Die Söhne der Schlacht - Stefan Jäger - E-Book
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Die Söhne der Schlacht E-Book

Stefan Jäger

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Beschreibung

Ein Krieg im Herzen des römischen Weltreichs: Der epische Historien-Sammelband »Die Söhne der Schlacht« von Stefan Jäger jetzt als eBook bei dotbooks. DIE SÖHNE DES NORDENS: Es ist ein gewaltiger Tross, der sich im Jahr 120 vor Christus auf den Weg gemacht hat: Die Kimbern, Teutonen und Ambronen wandern gen Süden, um eine neue Heimat zu finden. Der Händler Timaios wird von den Römern entsandt, um der Gefahr für das römische Imperium Einhalt zu gebieten. Dabei muss er feststellen, dass die Stämme aus dem Norden keine wilden Barbaren sind – ganz besonders nicht die schöne Fürstentochter Svanhild. Doch dann geraten die beiden zwischen die Fronten des drohenden Krieges, der plötzlich unabwendbar scheint … DAS GOLD DES NORDENS: 112 vor Christus. Seit fast zehn Jahren kämpfen die wandernden Stämme der Germanen gegen das römische Imperium. Als die schöne Svanhild dem skrupellosen römischen Senator Crassus in die Hände fällt, beginnt ein grausamer Wettlauf gegen die Zeit. Der wortgewandte Händler Timaios muss ein verlorenes legendäres Artefakt der Barbarenstämme wiederfinden und Crassus überbringen, sonst stirbt die Fürstentochter. Sein Weg führt Timaios in die höchsten Kreise der »caput mundi«, der Hauptstadt der Welt, und tief hinab in die dunkelsten Abgründe des römischen Weltreiches … Jetzt als eBook kaufen und genießen: Das historische Sammelband-Highlight »Die Söhne der Schlacht« von Stefan Jäger vereint mit »Die Söhne des Nordens« und »Das Gold des Nordens« die große Germanen-Saga des Autors – fesselnde Unterhaltung für alle Fans von Bernard Cornwell und Robert Fabbri. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 1084

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Über dieses Buch:

DIE SÖHNE DES NORDENS: Es ist ein gewaltiger Tross, der sich im Jahr 120 vor Christus auf den Weg gemacht hat: Die Kimbern, Teutonen und Ambronen wandern gen Süden, um eine neue Heimat zu finden. Der Händler Timaios wird von den Römern entsandt, um der Gefahr für das römische Imperium Einhalt zu gebieten. Dabei muss er feststellen, dass die Stämme aus dem Norden keine wilden Barbaren sind – ganz besonders nicht die schöne Fürstentochter Svanhild. Doch dann geraten die beiden zwischen die Fronten des drohenden Krieges, der plötzlich unabwendbar scheint …

DAS GOLD DES NORDENS: 112 vor Christus. Seit fast zehn Jahren kämpfen die wandernden Stämme der Germanen gegen das römische Imperium. Als die schöne Svanhild dem skrupellosen römischen Senator Crassus in die Hände fällt, beginnt ein grausamer Wettlauf gegen die Zeit. Der wortgewandte Händler Timaios muss ein verlorenes legendäres Artefakt der Barbarenstämme wiederfinden und Crassus überbringen, sonst stirbt die Fürstentochter. Sein Weg führt Timaios in die höchsten Kreise der »caput mundi«, der Hauptstadt der Welt, und tief hinab in die dunkelsten Abgründe des römischen Weltreiches …

Über den Autor:

Stefan Jäger, Jahrgang 1970, studierte Alte und Mittlere Geschichte sowie Germanistik. Er ist seit über zwanzig Jahren als Autor erfolgreich. Seine besondere Leidenschaft gilt historischen Romanen, Kurzgeschichten und Erzählungen.

Bei dotbooks erschien die zweibändige Reihe historischer Romane »Die Silberkessel-Saga« mit den Einzelbänden »Die Söhne des Nordens« und »Das Gold des Nordens«.

