Die schwarze Loge - Alfred Wallon - E-Book

Die schwarze Loge E-Book

Alfred Wallon

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Beschreibung

Sie sind die letzten Kämpfer des Lichts gegen die Mächte der Dunkelheit. Aber sie müssen im Verborgenen operieren, denn die Menschen der heutigen Welt wissen nicht, dass diese gefährlichen Mächte nur auf den richtigen Moment warten, um dann die Herrschaft zu übernehmen und die gesamte Zivilisation zu vernichten.Auch der junge Lehrer Paul Berger ist ahnungslos. Seine Welt ist fest umrissen und geordnet – bis zu jenem Tag, als er von einigen gewaltbereiten Schülern krankenhausreif geschlagen wird. Kurz darauf sucht ihn sein Vater Konrad Berger im Krankenhaus auf. Pauls Vater war viele Jahre lang verschollen und galt bereits als tot. Er erzählt Paul von einer weltweiten Verschwörung finsterer Mächte und bittet ihn, nach seiner Genesung in ein abgelegenes Kloster in den Pyrenäen zu gehen, um dort fast vergessenes Wissen zu lernen. Genau wie er selbst es auch vor vielen Jahren getan hat.Paul erfüllt die Bitte seines Vaters – und von diesem Augenblick an ändert sich sein gesamtes Leben. Denn nun ist die Schwarze Loge auf ihn aufmerksam geworden, und man verfolgt ihn. Konrad Berger gelingt es in letzter Minute, Paul zu retten. Aber die eigentlichen Probleme haben erst begonnen...

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Seitenzahl: 245

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Alfred Wallon

Die schwarze Loge

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Impressum

Kapitel 1

Augsburg

Löweneck-Mittelschule

September 1998

Paul Berger seufzte innerlich, als er das Lehrerzimmer verließ und sich auf den Weg zum Klassenraum der 9a begab. Allerdings sehnte er sich instinktiv zurück nach der relativen Ruhe, die das Lehrerzimmer vermittelt hatte.

Es ist wie eine Insel im Sturm, dachte Paul und strich sich eine widerspenstige Haarsträhne aus der Stirn, während er mit der Aktentasche unter dem Arm seinen Weg über den langen Flur fortsetzte. Und jetzt bin ich auf dem Weg zur Front – allerdings ohne Waffen und jeglichen Schutz...

Draußen auf dem langen Gang erklang lautes Gelächter, gefolgt von einem Fluch in einem kehligen Dialekt. Zwei Schüler mit Baseballkappen und weiten Hosen standen vor einem Dritten, der gut einen Kopf kleiner und längst nicht so großmäulig war wie die beiden anderen, die sich direkt vor ihm aufgebaut hatten. Sie alle lebten in Augsburg-Oberhausen, stammten aus einem Stadtviertel, das man Multi-Kulti nannte und ein Schmelztiegel vieler Nationalitäten darstellte. Genau wie die Löweneck-Mittelschule, an der Paul Berger Deutsch und Mathematik unterrichtete.

»...Nun mach schon!«, hörte Paul die Stimme eines der beiden Halbwüchsigen. »Rücke dein Geld raus. Worauf wartest du? Alter, wir haben keine Zeit...«

Natürlich sahen die Jugendlichen, dass Paul Berger sich ihnen näherte. Aber das interessierte hier schon lange niemanden mehr. Sie taten so, als würden die Lehrer dieser Schule überhaupt nicht für sie existierten.

Paul schüttelte nur den Kopf darüber, als er bemerkte, dass der Kleinere der drei jetzt etwas aus seiner Jackentasche holte und es einem der beiden anderen gab. Es war ein Zwanzig-Mark-Schein, und er verschwand ganz schnell in der Hosentasche des anderen. Paul hatte den Eindruck, als wenn dies alles andere als freiwillig geschehen war.

Als die beiden größeren Jugendlichen bemerkten, dass Paul ihnen kurz zugesehen hatte, verwandelten sich ihre Blicke in Überheblichkeit und pure Verachtung.

»Ist was?«, fragte der Anführer Paul mit aggressivem Ton. »Hier gibt’ s nichts zu sehen...«

»Nein«, murmelte Paul und ging rasch weiter. Selbst wenn er sich jetzt noch eingemischt hätte, so wäre es vergebliche Liebesmühe gewesen, denn die drei Schüler mit Migrationshintergrund regelten ihre privaten Angelegenheiten unter sich selbst. Wenn jemand dazu stieß, dann zog der meist den Kürzeren. Paul wusste das, denn er war lange genug hier und hatte längst begriffen, wie an dieser Schule der Hase lief.

Augen zu und nur nicht auffallen, hatten ihm seine älteren Kollegen geraten, als er vor einigen Monaten seinen Dienst hier angetreten hatte. Sollen die sich ruhig gegenseitig umbringen und zusammenschlagen. Wir ziehen unseren Lehrstoff durch – aber für alles andere sind wir nicht mehr zuständig...

