne eine ausdrückliche Einladung und einen von ihnen als Führer. Jabar und ich hatten uns voneinander verabschiedet; wir hatten von Anfang an gewusst, dass wir nur diesen einen Sommer haben würden.
Ich legte meine Hand auf den dreieckigen, violetten Kristall und spürte die Energie, die in ihm pulsierte. Wie immer konnte ich nicht sagen, ob es an mir lag oder ob der Kristall tatsächlich Magie besaß. Aber vermutlich hätte Jabar ihn nicht zurückgelassen, wenn er etwas wert wäre.
Jetzt gehörte er mir, und ich liebte ihn. Er leuchtete ununterbrochen, aber so schwach, dass nicht einmal Mom ihn unter meinen Shirts bemerkt hatte. Es war, als würde er sein Geheimnis nur mir offenbaren.
Beschwingt durch die Aussicht, meine Freunde wiederzusehen, begann ich mich einzuseifen und versuchte, mich zu beeilen. Doch als meine Gedanken zu Ky abschweiften, dem verführerischen Berglöwen-Wandler, der wie eine wandelnde Werbung für Sex wirkte, beschloss ich stattdessen, mir Zeit zu lassen.
Ky hatte mich lange genug hingehalten. Dieses Semester würde ich ihn mir schnappen.
Mit dem schnittigen Leihwagen, den ich am Flughafen gemietet hatte, fuhr ich durch die ruhigen Straßen von Sedona und bog scharf in den kleinen Parkplatz ein, der zum Ausgangspunkt des Thunder Mountain führte. Der Platz war normalerweise so gut wie leer. Wenn Eltern ihre Kinder hier absetzten, verabschiedeten sie sich hastig und fuhren weg, bevor sie Aufmerksamkeit auf die Tatsache lenkten, dass sie Leute mit Taschen mitten auf einem Parkplatz zurückließen, der nirgendwohin zu führen schien.
Heute war der Platz voller Menschen. "Ihr wollt mich wohl veralbern", stöhnte ich. "Die sind immer noch da?"
Ich parkte das Auto so weit wie möglich von den zahlreichen Ständen entfernt, die auf der anderen Seite des Parkplatzes aufgebaut waren, nahm meine kleine Tasche vom Rücksitz und vergewisserte mich, dass ich nichts vergessen hatte. Dann schloss ich das Auto ab und ließ den Schlüssel stecken. Mom würde dafür sorgen, dass jemand den Wagen zur Autovermietung zurückbrachte. Dank ihrer zwanghaften Aufmerksamkeit für Details war Mom gut darin, solche Dinge zu regeln, zumal meine Eltern reich genug waren, um derartige Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen.
Nachdem ich die Waren, die die Händler anboten, aus der Ferne betrachtet hatte, senkte ich den Kopf und lief zielstrebig auf den Pfad zu, der zum Fuß des Thunder Mountain führte. Ich war kaum fünf Schritte weit gekommen, als mich eine Frau in einem langen, buntgefärbten Kleid, unter dem kein BH zu sehen war, abfing und mir den Weg versperrte.
"Aloha und Segen", verkündete sie mit sanfter Stimme, mit der sie vermutlich wie ein spiritueller Guru klingen wollte, die aber nur dazu führte, dass ich mich fragte, ob ich schneller laufen konnte als sie mit ihren Birkenstocks.
"Hallo. Ich habe es eilig."
"Ah." Sie nickte weise. "Ist das nicht typisch für unsere Zeit? Ständig sind wir in Eile und erkennen deshalb nicht, dass der Segen des Lebens uns immerzu umgibt ... wenn wir lernen, ihn zu sehen."
Was ich sah, war, dass sie sich mir immer weiter in den Weg gestellt hatte und den Zugang zum Pfad jetzt vollständig versperrte. Notgedrungen blieb ich stehen und sah die Frau, die anscheinend kaum älter war als ich, finster an.
Sie hielt sich ein helles, lavendelfarbenes T-Shirt vor die Brust. "Ich glaube an den Engel des verborgenen Segens" stand darauf geschrieben. Schrift und Druck waren bestenfalls mittelmäßig, aber das war es nicht, was mich die Augen verdrehen ließ.
