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Zum ersten Mal sind alle sechs Teile von Flavius und seiner Seelenretter-Gang in einem einzigen Band erhältlich. Erlebt den epischen Kampf der Seelenretter gegen die finsteren Seelenbringer, angeführt von Azarel, dem Fürsten der Finsternis. Die Geschichte entfaltet sich in einer Welt voller Magie, Geheimnisse und uralter Kräfte. Flavius und seine Gefährten müssen sich zahlreichen Herausforderungen stellen, um die Welt vor dem drohenden Untergang zu bewahren. Werden die Guten Mächte triumphieren, oder wird die Dunkelheit über alles siegen? Für jede Menge Spannung, Liebe und Leidenschaft ist gesorgt. Lasst Euch verzaubern und taucht ein in die faszinierende Welt der Seelenretter-Saga.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
1 DIE SEELENRETTER 1 - Alles auf Anfang
2 PROLOG
3 Die Iden des März
4 Loki
5 Alexander von Regensburg
6 Lokis Rache
7 Endgame
8 Rom, 44 v. Chr.
9 Ein richtiger Held
10 Gregor Hofmannsthal
11 Der neue Mann
12 Das Geheimnis des Doktors
13 Eine mörderische Lektion
14 Die Abrechnung
15 Epilog
16 DIE SEELENRETTER 2 - Downtown City
17 PROLOG
18 Vergangenheit und Gegenwart
19 Judas
20 Déjà-vu
21 In der Zwischenwelt
22 Training mit Hindernissen
23 High Noon in der Downtown City
24 Wiedersehen mit einem alten Bekannten
25 Alles oder Nichts
26 Shoot-Out
27 Weil du ein Seelenretter bist
28 Bad Ischl – während der Regierungszeit von Kaiser Franz Josef I.
29 Gedenkfeier für einen Freund
30 Intermezzo – Bad Ischl
31 Der schönste Tag in ihrem Leben
32 Intermezzo – Bad Ischl
33 Flavius‘ Erzählungen
34 Die Kette der Unsterblichkeit
35 Bad Ischl – während der Regierungszeit von Kaiser Franz Josef I.
36 Epilog – Ein Treffen im Pensionistenheim
37 DIE SEELENRETTER 3 – Der letzte Kampf
38 PROLOG
39 Der Mauerfall
40 Azarel
41 Das Spiel der Spiele
42 Tergum Auferetur – weiche zurück
43 Eine Reise in die Vergangenheit
44 Das Kaiserfest
45 Ein Abenteuer beginnt
46 Das Friedensangebot
47 Bad Ischl, während der Jahrhundertwende
48 Das Mostviertel, im 21. Jahrhundert
49 Liebe auf den ersten Blick
50 Die letzten Vorbereitungen
51 Versammlung der Dunkelheit
52 Der letzte Kampf
53 Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied
54 Der neue Fürst der Finsternis
55 Epilog – Flavius‘ Erzählungen
56 Solange es Menschen gibt
57 DIE SEELENRETTER 4 - Lisas Welt / Die neue Seelenretterin
58 PROLOG
59 Lisas Traum
60 Hochzeit mit Hindernissen
61 Wo ist die Braut?
62 Gedächtnisverlust
63 Das Geheimnis des Grafen
64 Ein freudiges Wiedersehen
65 Vorbereitungen auf den Kampf
66 Der Kampf um das Dorf
67 Ein Vater-Tochter-Gespräch
68 Begegnung in der Zwischenwelt
69 Ein ungewöhnliches Hochzeitsgeschenk
70 Die neue Chance
71 Eine Hochzeit und andere Geheimnisse
72 Epilog - Ein Gast aus der Vergangenheit
73 Ein paar persönliche Bemerkungen
74 DIE SEELENRETTER 5 - Lisas Welt/Schicksalhafte Entscheidungen
75 PROLOG
76 Ein ungewöhnlicher Gast
77 In geheimer Mission
78 Richard Meier
79 Training mit Bertram
80 Die Gruppe
81 Das Schwert von König David
82 Zurück in die Vergangenheit
83 Die Geiselnahme
84 Seltsame Begegnungen
85 Das Opfer
86 Der verdiente Lohn
87 Eine unerwartete Überraschung
88 Epilog – Eine schicksalhafte Entscheidung
89 DIE SEELENRETTER 6 - Flavius
90 PROLOG
91 Flavius‘ Erzählungen
92 Die Kindheit im alten Rom
93 Von der Zeit im Wilden Westen
94 Angriff der Seelenbringer
95 Die Seelenretter-Pubertät
96 Schatten der Vergangenheit
97 Schein und Sein
98 Nacht der Entscheidung
99 Eine komplizierte Beziehung
100 Jedes Ende hat einen neuen Anfang
101 Das Buch des Lebens
102 Ein geheimnisvolles Zeichen
103 Die drei mächtigsten Worte
104 Ein paar persönliche Bemerkungen
105 Danksagungen
Gut gegen Böse – der ewige Kampf zwischen Seelenrettern und Seelenbringern. Ein Krieg, der so alt ist wie die Menschheit selbst.
Schon seit jeher werden mutige Menschen gesucht, die gegen die Seelenbringer kämpfen.
Seelenbringer – sie haben es besonders auf Menschen in Not abgesehen. Sie locken sie mit Versprechungen von Ruhm und einem langen Leben. Dazu brauchen sie nur die Unterschrift unter den Vertrag zu setzen. Dann ist der Pakt perfekt, der Preis, die Seele.
Seelenretter – sie wollen die Menschen davon abhalten, den Pakt abzuschließen. Einer davon ist Flavius. Er und seine Seelenretter-Gang nehmen den Kampf gegen die Seelenbringer auf.
Rom, 44 v. Chr.
Die Nerven des jungen Flavius waren zum Zerreißen gespannt, dies war sein erster Auftrag im Dienst der Götter. Wird er den mächtigen Feldherrn, Julius Cäsar, umstimmen können?
Cäsar hatte einen Pakt mit der dunklen Seite geschlossen: Sie hatte sich ihm als Mars, dem Gott des Krieges, zu erkennen gegeben und dem jungen, aufstrebenden Politiker, der Cäsar damals war, verlockende Versprechungen gemacht: Alle Schlachten würde er gewinnen und zum Alleinherrscher in Rom aufsteigen.
Die Verlockungen waren so groß gewesen, dass Cäsar ihnen nicht widerstehen konnte und den Pakt unterschrieben hatte. Eines jedoch hatte Mars verschwiegen: Jeder hatte einen Preis zu bezahlen. In Cäsars Fall würde dies sein eigener Tod am Höhepunkt der Macht sein. Und diesen musste Flavius unbedingt verhindern und Cäsar zum Verzicht auf den Rang des Diktators bewegen.
Endlich stand Flavius vor der imposanten Villa des mächtigen Feldherrn. Er hatte Glück, Cäsar kam gerade heraus und war auf dem Weg in Richtung des Senatsgebäudes. Flavius stellte sich ihm in den Weg. Als der mächtige Imperator den römischen Jungbürger sah, blieb er verärgert stehen.
„Wer bist du denn?“, fragte er ihn. „Und wieso wagst du es, dich einem Mann in den Weg zu stellen, der gerade am Höhepunkt seiner Macht ist und Diktator von Rom wird? In meinen früheren Jahren hätte ich dich alleine deswegen geköpft!“
Flavius nahm all seinen Mut zusammen. Er überlegte fieberhaft, was er zu Julius Cäsar sagen sollte. Weil ihm nichts Besseres einfiel, sagte er: „Hüte dich vor den Iden des März, oh Cäsar!“
Cäsar sah ihn an, als hätte er einen Geist gesehen. Er antwortete nicht einmal, sondern schüttelte nur den Kopf und ging dann an Flavius vorbei. Und so trat er seinem Schicksal entgegen, das später als ‚Tyrannenmord‘ in die Geschichte eingehen würde.
2019 n. Chr.Schweißgebadet wachte Peter Bauer in seinem Bett auf. Wieder so ein seltsamer Traum, dachte er.
Er konnte es sich einfach nicht erklären. Immer öfter sah er in seinen Träumen einen blonden Mann in weißer Tunika vor sich, der versucht, andere Menschen vor dem Bösen zu retten – aber immer wieder daran scheitert.
Peter Bauer setzte sich in seinem Bett auf. Er hatte schwarze kurze Haare, ein rundes Gesicht, einen Dreitagebart und eine vollschlanke Figur; so zumindest würde seine Beschreibung in einem dieser Fitness-Magazine stehen.
Plötzlich riss ein Klingeln Peter aus seinen Gedanken. Schlaftrunken ging er zur Tür und lugte durch das Guckloch. Es war sein bester Kumpel Christoph Jakobs, von ihm nur Chris genannt.
Chris sah aus wie ein typischer EDV-Nerd, was vor allem an seiner dicken Brille lag. Doch trotz seines Berufes wirkte er auch sehr sportlich. Genau wie sein Freund hatte er schwarze, kurze Haare.
Chris war der Beste seines Faches, es gab nichts, was er nicht hinbekam bei Computern. Leider wusste das seine Firma OutLook aber nicht zu schätzen.
Neben seinem Talent war Chris aber auch ein Typ mit vielen Ecken und Kanten, der geradeheraus sagte, wenn ihm etwas nicht passte – auch seinem besten Freund gegenüber. Mittlerweile war Peter es gewohnt, wenn Chris sogar mal verletzend werden konnte.
