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Yoga im Gemüsegarten, meditieren im Ziegenstall und Wassermelonen ernten im Gewächshaus, Blockhausbau aus dem eigenen Wald, vegetarische Schnitzel aus riesigen Pilzen und die Frage, ob Selbstversorger wirklich alles selber machen müssen: Dieses Buch zeigt das etwas andere Leben auf einem Selbstversorgerhof in allen Facetten. Nadine Haertl berichtet über ihre Erfahrungen aus 15 Jahren Selbstversorgung und gibt ehrliche Einblicke in den Alltag als Selbstversorger mit Höhen und Tiefen. Zahlreiche Rezepte zeigen, wie man aus einfachen Zutaten aus dem Garten leckere Gerichte zaubern kann. Im Mittelpunkt stehen dabei immer Nachhaltigkeit, Freude an der Arbeit und das Wissen, dass es sich lohnen kann, seinen eigenen Weg zu gehen. "Unser Hof in Schweden" ist das Portrait über das Leben und Arbeiten auf einem alten Bauernhof am Fluss in Småland, auf dem die vierköpfige Familie der Autorin seit 2017 lebt. In vielen Fotos und authentischen Texten nimmt Nadine Haertl den Leser mit zu einem Rundgang über den Hof, zu den Tieren und in den Gemüsegarten. Das Buch soll Mut machen, Dinge selber zu machen, nachhaltig zu leben und den eigenen Träumen zu folgen – nicht nur für Fans des YouTube®-Kanals "Die Selbstversorger Familie", sondern auch für allen anderen Leser, die sich ein Stück weit selber versorgen oder beim Lesen eine kleine Auszeit in Schweden genießen möchten. Selbstverständlich richtet es sich auch an Leser, die nicht nach Schweden auswandern möchten, denn die Ideen in diesem Buch lassen sich auch an jedem anderen Ort leben und umsetzten.
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Seitenzahl: 196
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Autorin und Verlag haben den Inhalt dieses Buches mit großer Sorgfalt und nach bestem Wissen und Gewissen zusammengestellt. Für eventuelle Schäden, die als Folge von Handlungen und/oder gefassten Beschlüssen aufgrund der gegebenen Informationen entstehen, kann dennoch keine Haftung übernommen werden. Für die Richtigkeit und Aktualität der Angaben und insbesondere Hyperlinks wird keine Haftung übernommen.
IMPRESSUM
Copyright © 2020 Cadmos Verlag GmbH, München
Satz, Projektleitung und Lektorat: Dipl. Päd. Ing. Barbara P. Meister MA, FachLektor.at
Titelgestaltung, grafisches Konzept, Layout und Produktion: Gerlinde Gröll, www.cadmos.de
Alle Fotos am Umschlag und im Innenteil: Nadine Haertl
Druck: Graspo CZ, a.s., Zlín, www.graspo.com
Deutsche Nationalbibliothek – CIP-Einheitsaufnahme
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
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Alle Rechte vorbehalten.
Abdruck oder Speicherung in elektronischen Medien nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung durch den Verlag.
Printed in EU
ISBN 978-3-8404-3051-0
eISBN 978-3-8404-6471-3
EINFÜHRUNG
In Schweden sagt man „Hej!“ – und „Du“
Unser Traum von Bullerbü
Auf nach Schweden!
Das Haus am Fluss
NEUER HOF, NEUES GLÜCK
Selbstversorgung in Schweden
Liebe auf den zweiten Blick
Von Sperrmüll und Scheunenfunden
Warum eigentlich Selbstversorgung?
100 Prozent Selbstversorgung?!
IM GARTEN
Der Spielplatz für Selbstversorger
Gartenarbeit ist mein Yoga
Das Geheimnis liegt im Mulch!
Im Gewächshaus: Die schwedische Karibik
Jungpflanzen-Anzucht: Die gute Kinderstube
Das A und O: Planung und Bescheidenheit!
Alte Schätze bewahren – eigenes Saatgut sammeln
Auf der Fensterbank: Microgreens ganzjährig ernten
Unsere Favoriten im Gemüsegarten
AB IN DEN KOCHTOPF! ODER LIEBER NICHT?