"Wenn du an den Engel des verborgenen Segens glaubst, wird dir das Glück hold sein," erklärte die Frau.
"Lass mich raten", sagte ich, "der beste Weg, um an dieses Glück zu kommen, ist, eines deiner T-Shirts zu kaufen und zu tragen ..."
Die Frau lächelte strahlend, als würde sie diesen Schwachsinn tatsächlich glauben. "Gibt es einen besseren Weg, dem Universum zu zeigen, dass du gläubig und bereit bist, den Segen zu empfangen, den es dir schicken will? Das großartige Universum wartet darauf, dass wir gewillt sind, anzunehmen, was wir verdienen, und wir sind jedes Geschenk und jede Erleichterung wert, die es uns gibt. Das Universum ist unbegrenzte Vorstellungskraft, unendliche Schöpfung."
Sie wich weit genug zurück, um mich mustern zu können, aber nicht genug, um mir einen Fluchtweg zu öffnen, und schüttelte den Kopf, sodass ihre schulterlangen Perlenohrringe hin und her schwangen. "Ich habe ein Gespür für Menschen, das ist eine meiner Gaben, und ich habe das Gefühl, dass du gerade jetzt etwas Segen in deinem Leben gebrauchen könntest. Du hattest es in letzter Zeit schwer, nicht wahr?" In ihren Augen stand Mitgefühl. "Du hattest, hmm, ich würde sagen ... du hattest in den vergangenen Monaten einige ernsthafte gesundheitliche Probleme. Habe ich recht?"
Da mir klar war, dass sie mich nicht weitergehen lassen würde, bevor sie ihren Vortrag beendet hatte, zuckte ich mit den Schultern, als ob ein zerquetschtes Bein, das mich beinah umgebracht hätte, keine große Sache wäre. "Möglicherweise."
"Siehst du! Ich wusste es." Die Frau klatschte unvermutet in die Hände und ließ dadurch die vielen Armbänder an ihren Handgelenken klingeln. "Dir gefallen meine Armbänder, nicht wahr?", fragte sie, bevor ich verhindern konnte, dass sie meinen Blick bemerkte. "Sie bestehen aus Perlen all meiner Kraftkristalle und unterstützen meinen Ätherkörper optimal. Hier habe ich Amethyst, Apophyllit, blauen Spitzenachat und Herkimer Diamant. Die sind für die oberen Chakren. Und hier habe ich Karneol, Granat und Rauchquarz für die unteren Chakren."
Sie schob die ersten beiden von mindestens einem Dutzend beiseite. "Dieses hier besteht aus Citrin und klarem Quarz, denn du weißt sicher, dass man Quarzkristalle auf jede beliebige Weise programmieren kann. Sie sind großartig, um Manifestationen zu unterstützen. Du programmierst sie einfach mit deinen Absichten, und die Kristalle senden dir Energie. Erstaunlich, oder?"
Die Frau legte sich das T-Shirt über einen Arm und nahm ein weiteres Armband zwischen zwei Finger. "Das sind Mandala-Perlen ..."
"Das ist ja alles sehr faszinierend, aber ich muss jetzt wirklich los. Ich habe es eilig."
"Wo willst du denn hin?" Sie wandte den Kopf und inspizierte die Umgebung. Außer roten Felsen, Erde, Kakteen und Wachholderbäumen gab es kaum etwas zu sehen. "Gehst du wandern?" Sie musterte mein Outfit. Ich trug ein tief ausgeschnittenes Tanktop, einen kurzen Minirock, meine kniehohen Minnie-Mouse-Strümpfe und schwarze Doc Martens. Über die eine Schulter hatte ich einen kleinen Seesack gehängt und über die andere meinen Lieblingsrucksack von Betty Boop.
"Du siehst nicht so aus, als wolltest du wandern", sagte sie.
Ganz sicher nicht. Natürlich durfte ich ihr nicht verraten, wo ich hinwollte, und sie dann ihres Weges ziehen lassen, um ihre Kristalle zu bewundern, oder was sie sonst machte, wenn sie nicht gerade potenzielle Kunden anbaggerte.
"Ich werde mich in die Berge begeben." Oder wie auch immer diese verrückten New-Ager es ausdrücken würden. "Etwas Zeit mit mir selbst verbringen, meine Spiritualität erforschen." Ich nickte weise und versuchte, glaubwürdig zu klingen, obwohl ich die Fachbegriffe nicht kannte.