Heute jedoch sah es so aus, als ob Chris Hilfe brauchen würde.
Er wirkt ziemlich deprimiert, dachte Peter und öffnete ihm die Tür.
„Was ist los?“, begrüßte er ihn. „Ich hoffe, du weißt, dass nur du mich um diese Zeit wecken darfst.“
Chris schüttelte verständnislos den Kopf. „Es ist später Nachmittag, du brauchst dringend wieder einen Job. Ich darf aber auch nicht reden, denn ich habe meinen heute verloren. Jetzt brauche ich erstmal jede Menge Trost und Alkohol.“
„Komm rein und sprich dich aus“, sagte Peter und Chris folgte ihm in die Wohnung.
Nachdem Peter sich etwas angezogen hatte, sah er in seiner Bar nach, was er noch an alkoholischen Getränken zu Hause hatte.
Viel war es nicht mehr; seit er seine Arbeit verloren hatte, war Peter in eine persönliche Krise geraten. Es war ein guter Job gewesen, aber Peter hatte die ständigen Provokationen seines Chefs und die Sticheleien seiner Kollegen nicht mehr ausgehalten. Immerzu hatten sie die Köpfe zusammengesteckt und miteinander getuschelt, wenn er in der Nähe gewesen war. Dann war der Tag gekommen, an dem es ihm zu viel geworden war. Als die anderen mal wieder hinter seinem Rücken über ihn redeten, nahm er seinen Mülleimer, ging zu seinem Chef und schüttete den Eimer über seinem Schreibtisch aus – und das, während gerade eine Besprechung im Gange war.
„Müll bist du und zu Müll sollst du werden!“, hatte er ihn angeschrien.
Dass sein Verhalten nicht ohne Folgen blieb, verstand sich von selbst. Aber Peter hatte Glück im Unglück, sein Chef sah von einer Klage ab und beließ es bei einer Kündigung. Das Einzige, was ich von diesem Weißkopfgeier haben konnte, dachte Peter verärgert.
„Alles in Ordnung?“, fragte Chris. „Habe ich jetzt wieder eine alte Wunde bei dir aufgerissen? Tut mir leid.“
„Kein Problem.“ Peter holte einen Grünen Veltliner Jahrgang 2014 heraus. „Ich weiß, du magst Weißwein. Das ist das Einzige, was ich dir anbieten kann.“
„Keine schlechte Idee.“ Chris schenkte sich ein Achterl ein.
„Übertreib aber nicht“, sagte Peter, während er dasselbe machte, dann hob er das Glas. „Auf uns! Wir sind zu gut für diese Welt.“
„So dramatisch würde ich das auch nicht sehen“, entgegnete Chris. „Ich habe einen besseren Vorschlag. Bevor wir uns hier betrinken, gehen wir rüber ins Profil. Meine Mutter beginnt gerade ihre Schicht.“
Begeistert schnalzte Peter mit der Zunge: „Ausgezeichnete Idee!
Ich habe deine Mutter schon sehr lange nicht mehr gesehen. Man kann sehr gut mit ihr reden.“
Gesagt, getan. Die Freunde zogen sich an und gingen in das allseits beliebte Lokal – das Profil. Für viele das Lokal schlechthin.
Für einige Gäste war es sogar wie ein zweites Wohnzimmer, sehr bequem, fast schon heimelig. Das Herzstück war ein langer Tresen mit roten Barhockern, an dem die Leute abends entspannten.
Das ganze Ambiente war wie das eines gemütlichen, englischen Pubs; die Bilder der Beatles hingen an der Wand, genauso wie die der Fab 4 – die Besitzer waren große Fans. Man konnte in dem Lokal aber nicht nur chillen; die tagsüber unscheinbaren Räumlichkeiten verwandelten sich in der Nacht in eine richtige Partyhöhle. Dazu brauchte es nicht einmal ein volles Lokal, es genügte die richtige Truppe, um die Nacht zum Tag zu machen.
Im Profil angekommen sahen Peter und Chris, wie sich Lara, Chris‘ Mutter, angeregt mit einem Gast unterhielt. Lara hatte lange rote Haare, war Mitte fünfzig, sehr schlank, und Kellnerin aus Leidenschaft. Wie immer sah sie umwerfend aus, in jedem Lokal wäre sie ein echter Blickfang gewesen – das fand auch Peter.
Lara mochte ihren Job sehr, sie redete gerne mit Menschen und der Chef hatte sogar schon ein paar Mal zu ihr gesagt, sie sei die geborene Kellnerin. Lara versuchte immer, sich elegant zu kleiden: Sie trug gerne hohe schwarze Schuhe und einen engen Faltenrock. Das war hier auch die Kleidervorschrift, die Chefs des Profil wollten es so.
„Das Profil ist schließlich ein Szene-Pub und keine billige Spelunke“, sagte der Besitzer immer.
Peter und Chris suchten sich einen freien Tisch „Willst du ein wenig Musik hören?“, fragte Peter. „Soll ich DJ spielen?“
Im Gegensatz zu anderen Lokalen gab es im Profil eine Besonderheit: Jeder Gast konnte, wenn er Lust dazu hatte, zum DJ-Pult gehen und seine Lieblingsmusik anmachen. Das gab es sonst nirgends in der Stadt.
Während Peter am DJ-Pult stand, versuchte Chris seine Mutter auf sich aufmerksam zu machen. Als der Gesprächspartner von Lara sich umdrehte, wurde Peter plötzlich blass.
„Was ist?“, fragte Chris. „Wirst du wieder nüchtern? Sorry, aber etwas Sarkasmus muss bei deinem Verhalten im Moment sein.“
„Siehst du den Typen, mit dem deine Mutter plaudert? Der sieht ganz genauso aus wie der Typ aus meinen Träumen.“
Peter starrte den Gast ungläubig an, während dieser sich weiter mit Lara unterhielt.
Lara hatte ihren Sohn und seinen Freund längst wahrgenommen.
Trotzdem blieb sie ganz in die Unterhaltung mit dem Fremden vertieft. Der schien einiges über kirchliche Mythologie zu wissen – ein Gebiet, das sie besonders interessierte. Und dieser fremde Typ hatte eine so lebhafte Art, über altertümliche Bräuche und vergangene Zeiten zu erzählen, als wäre er selbst überall mit dabei gewesen.
„Entschuldigen Sie mich kurz“, sagte Lara zu ihm. „Ich muss mich noch den beiden Gästen da drüben widmen, einer davon ist mein Sohn.“ Sie wollte zu ihnen hinüber gehen, als ein Gast in das Lokal kam, der offenbar stark betrunken war. Er machte den Eindruck, als könnte er keine Minute mehr aufrecht stehen.
„Schöne Frau“, lallte er in Laras Richtung. „Geiler Arsch! Ich bekomme übrigens einen Whiskey pur.“
Peter wollte gerade aufstehen und ihm eine verpassen, doch eine ältere Dame, die bisher teilnahmslos an der Bar gesessen hatte, kam ihm zuvor. Sie erhob sich, packte den betrunkenen Gast am Kragen und schob ihn mit den Worten „Für dich ist bei uns kein Platz, auf Wiedersehen“ bei der Tür hinaus. Das alles geschah so schnell, dass Peter kaum reagieren konnte.
Chris hingegen grinste über beide Ohren, er hatte Ähnliches hier schon öfters gesehen.
„Das ist Erna, die Chefin“, sagte er. „Sie darf man nicht unterschätzen. Sitzt hier herum wie ein Stürmer, der auf den Ball wartet, aber wenn was passiert, dann ist auf sie Verlass.“
Da kam auch Lara schon auf sie zu. „Entschuldigt bitte diese Szene, es ist anscheinend wieder Vollmond.“
„Kein Problem“, entgegnete Peter. „Wir hätten gerne eine kleine Flasche Bacardi, ohne Beigetränke. Das können wir beide heute gut gebrauchen.“
„Eine Flasche Cola dazu schadet nicht“, scherzte Chris. „Wer ist der Fremde dort, mit dem du so angeregt plauderst? Ich habe das Gefühl, ich kenne ihn von irgendwoher.“
„Wie du ja weißt, interessiere ich mich sehr für Kirchengeschichte und kirchliche Mythologie“, sagte Lara, „und dieser Typ weiß eine Menge darüber, fast so, als wäre er überall dabei gewesen. Wartet, ich hole ihn her.“
Lara ging zu ihm hin und der geheimnisvolle Fremde mit den blonden Haaren, der aussah, als sei er irgendwo in den Achtzigern steckengeblieben, stand auf und setzte sich zu den beiden Freunden.
„Seid gegrüßt, ihr edlen Recken, mein Name ist Flavius“, sagte er.
„Und ich bin Chris, mein Freund da nennt sich Petrus“, sagte Chris und grinste schelmisch.
Peter stieß ihn unter dem Tisch unbemerkt mit den Füßen an.
„Lass ihn doch erstmal ausreden“, sagte er zu seinem Freund.