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Sammelband-Originalausgabe Juni 2024

Copyright © der Sammelband-Originalausgabe 2024 dotbooks GmbH, München

»Die Söhne des Nordens« erschien bereits 2006 unter dem Titel »Der Silberkessel« bei Piper Verlag GmbH, München. Copyright © der Originalausgabe 2006 Piper Verlag GmbH, München. Copyright © der überarbeiteten Neuausgabe 2019 dotbooks GmbH, München

Copyright © der Originalausgabe »Das Gold des Nordens« 2007 Piper Verlag GmbH, München. Copyright © der Neuausgabe 2020 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von Shutterstock/Asia Gleb, oksana2010, Nomad_Soul, FXQuadro und AdobeStock/Andy Morehouse

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (mm)

ISBN 978-3-98952-103-2

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Stefan Jäger

Die Söhne der Schlacht

Die große Saga in einem eBook: »Die Söhne des Nordens« und »Das Gold des Nordens«

dotbooks.

Die Söhne des Nordens

Es ist ein gewaltiger Tross, der sich im Jahr 120 vor Christus auf den Weg gemacht hat: Die Kimbern, Teutonen und Ambronen wandern voller Hoffnung gen Süden, um eine neue Heimat zu finden – unter ihnen die junge Svanhild, Tochter eines kimbrischen Fürsten. Aber sind sie eine Gefahr für das römische Imperium? Der Händler Timaios wird von den Römern entsandt, um ein Blutvergießen zu vermeiden. Dabei muss er feststellen, dass die Stämme aus dem Norden keine wilden Barbaren sind … ganz besonders nicht die schöne Svanhild. Doch dann geraten die beiden zwischen die Fronten des drohenden Krieges, der plötzlich unabwendbar scheint – und müssen sich der Frage stellen, wem sie vertrauen können …

Germanien insgesamt ist von den Galliern, von den Rätern und Pannoniern durch Rhein und Donau, von den Sarmaten und Dakern durch wechselseitiges Misstrauen oder Gebirgszüge geschieden. Die weiteren Grenzen schließt das Weltmeer ein, breite Landvorsprünge und Inseln von unermesslicher Ausdehnung umfassend: Erst unlängst wurden einige Völkerschaften und Könige bekannt, zu denen der Krieg den Zugang eröffnet hat.

BEGINN DER GERMANIA DES RÖMISCHEN HISTORIKERS TACITUS (1. JAHRHUNDERT N. CHR.)

PROLOG

Um das 630ste Jahr seit Gründung der Stadt Rom(etwa 124 v. Chr.)

KIMBERLAND

Heutiges Himmerland in Jütland, Dänemark

Zwei Kinder wanderten durch die frühe Nacht.

Die Nacht wurde von den Menschen in diesem Teil der Welt Nott genannt. Nott kommt, Nott geht aber auch!, pflegten sie zu sagen. Sie mochten die Nacht nicht: Seltsame Wesen,flüsterten sie ihren Kindern zu, wenn sie in den Langhäusern beim unruhigen Schein von ölgetränkten Lampen zusammensaßen, gehen in der Dunkelheit um. Gefährliche Wesen. Und sie erzählten den Mädchen und Jungen uralte Geschichten von Göttern und Menschen, von Riesen und Zwergen, von Freundschaft und Zwist. Sanken Notts Schleier dann langsam auf die Erde und besiegten nach kurzem Kampf den Tag, Dagr,dann zogen sich die Bewohner dieses Landstrichs in ihre lang gezogenen Behausungen zurück und warteten hinter Mauern aus lehmverstrichenem Flechtwerk auf den neuen Morgen, während ein grauer Wolf den hellen Mond über den Nachthimmel jagte, um seine scharfen Zähne in das weiße Fleisch zu schlagen.

Zwei Kinder gingen in der Dunkelheit um, unbeeindruckt von allen Geschichten, unbesorgt um alle Geisterwesen. Das Mädchen war jünger, kleiner und lebhafter, blieb neben einem Langhaus stehen und lugte durch einen schmalen Spalt im Flechtwerk. Der etwas größere Junge wartete aufgeregt daneben.

»Na, was machen sie? Sag schon!«

Die Antwort des Mädchens war ein Zischen. »Würfeln!«

»Pfh ...« Der Junge atmete hörbar aus. »Was für eine Überraschung!«

Seine Spielgefährtin drehte den Kopf. »Ich frag mich, ob das denen nicht langweilig wird.«

»Da verstehste nichts von! Lass mich mal gucken, Svava. Wer gewinnt'n?« Der Junge schob das Mädchen beiseite und presste die Stirn gegen den Lehm; das zweite Auge kniff er zu.

»Vibilio!«, sagte das Mädchen und trat einen Schritt zurück.