•Erfrischender Kohlsalat
•Apfel-Möhren-Salat mit Roter Bete
•Pommes Frittes selbst machen
Zucchini & Kürbisse
•Sommerlicher Zucchini-Auflauf mit Feta
•Roh-köstliche Zucchinispaghetti
•Zucchinipfanne mit Champignons
•Zucchinisuppe und Kürbissuppe
Unsere Favoriten im Gewächshaus
•Tomate-Ziegerella
•Eingelegte getrocknete Tomaten
Nichts gegen Einmachen, aber wir lieben es frisch!
•Rote Bete einmachen ohne Zucker
Im Blumen- und Kräutergarten: Die Mischung macht’s!
•Sonnenblumenkekse
•Salat mit essbaren Blüten
•Ringelblumensalbe
Im Obstgarten: Die Bank unterm Apfelbaum
•Apfelmus und Apfelkompott ohne Zucker
•Lieblingskrümelkuchen mit Apfelkompott
GESCHENKE DER NATUR
Pilze: Ein Männlein steht im Walde
Pilze sammeln oder selbst züchten?
•Steinpilzpfanne mit Palmkohl
•Parasolpilz-Schnitzel – die vegetarische Alternative
Beeren: Im schwedischen Schlaraffenland
•Schwedische Blaubeersuppe
Wildkräuter: Von wegen Unkraut!
•Wildkräuter-Basilikum-Pesto
•Grüner Gartensaft
Was es sonst noch zu ernten gibt: Mein Freund, der Baum
Birken melken – Frühlingsglück durch Birkensaft
Angeln – viel mehr als nur Fischfang
Checkliste: Angeln in Schweden
•Julians Fischfrikadellen
Ein Tag am Fluss: Zu Besuch bei Libellen und Fröschen
Kräftor: Schwedische Flusskrebse – ein Grund zum Feiern
Auf der Pirsch: Wildfleisch durch Jagd
Checkliste: Jagd in Schweden
Wildfleisch richtig zubereiten: Vom nassen Hund zum Gourmetschmaus
NUTZTIERE UND HAUSTIERE
Der Freund auf dem Teller?
Ein kleiner Rückblick: Unsere tierischen Mitbewohner
Von Fleischessern und Veganern
Hühner: Viel mehr als Eierlieferanten
Hühner in Schweden
Das kleine Einmaleins der Hühnerhaltung
Deep Litter im Hühnerstall
Chicken Compost: Unsere geliebten Kompostmaschinen
•Glückliches Brathähnchen
•Mutters Hühnersuppe
•Hühnerfrikassee
Ziegen: Die Kuh des kleinen Mannes
Das Einmaleins der Ziegenhaltung
Ziegennachwuchs: Das Dilemma mit den Lämmern
Melken – Meditation im Ziegenstall?
Der Melkstand: Von unten, von hinten oder von der Seite?
Lohnen sich eigene Ziegen?
Käsen
•Ziegenkäse: Der Alleskönner
•Ziegenjoghurt: Gut Ding will Weile haben
•Ziegenfrischkäse: cremig und streichzart
•Ziegenkäse „to go“: Der Schnelle – ohne Lab
•Shampoo aus Ziegenmolke
Pferde – Vom Luxus unserer Kompostlieferanten
Reiten in Schweden
Bienen
•Kerzen einfach selbst gießen
•Lippenpflege mit Bienenwachs
LEBEN IM EINKLANG MIT DER NATUR
Natürlich Entwurmen ohne Chemie
Heu machen: Pleiten, Pech und Pannen
Laubheu machen – Futter in schweren Zeiten
Altes neu entdeckt: Die Rübenmühle
Zehn Dinge, die dir keiner über Selbstversorgung sagt
UNSER WALD
Holz vor der Hütte: Aufwärmübung für den Winter
Der Traum vom eigenen Blockhaus
Zäune aus Restholz – Ein zweites Leben für Äste, Reisig und Staketen
Lagerfeuer, Schwedenfeuer, Feuerstellen
UNSERE HAUS- UND HOFTECHNIK
Welchen Traktor braucht der Selbstversorger?