Die Frau starrte mich so lange an, dass ich schon glaubte, ich hätte es vermasselt, doch dann nickte sie schließlich, als hätte sie mich genau verstanden. "Wie ich sehe, bist du dir deiner Energien bereits bewusst, also wird das Universum dich sicher bald belohnen. Es könnte aber hilfreich sein, wenn du deine Absichten deutlicher zum Ausdruck bringst. Ich habe auch T-Shirts, auf denen steht, dass du an den Engel der Hoffnung glaubst. Die mag ich am liebsten, weil der Engel der Hoffnung so wunderschön ist."
Als hätte sie etwas gesagt, was sie eigentlich nicht aussprechen wollte, ruderte sie zurück. "Nicht, dass der Engel des verborgenen Segens auf seine Art nicht ebenfalls schön gewesen wäre, aber der Engel der Hoffnung war ..."
Als sie abbrach und mir klar wurde, dass sie diejenige war, die meine Freunde Rina und Leo entdeckt und mit Engeln verwechselt hatte, konnte ich nicht widerstehen.
"Der Engel der Hoffnung war heiß wie die Hölle, nicht wahr?"
Erschrocken starrte sie mich mit offenem Mund und großen Augen an. "Woher ... woher weißt du das? Ich war die Einzige, die sie mit ihrem Erscheinen gesegnet haben." Die Frau hielt einen Moment lang inne, dann kam ihr eine Erkenntnis. "Ach so! Du gehst davon aus, dass er heiß war, weil Engel immer schön sind. Es ist ihre engelhafte Seele, die ihre physischen Körper erfüllt, so dass sie unserem Ideal des perfekten Menschen entsprechen." Sie lächelte breit, offenbar zufrieden mit ihrer Erklärung.
Ich grinste, trat einen Schritt zurück und zog meinen Rucksack höher. "Hatte der Engel der Hoffnung schulterlanges, silbernes Haar, silberne Augen und große, weiße, gefiederte Flügel?"
Fassungslos starrte die Frau mich an.
"War er groß und gut gebaut mit einem Körper, der einen an unanständige Dinge denken lässt?"
Ihre Lippen verzogen sich vor Entsetzen. "Ich würde nie ... nein, so sah er nicht aus. So würde ich nie über einen Engel denken." Ihre von den sommerlichen Temperaturen geröteten Wangen wurden noch roter. "Ich ... er ist ein Engel! Du solltest nicht auf diese Weise an ihn denken."
Wahrscheinlich sollte ich das nicht, allerdings nur, weil Leo ganz allein Rinas Mann war. Trotzdem hatte ich nie behauptet, keine heißblütige Frau zu sein, und der Prinz der Feen war ein Sahneschnittchen.
"Ich wette, du erinnerst dich deutlich besser an ihn und seinen knackigen Hintern als an den weiblichen Engel", behauptete ich und hatte es vor lauter Spaß gar nicht mehr so eilig, von ihr wegzukommen.
"Das ist nicht wahr", erwiderte sie. "Der Engel des verborgenen Segens war ein Mädchen, und sie hatte langes, braunes Haar."
Ich kicherte. "Ihr Haar ist hellblond."
"Selbstverständlich, das habe ich gemeint. Und sie hatte ... lange Beine und Arme."
"Lange Beine und Arme?" Ich zog eine Augenbraue hoch.
"Ja, und sie hatte ein schönes Gesicht."
"Ein schönes Gesicht ...", wiederholte ich trocken.
"Es ist wahr" Ihr Lächeln wirkte zittrig, aber sie gab sich immer noch große Mühe, obwohl ich nicht sagen konnte, ob sie versuchte, mich oder sich selbst zu überzeugen. Ich war nicht dabei gewesen, aber Rina hatte die Geschichte von ihrer Ankunft mit Leo ausführlich genug erzählt.
Meine teuflische Seite hätte sich gerne weiter mir ihr angelegt, aber die Frau wirkte so zerrissen, dass es keinen Spaß mehr machte.
"Ich werde jetzt gehen", verkündete ich.