Zuerst hatte Paul das nicht glauben wollen, aber schon nach einem Monat wusste er Bescheid, dass viele Jugendliche ihre Aggressionen nicht unter Kontrolle hatten und sich entsprechend auffällig verhielten.

Hinter sich hörte Paul ein abfälliges Lachen und eine höhnische Bemerkung, die er aber nicht genau verstehen konnte. Es spielte auch keine Rolle mehr, denn in zwei Minuten fing sein Unterricht an. Nur darauf wollte er sich jetzt konzentrieren, denn was ihn im Klassenzimmer gleich erwartete, war schon schlimm genug.

Was genau darunter zu verstehen war, konnte er schon hören, als er um die Ecke bog und nur noch wenige Meter von der Tür zum Klassenraum entfernt war. Durch die halb geöffnete Tür drang ein Lärm hinaus auf den Flur, der ihn jetzt schon nervte.

»Ich verstehe das einfach nicht...«, murmelte er leise vor sich hin. Denn seine Klasse, die er vor einem halben Jahr übernommen hatte, dokumentierte die augenblicklichen schulischen Verhältnisse. 30 Schüler – davon waren nur knapp die Hälfte Deutsche. Alle anderen kamen aus außereuropäischen Ländern Deshalb kam es hier öfters zu Verständigungsproblemen und Ausbrüchen von Aggression. Lernen und an die Zukunft denken spielte hier keine Rolle. Denn wenn man es genau nahm, hatten viele dieser Jugendlichen keine Zukunft mehr. Selbst diejenigen, die hier geboren und aufgewachsen waren. Einige empfanden die Schulstunden sogar als Last und Hindernis, und so führten sie sich auch auf.

Ein halbes Jahr habe ich mich behaupten können, dachte Paul. Das ist für einen Neuling an dieser Schule schon eine ordentliche Leistung. Also dann wollen wir mal... auf in den Kampf!

Er öffnete die Tür und betrat den Klassenraum. Aber der Lärm verstummte nicht. Selbst diejenigen Schüler, die ihn hatten herein kommen sehen, unterbrachen ihre augenblickliche Beschäftigung nicht. Stattdessen fuhren sie fort, ihre Gameboys zu bearbeiten, die neuesten Hip-Hop-Hits mit mp3-Playern zu hören oder ganz einfach Streit mit anderen anzufangen.

Paul bemerkte die ängstlichen Blicke von Tina Bosner und Daniel Neuhaus. Die beiden waren die einzigen Schüler in seiner Klasse, die halbwegs begriffen hatten, dass in der Schule die späteren Weichen gestellt wurden. Sie glänzten nicht unbedingt mit guten Noten, bekamen andererseits aber auch keine richtige Chance, sich überhaupt in dieser Klasse zu behaupten. Wie sollte das auch möglich sein, wenn Paul Berger von 45 Minuten regulärem Deutschunterricht fast 20 Minuten brauchte, um erst einmal für soweit Ordnung zu sorgen, dass eine Schulstunde überhaupt möglich war?

»He!«, rief er jetzt so laut, dass es alle anderen eigentlich hören mussten. »Wir fangen jetzt an. Hinsetzen!«

Im ersten Moment geschah gar nichts. Stattdessen drehte sich einer der Schüler um, ein hagerer Junge mit schwarzen Haaren und dunklen Augen war. Er hieß Harkan Yesilbas und er war so etwas wie ein Anführer in der 9. Klasse. Zusammen mit seinen drei Freunden Nils Hafner, Kevin Steinhaus und Mustafa Dalkilic gab er in der Klasse den Ton an. Und wehe denen, die das nicht begreifen wollten!

»Was geht ab, Berger?«, fragte Harkan Yesilbas provozierend und stand mit vor der Brust verschränkten Armen vor einem der Tische. Sein Grinsen war eine Spur aus Drohung und Verachtung.

»Das, was ich dir sage, Harkan«, antwortete Paul, der fest entschlossen war, sich diesmal nicht in die Enge treiben zu lassen. »Oder hast du keine Lust, was zu lernen?«

»Lernen ist große Scheiße, Mann«, ergriff nun der untersetzte Kevin Steinhaus das Wort. »Bringt nichts. Geh wieder, Alter. Wir hören dir doch nicht zu und...«

»Du vielleicht nicht, Kevin«, antwortete Paul. »Aber hier in der Klasse gibt es noch einige andere, die nicht so engstirnig denken wie du. Also was ist jetzt? Setzt euch endlich hin und holt eure Hefte raus. Wir schreiben jetzt einen Aufsatz.«

»Einen Aufsatz?«

»Schon mal gehört, was das ist?«, fragte Paul zurück und hatte dadurch einige Lacher auf seiner Seite. Auch von denjenigen, die normalerweise Partei für Harkan und seine Freunde ergriffen. »Dafür muss man schon ein bisschen Grips im Kopf haben.«

»Du kannst mich mal!«, rief Kevin Steinhaus und deutete mit dem Mittelfinger seiner rechten Hand eine entsprechende Geste an. »Steck dir deinen Aufsatz sonstwohin. Ich mach das nicht. Harkan – und du?«

»Gehen wir«, entschied der Anführer dieser. »Schreib deine Scheiße selbst, Berger...«

Bevor Paul etwas unternehmen konnte, hatten die die Schüler auch schon den Klassenraum verlassen. Die Tür schlugen sie so laut hinter sich zu, dass sie in den Angeln wackelte.