Solar & Photovoltaik: Die Sonne einfangen
Der eigene Brunnen: Frisches Wasser aus 160 Meter Tiefe
Heizen mit Holz: Drei Öfen sind besser als einer
LEBEN IM HOLZHAUS
Schwedenhäuser – klein, aber oho?!
Falu Rödfärg – ein Traum in Schwedenrot
Wohnen wie zu Großmutters Zeiten?!
Die Küche: das Herz des Hauses
•Knäckebrot selbst backen
•Nadines sommerlicher Zitronenkuchen
Speisekammer und Vorratskeller
Checkliste: Krisenvorrat
Ein Vergleich: Leben im Holzhaus – Leben im Steinhaus
ANDERE LÄNDER, ANDERE SITTEN
Bräuche in Schweden
Ostern – alle Hasen arbeitslos
Mittsommer: Der schönste Tag im Jahr
•Erdbeertorte – ein Mitsommernachtstraum
Weihnachten: Wenn der Jultomte kommt
•Nadines Vanillekipferln (fast) ohne schlechtes Gewissen
WINTER IN SCHWEDEN
Kurze Tage, lange Nächte – kein Grund zum Weglaufen
WANDEL DER JAHRESZEITEN
Das Haus am Fluss – allzeit traumhaft schön
EIN PAAR GEDANKEN ZUM SCHLUSS
Checkliste: 10 Tipps für Selbstversorger und die, die es werden wollen
Selbstversorgung hat uns reich gemacht!
Ist Schweden das Traumland für Selbstversorger?
Lebe deinen Traum!
ANHANG
Danksagung
Unsere Bücher
Willkommen in Schweden!
Bevor wir dich über unseren Hof führen, mit dir durch unseren Garten spazieren und dir unsere Tiere zeigen, möchten wir uns kurz vorstellen: Wir, das sind Julian, Nadine, Noah und Mia – vier Nordfriesen, die auszogen, sich selbst zu versorgen!
Auch in Deutschland waren wir schon jahrelang Selbstversorger. Im April 2017 sind wir nach Schweden ausgewandert, und seit Juni 2017 wohnen wir auf unserem wunderschönen alten Bauernhof in Südschweden direkt am Fluss. Hier wollen wir uns wieder mit möglichst vielen Lebensmitteln, mit Strom und Heizenergie selbst versorgen.
Julian ist leidenschaftlicher Allround-Handwerker. Es gibt fast nichts, an das er sich nicht herantraut. Und selbst, wenn mal etwas nicht so klappt wie geplant, hat er wieder etwas dazugelernt. Ob nun die Installation der Solaranlage, das Reparieren eines alten Treckers, Heumachen, Bücher schreiben, Kochen oder der Bau eines Wintergartens – er packt es an! Sogar ein Blockhaus hat er inzwischen gebaut – und das zweite ist bereits in Arbeit! Geht nicht gibt es nicht! Was nicht passt, wird passend gemacht. Seine Hobbys sind das Angeln und die Jagd.
Und das bin ich, Nadine: Ich träume schon seit frühester Kindheit von einem Leben auf dem Bauernhof. Eigentlich wollte ich nur mein Pferd hinterm Haus haben – doch der Traum hat sich verselbstständigt: eigene Hühner, der eigene Gemüsegarten, eigene Ziegen … Ich wühle mich durch die Beete, säe, pikiere und ernte, jäte „Unkraut“, versorge die Tiere, melke und mache Käse. Meine Hobbys sind meine Tiere und der Garten, Nähen, Schreiben und Einrichten. Außerdem liebe ich alte Dinge: Scheunenfunde und Flohmarktschätze sind meine Leidenschaft.
Unsere Kinder Noah und Mia sind immer mittendrin! Sie bauen Baumhäuser, gehen angeln und helfen mir, die Tiere zu versorgen. Sie sammeln Pilze und Blaubeeren oder erkunden die Natur.
Mit zur Familie gehören außerdem unsere Berner Sennenhündin Luzie, unser Kater Findus und unsere beiden Ponys Nasti und Micky.