Sie riss sich von ihren Gedanken los und sah mich verzweifelt an. "Du hast die Engel also auch gesehen? Haben sie dich ebenfalls auserwählt?"
"Um Gutes zu tun? Sicher."
Die Frau ließ ihren Blick unruhig über die vielen Stände hinter mir schweifen. Offensichtlich war sie nicht die Einzige, die versuchte, Kapital aus dem unglücklichen Timing zu schlagen, das Rina und Leo dazu gebracht hatte, direkt vor dieser Frau durch ein Portal zu treten. Sie hatte andere Eiferer rekrutiert, wobei ich nicht sagen konnte, ob ihr religiöser Eifer mit den Engeln oder mit einer guten Einnahmequelle zusammenhing. Sie alle würden nicht auf dem Parkplatz herumhängen, wenn die Leute ihre Waren nicht kauften.
"T-Shirts mit aufmunternden Botschaften anzubieten, ist ein Akt der Freundlichkeit", verteidigte die Frau sich, obwohl ich gar nichts gesagt hatte.
Ich lächelte nur höflich. "Wie auch immer, ich muss los."
"Wir vollbringen hier gute Taten. Die Welt muss von der Magie erfahren. Sie gibt den Menschen Hoffnung. Magie ist etwas Großartiges."
Bei ihrer Wortwahl konnte ich mir ein Kichern nicht verkneifen. "Da sind wir völlig einer Meinung. Magie ist für mich das Größte."
Ich wollte um sie herumgehen, doch sie streckte eine Hand aus, um mich zu stoppen. "Warte. Die anderen werden dich kennenlernen wollen. Wenn du ebenso auserwählt wurdest wie ich, dann bist du wichtig für unsere Sache."
"Sag ihnen einfach nicht, dass ich die Engel ebenfalls gesehen habe. Die Art und Weise, wie sie mir erschienen sind, war ganz anders als bei dir."
Sie sah mich hoffnungsvoll an, also fuhr ich fort. "Das hat nichts miteinander zu tun, versprochen. Du kannst mich da rauslassen."
Die Frau knabberte an ihrer Unterlippe.
"Im Ernst, das ist genau das, was die Engel möchten, das weiß ich ganz sicher. Ich kann es fühlen. Genau hier." Ich legte die Hand auf meine Brust und bemühte mich um eine aufrichtige Miene. Meine Finger landeten auf dem Anhänger zwischen meinen Brüsten und ich spürte einen Hauch von Magie.
"Wenn du dir wirklich sicher bist ..." Sie zögerte.
"Tausendprozentig. Okay. Wir sehen uns."
Die Frau wirkte unentschlossen, also lief ich schnell an ihr vorbei. Ihre innere Debatte war längst nicht beendet, und ich hatte meine Quote an Verrückten mehr als erfüllt, angefangen bei meiner Mutter, von deren geistiger Gesundheit ich noch nie völlig überzeugt war.
"Warte mal!", rief die Frau, ehe ich den Parkplatz verlassen und auf den davon abzweigenden Trampelpfad abbiegen konnte. "Wie heißt du? Wie kann ich dich finden?"
Ich gab vor, sie nicht zu hören, hielt den Kopf gesenkt und eilte den Weg entlang, der mich an einen Ort führen würde, den sich diese Frau trotz ihrer lebhaften Fantasie niemals vorstellen können würde. Über mir hörte ich den Ruf eines Falken, den ich bis in die Knochen spürte, während ich den Fuß des Berges umrundete und den Eingang der Schule suchte, den man ohne Magie nicht finden konnte.
Sobald ich sicher war, dass die durchgeknallte Engels-Lady mir nicht folgte, verlangsamte ich das Tempo und genoss meine Umgebung. Sedona mit seinen hoch aufragenden, terrakottaroten Bergen und dem strahlend blauen Himmel war zweifellos majestätisch. Aber es gab keinen Ort wie die Akademie für magische Wesen. Obwohl ich schon mein ganzes Leben lang Geschichten darüber gehört hatte, hatte sie meine Vorstellungen hundertfach übertroffen, und ich konnte es kaum erwarten, zurückzukehren.