»Jedem das Seine«, sagte Paul und wandte sich wieder an die Klasse. »Das wär dann schon mal jeweils eine Sechs für jeden von denen. Wer hat noch Lust auf schlechte Noten?« Er wartete einen Moment und schaute in die Runde. Ein angedeutetes Lächeln war kurz auf seinen blassen Gesichtszügen zu sehen, bevor er weiter sprach. »Na also, wir kriegen das schon hin. So, und nun konzentrieren wir uns auf das Aufsatzthema. Es heißt: Welchen Beruf möchte ich lernen, und warum?«

Stöhnen machte sich im Klassenzimmer breit. Einige der Mitschüler zuckten nur mit den Achseln, weil dieses Thema offensichtlich uninteressant war. Nur drei andere blickten interessiert drein und fingen dann auch schon an, sich einige Notizen zu machen. Auch Daniel und Tina waren mit dabei. Schließlich verstummten auch die letzten Stimmen, und jeder hatte akzeptiert, um was es ging. Auch wenn nicht jeder dafür die richtigen Worte finden würde.

»Ihr habt die ganze Doppelstunde Zeit dafür«, sagte Paul. »Also nutzt sie auch.«

Während die Klasse – oder besser gesagt: gut zwei Drittel – mit dem Schreiben des Aufsatzes beschäftigt war, erhob sich Paul und ging hinüber zum Fenster. Von hier oben hatte man einen guten Überblick auf den Schulhof, der von einem großen schmiedeeisernen Zaun umgeben war.

Zorn packte ihn, als er Harkan und seine Freunde auf dem Schulhof sah. Die Jugendlichen standen in der Nähe des Zauns, hatten sich Zigaretten angesteckt und schienen nicht im geringsten daran zu denken, dass ihre Leistungsverweigerung bereits mit einer schlechten Note bestraft worden war. Stattdessen machten sich die Kerle sogar einen großen Spaß daraus, dort unten abzuhängen und darauf zu warten, dass der Vormittag endlich vorüber ging und sie ihre Lieblingsbeschäftigung an einem anderen Ort fortsetzen konnten. Natürlich nicht ohne sich nachher noch einen zusätzlichen Kick zu holen. In der Form, dass sie einige ihrer Klassenmitglieder terrorisieren würden.

Der Direktor muss einschreiten, dachte Paul und strich sich gedankenverloren übers Kinn. Wenn die Jungs nicht bald kapieren, wo es lang geht, dann sollten sie besser von der Schule verwiesen werden. Schließlich gibt es noch genügend andere Unruhestifter hier...

Sein Blick glitt zurück in die Klasse. Eine leichte Hoffnung ergriff ihn, als er sah, dass Tina, Daniel und vier weitere Schüler emsig mit Schreiben zugange waren. Das war zwar im Vergleich zur restlichen Klasse ein verschwindend geringer Prozentsatz, aber doch besser als gar nichts.

Die Doppelstunde verging wie im Flug. Lange vor Schluss hatten sich vier Schüler von ihren Plätzen erhoben, ihr Heft zugeschlagen und es Paul wortlos auf den Tisch gelegt. Der blonde Mittelschullehrer wusste, dass er darin nur wenige Sätze und einige belanglose Kritzeleien finden würde. Oder gar nichts. So konnte man sich aber auch eine Sechs einhandeln.

Als die anderen ihre Hefte abgaben, klingelte es zur Pause, und die Anspannung wich von den restlichen Schülern. Nun waren sie wieder normale Jungs und Mädchen, die nur eins wollten: hinaus in die Pause und auf den Schulhof gehen, nachdem der Druck von ihnen gewichen war.

Paul war so in Gedanken versunken, dass er gar nicht merkte, wie Tina und Daniel in der Tür stehengeblieben waren.