„Petrus und Paulus“, erwiderte Flavius, „könntet ihr durchaus in eurem früheren Leben gewesen sein. Die beiden sahen genauso aus wie ihr.“ „Fremder“, Chris sah ihn verärgert an, „ich mag es nicht, wenn uns jemand verscheißern will, noch dazu, wenn wir ihn erst so kurz kennen.“
Da kam Lara an den Tisch und brach das Eis. „Lass ihn reden, Peter. Ich finde seine Geschichten wirklich hochinteressant und irgendwie glaubwürdig.“
„Na gut, weil du es bist.“ Chris blickte neugierig zu dem Fremden, der sich Flavius nannte. „Erzählen Sie Ihre Geschichte.“
„Ich will keine Geschichten erzählen, sondern euch ein Angebot machen. Ich brauche Hilfe und Unterstützung, allein komme ich in diesem Zeitalter nicht zurecht. Kann ich auf euch zählen? Vielleicht seid ihr ja genau die richtigen für diese Arbeit.“ Flavius holte einen Bogen Papier aus seiner Tasche.
Peter schenkte den Bacardi ein. „Ich nehme an, Sie trinken mit uns ein Glas. Sie sehen so aus, als könnten Sie ebenfalls eines brauchen.“
Flavius sah Peter an und sagte: „Nur Cola bitte, im Dienst trinke ich keinen Alkohol, das habe ich mir vor zweihundert Jahren abgewöhnt.“
Chris musste bei dieser Antwort grinsen. „Einen gewissen Sinn für Humor haben Sie ja, das muss man Ihnen lassen“, stellte er fest.
„Nennt mich bitte Flavius.“, sagte der Fremde.
„Na gut, Flavi“, Chris nahm einen Schluck von seinem Bacardi.
„Um was für einen Job handelt es sich? Und was springt für uns dabei raus? Du musst wissen, wir haben beide keine Arbeit. Und so ganz umsonst machen wir keinen Finger krumm. Das Leben ist hart.“
Flavius runzelte die Stirn. „Bezahlung ist bei uns etwas ungewöhnlich. Aber ich werde mit meinem Chef Franziskus reden, er hat sicher nichts dagegen. Es wird zwar kein Topgehalt sein, aber ihr werdet zufrieden sein.“
Peter hob sein Glas. „Darauf können wir anstoßen. Ich bin dabei, was sagst du, Chris?“
Chris wurde bei dem Namen Franziskus aufmerksam. „Franziskus? Meinst du gar den Eiligen Vater?“
„Ich sehe schon, den Respekt muss ich euch erst beibringen“, knurrte Flavius. „Aber du hast recht, ich arbeite für die allerhöchste Stelle des Vatikans, und das schon seit Jahrhunderten. Nur von ihm und von mir nehmt ihr eure Aufträge entgegen Von niemandem sonst, habt ihr verstanden?“
„Der Heilige Vater Franziskus ist unser Boss, ich glaube es nicht“, lachte Chris und schlug Peter vor Aufregung so fest auf den Rücken, dass dieser sich beinahe an einem Eiswürfel verschluckte.
„Danke auch“, hustete er leicht verärgert.
„In dieser Mappe steht alles über eure neue Arbeit und die Aufträge, die ihr machen müsst“, sagte Flavius und gab ihnen den Bogen Papier. „Es steht auch darin, was ich bin… ihr wisst wahrscheinlich gar nichts von uns Seelenrettern, aber das ist nicht schlimm. Aber vielleicht wird einer von euch sogar mein Nachfolger werden. Wenn ich euch ansehe, dann bin ich zuversichtlich, dass ihr das hinbekommen werdet – mein Pendel hat sehr stark ausgeschlagen in dieser Gegend.“ Er griff in seine Hosentasche und holte einen Gegenstand heraus, der aussah wie das Stimmgerät eines Musikers.
„Ein Pendel?“, fragte Chris und verzog das Gesicht. „Du bist doch nicht einer dieser Trottel, die damit hausieren gehen?“
„Keine Kraftausdrücke bitte“, erwiderte Flavius entsetzt. „Wir sind im einundzwanzigsten Jahrhundert, da sollte das kein Problem mehr darstellen. Und nein – was das genau ist, steht in eurer Mappe.“ Er sah Chris und Peter an. „Einer von euch ist doch ein Computergenie, nicht wahr? Das zumindest hat mir Lara zugeflüstert. So jemanden kann ich gut brauchen. Bei unserem ersten Auftrag kommt es genau auf diese Fähigkeiten an.“
Gelangweilt schenkte Peter sich einen Bacardi nach dem anderen ein. „Tja, das Computergenie ist Chris. Was mache dann ich bei diesem Auftrag? Ich kann euch gar nirgends helfen.“
Da wurde Flavius geheimnisvoll: „Dann bist du es also… Weißt du, Peter, du kannst uns mehr helfen als du denkst. Du musst nur deine Fähigkeiten trainieren und einen starken Willen haben.“
Chris runzelte die Stirn. „Irgendwie erinnert mich das an Star Wars: Glaube an die Macht, Luke, ich bin dein Vater – na hoffentlich nicht.“
Flavius sah ihn von der Seite an. „Du hast recht, ich könnte wirklich dein Vater sein. Immerhin bin ich ja schon seit Jahrhunderten unterwegs. Und Lara sagte mir bereits, dass sie schon seit Jahren single ist. Aber ich kann dich beruhigen, ich hätte so eine Frau wie deine Mutter niemals alleine gelassen.“
Keiner bemerkte, dass Lara sich ihrem Tisch näherte. Sie wollte nur nachfragen, ob ihre Gäste noch etwas brauchten. Als sie Flavius‘ Worte hörte, errötete sie.
„Danke für das Kompliment“, sagte sie bloß. Mehr brachte sie nicht heraus, da sie den blonden Mann, der so aussah, als wäre er in den Achtzigern steckengeblieben, ebenfalls sehr sympathisch fand.
Peter trank die Flasche Bacardi alleine leer. Flavius, der das bemerkte, sagte: „Dann lass uns mal in unser Büro gehen! Dort erkläre ich euch alles Weitere.“
„Wo ist das Büro?“, fragte Peter neugierig.
„In der Kirche gegenüber“, antwortete Flavius. „Mehr braucht ihr im Moment nicht zu wissen.“
In diesem Augenblick kam ein Mann ins Lokal und ging, ohne zu fragen, zum DJ-Pult. Er musste Mitte vierzig sein und wirkte, als wäre er öfter im Profil.
Auf die fragenden Blicke der Freunde hin sagte Lara: „Das ist Thomas, er legt bei uns hobbymäßig auf. Bleibt noch ein bisschen, seine Musik gefällt mir sehr gut – eine Mischung aus Oldies und Austro-Pop.“
Doch Flavius drängte zum Aufbruch. „So sehr ich seine Musik auch mag – habe sie schon öfter gehört –, wir haben Dringendes zu tun. Auf ins Büro.“
„Ja, wir müssen in die Bathöhle, es warten einige Verbrechen, die nach Aufklärung schreien“, scherzte Chris.
„Haben wir auch einen Butler Alfred?“, fragte Peter lachend.
Mit einem Blick nach oben sagte Flavius: „Lieber Gott, ich hoffe, du weißt, was du tust.“
„Wenn meine Schicht um ist, komme ich nach“, rief Lara den Freunden nach. „Vielleicht kann ich euch helfen.“
„Wir sind sicher noch dort, bis nachher“, antwortete Flavius. Für Peter und Chris fing die Reise nun erst richtig an.
Als die Freunde bei der Kirche ankamen, gingen sie zuerst durch den Hof zur Wohnung des Pfarrers. Er hieß Pater Wolfgang und war allgemein als Choleriker gefürchtet, vor allem seine Predigten hatten es in sich. Was aber nur wenige wussten: Er hatte ein Herz aus Gold.
„Pater Wolfgang wirkt manchmal etwas mürrisch, aber er ist ein guter Mensch“, erklärte Flavius den beiden Freunden. „Sein Herz wurde nur schon oft verletzt und ausgenutzt.“
„Ich kenne ihn“, erwiderte Peter. „Ich hatte ihn in jungen Jahren als Religionslehrer. In der Schule war er die Respektsperson schlechthin. Sogar die Schüler, die bekannt waren für ihre Streiche und dummen Sprüche, hatten bei Pater Wolfgang die Hosen voll.
Sobald der Religionsunterricht begann und er sich der Klasse näherte, wurden sie mucksmäuschenstill. Er konnte zwar laut werden im Unterricht, aber er tat es bei den richtigen, nämlich bei denen, die es brauchten. Mich mochte er, weil ich so ruhig war und jeden Sonntag in die Heilige Messe ging. Darauf legte er viel Wert.“
„Klingt nach einem interessanten Menschen. Ich freue mich schon darauf, ihn kennenzulernen.“ Chris ging aufgeregt hin und her.
Flavius lächelte innerlich und sagte: „Das ist kein Grund, nervös zu werden. Er wird euch schon nicht beißen.“ Und während er das sagte, ging er zur Tür und klopfte – zweimal kurz und zweimal lang. Es schien eine Art Morsezeichen zu sein.
„Damit er weiß, dass ich es bin und es dringend ist“, erklärte Flavius. „Pater Wolfgang gehört auch zu unserer Gruppe.“
Da ging die Tür auf und ein älterer Mann in schwarzer Priesterkutte stand vor ihnen. Er wirkte schon deutlich vom Leben gezeichnet und auf dem Kopf hatte er fast keine Haare mehr.