Als ich endlich den versteckten Eingang fand, der zum Geheimgang durch den Berg führte, atmete ich tief die reichhaltige, saubere Luft von Sedona ein. Ein Kribbeln der Begeisterung durchfuhr mich, während ich den ersten Schritt in Richtung der Schule für magische Wesen tat ...
Und dann rammte ich mit Knie und Stirn gegen einen Berg, der für Wandler wie mich eigentlich nicht vorhanden sein sollte.
Ich krümmte mich vor Schmerzen und beugte mich vor, um mir gleichzeitig die Stirn und das Knie zu reiben. "Verflixt tat das weh." Meine Augen tränten ein paar Sekunden lang, bis der stechende Schmerz nachließ. "Was zum Teufel ist hier los?"
Anklagend schielte ich auf den Felsen vor mir, aber er sah genauso aus wie immer: massiv.
Ich war schon einige Male hier gewesen und mir deshalb sicher, dass dies der Eingang war. Es fühlte sichan, als sei er durch einen magischen Schimmer markiert, den man mit bloßem Auge nicht erkennen konnte. Da er ungefähr so groß wie ein Garagentor war, konnte ich ihn eigentlich nicht verfehlen, oder doch? Möglicherweise hatte ich es zu weit seitlich versucht.
Ich schob meine Taschen höher auf die Schultern, vergewisserte mich, dass ich den Umfang der magischen Öffnung richtig einschätzte, und näherte mich erneut - diesmal langsamer. Mit ausgestreckter Hand versuchte ich, mich in den Durchgang zu schieben.
Der Felsen war so massiv und unnachgiebig wie zuvor.
"Das ergibt verdammt noch mal keinen Sinn!", murmelte ich. Wie so oft sprach ich mit mir selbst, wenn niemand anderes in der Nähe war. Ich schlug mit der flachen Hand gegen den Berg, doch das Ergebnis blieb dasselbe. Der Eingang zur Schule war verschlossen.
Entweder das, oder es gab ihn nicht mehr.
Gemessen daran, dass sich der Akademiezauber, der sämtliche magischen Funktionen der Schule regelte, im letzten Semester verhalten hatte, als wäre er betrunken, war es durchaus möglich, dass der Zauber den Eingang verlegt hatte, ohne es jemandem zu sagen. Nach den unzähligen verrückten Vorfällen traute ich ihm alles zu.
Allerdings waren zwei der größten Zauberer in der Geschichte der Magie, Albacus und Mordecai, in die Schule gekommen, um den Zauber auf Vordermann zu bringen. Da sie diejenigen waren, die die Schule gegründet und den Zauber geschaffen hatten, konnte man eigentlich davon ausgehen, dass sie die Fehler längst behoben hatten.
Ich knabberte an meiner Unterlippe und starrte auf den Felsen vor mir, als würde er sich dadurch meinem Willen beugen.
Die einzige andere Möglichkeit, die mir einfiel, war unwahrscheinlich. Nur Studenten, die der Akademiezauber zugelassen hatte, konnten eintreten. Aber es gab keinen Grund, mich auszuschließen, oder?
Nein. Als immatrikulierte Studentin im vierten Jahr war meine Zugangserlaubnis so gut wie sicher. Ich hatte nichts getan, was einen Schulverweis rechtfertigen würde. Es musste eine andere Erklärung geben.
Ich musste einfach warten, bis andere Schüler kamen. Es war früher Nachmittag am Tag vor Unterrichtsbeginn. Sicher war ich nicht die Einzige, die auf die Idee gekommen war, zeitig anzureisen. Ich ließ meine Taschen zu Boden fallen und rutschte mit dem Rücken an der Felswand hinunter.
Nach zwei Minuten war niemand zu sehen. Erneut rieb ich mir die Stirn und das Knie und kramte in meinem Rucksack, bis ich mein Handy gefunden hatte. Ich aktivierte den Bildschirm und ging gedanklich das Adressverzeichnis durch. Adalia würde mit Leo aus dem Goldenen Wald der Feen anreisen - sie hatten keinen Grund, früher zu kommen. Außerdem war das Land der Feen eine handyfreie Zone, was bedeutete, dass ich Adalia nicht erreichen konnte. Und das letzte Mal, als ich sie gesehen hatte, konnten Leo und Rina nicht die Finger voneinander lassen. Die Wahrscheinlichkeit war groß, dass sie ein letztes Schäferstündchen genossen, bevor sie das Land der Feen verließen, also kamen sie ebenfalls nicht infrage. Blieben noch Wren, Dave, Ky oder Boone.