»Ja?«, fragte er. »Was ist denn?«

»Herr Berger, ich will Kosmetikerin werden«, rückte Tina nun mit ihrem Anliegen heraus. »Kann ich das denn überhaupt mit einem Hauptschulabschluss?«

»Und ich möchte Grafiker werden. Ich kann gut zeichnen«, fügte der schlanke Daniel hinzu. »Aber meine Eltern haben kein Geld für eine gute Ausbildung. Herr Berger, das ist ungerecht.«

»Ich weiß«, erwiderte Paul mit einer Geste des Bedauerns. »Aber bis zum Ende des Schuljahres und zum Abschluss ist ja noch etwas Zeit. Soll ich mal mit euren Eltern reden? Es gibt staatliche Förderungen. Man muss sie nur beantragen.«

»Vergessen Sie’ s«, seufzte Tina mit einem traurigen Blick. »Mein Vater arbeitet auf Montage. Ich hab ihn schon gefragt. Aber er sagt, dass er nicht den Staat anbetteln wird. Verkäuferin bei Kaufland soll ich werden. Ich will das aber nicht.«

»Bemüht euch, dass ihr einen guten Schulabschluss hinkriegt«, riet Paul seinen beiden Schülern. »Und dann könnt ihr immer noch weiter zu einer weiterführenden Schule gehen. Da sind die Chancen für eine Ausbildung besser. Ihr müsst immer und ständig lernen. Noch viele Jahre. Selbst ich muss das noch tun. Und ich tue es gern, versteht ihr?«

Tina und Daniel nickten. Sie hatten verstanden, was ihr Lehrer ihnen damit sagen wollte. Sie verließen die Klasse. Genau wie Paul. Es war jetzt 10.30 Uhr, und die Große Pause hatte begonnen.

Paul blieb am Fenster stehen und beobachtete die Schüler, die auf den Hof strömten. Vertraute Gruppen bildeten sich, die auch meistens unter sich blieben. Türken standen zusammen, und in einiger Entfernung unterhielten sich italienische Mädchen, die wiederum von albanischen Jugendlichen abgecheckt wurden.

Der 28jährige Lehrer setzte sich auf die Fensterbank und beobachtete weiterhin von hier oben das bunte Treiben auf dem Schulhof, während er daran denken musste, was Tina und Daniel ihm eben gesagt hatten. Beide stammten ebenfalls aus sozialen Brennpunkten, und ihre Familien boten ihnen nicht den Rückhalt, den sie eigentlich brauchten, um selbst weiterkommen zu können. Das Schlimme daran war, dass Daniel und Tina sehr aufgeweckt waren und unter normalen Umständen eigentlich eine bessere Chance verdient hätten.

Seine Blicke erfassten Tina, die bei zwei italienischen Mädchen ihres Alters stand und sich mit ihnen angeregt unterhielt. Daniel dagegen stand etwas außerhalb. Aber nicht lange. Harkan Yesilbas und seine Freunde näherten sich ihm, und Daniel bekam das mit. Paul sah, dass der Junge im ersten Moment zusammenzuckte und sich umschaute. Aber Dieter Stöver, Pauls Kollege, der in der Großen Pause die Aufsicht hatte, befand sich am anderen Ende des Schulhofes und bekam das nicht mit.

Verdammt, die wollen sich Daniel vorknöpfen!, dachte Paul und sah, wie Harkan nun einen Schritt nach vorn trat und eine entsprechende und zugleich fordernde Drohgebärde von sich gab. Als Daniel nicht gleich begriff, was Harkan vorhatte, packte ihn dieser am Kragen seiner Jacke, zog ihn nach vorn und verpasste ihm eine Kopfnuss. Daniel stürzte zu Boden, und die anderen Jugendlichen umringten ihn sofort.

Paul sah, wie Tina in die Auseinandersetzung einzugreifen versuchte, weil sie längst gesehen hatte, dass Daniel Probleme hatte. Sie wurde jedoch von dem untersetzten Kevin darin gehindert. Er gab ihr mit einer knappen Geste zu verstehen, dass sie sich besser aus allem, was jetzt kam, heraus halten sollte.

Pauls Gedanken brachen ab, als hinter ihm Schritte erklangen. Er drehte sich um und sah den Direktor der Hauptschule vorbei gehen. Bernd Wehrmann war Anfang Fünfzig, trug saloppe Kleidung und bevorzugte einen lockeren Führungsstil. Oder anders gesagt: er war immer darauf aus, Konflikten aus dem Weg zu gehen. Er gab sich ganz wie ein in die Jahre gekommener Politiker der Grünen. Daniel Cohn-Bendit hätte sicher seine Freude an Wermann gehabt.

»Herr Wehrmann«, wandte sich Paul an ihn. »Da unten gibt es Ärger. Einige Schüler bedrohen jemand und...«

»Wo?«, fragte Wehrmann sofort und trat ans Fenster.