„Ich sehe, du hast neue Kollegen, Flavius“, sagte er, dann zeigte er auf seinen kahlen Kopf. „Wer darüber Witze macht, der endet am Fahnenmast.“
Dann wandte er sich an Peter: „Warte – dich kenne ich doch! Du warst in meinem Religionsunterricht. Ich erinnere mich, dass du einer der bravsten warst unter den Schülern. Es freut mich, dass auch du zu uns gehörst. Hast du doch deinen Weg gefunden!
Wenn wir oben sind, bekommst du von mir eine Schokolade – genau wie früher im Unterricht.“
Chris konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
Peter warf ihm einen scharfen Blick zu. Er deutete auf den Fahnenmast und sagte nur knapp: „Du kennst die Regeln. Wer blöde Witze macht, endet am Fahnenmast.“
Flavius musste lachen. Da habe ich wohl die richtigen gefunden, dachte er.
Sie betraten die Wohnung von Pater Wolfgang und folgten ihm eine steile Wendeltreppe hinauf.
„Passt auf, wo ihr hinsteigt.“, sagte der Pater. „Auf der Treppe gibt es leider kein Licht.“
Die Freunde gelangten in ein Zimmer, das nur notdürftig eingerichtet war: Außer einem Computer mit einem einzigen Laufwerk befand sich sonst nichts darin.
„Wollt ihr mich veräppeln?“ Chris verzog sein Gesicht. „Mit der Ausrüstung kann ich nicht mal die OutLook-Angeber hacken.“
„Nun, Chris“, sagte Flavius und zeigte auf das Laufwerk, „dann wird das deine erste Prüfung sein, um mir zu zeigen, dass du der Aufgabe gewachsen bist.“
Chris seufzte. „Dann gehe ich mal schnell zu mir nach Hause und hole ein paar wichtige EDV-Utensilien, die ich brauche. Das wird ja noch erlaubt sein. Ich lasse euch in der Zwischenzeit alleine, dann könnt ihr euch schonmal kennenlernen.“
Chris ging zur Tür raus. Dann hörten die anderen ein Poltern, als würde jemand die Treppe hinunterfallen.
„Da hat wohl jemand vergessen, dass es auf der Treppe kein Licht gibt!“, rief Flavius ihm hinterher und lachte schelmisch. „Das nächste Mal nimm lieber die Taschenlampe mit. Ist dir was passiert?“
„Nein, ich bin noch ganz!“, rief Chris zurück und ärgerte sich, weil er es vergessen hatte. Er rappelte sich hoch und verließ die Wohnung.
Peter blickte erstaunt zu Flavius. „Du kannst aber ganz schön gemein sein, dich möchte ich nicht zum Feind haben.“
Flavius sah ihn an und erwiderte: „Keine Sorge, hat er verdient. Ihr könnt auch gern mal zurückschlagen, hab nix dagegen. Aber jetzt beginnen wir erstmal mit unserem Unterricht: Du musst noch viel lernen, Peter.“
Humor hat er ja und er kennt sich mit modernen Filmen aus, das muss man ihm lassen, dachte Peter.
Dann begann er die Unterlagen zu studieren, die Flavius ihm gegeben hatte. Mit Unglauben las er die Texte.
Das muss ein Drehbuch zu einem schlechten Hollywoodfilm sein, bei dem dem Autor nichts Besseres eingefallen ist, dachte er.
Stotternd sagte er zu Flavius: „Wenn nur die Hälfte von dem stimmt, was da drinnen steht, ist das Wahnsinn. Du bist also einer von diesen Seelenrettern. Und ich soll auch so einer sein? Das kann doch nicht wahr sein!“
Flavius drehte sich zu Peter um. „Hast du endlich die Wahrheit akzeptiert, mein Sohn? Nein, ohne Scherz, es stimmt fast alles, was in den Unterlagen steht, die Überlieferer des Vatikans haben die Fakten nur ein wenig ausgeschmückt. Seelenretter gibt es schon sehr lange und ich war einer der ersten. Allerdings wusste ich damals nicht, auf was ich mich da einließ, deshalb scheiterte ich bei den meisten Aufträgen.
Als ich dann starb, durfte ich wählen – zwischen Himmel und Hölle oder ewigem Leben auf Erden. Letzteres hatte nur einen einzigen Haken: Ich müsste die zukünftigen Seelenretter auf ihre Aufgabe vorbereiten. Und da ich selbst durch meine Unerfahrenheit einige Fehler gemacht hatte, entschied ich mich für das Leben auf der Erde. Ich wollte den neuen Seelenrettern diese Erfahrungen ersparen. Leider war auch das alles andere als einfach, denn das Böse schläft nicht. Mit Loki, wie er sich nennt, habe ich einen mächtigen Gegenspieler auf Erden.“
„Was hat das alles mit mir zu tun?“ fragte Peter. „Warum soll ausgerechnet ich ein Seelenretter werden?“
„Du bist einer der Auserwählten, warum auch immer. Das kann ich nicht beurteilen. Aber du hast offensichtlich das richtige Herz dazu.
Ich werde dir jetzt einiges beibringen müssen: Wie man Personen, die einen Pakt eingegangen sind, überzeugt, aus diesem auszusteigen.“
Peter wurde neugierig. „Geht das überhaupt? Soweit ich gelesen habe, kann man aus einem Pakt mit dem Bösen nicht mehr aussteigen.“
„Doch, das geht“, entgegnete Flavius. „Man muss nur den Willen dazu haben. Zum Beispiel gibt es einen Pakt, der einen Menschen alles gewinnen lässt, was er gewinnen möchte. Doch es wird unangenehm, sobald er auf dem Gipfel des Triumphes steht. Hier musst du, ich nehme den Begriff nicht gerne in den Mund, das Opfer davon überzeugen, einmal zu verlieren, dann ist der Pakt gegenstandslos. Oder du musst einen Sänger, der von ganz unten plötzlich in alle Hitparaden stürmt, davon überzeugen, rechtzeitig vor dem absoluten Durchbruch aufzuhören.
Bei unserem ersten Fall aber geht es um eine Firma, deren Chef einen Pakt geschlossen hat. Er war ganz unten auf der Karriereleiter, aber auf einmal fand er sich in der Chefetage wieder. Und nun ist er drauf und dran, einen Deal abzuschließen, der die Firma weltweit ganz nach vorne bringen wird. Kommt dir das bekannt vor?“
„Ja“, antwortete Peter. „Das erinnert mich an die Geschichte von Alexander von Regensburg, dem Chef der Firma OutLook. Da stand doch mal so etwas Ähnliches in einem Wirtschaftsmagazin.“
„Ganz genau“, sagte Flavius. „Und das ist euer erster Auftrag: Ihn davon zu überzeugen, den Deal sausen zu lassen.“
Peter runzelte die Stirn. „Das wird nicht leicht werden. Kann er sich überhaupt daran erinnern, einen Pakt abgeschlossen zu haben?“
„Gut, dass du fragst“, sagte Flavius. „Der Haken an der ganzen Sache ist: Niemand kann oder will sich an diesen Pakt erinnern.
Erst in der Stunde des größten Triumphes fällt er den Opfern wieder ein.“
„Das wird auch für Chris eine Belastungsprobe“, meinte Peter, „denn die OutLook-Typen haben ihn vor die Tür gesetzt. Er hat lange Zeit für diese Firma gearbeitet.“
„Ich glaube, ich habe Chris gerade zurückkommen hören“, sagte Flavius mit seinem typischen Grinsen. „Dann lasset die Spiele beginnen!“
Er lauerte im Dunkel der Nacht auf seine Opfer; Nachtschwärmer, die unzufrieden mit ihrem Leben waren – auf sie hatte er es ganz besonders abgesehen. Loki war scharf auf ihre Unterschrift. Durch diese würden die Hilfsbedürftigen, wie er sie zynisch nannte, sich ihm auf Gedeih und Verderb ausliefern.
Eine Seele war schon ganz nah; die des Firmenchefs Alexander von Regensburg. Und ging alles ganz einfach. Alexander von Regensburg war am Boden zerstört, als er in dieses Pub ging, und Loki musste nicht einmal große Überredungskünste anwenden.
Der aalglatte Manager unterschrieb den Vertrag sofort. Danach konnte er sich, wie alle bisherigen Opfer, nicht daran erinnern, diesen Vertrag abgeschlossen zu haben.
Danach ging es für Alexander von Regensburg bergauf. Er hatte ein Erfolgserlebnis nach dem anderen und nun stand er kurz vor seinem größten Triumph: der Vertrag mit der weltbekannten Computerfirma. Durch diesen würde OutLook weltweite Bekanntheit erlangen. Und das würde der Zeitpunkt sein, zu dem Loki zuschlagen und die Seele des Managers ihm gehören würde.
Loki hatte nicht immer schon Loki geheißen. Diesen Namen hatte er aus dem Film Die Avengers übernommen. Darin kam ein Typ vor, der diesen Namen trug, und fortan hatte Loki sich auch so genannt. Generell mochte er die Unterhaltungen auf der Erde.
Bevor Loki den Pakt mit dem Bösen abgeschlossen hatte, war er ein mächtiger Feldherr im römischen Reich gewesen. Er hatte ihn abgeschlossen, um schneller an seine Ziele zu kommen.
Doch stets hatte ihn dabei so ein blonder Typ in weißer Tunika gestört; ständig hatte er ihn daran gehindert, nach oben zu kommen.
Und dann war es soweit gewesen. Er war am Gipfel seiner Macht gewesen, er hatte Gallien erobert und seinen Erzfeind Vercingetorix bei seinem Triumphzug hinrichten lassen. Nichts hatte ihn mehr aufhalten können, das zumindest hatte er damals gedacht.