Wir haben einen Traum: Selbstversorgung! Schon lange wollen wir möglichst unabhängig leben, unser eigenes Essen herstellen und unsere eigenen Tiere halten. Wir wollen uns frei entfalten, unser eigenes Land bestellen und selbst die Verantwortung für unser Tun und Sein in die Hände nehmen. Wir wünschen uns für unsere Kinder ein Leben und eine Zukunft, die mehr zu bieten hat als Hamsterrad und Playstation oder Computer. Ein Leben mit Sinn, mit Tiefgang und mit der Verbindung zur Natur. Dabei wollen wir nicht zu Einsiedlern werden oder „aussteigen“. Wir wollen Teil vom Großen und Ganzen sein und bleiben, dabei aber selbst entscheiden, was wir essen, wie wir leben und wie wir unsere Träume verwirklichen.
Im Grunde besaßen wir in Nordfriesland alles, wovon wir immer geträumt hatten: Einen alten Bauernhof im Nirgendwo, etwas Land, eigene Tiere, eigenes Gemüse, die Pferde hinterm Haus. Wir hatten Freunde, die Familie in Reichweite, und Julian hatte sich erfolgreich eine Firma im Garten- und Landschaftsbau aufgebaut. Aber unser Traum hatte noch Luft nach oben!
In unserer Kindheit haben wir die Astrid-Lindgren-Filme geschaut: Pippi, Michel und Bullerbü. Diese Bilder haben uns geprägt, den Wunsch nach Weite, Freiheit und unberührter Natur tief in uns verwurzelt. Der Traum vom einfachen Leben auf dem Land wurde und blieb unser Antrieb auf der Suche nach einem geeigneten Platz, um zur Ruhe zu kommen und uns der Selbstversorgung zu widmen.
In Deutschland haben wir lange danach gesucht, mehrere Anläufe gewagt, unser Glück auf unserem zweiten Hof beinahe gefunden – bevor es uns durch äußere Umstände genommen wurde. Die Biogasanlagen und Windparks kamen, und Ruhe, Unberührtheit und Stille verschwanden – und mit ihnen die Hoffnung auf ein Leben in der Natur. Aber der Traum blieb! Wir gaben nicht auf und beschlossen weiterzusuchen, nach unserem ganz persönlichen Bullerbü – und so besuchten wir das erste Mal Schweden …
Als wir das erste Mal nach Schweden kamen, erlebten wir eine Offenbarung! Alles sah so aus wie in den Astrid-Lindgren-Filmen. Unsere Träume wurden real. Hier war Bullerbü direkt vor unseren Augen! All das, wovon wir immer geträumt hatten, war hier greifbar. Nur noch viel schöner und farbenfroher. Es war um uns geschehen, und wir fingen an zu träumen: Hier schien alles viel einfacher zu sein. Überall gab es leer stehende Häuser und verlassene Höfe mit Land inmitten unberührter Bilderbuchlandschaften. Scheinbar mussten wir nur zugreifen …
Nach einigem Hin und Her beschlossen wir, das „Abenteuer Schweden“ zu wagen. Vielleicht würden wir nicht für immer gehen, aber wir mussten es zumindest ausprobieren. Wir wollten wissen, ob Nachbars Gras tatsächlich grüner war – oder ob es nur auf den ersten Blick so schien. Wir wollten uns nicht für den Rest unseres Lebens fragen müssen: „Was wäre, wenn …?“
So begannen wir, unser altes Leben umzukrempeln. Wir sortierten alles aus, was nicht niet- und nagelfest war. Wir wollten unser neues Leben in Schweden mit möglichst wenig Ballast starten. Wer loslässt, hat die Hände frei! Also verkauften wir alles, was wir nicht dringend brauchen würden. Und da kam eine Menge zusammen! Wir staunten, was wir alles besaßen – und vor allem: was wir alles gar nicht brauchten. Wie gut fühlte es sich an, als unser Haus immer leerer wurde – und unsere Auswandererkasse immer voller.