»Da drüben. Beim Zaun«, sagte Paul und zeigte auf die betreffende Stelle. »Sehen Sie es? Die haben Daniel Neuhaus in die Zange genommen und wollen eine Schlägerei provozieren!«

»Ach was«, winkte der Direktor ab und schaute schon nicht mehr hin. »Das ist nur Imponiergehabe, sonst nichts. Herr Berger, das müssten Sie doch jetzt eigentlich wissen. Große Sprüche klopfen diese Burschen zwar. Aber sonst ist alles nur heiße Luft. Die beruhigen sich schon wieder. Sie werden sehen...«

Mit diesen Worten wandte er sich ab und setzte seinen Weg zum Lehrerzimmer fort. Paul blieb fassungslos zurück. Vor allen Dingen, weil er jetzt sehen konnte, dass Daniel schon am Boden lag und einer der Schüler sich über ihn gebeugt hatte und ihn an beiden Armen fest hielt, während ein zweiter sich an seinen Beinen zu schaffen machte. Oder genau gesagt an seinen Schuhen.

Jetzt wusste Paul, worauf das Ganze hinaus lief.

»Die können doch nicht einfach...«, murmelte Paul, während ein Gedanke den anderen jagte. »Jemand muss doch was tun.«

Und genau das... hatte er vor!

*

Mit schnellen Schritten rannte er die Treppe nach unten und achtete dabei nicht darauf, dass er seinen Kollegen Harald Bubenheim anrempelte. Der Referendar, der stets T-Shirts trug und in seinen verwaschenen Jeans versuchte, sich mit vielen Schülern auf eine Stufe zu stellen, vergaß dabei oft, den Lehrplan zu berücksichtigen. Er rief Paul etwas hinterher, was dieser aber nur am Rande wahrnahm. Denn seine Gedanken kreisten verständlicherweise um ganz andere Dinge.

Er stieß den großen Flügel der Glastür auf und erreichte den Schulhof. Paul zuckte zusammen, als er sah, dass Harkan einen Schuh Daniels in der Hand hielt und verächtlich lachte. Daniel trug sportliche Sneakers – natürlich Markenware – und darauf waren Harkan und seine Freunde scharf. Und das ließen sie den Jungen auch spüren, indem sie ihm ihre Übermacht ganz deutlich zeigten.

Das war kein Imponiergehabe, wie es der Direktor lässig abgetan hatte – das war nackte Gewalt. Und Daniel war der Leid tragende!

Einige Schüler hatten sich um die Kämpfenden versammelt und feuerten Harkan an, weiter zu machen. Das wurde jetzt so laut, dass Tinas Hilferufe untergingen. Sie schaute dabei in Richtung der Pausenaufsicht. Aber Dieter Stöver ließ sich nicht blicken. Stattdessen hatte er es vorgezogen, den dramatischen Geschehnissen den Rücken zuzukehren.

»Aufhören!«, rief Paul und schob einige der Schüler einfach beiseite, während er sich seinen Weg durch die Menge bahnte. »Sofort aufhören!«

Auf einmal wurde es auf dem Schulhof so still, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Erstaunte und zugleich verständnislose Blicke der meisten Schüler richteten sich auf den jungen Lehrer, der es tatsächlich gewagt hatte, sich einzumischen. Aber Daniels panischer Blick und sein vor Angst bleiches Gesicht zeigten Paul, dass es richtig war, was er tat.

»Was willst du, Berger?«, fragte ihn Harkan mit einem süffisanten Lächeln und drehte sich nun zu ihm um. Auch seine Kumpane bauten sich jetzt mit geballten Fäusten vor ihm auf. »Geh weg, Alter!«

»Ihr lasst Daniel sofort in Ruhe und gebt ihm seine Schuhe wieder – verstanden?«, richtete Paul in strengem Ton das Wort an die vier Übeltäter. »Sonst sorge ich dafür, dass ihr von der Schule fliegt. Und zwar schneller als euch lieb ist.«

In Harkans Augen blitzte es wütend auf, als er das hörte. Seine Freunde Nils, Kevin und Mustafa schauten nun ebenfalls erstaunt und zornig um sich. Sie murmelten etwas so leise, dass es Paul nicht verstand. Aber der Tonfall und die wütenden Blicke sagten ihm genug.

»Berger, du kriegst was aufs Maul, wenn du nicht verschwindest«, drohte ihm Harkan noch einmal.

»Das reicht jetzt, Harkan«, versuchte es Paul noch einmal im Guten. »Daniel«, wandte er sich rasch an den bedrohten Schüler. »Steh auf und komm mit.«

»Gar nichts tust du!«, sagte Kevin und versperrte dem bedrohten Schüler den Weg. Paul beschloss einzugreifen, trat an Harkan vorbei und packte Kevin an der Schulter. Das war der Funke, der einen Flächenbrand entfachte. Auf einmal spürte Paul, wie ihn selbst jemand packte und herum riss. Bruchteile von Sekunden später klatschte auf einmal eine kräftige Faust in sein Gesicht, die einen heißen Schmerz auslöste und seinen Kopf dröhnen ließ.

Paul begann zu taumeln und hielt abwehrend beide Hände hoch. Tränen blinzelten in seinen Augen, als er Harkan vor sich stehen sah, der ihm in diesem Moment einen zweiten Fausthieb verpasste.