Er war gerade auf dem Weg in das Gebäude des Senats gewesen, um dort zu verkünden, dass er sich selbst zum Diktator auf Lebenszeit krönen wollte, da hatte er diesen Typen in der Tunika wiedergesehen.
„Hüte dich vor den Iden des März“, hatte er zu ihm gesagt. Doch Loki hatte ihn kaum beachtet und war weitergegangen. Hätte er mal besser auf ihn gehört, denn während der Sitzung war einer der Senatoren auf ihn zugekommen und hatte ihm ein Messer in die Brust gerammt. Und alle anderen hatten es ihm nachgemacht.
Auch Brutus, der undankbare Ziehsohn.
Blutüberströmt hatte Loki – damals trug er den Namen Cäsar – auf den Stufen des Senatsgebäudes gelegen. Schon dem Tode nahe hatte er jene Person, mit der er den Pakt geschlossen hatte, erkannt. Sie stand neben ihm und beugte sich über ihn.
„Ich habe einen neuen Deal für dich“, hatte sie mit tiefer Stimme gesagt. „Du kannst unsterblich werden, wenn du meine Aufgabe weiterführst und mir Seelen bringst.“
Und Loki hatte zugesagt, denn er hatte gar keine andere Wahl gehabt.
Jetzt lauerte Loki vor der Kirche. Er suchte einen Weg, hinein zu kommen, denn er hatte den künftigen Seelenretter erblickt – er war in das Gebäude gegangen. Er wollte ihm die Seele von Alexander von Regensburg vor der Nase wegschnappen und das wollte Loki verhindern. Dazu musste er aber erst zu ihm vordringen.
Allerdings gab es ein Problem: Er konnte Kirchen nicht betreten.
Von diesem Verbot gab es nur eine Ausnahme; und zwar, wenn ihn jemand dazu einlud. Was Loki auch half, war, dass er jede Gestalt annehmen konnte, die er wollte. Er musste nur auf die passende Gelegenheit warten, um diese Fähigkeit zu nutzen.
So wartete er geduldig in der Dunkelheit der Nacht auf seine Chance. Und diese kam kurz darauf.
Loki erblickte eine Frau, die in diesem Moment an die Tür zum Kirchenbüro klopfte. Sie war sehr schön und musste um die vierzig sein. Es war Lara, Chris‘ Mutter, die eine harte Schicht im Profil hinter sich hatte.
Sofort erkannte Loki die Gelegenheit, nahm ihre Gestalt an und ging zu ihr. Er tippte ihr auf den Rücken. Lara, drehte sich um, da sie dachte, Chris stand hinter ihr, aber sie rechnete nicht damit, in ihr eigenes Antlitz zu blicken.
Das war nach diesem langen Arbeitstag zu viel für sie und sie wurde ohnmächtig.
Loki fing sie auf und legte sie in die nächste Grabgrube. „Damit du dich schon einmal daran gewöhnen kannst“, lachte er zynisch.
Gleich darauf kam Chris um die Ecke und zwar mit vollbepackten Händen.
„Was um alles in der Welt schleppst du da alles an?“, fragte Loki, der immer noch Laras Gestalt trug.
„Das Zeug brauche ich, um die Typen von OutLook zu hacken und lächerlich zu machen“, antwortete Chris. „Willst du nicht mit rein?“
Und Loki lächelte, er war fast am Ziel.
Chris klopfte mit dem vereinbarten Morsezeichen an und Pater Wolfgang machte auf.
„Da bist du ja, Chris“, sagte er. „Die anderen warten schon auf dich. Wer ist das neben dir?“
„Das ist meine Mutter Lara“, sagte Chris.
Dann betrat er mit der vermeintlichen Lara die Kirche und ging die Treppe zum Büro hoch, während der Pater in einem Nebenzimmer verschwand.
Im Büro angekommen wurde er von Peter begrüßt: „Hast du alles gefunden, was du für deinen Hackerangriff brauchst?“
„Ja“, antwortete Chris. „Ich muss es nur schnell aufbauen und dann sind die OutLook- Angeber fällig.“
Plötzlich wurde Flavius nervös. Er zeigte auf Loki, der immer noch in Laras Gestalt steckte.
„Wie konntet ihr nur jemanden mit nach drinnen nehmen, ohne mich zu fragen?“, sagte er vorwurfsvoll.
Chris runzelte die Stirn. „Was meinst du damit? Das ist doch bloß Lara!“
Noch bevor Flavius antworten konnte, stürmte Pater Wolfgang in das Büro, bewaffnet mit einem Holzkreuz und Weihwasser.
„Das ist nicht Lara!“, rief er. „Los, helft mir!“
Gemeinsam gelang es den Freunden, Loki aus dem Büro hinauszudrängen, sodass er die Treppe runterstürzte, so wie es zuvor Chris passiert war. Loki polterte mit so viel Schwung über die Stufen, dass er unten auch gleich bei der Kirchentür hinausstürzte. Er verwandelte sich in seine richtige Gestalt zurück und flüchtete Hals über Kopf vom Kirchenhof.
„So“, sagte Pater Wolfgang triumphierend. „Hier kann er nicht mehr so schnell rein, ihr seid jetzt sicher.“
„Wo ist meine Mutter?“, fragte Chris besorgt.
Da hörten die Freunde laute Schreie, sie kamen ganz aus der Nähe.
„Klingt so, als kämen die Schreie aus einer Grube neben der Kirche“, sagte Peter. „Schnell hin!“
Die Freunde liefen aus der Kirche und suchten die Grabgrube, aus der die Rufe kamen. Sie fanden sie und halfen Lara heraus.
„Fürs Erste haben wir gewonnen“, sagte Flavius nicht ohne Stolz in der Stimme, „aber Loki wird nicht ruhen, bis er Rache für die Schmach heute genommen hat. Es geht los, wir müssen arbeiten und alles über Alexander von Regensburg herausfinden.“
„Neeein!“ Chris‘ entsetzter Schrei war bis in den Nachbarort zu hören. „Nicht diesen Arsch! Nicht diesen menschlichen Abfall!
Nennt mir einen Grund, warum wir gerade ihn retten sollen! Von mir aus kann er in der Hölle oder sonst wo schmoren!“
Flavius versuchte den aufgebrachten Chris zu besänftigen. „Es gibt eine Menge Gründe. Du musst wissen, er war nicht immer so wie jetzt.“
„Und warum denkst du, ist er es wert, gerettet zu werden?“ Chris konnte sich noch immer nicht beruhigen.
„Als er in die Firma kam, war er genauso drauf wie ihr“, begann Flavius zu erzählen. „Er war ruhig, freundlich und machte seine Arbeit sehr gewissenhaft.“
Da wurde Peter hellhörig. „Woher weißt du das so genau? Gibt es da etwas, das wir wissen sollten?“
„Ja, genau“, bohrte auch Chris nach. „Schleppst du da ein Geheimnis mit dir rum? Wenn wir ihn retten sollen, dann will ich einen verdammt guten Grund haben.“
„Weil er… “, begann Flavius und wusste nicht, wo er hinschauen sollte, „…weil er mein Sohn ist. Ist das Grund genug?“
Nach dieser Nachricht herrschte Totenstille im Büro. Niemand wusste so recht, was er darauf sagen sollte.
Lara fand als Erste ihre Stimme wieder. „Ich muss jetzt mal an die frische Luft.“
„Ich gehe mit“, sagte Chris. „Wir wissen ja, was passiert ist, als du das letzte Mal alleine draußen warst.“
Peter, der alleine mit Flavius zurückgeblieben war, sah den ersten Seelenretter lange an. „Es hört sich wohl ein wenig blöd an, wenn ich das frage… aber wie ist es eigentlich dazu gekommen? Ich dachte, du machst dir nichts aus menschlichen Gefühlen.“
Flavius seufzte leicht. Man sah ihm sein Unbehagen an. „Normalerweise nicht, aber nach so langer Zeit auf Erden überkommt einem schon mal die eine oder andere Gefühlsregung. Als ich die Einsamkeit nicht mehr aushielt, ging ich in die nächste Bar. Das war die, die du als Profil kennst. Damals hatte es gerade erst eröffnet. Und da sah ich sie, es war Liebe auf den ersten Blick… genau wie Lara. Ihr Name war Melanie und ihr ganzes Wesen bezauberte mich. Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und ging zu ihr hin. Ich sprach sie an und lud sie auf ein Getränk ein. Wir hatten eine tolle Gesprächsbasis, fast so, als kannte ich sie schon mein ganzes Leben. Ich fragte sie, ob sie zu mir mitkommen würde, na ja, ich brauche dir ja nicht zu beschreiben, was dann passiert ist. Wir passten blöderweise nicht auf und Alexander war das Ergebnis.“
„Was war dann?“, frage Peter neugierig. „Warum bist du nicht bei deiner Familie geblieben?“
„Ich konnte ganz einfach nicht“, antwortete Flavius. „Es wäre zu gefährlich gewesen. Ihr habt es ja selbst gesehen, der Seelenbringer hat uns ohne Probleme ausfindig machen können. Es war reines Glück, dass wir ihn in die Flucht schlagen konnten. Auf meine Familie hätten sie sich sofort gestürzt, hätten sie von ihr gewusst.