Ky spukte ständig durch meine Tagträume, aber ich hatte etwas gegen das Jungfrau-in-Not-Szenario, was mich zu Wren führte.
"Jas?", antwortete sie nach dem dritten Klingeln. "Was gibt's? Wo bist du?"
"Hey, Wren. Ich sitze auf der falschen Seite des Thunder Mountain fest. Der Eingang lässt mich nicht durch."
"Was? Warum das denn nicht?"
Im Hintergrund waren Stimmen zu hören. "Wartet mal, Leute", sagte Wren, "ich kann nichts hören, wenn ihr alle redet." Eine kurze Pause, dann fügte sie hinzu: "Es ist Jas."
"Wren, wo bist du?", fragte ich und lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf mich.
"Im Wohnheim. Dave und ich sind vor einer Weile angekommen."
"Wer ist noch da?"
"Ky und Boone sind gerade hier. Ky hat Rina gesucht, aber sie ist anscheinend bei Leo."
"Ihr seid alle ohne Probleme durch den Eingang gekommen?"
"Ja, genau wie immer."
"Das ist seltsam."
"Lässt er sich überhaupt nicht öffnen?"
"Nein. 'Sesam öffne dich' funktioniert nicht."
"Warte mal einen Moment, ich werde hier ständig was gefragt."
Ich hörte, wie sie meine Informationen an die anderen weitergab, bevor sie wieder mit mir sprach. "Ky und Boone kommen und holen dich ab. Bleib, wo du bist."
"In Ordnung. Danke." Als ich die Verbindung unterbrach, murmelte Dave etwas, das ich nicht richtig verstehen konnte, und brachte Wren zum Kichern. Die beiden waren unheimlich süß zusammen.
Fünfzehn Minuten vergingen, und noch immer war niemand erschienen, auch keine anderen Schüler. Gerade wollte ich Wren erneut anrufen, als sich ein langer, haariger Fuß aus der Bergwand schob. Erschrocken betrachtete ich den feuerroten Nagellack, mit dem die Krallen des besagten Fußes überzogen waren. Ein Kaninchenbein folgte, dann ein himmelblauer Rock mit Rüschen, der bis zur Mitte des haarigen Oberschenkels reichte, und mir wurde klar, wer mich abholen kam.
"Als wäre der Tag nicht schon verrückt genug ...", murmelte ich.
"Was hast du gesagt, Mädchen?", fragte Roberta Raindown, die aus dem Berg kam und mich mit scharfen, schwarzen Augen, bei denen keine Pupillen zu sehen waren, musterte. Trotz der Tatsache, dass sie ein Wildkaninchen war, hatte sie die Größe eines kleinen Menschen und war verdammt unheimlich.
"Nichts", antwortete ich, "ich bin nur froh, dass du gekommen bist, um mich zu holen. Keine Ahnung, was hier los ist. Ich komme einfach nicht rein."
"Hmm, ja, das ist merkwürdig", sagte sie abwesend und musterte mich von Kopf bis Fuß. "Dein Outfit gefällt mir, Mädel! Ich muss mir einen von diesen Jeans-Miniröcken besorgen. Der würde mir sehr gut stehen, oder?"
Hier gab es nur eine sichere Antwort. Normalerweise war ich kein Fan davon, auf Nummer sicherzugehen, aber ich hing an meinem Leben. "Natürlich würdest du darin toll aussehen. Du hast deine Babys bekommen, wie ich sehe?" Ich stand auf und wischte mir den Schmutz von der Rückseite meines Rocks.
"Jepp." Roberta rieb sich ein paar Sekunden lang den Bauch unter ihrem gerüschten, zitronengelben, ärmellosen Hemd. "Ein glattes Bäckerdutzend, alle gesund und munter. Sie treiben mich in den Wahnsinn, diese Racker, aber was soll ich machen? So ist das als Mutter."