Unseren Hof verkauften wir möbliert. Alles, was wir noch besaßen, passte in einen Pferdeanhänger. Und damit ging es im April 2017 auf gen Norden, Richtung Småland. Dort hatten wir vorerst ein winziges Ferienhaus mitten im Wald gekauft – ohne Strom und ohne Wasser. Unsere Basis, um von hier aus unser neues Leben in Schweden zu organisieren. Fünf Wochen lebten wir hier das ganz einfache Leben: Wir wohnten zu viert mit Hund und Katze in dem etwa 45 Quadratmeter kleinen roten Holzblockhaus aus dem 17. Jahrhundert. Wir kochten auf der alten gusseisernen Küchenhexe, heizten mit Holz aus dem Wald und wuschen unsere Wäsche in einer verbeulten Zinkwanne mit Wasser aus dem nahe gelegenen Fluss. Wir bauten aus alten Planken eine Outdoor-Dusche und entdeckten einen alten, vergessenen Brunnen auf unserem Grundstück, den wir reinigten und wiederbelebten. Fünf Wochen lang lebten wir wie unter einer Kuppel, in einer Art Zwischenwelt. Und dann war es Zeit, endlich auf unseren neuen Hof zu ziehen! Diesen hatten wir noch vor unserer Auswanderung im Internet entdeckt und im Februar vor unserer Abreise zum ersten Mal gesehen …
Im Dornröschenschlaf: Der Hof am Fluss – unser dritter Selbstversorgerhof.
Es war keine Liebe auf den ersten Blick gewesen. An einem kalten nasstrüben Tag Anfang Februar hatten wir unseren zukünftigen Hof zum ersten Mal gesehen. Alles war bedeckt von einer matschigen dünnen Schneedecke, aus der hier und da schmutzig braune Flecken hervorlugten: Erde, Schrott, alte Autos. Auch im Haus selbst war es kalt und irgendwie ungemütlich. Alles wirkte unpersönlich und abgestanden. Vergessen. Ungeliebt. Trotzdem, oder vielleicht gerade aus diesem Grund, sahen wir sofort das Potenzial, welches hier schlummerte. Unter Schnee und Staub, unter Schrott und Krempel erahnten wir etwas Besonderes: einen Glanz – etwas, das wir unbedingt wachküssen wollten. Wir wollten, wir mussten diesen alten Bauernhof aus seinem Dornröschenschlaf befreien. Es war wie eine Mission. Die fünfte bereits. Denn dieses Haus war die fünfte Immobilie in unserem gemeinsamen Leben, die wir nun wiederbeleben würden. Und alle anderen davor hatten wir ebenfalls ungeliebt und vergessen übernommen: unsere erste Mietwohnung, unsere beiden Resthöfe in Nordfriesland – und erst kürzlich unser kleines Ferienhaus im Wald. Jedes dieser Häuser hatten wir entrümpelt, renoviert und zu neuem Leben erweckt. Und jedes Mal waren wir danach weitergezogen, weil noch irgendetwas zu unserem Glück fehlte. Und nun standen wir vor dem Haus am Fluss: Ein kleines, typisch schwedisches Holzhaus, 88 Quadratmeter auf knapp fünf Hektar Land, ein kleiner Wald, große Koppeln, 300 Meter Uferlinie am Fluss mit eigenem Jagd- und Fischereirecht – alle unsere Wünsche und Vorstellungen scheinbar vereint in diesem Hof. Das hier sollte unser neuer, unser dritter Selbstversorgerhof werden!
Unser Hof liegt im Tal, direkt am Fluss. Dalhem heißt dieses wunderschöne Fleckchen Erde, was nicht mehr und nicht weniger bedeutet als „Haus im Tal“. Eingebettet in Wiesen und Wald wohnen wir hier genauso abgeschieden, wie wir es uns immer gewünscht haben. Birken, Eichen und Fichten sind es, die wie eine grüne Wand Haus und Hof von der Außenwelt abschirmen und unser Grundstück zu einer kleinen Insel machen. Der sandige Zufahrtsweg windet sich etwa 300 Meter lang von der Straße oben im winzigen Dörfchen hinunter, direkt bis vor unser Haus. Kaum ein fremdes Auto verirrt sich hierher. Nur selten dringt das Geräusch eines Motors zu uns hinunter ins Tal. Meist hören wir nur das Rauschen des Wasserfalls, der einige Hundert Meter Richtung Westen flussabwärts das Wasserwerk speist. Aber oft sind das Zwitschern der Vögel und das Knirschen des Sandes unter unseren Füßen die einzigen Geräusche, die unsere Schritte begleiten. Hin und wieder kräht ein Hahn oder eine Ziege ruft laut meckernd über den Hof. Gegen Abend, wenn die Sonne langsam im Fluss versinkt, verwandelt sich das sonst so klare Licht in ein magisches Zwielicht – sanft und warm, ohne scharfe Kontraste. Im Herbst kommen die Nebelschwaden, die manchmal vom Fluss aufsteigen und langsam über unsere Wiese wallen: Alles sieht dann aus wie in einem wunderschönen Traum.