Der Junge fuhr heftig zurück. »Pscht! Biste verrückt, Mensch? Warum sagst'n das so laut?«, wisperte er aufgeregt. »Schrei doch gleich heraus, dass wir da sind.« Er tippte sich kurz an den Kopf.

»Aber es bringt doch Unglück, wenn man den Namen seines Liebsten nur leise sagt!« Svava war ebenfalls wieder in den eiligen, flüsternden Ton gefallen.

»Wer hat'n dir den Bockmist erzählt? So ein Jötenkram! Das haste von der dummen Gerswid, was?« Der Junge lugte von Neuem durch das Loch. »Au!« Wieder sprang er rückwärts, eine Hand aufs Auge gepresst. »Verdammt!«

»Verschwindet, Kinder!« Der Befehl klang dumpf und kam von jenseits der Wand. Begleitet wurde er vom Lachen anderer Stimmen. »Macht, dass ihr nach Hause kommt, sonst lassen wir den Riesen von der Leine!«

Die beiden Kinder wandten sich um und rannten davon, nicht aus Angst vor irgendwelchen unfassbaren Riesen – Dummes Geschwätz, Fabelgeschichten! Riesen gibt's doch gar nicht ... Oder? –,sondern vor den durchaus fassbaren Männern. In der nächsten dunklen Ecke, zwischen einem Langhaus und der Umfriedung des Weilers, hielten sie inne. Beide atmeten heftig, der Junge hielt sich wieder eine Hand vors Auge und rieb es heftig. »Mist! Der hat mir'n Finger ins Auge gestochen, dieser hinterhältige ...«

»Lass mich nachsehen, Gaisarik!« Svava nahm seine Hand und musterte sein Gesicht. Vertrauen sprach aus dieser Geste, und er hielt still. »Is aber nichts zu sehen.«

»Tut aber weh!« Wieder rieb er das Auge. Dann fiel ihm etwas ein. »Und warum ausgerechnet Vibilio?«

Jetzt wurde das Mädchen rot. Rot und trotzig. »Warum denn nicht?«

»Der is doch mindestens zehn Winter älter als du.«

Svava stemmte die Hände in die Seite und sah Gaisarik herausfordernd an. »Na und?«

»Fände ich ja gar nicht schlecht ... Also, wenn der Pap fragen würde, ob du ... Ich würde jedenfalls Ja sagen.«

»Ehrlich?« Zweifelnd musterte das Mädchen ihren Bruder.

»Ja.« Dann lachte Gaisarik hell auf. »Hauptsache, du bringst den alten Volugeso nicht an. Das wär ja ...« Er überlegte – wie hatte der Vater das einmal genannt? »Greisenschändung.« Svava kicherte, und nach einer Pause sagte sie: »Wer weiß, wann Pap zurückkommt.«

»Nun ja. Für Bragge isses jedenfalls am schlimmsten.«

Die Geschwister schwiegen. Keines der beiden Kinder hätte zugegeben, dass es den Vater nicht weniger vermisste als der jüngste Bruder.

»Komm, lass uns heimgehen. Mam wird warten.«

Bereitwillig folgte Gaisarik seiner Schwester.

Im Langhaus wurde das Würfelspiel fortgesetzt. Die Störung durch die Kinder hatten die Spieler längst vergessen.

»Bei den Nornen!« Ein Flehen lag in den Worten des Jünglings, mit denen er die Schicksalsgöttinnen anrief, während er die Würfel in den Lederbecher schob. Seine Hände klammerten sich darum, und er fühlte die Spannung mit der Höhe des Einsatzes noch weiter steigen. Selbst ohne die vielen Hörner Bier wäre er in einen Rausch gefallen. Die schnelle Bewegung des Schüttelns – »... komm schon, komm ...«, komm, komm –,verbarg das Zittern der Hände.

Seit Beginn der Runde, seit einer Ewigkeit, hatte der Jüngling nur darauf gewartet, gehofft und gegiert, abermals an die Reihe zu kommen, zu spielen und endlich seinen Wurf zu machen. Ungeduldig hatte er die umständlichen Würfe der Mitspieler beobachtet, mühsam beherrscht ihren endlosen Witzen und Bemerkungen gelauscht, selbst scheinheilig und übertrieben gelacht und Sprüche gemacht und die absichtlichen Verzögerungen der anderen im Stillen verflucht. Jetzt war seine Zeit gekommen, jetzt ... Verlöre er aber das Spiel, wäre seines Vaters Rind ... Nein, nur nicht nachdenken. Nichts jedoch war schneller als seine Gedanken, die gleich wieder über den Augenblick hinauseilten und ihm eine düstere Zukunft ausmalten, verflucht von seinem Vater, verstoßen von seiner Familie.