Roberta Raindown, die ihren Spitznamen erhalten hatte, weil es überall, wo sie auftauchte, Chaos und Zerstörung regnete, plante offenbar, eine ganze Rasse furchterregender, übernatürlicher Kaninchen zu züchten. Allem Anschein nach machte sie dabei gute Fortschritte.
"Wie viele Kinder hast du insgesamt?", fragte ich. "Dreihundertdreiunddreißig ...?"
Sie nickte leicht, doch dann ließ sie die Schultern hängen. "Dreihundertzweiunddreißig, jetzt, wo mein Rasper nicht mehr da ist."
Es war ein Beweis dafür, wie einschüchternd sie und ihre Nachkommen waren, dass sie von all diesen Killer-Babys nur ein einziges verloren hatte.
Mir war klar, dass jeder andere ihr jetzt sein Mitgefühl ausgedrückt hätte, aber darin war ich noch nie gut gewesen. Stattdessen schwieg ich einen Moment lang, bevor ich sagte: "Du hast auch einen coolen Look."
Sofort richtete Roberta sich auf und strich mit den Pfoten über ihr kurzes Hemd. "Gefällt es dir? Nachdem ich dich am Ende des letzten Schuljahres gesehen hatte, beschloss ich, dass ich meinen Sinn für Stil verbessern muss. Wenn ich dich jetzt so sehe, wird mir klar, dass da noch mehr geht." Sie tippte mit der Pfote an ihre zuckende, kleine Nase. "Vielleicht sollte ich mir auch so einen Ring besorgen, wie du ihn hast."
Ich zuckte zusammen. "Vermutlich würde das sehr wehtun."
Warum? Wegen ihrer Kaninchennase.
Roberta richtete sich zu ihrer vollen Größe auf, ihr Outfit war vergessen. "Willst du damit andeuten, dass ich nicht ein bisschen Schmerz aushalten kann, Mädel?"
"Verdammt nein. Das würde mir im Traum nicht einfallen."
Sie lachte bellend. "Ich wusste doch, dass wir beste Freundinnen werden. Denk dran, du hast mir Mädelszeit versprochen ..." Sie stemmte beide Pfoten in die Hüften. "Du hältst doch dein Versprechen, oder?"
Ich hatte ihr ganz sicher keine Mädelszeit versprochen, aber selbst ein Blinder und ein Tauber würden erkennen, dass Roberta gefährlich war. Man wollte sie nicht zum Gegner haben.
"Klar können wir zusammen abhängen", sagte ich, "aber zuerst muss ich in die Schule kommen".
"Richtig." Sie wandte sich zum Felsen um. "Du sagst, er lässt dich nicht rein? Hast du deshalb die Beule auf der Stirn?"
"Ja." Ich rieb mir über die Stirn. Ich würde mit einer dicken Beule in das neue Schuljahr starten. Na toll.
"Zeig es mir. Versuch's noch einmal."
Ich presste meine Finger gegen die Stelle am Fels, aus der Roberta aufgetaucht war, und berührte wieder einen massiven Berg. "Siehst du?"
"Ich sehe es." Sie runzelte die Stirn. "Das macht keinen verdammten Sinn. Es kommen schon den ganzen Tag Schüler durch."
Sie starrte den Felsen an, als wäre er ein ungezogenes Kind, schob einen Fuß vor - und er glitt einfach durch.
"Was zur Hölle?", rief ich aus.
"Ich glaube nicht, dass die Hölle was damit zu tun hat. Irgendetwas ist hier faul, und das gefällt mir überhaupt nicht."
"Mir auch nicht, Roberta, mir auch nicht." Ich verschränkte die Arme vor der Brust und warf dem Felsen einen wütenden Blick zu.
Die Killerhasen-Mom schaute interessiert auf meine Taschen. "Hübsche Taschen. Davon brauche ich auch welche, wenn ich mal was tragen muss und keins meiner Kinder mir helfen kann. Nimm deine Taschen und gib mir deine Hand."
Ich zögerte nur eine Sekunde, dann folgte ich ihrem Befehl.
"Ich denke, das wird klappen", sagte sie, nahm meine Hand in ihre Pfote und schlurfte zum Eingang. Mit einem Blick zu mir, fügte sie hinzu: "Du darfst auf keinen Fall loslassen, egal was passiert, hörst du?"