Nicht nur das alte Baumhaus in der Eiche träumt davon, wachgeküsst zu werden.
Ich muss es ohne große Umschweife gestehen: Ich bin verliebt in unseren kleinen Hof am Fluss! Seit meiner frühesten Kindheit habe ich vom Leben auf einem Bauernhof geträumt. Damals ging es nur darum, meine eigenen Pferde hinterm Haus zu haben, aber auch das gesamte Landleben hat mich schon immer fasziniert. Selbstverständlich bin ich als gebürtiges Stadtkind mit einer eher romantischen, leicht verklärten Vorstellung vom Leben auf dem Lande aufgewachsen. Dass nicht immer nur eitel Sonnenschein und Ponyhofstimmung herrschen, das lernt man wohl nur, wenn man selbst einmal einen Hof und eigene Tiere gehabt hat. Aber obwohl ich inzwischen auch die Schattenseiten des Landlebens kenne, möchte ich nie wieder anders leben.
Die vollgestellten Gebäude hielten so manchen Scheunenfund für uns bereit.
Überall bargen wir Schätze von damals, die uns Geschichten von längst vergangenen Zeiten erzählten.
Manch einer bevorzugt eher Gebäude aus Stein, aber mir hat es die schwedische Holzbauweise angetan. Jeder Handwerker (inklusive Julian!) möchte sicher manches Mal beim Anblick alter schwedischer Bauwerke die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. In gewisser Weise kann ich das sogar nachvollziehen. Nicht jeder gerät ins Schwärmen und bekommt Herzklopfen, wenn er altes verwittertes Holz, abblätternde Farbe, schiefe Wände und rostige Beschläge sieht. Aber ich liebe es! Diesen Charme vergangener Zeiten, die Patina auf dem Holz und den alten Gegenständen, die mir Geschichten erzählen vom Leben, wie es früher einmal war. Hier schwingen noch die Energien der Vorbesitzer zwischen den wurmstichigen Balken. Der Staub auf den rostigen landwirtschaftlichen Geräten, die hier zum Teil noch immer zu finden sind, hat sich wie eine Schutzschicht über diese alten Schätze gelegt, um sie zu verstecken vor neugierigen Blicken und allzu eifrigen Händen, die überall sanieren, renovieren und „klar Schiff machen“ wollen.
Zugegeben: Auch wir haben einige Teile aussortiert, die nicht mehr zu retten waren. Aber jedes Mal hat mein Herz ein bisschen geblutet, obwohl ich genau weiß: Man kann nicht alles bewahren! Was kaputt ist, ist kaputt – da hilft auch keine übertriebene Nostalgie, schließlich will man auf seinem neuen Hof nicht in einem Museum leben, sondern eigene Spuren hinterlassen.
Unsere Scheune (ladugård) beherbergt vier Abteile unter ihrem Dach. Als wir den Hof übernahmen, quollen genau alle vier Abteile über von Dingen der verschiedensten Art und Herkunft: Wir erblickten uralte landwirtschaftliche Geräte, alte hölzerne Truhen und Küchenbänke genauso wie unzählige alte Autobatterien, Motoren und Überbleibsel älterer und neuerer Fahrzeuge. Sowohl der Vorbesitzer als auch dessen Vorgänger hatten hier großzügig ihre Spuren und diverse Habseligkeiten hinterlassen. Es dauerte Wochen und Monate, bis wir der Lage einigermaßen Herr geworden waren. Um ehrlich zu sein, in einigen Ecken finden sich noch immer Dinge, die entsorgt oder wegsortiert werden müssen. So ein alter Hof kann ein buchstäbliches Fass ohne Boden sein.