Das Gesicht eine grinsende Grimasse, führte der Jüngling den Becher vor den Unterleib, schüttelte dort weiter, hielt ihn über den Amboss, immer noch schüttelnd, und knallte ihn dann wuchtig auf die raue Oberfläche des Steinblockes. Dort ließ er ihn verkehrt herum stehen, atmete tief durch und trat einen Schritt zurück. O Gott, lass mich nicht verlieren! Mehr als vierzehn, bitte. Wodan, großer Gott des Spieles, ich opfere dir einen Eimer Bier ...

»Mann, peif auf die Nornenweiber und ihr Geplapper! Die helfen dir jetzt nicht mehr. Heb endlich den Becher, Kleiner!« Derbe Hände, verrußt und fleckig, mit alten und neuen Brandblasen übersät – es war der Schmied, der ihn da anraunzte, breitschultrig und untersetzt, mit fettglänzenden Strähnen über funkelnden Augen.

»He, Vibilio, was ist los?« Auch das Lächeln des anderen Mitspielers war ohne Nachsicht. »Seht, dem Kleinen steht die Pisse in der Hose.«

Erwartungsvoll starrten sieben Augenpaare auf den Würfelbecher. Den meisten Männern standen Schweißperlen auf der Stirn, obwohl in der Feuerstelle nur noch matte Glutbrocken glommen. Niemand dachte daran, Holz nachzulegen. Einige Fackeln spendeten Helligkeit, und die Zugluft, die durch die Ritzen des Langhauses pfiff, wurde von den angetrunkenen Männern nicht wahrgenommen.

»Erst noch ein Horn, Eisenkopp.« Der junge Werfer strich sich die langen Haare aus der Stirn. In den blonden Locken hatten sich Ascheteilchen verfangen, die nun leicht zur Erde schwebten. In Vibilios glasigem Blick lag Schicksalsergebenheit. Bei Wodan, seine Würfel waren gefallen.

Murrend füllte der Schmied ein Stierhorn mit dunkler Flüssigkeit aus einem fast leeren Holzzuber. Dem Werfer drückte er das helle Horn in die Hand, während er den Eimer achtlos zur Seite warf. Der Zuber krachte gegen einen Haufen von Gussformen, rollte klappernd über den Boden, drehte sich noch einmal und blieb in einer dunklen Ecke der Hütte liegen. Ein dünner Bierfaden floss heraus und wurde vom Boden aufgesogen.

Vibilio trank genüsslich, aber aufreizend langsam. »Ah! In Wodans Halle kann's kaum besser schmecken ...« Noch immer zitterte ihm die Hand leicht, und auch die Stimme klang nicht sehr fest.

Des Schmiedes Hand klammerte sich drohend um ein Stemmeisen. »Wenn ich dir dies über deinen blonden Schädel ziehe, dann bist du schnell genug in Asgards Hallen, um dich selbst davon zu überzeugen, ob's nicht doch hier besser war, Kleiner. Erzähl uns keine Sagen, sondern heb endlich den Becher!«

Der Jüngling zuckte zusammen, während die anderen lachten und sich vieldeutig anblickten. »Ob der alte Aasfresser das gelten ließe, um für den Kleinen 'ne Idise1 zu schicken?« Einer schnüffelte gespielt. »Riecht mir mehr nach Strohtod als nach Kampf«, spottete er. »Nein – kein Einlass! Aber einen Gruß an Hel und alle ihre Strohtoten in Niflheim2 kann er gern von uns bestellen.«

Hohlköpfe! Hornochsen! Mit einer jähen Bewegung beugte sich Vibilio über den Amboss. Vierzehn war bis zu diesem Zeitpunkt das Hoch gewesen. Fünfzehn Augen waren viel, aber vierzehn Augen oder weniger wären die Hölle. Er schickte noch einmal ein stilles Gebet zu den Göttern und lupfte den Becher so vorsichtig, dass nur er allein sehen konnte, wie der Wurf ausgefallen war.

»Und?«

»Hoch damit!«

»Jaaa!« Vibilio ballte eine Hand. »Fünfzehn – den Nornen sei Dank! Dein Rind gehört mir!«

»Zeig her!« forderte der Schmied ihn wütend auf. Dann griff er selbst nach dem Becher, auf dem noch Vibilios Hand lag, und riss ihn hoch.