Heute noch begegne ich Melanie manchmal zufällig im Bus oder auf der Straße. Und jedes Mal sieht sie mich an, als hätte ich sie verraten, als ich sie damals verlassen habe. Glaubt mir, es hat mir das Herz gebrochen, aber damals konnte ich nicht anders handeln. Und dann kam der Tag, an dem ich nicht genug auf Alexander aufgepasst habe. Er hatte schon lange genug von seinen Kollegen… sie haben ihn in der Arbeit nur gemobbt. Als ich Alexander im Profil wiedergesehen habe, wirkte er sehr unglücklich.
Ich wollte ihn ansprechen und mit ihm reden. Doch leider habe ich mich nicht überwinden können. Als ich wieder ging, habe ich den Seelenhändler übersehen. Er muss Alexander das verhängnisvolle Angebot gemacht haben… denn danach war er wie ausgewechselt. Alles lief fortan wie am Schnürchen.“
Da kamen Lara und Chris zurück.
„Chris hat sich wieder beruhigt“, sagte Lara. „Wir haben lange über alles geredet. Auch wenn Alexander von Regensburg sein Chef war, helfen wir dir.“
„Aber wie kommen wir an ihn heran?“, fragte Chris. „Wir können nicht einfach in seine Firma spazieren und du sagst: Hallo, ich bin dein Papa!“
„Ich habe da eine Idee“, sagte Lara. „Allerdings müsst ihr mir versprechen, euch nicht daneben zu benehmen – vor allem du, Chris.“ Sie schaute ihren Sohn an.
„Versprochen Mama“, sagte dieser und grinste keck. „Jetzt sag uns, um was es geht.“
„Am Samstag feiert OutLook die Vertragsunterzeichnung mit Worldcom. Dazu veranstalten sie eine riesige Party bei uns im Profil.
Das Lokal ist dann natürlich für andere Gäste geschlossen, aber ich könnte euch reinbringen. Muss da mal mit Erna reden.“
Flavius drehte sich zu ihr um. „Großartige Idee! Ich würde sagen, wir sehen uns dann einfach morgen um fünfzehn Uhr hier und besprechen alles Weitere. Jetzt sollten wir schlafen gehen, das war ein harter Abend für uns alle.“
„Du solltest vielleicht schon am Vormittag vorbeikommen, Mama“, sagte Chris und grinste frech.
„Warum denn das, mein lieber Sohn?“, fragte Lara neugierig.
„Weil Flavius etwas Ordentliches zum Anziehen braucht. Mit diesen Sachen lässt ihn nicht mal Erna rein. Er schaut aus wie ein Hippie aus den Achtzigern.“
Flavius seufzte. „Wenn es sein muss.“
„Keine Sorge, ist bald erledigt“, sagte Lara. „Um die Ecke gibt es ein nettes Modegeschäft für Männer und Frauen, da finden wir schon was für dich.“
Am nächsten Tag trafen sich die Freunde ausgeschlafen zum vereinbarten Zeitpunkt im Büro in der Kirche.
Als Flavius hinter Lara zur Tür reinkam, schnalzte Chris anerkennend mit der Zunge. „Wow, jetzt siehst du gleich nicht mehr so aus wie ein Gruftie aus der Addams Family.“
„Hat ja auch sehr lange gedauert“, antwortete Flavius. „Ich dachte schon, wir finden nie etwas Passendes.“
Peter grinste, als er sich das bildlich vorstellte. Auch er war schon mal mit Lara einkaufen gewesen und wusste, was das bedeutete.
Er wandte sich an Flavius. „Was ist eigentlich meine Aufgabe, wenn wir auf der Party sind?“
„Du hast die schwierigste Aufgabe von uns allen“, antwortete Flavius. „Du musst herausfinden, wer der Seelenbringer ist. Er wird vor Ort sein und seinen Tribut fordern, sobald der Vertrag unterzeichnet ist. Aber keine Angst, du wirst den Seelenbringer schon erkennen. Vertraue einfach auf deine Fähigkeiten als Seelenretter.“
„Vertraue der Macht, Luke“, sagte Chris und grinste. „Sorry, aber daran muss ich die ganze Zeit denken.“
Flavius sah ihn ernst an. „Und du schwingst dich zu deinen Laptops und versuchst, in die Software von OutLook einzudringen.
Dort suchst du die Unterlagen für die Präsentation heute und stiftest so viel Verwirrung wie möglich.“
„Okidoki, du bist der Boss.“ Mit diesen Worten schaltete Chris seine Geräte ein und begann zu arbeiten.
Während Flavius, Peter, Pater Wolfgang und Lara den Plan besprachen, werkte Chris daran, in die Software von OutLook einzudringen.
„Heureka, ich habe es geschafft“, lachte er triumphierend. „Ich wusste, die haben keinen vernünftigen Schutz.“
Flavius nickte anerkennend. „Großartig. Jetzt mache es ihnen so schwer wie möglich, die Präsentation zu starten. Wir brauchen nur ein paar Minuten, um Alexander da raus zu holen.“
„Erledigt“, antwortete Chris. „Bin schon auf ihre Gesichter gespannt“.
Mit einem Blick zu Pater Wolfgang sagte Flavius: „Deine Aufgabe kennst du?“
Der Pater nickte. „Ich mache es ungern und nur unter Protest.
Aber weil ihr es seid…“ „Meine Schicht beginnt bald, ich muss los.“ Mit diesen Worten machte Lara kehrt und ging zur Tür hinaus. „Ihr kommt in einer halben Stunde nach und helft mir beim Kellnern. Kassieren braucht ihr nichts, OutLook zahlt alles.“
Jetzt war es Chris, der sagte: „Nur unter Protest.“
„Anders kann ich euch nicht reinbringen, der Abend ist nur für Gäste von OutLook und mit speziellen Einladungen“, lachte Lara.
„Ich gebe euch das Tablett und sage euch, wohin damit.“
„Das kann ja was werden“, sagte Chris mürrisch.
Flavius schaute gen Himmel. „Warum nur immer ich.“
Peter hingegen war Feuer und Flamme für die Idee. „Ich kellnere gerne, habe es früher hobbymäßig gemacht. Das wird schon klappen.“
Zum vereinbarten Zeitpunkt kamen die Freunde am Hintereingang des Profil an. Lara stand bereits dort und rauchte. Sie hatte sie schon ungeduldig erwartet. „Endlich seid ihr da. Heute haben wir volles Haus, auch viele internationale Gäste sind anwesend. Blamiert mich nicht.“
Chris protestierte erneut. „Wir sind eigentlich nicht zum Kellnern hier!“
Mit den Worten „Verhaltet euch einfach ruhig“ schubste Lara die drei hinein.
Das Profil war randvoll, Outlook hatte keine Kosten und Mühen gescheut und mit DJ Nerd einen sehr bekannten Szene-DJ engagiert, der für ausgelassene Stimmung sorgte.
„Das ist heute unser Eventmanager“, sagte Lara zu Erna und deutete auf Flavius. „Peter und mein Sohn Chris helfen mir beim Servieren.“
Flavius reichte Peter ein Tablett mit belegten Brötchen. „Du gehst damit von Tisch zu Tisch und hältst Ausschau nach dem Seelenbringer.“
Chris erhielt ein Tablett mit einigen Gläsern Wein, sowie ein paar weiße und rote Spritzer und Bier. „Du gehst ebenfalls von Tisch zu Tisch und hältst dich bereit, wenn sie die Präsentation einschalten.“
Auch Loki war bereits anwesend.
Er war in die Gestalt eines Security-Mannes geschlüpft. Es war ihm sehr leicht gefallen, am Eingang einen von ihnen zu überwältigen. Jetzt wartete er gierig auf den Zeitpunkt, da Alexander den Vertrag mit Worldcom unterzeichnen würde. In diesem Moment würde OutLook zur marktführenden EDV-Firma in Europa aufsteigen und Loki hätte seinen Teil des Vertrages erfüllt. Er überlegte sich schon die Todesart für Alexander: spektakulär mit einem Bühneneinsturz oder ein einfacher Herzinfarkt.
Loki entschied sich für letzteres, denn viel Aufsehen konnte er nicht brauchen.
Da betrat der Moderator schwungvoll die Bühne; die Glatze und die Brille waren sein Markenzeichen. Er war im ganzen Land sehr bekannt und galt als der Beste in der Unterhaltungsbranche.
„Meine Damen und Herren von OutLook“, begann er. „In wenigen Augenblicken ist es soweit: Es kommt zur Vertragsunterzeichnung mit Worldcom. Aber zuerst beginnen wir mit einer kleinen Videobotschaft.“
Als die Präsentation starten sollte, ging plötzlich im ganzen Lokal das Licht aus. Die Besucher liefen aufgebracht durcheinander. Im nächsten Moment stürmte Pater Wolfgang mit einem Kreuz bewaffnet in das Lokal.
„Das Ende ist nah, der Herr ist die Rettung, es ist noch nicht zu spät!“, rief er in die Menge.
Security-Männer tauchten auf und drängten den Pater hinaus. Als er an Peter und Flavius vorbeikam, zischte er Flavius zu: „Ich weiß, wer der Seelenbringer ist, er ist einer der Security-Männer.“
Flavius wandte sich an Peter. „Geh ihnen nach und achte darauf, dass Loki nicht wieder nach drinnen kommt!“
In der Zwischenzeit nutzte Chris die allgemeine Verwirrung und schwang sich auf die Bühne zu Alexander von Regensburg. Er tippte ihn von hinten an. Dieser drehte sich überrascht um. Mehr als „Mit wem habe ich…“ brachte er nicht heraus, denn Chris versetzte ihm einen festen Faustschlag ins Gesicht. „Schönen Gruß von deinem Papi“, sagte Chris. Dann brach Alexander zusammen.