Wir sortierten die Dinge wie immer nach einem bewährten System: behalten, verkaufen, wegschmeißen. Aber: Müll ist nicht gleich Müll! Wir fanden neben Sperrmüll auch Hausmüll, Plastikmüll, Bauschutt, Holz- und Sondermüll: Die bereits erwähnten Autobatterien und Motoren, aber auch alte Fässer, Tonnen und Kanister, Dosen, Flaschen und weitere Gefäße mit undefinierbaren, übel riechenden Flüssigkeiten, die wir sorgfältig und gewissenhaft entsorgten.
Schlussendlich fanden wir auch große Mengen Altmetall, und das war trotz der vielen Arbeit beim Aufräumen ein kleines Geschenk, denn dafür bekamen wir ein gutes Taschengeld, als wir es beim Wertstoffhof abgaben. Umso mehr erstaunt es uns immer wieder, wenn wir sehen, welche Mengen an Altmetall sich hier mancherorts auf einigen Hinterhöfen oder sogar in den Wäldern türmen.
Am Ende des Regenbogens wartet ein Topf voll Glück – und jede Menge Arbeit!
Die alten Nebengebäude wurden mit viel Liebe und Fleiß zu neuem Leben erweckt
Nachdem wir mühsam die Abteile der Scheune entrümpelt und von den Altlasten der Vorbesitzer befreit hatten, konnten wir im Hauptabteil zwei schöne geräumige Pferdeboxen bauen. Glücklicherweise hatten wir bei der nicht allzu lang zurückliegenden Entrümpelung unseres Ferienhauses im Wald sehr viele lange, hochwertige Holzplanken gefunden, die wir hier wunderbar verwenden konnten, um richtig stabile und dabei noch rustikal aussehende Seitenwände zu errichten. Auch die Boxentüren zimmerten wir aus vorhandenem Material zurecht. Aus einer alten Holzleiter, bei der mehrere Sprossen fehlten, baute ich zwei urige Heuraufen. Und so schrumpfte auf der einen Seite der Haufen mit recyceltem Baumaterial und verwandelte sich auf der anderen Seite fast wie von selbst in einen gemütlichen Pferdestall für unsere Ponys. Zum Abschluss fand ich im Schuppen noch zwei alte Schneidebretter, aus denen ich kurzerhand Namensschilder für die Boxen machte.
Zwei der anderen frei gewordenen Abteile waren als Werkstatt vorgesehen. Das letzte als Abstellschuppen.
Auf dem Grundstück standen bei unserem Einzug zwei alte, desolate kleine Ferienhütten: eine gelbe und eine rote – beide ziemliche Bruchbuden! Diese hatte der Vorbesitzer einst ohne Baugenehmigung errichtet, aber nie eine Nutzungszulassung dafür erhalten. Dementsprechend hatte sich der Zustand über die Jahre nicht gerade verbessert. Ohne richtige Fundamente hatte sich das Holz verzogen, die Türen schlossen nicht mehr richtig, und die Einzigen, die hier noch wohnen wollten, waren ein paar Marder, die bereits ihre Spuren hinterlassen hatten. Auf den ersten Blick war nicht mehr viel zu retten, aber unsere geübten Augen erkannten sofort, was noch möglich war: Aus der gelben Hütte, die ein paar Hundert Meter vom Wohnhaus entfernt liegt, wurde unser Hühnerstall. Die Entfernung vom Haus ist im Grunde perfekt, denn wer schon einmal Hühner hatte, vor allem aber einen Hahn, der weiß, dass es ein Segen sein kann, den Hühnerstall nicht direkt neben dem Schlafzimmerfenster zu haben.