Überwältigt von der Intensität in ihren schwarzen Augen nickte ich nur. Verdammt, Roberta war gnadenlos. Und sie glaubte, wir wären beste Freundinnen. Ich erschauderte bei dem Gedanken daran, wie sie mit ihren Feinden umging.
Das Kaninchen verschwand im Felsen vor mir, und als es an meiner Hand zerrte, schlüpfte ich mit ihm hindurch.
"Wow", sagte ich, "Was glaubst du, warum ich mit dir zusammen durchkomme, aber nicht alleine?"
"Ich habe keine Ahnung, mein Mädchen, aber es gefällt mir nicht. Es gefällt mir kein bisschen. Diese Schule ist verrückter als ein Korb voller Kaninchen. Das macht mich ganz kribbelig."
"Ich kann dich gut verstehen, Roberta. Mir ist ebenfalls ganz mulmig."
"Siehst du? Wir sind füreinander geschaffen. Beste Freundinnen sozusagen."
"Tut mir leid, aber ich habe schon eine beste Freundin."
Adalia erklärte mir ständig, dass wir beste Freundinnen seien, egal, ob es mir gefiel oder nicht. Diese Fee war erstaunlich penetrant für jemanden, der immer und zu allem lächelte.
Roberta blieb knurrend stehen. Prompt rempelte ich gegen ihren Rücken und fragte mich dabei, ob Kaninchen grundsätzlich knurren konnten, oder nur sie.
"Du hast mir gesagt, wir würden beste Freundinnen werden", sagte sie und klang dabei so gefährlich, dass es meinen Selbsterhaltungstrieb aktivierte.
"Weißt du was? Es gibt keine Regel, die besagt, dass ich nicht zwei beste Freundinnen haben kann."
Roberta lief weiter. "Na bitte. Siehst du, ich wusste, dass du Grips hast. Man kann jede Regel umgehen."
Ich versuchte, das furchterregende Kaninchen vor mir zu erkennen, aber es war stockdunkel. Wahrscheinlich war es besser so. Wie zum Teufel war ich an zwei beste Freundinnen gekommen, wo ich nicht einmal eine haben wollte.
"Wie kommt es eigentlich, dass du mich abholst und nicht Ky und Boone?", fragte ich. "Eigentlich wollten die beiden kommen."
"Ja, sie haben es versucht, aber ich habe sie am Tor aufgehalten. Das hier ist Aufgabe des Pförtners."
"Aha. Deine Söhne bewachen das Tor also nicht mehr, sondern nur du?"
"Wenn ich es will, sind sie da, aber es reicht, wenn ich das Tor bewache."
"Das glaube ich sofort. Bei dir schlottern selbst einem Beinamputierten die Knie."
Roberta kicherte, sie konnte gar nicht wieder aufhören. Schließlich sagte sie: "Siehst du, ich habe dir gesagt, dass wir perfekt zusammenpassen. Du hast eine Art mit Worten umzugehen, die Musik in meinen Ohren ist."
Na ja, Verrücktheit ließ sich nicht erklären. Ich wusste selbst, dass der Filter zwischen meinem Gehirn und meinem Mund häufiger kaputt war, als dass er reibungslos funktionierte.
Der Druck des Felsens, der uns umgab, lastete schwer auf mir. Die Luft war zu dünn, und meine Gedanken kreisten um die Frage, warum ich die Akademie nicht alleine betreten konnte.
"Roberta?", fragte ich nach einer Weile. "Was glaubst du, warum ich mit dir zusammen den Felsen durchqueren kann?"
"Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Ich glaube, es liegt daran, dass wir miteinander verbunden sind, und der Zauber uns deshalb für ein einziges Wesen hält: mich."
"Ich schätze, das ergibt Sinn ..."
"Zumindest in einer Welt, die weniger Sinn ergibt als ein Kaninchen auf Sauftour."
"Wie wahr, Roberta, wie wahr", erwiderte ich, gerade als das Kaninchen vor mir endlich aus dem Tunnel auftauchte.
Gemeinsam landeten im strahlenden Sonnenschein des Dauerfrühlings, der an der Akademie herrschte. Wenigstens das funktionierte wieder. Als ich Robertas Hand loslassen wollte, umarmte sie mich fest.
"Ich bin froh, dich zu sehen."