Flavius kam herbei und gemeinsam trugen sie den bewusstlosen Alexander hinaus.
Währenddessen standen vor dem Lokal Peter und Loki einander Auge in Auge gegenüber.
„Was willst du Anfänger von mir?“, zischte Loki.
Peter hatte es mit der Angst zu tun. Doch dann fiel ihm ein lateinischer Spruch ein, den er in den Unterlagen gelesen hatte, die Flavius ihnen gegeben hatte.
„Tergum auferetur!“, rief er Loki entgegen.
Loki schrie auf. Er stolperte rückwärts und verschwand dann in der dunklen Nacht.
Peter atmete vor Erleichterung auf.
Im Inneren des Profil beobachtete Lara in der Zwischenzeit mit Entsetzen, was rund um sie passierte.
Ruhig verhalten hat sich erledigt, dachte sie und bemerkte, dass auch Erna der Ohnmacht nahe war.
Den Tag seines größten Triumphes hatte Alexander von Regensburg sich anders vorgestellt. Dabei hatte alles so vielversprechen begonnen.
Stolz stand er auf der Bühne und blickte auf die Besucher hinunter.
Endlich am Ziel, dachte er. Lange hatte er auf diesen Augenblick warten müssen und vieles erduldet; das jahrelange Mobbing seiner Kollegen etwa, weil er ein wenig anders war als sie. Er trug immer den neuesten Anzug und schmierte sich eine Menge Gel auf seine schwarzen Haare. Das gefiel ihnen gar nicht. Auch seine sportliche Figur neideten ihm viele. Zudem kam, dass sein früherer Chef bei jeder Kleinigkeit zu schreien angefangen hatte. Jetzt aber war Alexander der Chef und am Höhepunkt seiner Karriere angelangt. Er freute sich, doch gleichzeitig fröstelte es ihm.
Dann begann er sich zu erinnern: Eines Tages, als er wieder einmal einen schlimmen Arbeitstag hinter sich gebracht hatte, war er nach Feierabend ins Profil gegangen – er hatte sich einfach nur betrinken und anschließend vor den Zug werfen wollen. Er war am Ende gewesen. Dann hatte er diesen Mann in der schwarzen langen Jacke gesehen. Er war auf ihn zugekommen und hatte ihm ein verlockendes Angebot gemacht: Erfolg gegen seine Seele.
Zuerst hatte Alexander dies für einen schlechten Witz gehalten, dennoch hatte er unterschrieben. Nach diesem Abend war es dann Stück für Stück aufwärts gegangen in seinem Leben. Er brachte es sogar bis in die Führungsetage und ersetzte den Chef, der so mies zu ihm gewesen war. Und all das, nachdem er diesen Vertrag unterzeichnet hatte… In diesem Moment wurde Alexander plötzlich klar, was für einen Fehler er damals gemacht hatte. Nichts konnte ihn mehr retten, dachte er noch, als mit einem Mal das Licht im Lokal ausging.
Alles, was Alexander noch wahrnahm, war ein Tippen auf seiner Schulter. Er drehte sich um und dann war es nur mehr finster um ihn.
Als Alexander im Pfarrbüro wieder zu Bewusstsein kam, sah er über sich verschwommen ein Gesicht, das ihn unaufhörlich angrinste.
„Gern geschehen“, sagte Chris. „Wir haben dir vor einer halben Stunde das Leben gerettet.“
Alexander stöhnte vor Schmerzen. Ihm tat alles weh, so hart hatte ihn der Schlag getroffen.
„Ich kann mich nicht daran erinnern, Ihnen das ‚Du-Wort‘ angeboten zu haben“, knurrte er. „Schon gar nicht, als ich Sie entlassen habe. Ich kenne Sie… Sie sind Chris Jakobs, nicht wahr? Der Versager, der nicht einmal einen Computer einschalten konnte!“
Chris sah hinüber zu Flavius. „Darf ich ihm bitte noch eine verpassen? Er verlangt danach und aller guten Dinge sind zwei – eigentlich drei, wenn man es genau nimmt.“
Flavius verneinte. „Lass gut sein, er meint es nicht so. Würdet ihr uns für ein paar Minuten alleine lassen?“
Nachdem die anderen weg waren, fing Flavius an, dem erstaunten Alexander alles zu erklären: dass er ein Seelenretter war und die anderen ihm dabei geholfen hatten, Alexanders Seele vor Loki zu retten. Zu guter Letzt gestand er ihm auch, dass er sein Vater war.
Der erstaunte OutLook-Chef hörte sich alles an, dann sagte er: „Da muss ich mich wohl bei Chris entschuldigen, er hat mir tatsächlich das Leben gerettet. Ich habe ihm Unrecht getan.“
Flavius gab den anderen ein Zeichen, dass sie zurückkommen konnten, und Alexander entschuldigte sich bei Chris. Flavius nickte ihm zu.
„Da siehst du es“, sagte er. „Er ist gar nicht so schlecht wie sein Ruf, er ist ja mein Sohn.“
„Das sind aber keine guten Referenzen“, knurrte Chris.
Plötzlich ging die Tür auf. Peter und Lara kamen herein. Lara war noch immer aufgebracht wegen des Auftritts im Profil.
„Ja, ich kenne das Klopfzeichen, scheiß drauf!“, schrie sie wütend.
„Ich sagte, ihr sollt euch ruhig verhalten und was tut ihr? Ihr schlagt den Chef von OutLook zusammen und nehmt ihn mit hierher – das ist Entführung! Und dann das ganze Durcheinander im Profil… es gab sogar eine Schlägerei zwischen den Gästen! Und die anwesende Presse hat alles fotografiert und mitgefilmt. Erna war der Ohnmacht nahe. Der Imageschaden ist unendlich. Das Lokal muss renovieren und unter einem neuen Namen wieder aufmachen. Meinen Job bin ich jedenfalls erstmal los.“
Sie nahm einen Kerzenleuchter vom Tisch. „Und jetzt sagt mir, wer die Idee dazu hatte, und wem ich den hier auf den Kopf hauen darf. Denn Schläge auf den Kopf erhöhen das Denkvermögen, so sagt man doch!“
Und alle, auch Alexander, zeigten auf Flavius, der nicht wusste, wo er sich verstecken sollte.
„Undank ist der Welt Lohn“, knurrte er.
„Und bevor ich es noch vergesse“, Lara drehte sich um, „unten wartet so eine alte Schachtel, die Einlass begehrt.“
„Erlauben Sie mal, das ist meine Mutter.“ Alexander erhob sich vom Sessel. „Sie macht sich sicher Sorgen um mich, lasst sie rein.“
„Melanie…“, sagte Flavius und stand auf. „Ich hole sie. Immerhin war ich lange mit ihr zusammen.“ Mit diesen Worten ging er die Wendeltreppe hinunter. Er war froh, die wütende Lara ein paar Minuten lang nicht sehen zu müssen.
Flavius weilte schon Jahrhunderte auf der Erde, hatte alles gesehen, was es zu sehen gab, und trotzdem war er in diesen Minuten nervöser als ein Tennisspieler vor einem wichtigen Finale. Immerhin hatte er mit Melanie von Regensburg eine leidenschaftliche Affäre gehabt, aus der Alexander hervorgegangen war.
Alexander war ein Kind ihrer Liebe gewesen, so hatte man es nennen können. Als Melanie Flavius gestand, dass sie schwanger war, bekam Flavius es mit der Angst zu tun. Er hatte Angst, dass er seine Familie nicht vor den Seelenbringern beschützen können würde. Und von einem auf den anderen Tag war er aus ihrem Leben verschwunden und hatte zwei gebrochene Herzen zurückgelassen, das von Melanie und das seines ungeborenen Sohnes.
Mit klopfendem Herzen öffnete Flavius die Tür. Eine deutlich ältere Frau als damals stand vor ihm. Doch trotz ihres Alters war sie mit den blonden Haaren immer noch eine Naturschönheit.
„Melanie“, Flavius stotterte leicht, so nervös war er. „Schön dich zu sehen, du bist…“ „Sag jetzt nicht, um keine Spur älter als damals!“, unterbrach Melanie. „Ihr Seelenretter dürft ja nicht lügen, das hast du mir damals so erklärt, kannst du dich nicht mehr erinnern?“
Flavius wurde verlegen, denn er konnte sich wirklich nicht mehr daran erinnern, was er ihr alles in der ersten gemeinsamen Nacht erzählt hatte. Er trank normalerweise keinen Alkohol, das eine Mal war eine Ausnahme gewesen.
„Komm, wir gehen nach oben, dort lernst du meine neuen Mitarbeiter kennen – auch Alexander wartet auf dich.“
Er ging mit ihr die steile Treppe hoch. Als Flavius die Tür aufmachte, diskutierten die Freunde und Alexander angeregt miteinander.
„Ich will euch ja nicht stören, aber das ist Melanie, die Frau, die ich fast geheiratet hätte, die Liebe meines Lebens“, stellte Flavius Melanie vor.