Wir retteten alles, was zu retten war und was an anderer Stelle wieder zum Einsatz kommen könnte: Vorhänge, Betten, Lampen, Tisch und Stühle würden wir gut für das geplante Gästehaus gebrauchen können. Nach dem Leerräumen der Hütte bauten wir ein paar Sitzstangen ein und funktionierten die alten Küchenschränke mit ein paar Handgriffen zu Legenestern um. Fertig war der Hühnerstall! Für das Außengehege brauchten wir lediglich eine Rolle Maschendrahtzaun zu kaufen. Bauholz fanden wir noch genug auf dem Grundstück und im alten Sägewerk. Zum Schutz vor Greifvögeln spannten wir ein altes Fischernetz über den Auslauf, dass wir beim Aufräumen gefunden hatten. Quasi aus dem Nichts heraus, mit geringsten Kosten, hatten wir so im Handumdrehen einen sehr außergewöhnlichen, vor allem aber auch außergewöhnlich günstigen Hühnerstall gewonnen. Nun konnten die Hühner einziehen!
Ein weiteres Nebengebäude, dass direkt neben dem Wohnhaus steht, war vermutlich früher einmal Knechthaus und später Werkstatt gewesen. Aus diesem kleinen Häuschen wollten wir ein Gästehaus machen. Zuerst allerdings erwartete uns hier wieder einmal ein pures Schlachtfeld: Müll, Unrat, Werkzeug, Maschinen, alte Angelsachen und wieder unzählige Kanister und Dosen mit gruseligem Inhalt. Hier sah es aus, als hätte buchstäblich eine Bombe eingeschlagen. Und so hieß es schon wieder: entrümpeln, sortieren, aufräumen, putzen. Unter all dem sinnlosen Krempel entdeckte ich eine wunderschöne uralte Küchenbank, eine urige Holztruhe und eine antike Kommode. Alle drei waren in einem schlimmen Zustand, aber ich wusste, dass ich diese vergessenen Schätzchen in jedem Fall retten könnte. Diese Funde entlohnten mich etwas für das erneute Entrümpeln.
Das Plumpsklo-Häuschen wurde zur Sattelkammer, das Sägewerk zur Lagerhalle …
… obwohl es zuerst eigentlich ein Ferienhaus werden sollte.
Als wir mit dem Gröbsten fertig waren, verkleidete Julian das Obergeschoss mit Holz und wir strichen die uralte Holztreppe sowie Wände und Böden in einem freundlichen Weiß. Julian baute noch eine kleine Küche und ein winziges Badezimmer ein, wir sammelten ein paar Dinge aus den verlassenen Gästehäusern zusammen, um diese gäststuga wohnlich zu machen, und plötzlich war aus einer verwahrlosten, schmutzigen Rumpelhütte ein zauberhaftes, freundliches kleines Gästehäuschen geworden. Manchmal fühlt es sich schon ein wenig wie Zauberei an, wenn wir aus einem desolaten Ort etwas richtig Schönes gemacht haben. Nur die dreckigen Hände und der schmerzende Rücken erinnern uns dann schnell wieder daran, dass Zauberei wohl etwas müheloser vonstattengeht.
Beim Entrümpeln der Gästehütte kamen ein paar zwar unschöne, jedoch zweckdienliche alte Küchenschränke ans Tageslicht, die wir kurzerhand in die neu freigelegten Werkstatträume verfrachteten, damit Julian sich dort seine Werkstatt einrichten konnte. Einen alten Hof zu renovieren, ohne eine gut sortierte Werkstatt benutzen zu können, ist wahrlich keine große Freude, aber als wir die alten Schränke an ihrem Bestimmungsort aufgestellt hatten, fühlte es sich so an, als sei alles so gedacht und dafür gemacht, dass Julian hier nun endlich sein Werkzeug einräumen konnte.
Wie auf beinahe jedem älteren schwedischen Grundstück mit Wohnhaus gibt es auch hier ein altes Plumpsklohäuschen. Obwohl ich eine Zeit lang überlegte, dieses charmante „Herzhausen“ wieder seinem ursprünglichen Zweck zuzuführen, entschied ich mich letztendlich doch dazu, meine Sattelkammer daraus zu machen. Das Häuschen steht direkt neben meinem Pferdepaddock, der Anbindebalken für die Pferde ist nur ein paar Schritte davon entfernt – was lag also näher, als die Pferdesachen hier unterzubringen? Als Zeichen der Zweckentfremdung schraubte ich ein altes rostiges Hufeisen, das ich beim Aufräumen in der Scheune gefunden hatte, an die Tür, und so wurde aus der alten „Trissebude“ meine Sattelkammer.