Auf dem Amboss lagen drei weiße Würfel, kleine glänzende Steine. Dass sie aus Albengebein bestünden, hatte vorhin einer gemeint. Und wenn schon! Die Würfel waren zwar feiner und regelmäßiger gearbeitet als alle anderen, mit denen sie zu spielen gewohnt waren, aber für die Männer zählten nur die eingepunzten Wertigkeiten. Woher sie kamen, wer sie geformt hatte, wie sie hierher gekommen waren ... »Wen«, hatte der Schmied gefragt, »wen, beim Gehänge Donars, schert das?«

»Hammer und Donnerschlag!«, entfuhr es dem Schmied nach einem langen, erst prüfenden, dann blöden Stieren auf die Würfel. Er zwinkerte. Fünfzehn. »Verdammt!« Er verzog das Gesicht. »So viel Glück gibt's doch gar nicht. Götter, meine Alte wird mich ins Moor werfen ...«

»Könnte sein.« Vibilios Miene zeigte eine Mischung aus verhohlener Schadenfreude und ängstlicher Bedachtsamkeit.

Ein kaum unterdrücktes Lachen zeigte, dass andere weniger Angst vor dem Schmied hatten. »Nun komm schon, Eisenkopp! Sei froh, dass du das Vieh los bist. Nach dem Winter besteht es doch eh nur noch aus Haut und ...«

»Ah, Nidhard, halt's Maul! Dein Gefasel hat mir noch gefehlt. Es war mein letztes Rind. – Los, noch einmal! Vibilio!« Der Schmied starrte den entgeisterten Jüngling an. »Du musst mir ...« Er machte eine Pause, nahm den Kopf zurück und rülpste laut. »Ah! Du musst mir Gelegenheit geben, das Rind zurückzugewinnen.«

Vibilio fasste sich und wedelte bedächtig mit der Hand vor der Nase. »Weh! Du kriegst den Hals wieder nicht voll, wie? Lass mich nachdenken. Was willst du denn dagegensetzen?« Seine Stimme klang nun, da die Niederlage des Schmiedes nicht in dessen berüchtigten Zorn umgeschlagen war, geradezu vorlaut. Übermütig füllte er sich mit einer Bronzekelle ein neues Horn aus einem zweiten Holzzuber.

»Wie wär's mit deiner Alten? Dann kann sie dir keinen Ärger mehr machen!«, rief einer der Männer dazwischen. Bis auf den Schmied lachten alle.

Vibilio wehrte entsetzt ab. »Bei den Göttern ... Dann eher den Eisenkopp selbst. Den kann ich vielleicht noch an die Haruden verschachern.« Er nippte grinsend am Horn.

Der Schmied drehte sich unter leichtem Schwanken, umrundete mühsam einen Lehmofen, der ihm bis zur Hüfte reichte, und stieg torkelnd über einen Haufen von Grasklumpen, die mit Erz versetzt waren. Von einem breiten Holzpfosten holte er ein Wehrgehänge herab, das zwischen Schmiedezangen und Eisenketten hing.

»Mein Schwert, Junge. Jawohl, noch hab ich einiges, bevor ich mich selbst setzen muss!« Er legte das Stück auf den Amboss, füllte sich aus dem Zuber, ohne die Schöpfkelle zu benutzen, ebenfalls ein Rinderhorn mit Gerstenbier und trank es bis zur Neige aus.

In der Hütte war es still geworden. »Dich hat der Wahn gepackt«, murmelte Nidhard. »Du solltest aufhören zu saufen, Isegrimm, sonst wird der Ärger mit deiner Alten bis hinauf nach Asgard wachsen. Und du landest wirklich noch im Moor!«

»Was geht es dich an?«, raunzte der Schmied den Sprecher an. »Du kannst mir mal in Niflheim begegnen, Schwarzalbenhirn. Ich hab zwei Eimer angesetzt, und die werden heute Abend getrunken. Soll ich das Zeug den Scheißschweinen hinschütten?«

Rasch trank Vibilio sein Horn aus. Da es in einer Spitze auslief, konnte es nicht abgesetzt werden. Ein Faden Bier lief ihm vom Mundwinkel über das Kinn. Er wischte mit dem Ärmel darüber und griff hastig nach dem Schwert. Jemand fachte das Feuer an.