Lara bearbeitete in der Zwischenzeit einen Sandsack, den Pater Wolfgang ihr zum Abreagieren aufgehängt hatte. Sie war noch immer geladen von den Ereignissen im Profil und als sie Flavius das sagen hörte, versetzte sie dem Sandsack einen so heftigen Schlag, dass er sich löste und herunterfiel.
„Da kocht jemand vor Eifersucht“, sagte Peter grinsend.
Lara sah ihren Sohn scharf an. „Du kannst mein nächster Sparringspartner werden, wenn du genug Eier in der Hose hast.“
„Sieht so aus, als wäre sie genauso verliebt in dich wie ich damals“, flüsterte Melanie Flavius so leise zu, dass die anderen es kaum hören konnten. „Mach es bei ihr besser als bei mir.“
Da kam Pater Wolfgang mit einer dicken Tasche bewaffnet aus seinem Büro. „Ich muss weg, einer meiner Schützlinge ist verzweifelt und hat mich angerufen“, sagte er und stellte die Tasche ab.
„Hier ist etwas Lesestoff für euch. Ich habe alles aufgeschrieben, was ihr über die Seelenbringer wissen müsst – auch, wie sie zu vernichten sind. Findet ihr alles in der dicken Mappe. Ich werde bald zurück sein.“
Mit diesen Worten verließ Pater Wolfgang die Kirche und stieg in sein Auto, um zum Treffpunkt zu fahren.
„Irgendwie hab ich so ein komisches Gefühl“, sagte Peter auf einmal. „Ob wir ihn je wiedersehen?“
Loki fand sich in einem heruntergekommenen Viertel der Stadt wieder. Er kochte vor Wut.
Schon wieder eine Niederlage gegen diese Anfänger, dachte er.
Alles war nach Plan gelaufen, beinahe hätte er die Seele von Alexander von Regensburg bekommen. Doch dann war dieser Pater Wolfgang aufgetaucht und hatte Verwirrung gestiftet. Wegen ihm war sein Plan gescheitert.
Doch das war das letzte Mal, dachte Loki.
Während er immer noch wütend durch das Viertel ging, bekam er mit, wie ein heruntergekommener Mann in einer Telefonzelle jemanden anrief. Loki trat näher und lauschte, vielleicht hatte er ja Glück. In diesem Viertel liefen viele Schützlinge von Pater Wolfgang herum, die ihn oft um Hilfe baten.
Und genauso war es: Der Obdachlose rief Pater Wolfgang an.
Das ist meine Chance, dachte Loki und nahm die Gestalt des Mannes in der Telefonzelle an. Als der Mann sich umdrehte und in sein eigenes Gesicht blickte, erschrak er. Loki trat an ihn heran und brach ihm mit einem einzigen Handgriff das Genick. Der Mann sackte zusammen. Schnell versteckte Loki die Leiche hinter den Müllsäcken, die hinter der Telefonzelle lagen.
Dich wird eh niemand vermissen, dachte er zynisch.
Jetzt bräuchte er nur zu warten. Pater Wolfgang würde schon kommen, um mit seinem Schäfchen zu reden. Loki war sich seiner Sache ganz sicher.
Da fuhr Pater Wolfgang auch schon mit seinem Auto vor. Er stieg aus und sah Loki in der Gestalt des toten Mannes. Natürlich erkannte er Loki nicht.
„Wie geht es dir?“, fragte er ihn. „Ich habe dir ein wenig Essen mitgebracht.“
Und noch während er sprach, verwandelte Loki sich zurück und versetzte dem erstaunten Pater einen Schlag ins Gesicht.
Das war Teil eins meines Racheplans, dachte Loki zufrieden.
Da tauchten wie aus dem Nichts Nebelschwaden in der Straße auf.
„Der auch noch“, knurrte Loki. „Der hat mir gerade noch gefehlt mit seinen Weisheiten.“
„Loki“, ertönte eine mächtige Stimme, die nur er hören konnte.
„Lass den Pater in Frieden, oder ich kann nichts mehr für dich tun.
Das ist ein eindeutiger Verstoß gegen die Regeln.“
Ärger machte sich in Loki breit. „Du hast mir nicht geholfen, als ich deine Hilfe dringend brauchte, warum sollte ich jetzt auf dich hören?“
„Das weißt du genau. Ich habe es dir erklärt, als du blutüberströmt auf den Stufen des Senatsgebäudes lagst. Wenn die Seelenretter eine Person, die den Vertrag unterschrieben hat, retten können, ist es vorbei. Ihre Seele ist frei.“
„Neeein!“, schrie Loki so laut, dass der Nachbarort es hören konnte. „Es ist erst vorbei, wenn ich es sage. Zweimal habe ich mich von diesen Anfängern besiegen lassen, jetzt reicht es.“
„Wie du willst, Loki, ich habe dich gewarnt. Ich kann dich jetzt nicht mehr beschützen, das Schicksal nimmt seinen Lauf.“ Und Mars verschwand so schnell, wie er gekommen war.
Verschwinde ruhig, dachte Loki. Dann drehte er sich zu dem bewusstlosen Pater Wolfgang um. „Und was mache ich mit dir?“ Er kramte in den Taschen des Paters und fand sein Handy.
„Ausgezeichnet, jetzt rufe ich beim Pfarrbüro an und schaue mal, wer dort ist.“
Unterdessen hatten sich die Freunde im Pfarrbüro versammelt.
Während zwischen Melanie, Alexander und Flavius eine Aussprache stattfand, machten Peter, Chris und Lara sich Sorgen um Pater Wolfgang.
„Er hat sich bis jetzt noch nicht gemeldet, das ist sehr ungewöhnlich für ihn“, sagte Lara.
Peter ging nervös durch das Zimmer. „Er hat uns aber eine Aufgabe gegeben, sehen wir uns die Unterlagen durch. Irgendwo müsste stehen, mit welchen Sprüchen Loki zu besiegen ist.“
Da fing das Licht an zu flackern und Nebelschwaden breiteten sich aus. Flavius erkannte am schnellsten die Lage.
„Alles raus hier!“, schrie er. „Sofort, oder er wird uns alle vernichten!“
Eine mächtige Stimme ertönte: „Kein Grund zur Sorge. Wenn ich das gewollt hätte, hätte ich es schon längst getan.“
Dann erschien eine Gestalt im Pfarrbüro, ein Mann in dunkler Kleidung.
„Du bist es, Mars“, sagte Flavius erstaunt. „Was willst du?“
„Du kennst unsere Abmachung sehr gut“, begann Mars zu sprechen. „Ihr habt Alexander von Regensburg gerettet, indem ihr ihn davon abgehalten habt, den Vertrag mit Worldcom zu unterschreiben. Aber Loki will sich nicht an die Abmachung halten. Er hält Pater Wolfgang als Geisel gefangen und wird euch vermutlich bald anrufen.“
Peter runzelte die Stirn. „Warum liefern Sie uns Loki aus?“, fragte er.
„Weil er sich durch seine Eigenmächtigkeiten und durch seine Fehler den Zorn der Dunkelheit zugezogen hat“, erklärte Mars.
„Jetzt hat er die Vereinbarung gebrochen, ich kann nichts mehr für ihn tun.“
„Eines noch, wenn du es ehrlich meinst“, sagte Flavius skeptisch.
Er konnte immer noch nicht ganz glauben, dass Mars ihnen half.
„Wie kann man Loki vernichten? Helfen die Sprüche, die in der Mappe stehen?“
„Zum Teil ja“, antwortete Mars. „Es gibt da noch eine Kleinigkeit, die euer Pater Wolfgang vergessen hat, euch zu mitzuteilen: Nach jedem Spruch müsst ihr unbedingt ‚Amen‘ sagen. Erst dann wirkt er sicher.“
Und mit diesen Worten verschwand Mars wieder so schnell, wie er gekommen war.
„Ich weiß nicht…“, begann Peter, als sie wieder alleine waren. „Ich traue ihm nicht.“ Er sprach das aus, was alle dachten.
Auch Chris zweifelte. „Ich denke ebenfalls, dass wir der dunklen Seite nicht trauen dürfen. Irgendwas führt der doch im Schilde.“
In diesem Moment läutete das Telefon in der Pfarre und Flavius hob ab. Eine tiefe Stimme meldete sich.
„Hier spricht Loki. Ich habe euren Priester. Wenn ihr ihn wiederhaben wollt, bringt mir im Gegenzug Alexander von Regensburg.“
Flavius dachte einen Moment nach, dann sagte er: „Gib uns etwas Zeit, Loki. Alexander ist nicht da. Ich muss erst seine Mutter erreichen.“
Loki überlegte, dann antwortete er: „Gut, meinetwegen. Morgen treffen wir uns bei folgender Adresse…“ Er gab Flavius die Adresse durch und dieser schrieb eifrig mit.
Loki lachte sich ins Fäustchen, er liebte dramatische Auftritte. Er hätte mit Leichtigkeit wieder bei ihnen erscheinen können, aber er tat es nicht. Lieber hinterließ er eine boshafte Nachricht am Telefon – so wie es die Bösewichte in den guten alten Columbo-Krimis machten, die er so gerne sah.
„Gut geblufft, Flavius“, sagte Chris und nickte anerkennend. „Und was machen wir jetzt? Schlafen kann ich bis morgen sowieso nicht mehr.“
„Was haltet ihr von einem kleinen Exkurs in Geschichte?“, schlug Flavius vor.