Sein Kopf dröhnte, und in den Augenwinkeln bildeten sich Tränen, während er spürte, dass die Beine plötzlich unter ihm nachzugeben begannen. Bruchteile von Sekunden später fand er sich auf dem harten Asphaltboden des Schulhofes wieder und blickte direkt in das höhnische Gesicht seines Schülers.

»Wir haben dich gewarnt, Berger!«, lachte Harkan. »Jetzt mischen wir dich auf!«

Er holte mit dem rechten Fuß aus und verpasste Paul einen Tritt in die Rippen. Paul hörte jemanden laut schreien und begriff erst Sekunden später, dass er selbst es war. Aber zu diesem Zeitpunkt stürzten sich jetzt auch Harkans andere Kumpane auf ihn und bearbeiteten ihn von allen Seiten mit Tritten.

»Hilfe!«, hörte Paul in weiter Ferne eine helle Stimme rufen. »Warum hilft denn niemand?«

Aber selbst diese Stimmen wurden immer lauter, denn sein ganzer Körper war längst in ein Meer von Schmerzen getaucht. Er hielt die Hände vor den Kopf und versuchte, trotz der ausweglosen Lage das Gesicht notdürftig zu schützen, aber gegen die vier wütenden Schüler hatte er noch nicht einmal den Hauch einer Chance. Und was noch viel schlimmer war: ein gutes Dutzend weiterer Schüler stand dabei und feuerte Harkan und seine Kumpane sogar noch an.

Blut trat über Pauls Lippen, während seine Lunge beim Luftholen schmerzte. Er versuchte einem weiteren Tritt zu entgehen, verschaffte sich aber nur eine sehr kurze Zeitspanne. Denn nun trat ihm Nils in die Nieren und lachte dabei so gehässig, als handele es sich um eine ganz tolle Sache.

Sie schlagen mich tot!, schrie eine warnende Stimme in Paul. Mein Gott, niemand hilft mir. Warum sehen das denn die Lehrer nicht? Jemand muss doch jetzt kommen und dafür sorgen, dass...

Ganz undeutlich hörte Paul in der Ferne das Auf- und Abheulen einer Polizeisirene. Aber das waren auch die letzten Reaktionen seiner Sinne, bevor das Bewusstsein in einen tiefen dunklen Schacht stürzte.

*

Stephan Rauscher blickte missbilligend von seinem Balkon hinüber auf den Schulhof. Dieser Pausenlärm störte ihn gewaltig, zumal der rüstige Rentner gerade zu diesem Zeitpunkt am Tisch saß und in aller Ruhe mit der geliebten Zeitung und einem guten Frühstück seinen Tag begann. Den Morgenspaziergang mit seinem Hund hatte er schon hinter sich, und jetzt freute er sich auf das Ritual, das er jeden Tag genüsslich zelebrierte. Oder besser gesagt – er versuchte es. Denn seit das neue Schuljahr wieder begonnen hatte, war es aus und vorbei mit der morgendlichen Ruhe.

»Diese elenden Rotzlöffel rauben mir noch den Verstand«, murmelte Rauscher wütend vor sich hin, als er erneut Lärm hörte. Diesmal waren es laute Schreie – und sie klangen irgendwie beunruhigend.

Rauscher erhob sich vom Tisch und ging hinaus auf den Balkon. Vom ersten Stock seines kleinen, behaglich eingerichteten Hauses konnte er den Schulhof gut überblicken. Was er jetzt sah, ließ ihn zusammenzucken.

Am Zaun lag ein Mann am Boden. Vier Jugendliche traten und schlugen auf ihn ein! Er hatte schwach die Arme zur Abwehr erhoben, aber gegen diese Übermacht konnte er nicht ankommen. Und was noch schlimmer war: niemand schien dem bedrängten Mann helfen zu wollen.

»Ihr elenden Lausebengel!«, schimpfte der Rentner vom Balkon aus. So laut, dass es einer der Jugendlichen hörte. Aber das einzige, was er tat, war Stephan Rauscher einen Vogel zu zeigen.

»Also das ist doch...«, keuchte der pensionierte Postbeamte fassungslos angesichts dieser Kaltschnäuzigkeit. »Na wartet...«

Sofort schloss er die Balkontür, lief er ins Wohnzimmer, nahm den Telefonhörer ab und wählte die Notrufnummer der Polizei. Sekunden später kam die Verbindung zustande.

»Hier ist Stephan Rauscher«, sprach er ganz aufgeregt in den Hörer. »Ich wohne gegenüber von der Löweneckschule. Da ist eine Schlägerei auf dem Schulhof. Vier Schüler schlagen und treten auf einen Erwachsenen ein, und niemand kommt zu Hilfe. Sie müssen sofort eingreifen, sonst...«

Er hatte sich so in Rage geredet, dass ihm die Luft wegblieb.

»Einer unserer Wagen ist ganz in der Nähe«, erhielt der rüstige Rentner dann als Antwort. »Er wird gleich da sein. Bitte halten Sie sich für eine Aussage zur Verfügung.«

»Und ob ich das werde«, sagte Rauscher. »Dieses verdammte Pack – das sind doch keine ordentlichen Schüler mehr, sondern nur noch Halbstarke.«

Die letzten Worte hatte die Vermittlung in der Notrufzentrale aber nicht mehr mitbekommen, weil die Verbindung bereits unterbrochen war. Rauscher legte den Hörer wieder auf und griff nach seiner Strickjacke. Der Beagle begann zu kläffen, weil er spürte, dass sein Herrchen etwas Wichtiges vorhatte.

»Bleib hier, Baltus«, beruhigte Rauscher seinen Hund. »Ich bin gleich wieder da. Sitz!«

Er zeigte auf die Kuscheldecke, und der Hund trottete artig dorthin und ließ sich nieder. Der Rentner öffnete die Tür und lief hinaus ins Freie. Vom Garten bis zum Schulhofeingang waren es nur wenige Schritte. Und je näher er kam, umso deutlicher konnte er sehen, was direkt am Zaun geschah.

»Gesindel!«, rief er und drohte mit seinem Spazierstock, den er immer bei sich trug. »Schämt ihr euch denn nicht?«

Einer der Jugendlichen hielt für einen kurzen Augenblick inne, drehte sich um und blickte abfällig auf den Rentner. Dabei vollzog er mit der rechten Hand eine waagrechte Geste quer über seine Kehle. Das war so eindeutig, dass Stephan Rauscher am ganzen Körper zu zittern begann.

Wer weiß, was noch geschehen wäre, wenn in diesem Augenblick nicht ein Polizeifahrzeug mit quietschenden Reifen um die Ecke geschossen wäre? Das Heulen der Sirene ließ Harkan und seine Kumpane erstarren. Sofort ließen sie von ihrem Opfer ab und ergriffen die Flucht.

»Stehen bleiben!«, rief einer der Polizisten. Aber das taten Harkan und seine Gesinnungsgenossen natürlich nicht. Sie bahnten sich einen Weg durch die Schüler und versuchten die gegenüber liegende Seite des Schulhofs zu erreichen. Dort gab es einen kleinen Seitenausgang, durch den sie verschwinden wollten.

Ihre Rechnung ging jedoch nicht auf. Denn gerade als sie durch das Tor drängten, stoppte ein zweiter Streifenwagen direkt vor dem Eingang. Zwei weitere Beamte stiegen aus dem Wagen und liefen auf die gewalttätigen Schüler zu.

Es kam zu einem kleinen Handgemenge, aber gegen die Polizisten hatten sie keine Chance. Zumal die anderen beiden Beamten jetzt ebenfalls herbei geeilt kamen, um ihren Kollegen zu helfen. In noch nicht einmal fünf Minuten waren die Übeltäter überwältigt und mit Handschellen besänftigt.

»Das gibt’s doch nicht«, sagte einer der Polizisten mit einem verständnislosen Kopfschütteln zu seinem Kollegen. »Keiner hat geholfen, als diese Kerle den Mann zusammengeschlagen haben. Noch nicht einmal ein anderer Lehrer. In was für einer Welt leben wir hier eigentlich?«

»In einer Scheißwelt!«, behauptete Harkan und fluchte jetzt in seiner Muttersprache wie ein Rohrspatz.

»Halt den Mund!«, sagte einer der Polizisten und packte ihn am Kragen seiner Jacke. »Glaub ja nicht, dass du hier den großen Helden markieren kannst. Bist du jetzt endlich ruhig?«

Irgendetwas in der Stimme des Beamten ließ Harkan sehr vorsichtig werden, und er tat, was man ihm gesagt hatte. Währenddessen war auch ein Krankenwagen mit Notarzt vorgefahren, und die Rettungssanitäter kümmerten sich um den bewusstlosen blutenden Lehrer. Man hob ihn vorsichtig auf eine Trage, brachte ihn in den Rettungswagen und schloss ihn sofort an lebenssichernde Geräte an.

»Fass mich nicht so brutal an, Alter!«, beklagte sich Mustafa Dalkilic, als ihn einer der Polizisten packte und mit sich zog. »Hör mal – mein Alter kennt einen guten Anwalt. Der sorgt dafür, dass ich schnell wieder frei bin...«

»Manchmal hasse ich diesen Job«, murmelte der Polizist so leise, dass das sonst niemand hören konnte. Aber seine Blicke waren eindeutig. Wäre es nach ihm gegangen, dann hätte er diesem missratenen Halbwüchsigen schon beigebracht, was den Respekt vor Schule und Lehrern betraf. Aber so lange er die Uniform trug, durfte er das nicht!

*

Zentralklinikum Augsburg

Intensivstation

Am nächsten Nachmittag

Stimmen. Geräusche. Blitzende Lichter. Seltsames Blinken und immer wieder Schritte in der Nähe. Paul Bergers Bewusstsein stieg langsam wieder an die Oberfläche, aber der Weg dorthin war mühsam und verwirrend zugleich. Denn er hörte Stimmen und Worte, die er zunächst nicht begriff. Dann vernahm er aber manches deutlicher.

»...er wacht auf. Holt Dr. Kuhn. Schnell!«

Hastige Schritte waren kurz zu hören, die sich entfernten. Paul bemühte sich sehr, die Augen zu öffnen. Er murmelte unzusammenhängende Worte und sah im ersten Moment nur bunte Schleier, in denen er undeutliche Konturen in ineinandergreifenden Farben wahrnehmen konnte.

»Puls ist in Ordnung. Herzfrequenz auch. Atem kommt gleichmäßig«, verkündete eine zweite Stimme.

»Wird er wieder gesund?«, fragte etwas später eine Stimme, die Paul von irgendwoher kannte. Aber noch waren seine Gedanken zu verwirrt, um gleich alles zu verstehen.

»Sein Zustand ist stabil, aber noch kritisch«, kam die Antwort. »Wir können jetzt nur hoffen. Warum gehen Sie nicht nach Hause und ruhen sich aus? Im Moment können Sie sowieso nichts für ihn tun.«

»Ich möchte bei ihm sein – er wacht doch gleich auf. Bitt e...«

»Gut, aber nur fünf Minuten. Halten Sie sich daran. Ihr Sohn hat sehr viel Glück gehabt.«

Sohn? Jetzt wusste Paul, warum ihm diese Stimme so bekannt vorgekommen war. In den sich allmählich verziehenden Schleiern erkannte Paul ein Gesicht, das ihm vertraut war. Elisabeth Strothmann-Berger, seine Mutter. Kurzes dunkles Haar umgab ein immer noch hübsches Gesicht, das jetzt sehr blass war. In ihren Augen schimmerte es feucht, als sie Paul anblickte.

»Junge«, murmelte sie, als sie ihre Hand auf seinen Arm legte, der verbunden und zusätzlich stabilisiert war. Genau wie das rechte Bein und sein Hals. Die übrigen Stellen, die nicht von dem scheußlichen Nachthemd bedeckt waren, schimmerten dunkelblau.

»Wo... wo bin ich?«, murmelte Paul und versuchte den Kopf zu drehen. Aber das gelang ihm nicht, weil er noch zu schwach dazu war. Er stöhnte leise, weil er sich zu hastig bewegt hatte, und darauf reagierten sofort die medizinischen Geräte, an die er angeschlossen war. Es blinkte und piepste irgendwo über ihm, und das ließ ihn noch unsicherer werden.

»Du bist im Zentralklinikum, Paul«, klärte ihn seine Mutter auf. »Und zwar auf der Intensivstation. Keine Sorge, du wirst schon wieder.« Die letzten Worte wurden von einem Schluchzen kurzzeitig unterbrochen. »Junge, was machst du denn nur für Sachen? Warum musstest du denn deine Schüler unnötig provozieren? Sowas kann man doch nicht tun...«

»Provozieren?«

Pauls leise Frage klang ungläubig, und sein Gesichtsausdruck spiegelte das wider, was er in Wirklichkeit dachte.

»Die armen Jungs haben wegen dir jede Menge Ärger bekommen, Paul«, sprach seine Mutter mit vorwurfsvoller Stimme weiter. »Der Direktor hat es mir gesagt. Wahrscheinlich werden sie von der Schule fliegen. War es das denn wirklich wert?«

Als Paul das hörte, verzog sich sein Gesicht. Jetzt wurde alles wieder gegenwärtig. Die Schläge und Tritte, die verhassten Blicke und die höhnischen Bemerkungen. Und er sollte auf einmal schuld an allem sein?

»Die hätten mich beinahe totgeschlagen«, murmelte Paul, während sein Magen unangenehm drückte. Auch beim Luftholen hatte er noch Probleme. »Ich wollte doch... nur einem anderen Schüler helfen. Das... ist alles...«

»Und warum musstest du das tun?«, kam sofort wie aus der Pistole geschossen die Gegenfrage. »Überlasse den Helden zu spielen besser anderen. Du bist ein Lehrer – hast du das vergessen? Paul, sei froh, dass du so viel Glück gehabt hast. Jetzt musst du dich erst mal erholen. Mit etwas Glück kommst du schon morgen Abend wieder auf die normale Station, und dann hast du Zeit, um...«

»Jetzt ist es genug, Frau Berger«, sagte eine Stimme hinter ihr.

»Der Name ist Strothmann-Berger«, erwiderte Pauls Mutter sofort, weil sie schon immer darauf bestanden hatte, korrekt mit ihrem Doppelnamen angesprochen zu werden.