»Reinstes Eisen«, sagte der Schmied stolz. »Es heißt Mjölnir, wie der Hammer von Donar, und es trennt jeden Kopf vom Rumpf.«

»Gebrauch du deinen Kopf, solange er noch auf dem Rumpf sitzt!« Wieder war es Nidhard, der den Schmied von einer Fortsetzung des Spieles abzubringen versuchte. »Häng es wieder an die Wand, und hau dich aufs Ohr. Zum Schaumpissen wird die Menge reichen, die du gesoffen hast ...«

Komm, lass ihn doch!, wollte Vibilio schon rufen, aber der Schmied kam ihm zuvor. »Was geht dich das an?« Er atmete schwer. Dann, an Vibilio gewandt und mühsam beherrscht: »Vor hundert Jahren wurde das Schwert in dieser Hütte für die Harudenzüge geschmiedet. Für so viel Eisen bekamst du damals 'ne ganze verdammte Rinderherde, Junge. Und den Hirten mit seiner ganzen verdammten Familie und dem ganzen verdammten Dorf dazu, in dem er wohnte. Jeder Erstgeborene –« er rülpste erneut und ließ gleich darauf einen pfeifenden Wind fahren – »in meiner Sippe trug es seitdem, und es hat noch keinen Kampf verloren, das kannst du mir glauben, Junge. Also, was sagst du? Spielen wir?«

Ehrfürchtig zog Vibilio das Schwert aus der Scheide und betrachtete die Einlegearbeiten auf der armlangen Klinge, die tiefe, schattige Blutrinne und den spiralförmig umwundenen Silbergriff. Die Holzscheide, die zu dem zweischneidigen Hiebschwert gehörte, war mit silbernen oder versilberten Zierblechen beschlagen, die im Licht der auflebenden Flammen funkelten, und sie endete in einem knöchernen Ortband.

»Gut.« Vibilio war bemüht, gelassen zu klingen, obschon er vor Freude gern geschrien hätte. Mit einem Eisenschwert wie diesem, das längst einen Namen trug und sogar für sein Heil bekannt war, wuchsen die Möglichkeiten, seinem Träger ebenfalls einen gerühmten Namen einzubringen, hoch wie die Weltesche. Vibilio nickte noch einmal, mit trockenem Mund und weichen Knien. Mjölnir,dachte er schwindelnd, ein altes Schwert aus dem ewigen Krieg gegen die Haruden im Norden ... Er musste die Waffe einfach haben, um das Heil, das darauf ruhte, für sich zu gewinnen. Für sich, seine Familie, seine Sippe. Für die Zukunft. Würde aber das Schwert sich von ihm führen lassen? Seine Gedanken eilten ihm voraus und sahen die Tage, die kommen sollten, rosig und hell, ruhmreich und heldenhaft. »Ja, lass uns spielen, Isegrimm. Du hast den ersten Wurf.« Vibilio wollte das Schwert wieder in die Scheide schieben, traf aber erst beim zweiten Versuch.

»Wenn du überall so schlecht hineinkommst, kannst du lange auf ein Weib warten.«

Mit verbissener Miene griff der Schmied zum Würfelbecher. »Also, das Schwert gegen das Rind, die vier Ziegen und den Bock!«

Vibilio stieg vom beißenden Spott des Älteren die Röte ins Gesicht. Er musste nicht lange nachdenken. Was waren schon wenige Stück Vieh gegen dieses Schwert? »Abgemacht!«

Zwei Wanderer schritten durch die gleiche Nacht. Während die Männer in ihr Spiel vertieft waren und nichts anderes wahrnahmen, während die beiden Kinder Körnerbrei löffelten und Sauermilch tranken, während der blasse Mond aus ängstlich-vollem Gesicht vorsichtig hinter leuchtenden Wolkenbänken hervorstierte und nach dem geifernden Wolf Ausschau hielt, der ihm heulend auf der Fährte war, näherten sich durch den lichten Birkenwald zwei Männer der Umzäunung des kimbrischen Weilers. Das runde Dutzend Langhäuser dahinter schmiegte sich fast furchtsam an den Waldsaum. Zu dieser Stunde von Notts Herrschaft erwarteten die Kimbern nur wenig Gutes aus der Dunkelheit; die endlose Nachttiefe war ein Quell alles Bösen, so unberechenbar wie jene Geschöpfe, die in der Nachtlandschaft umgingen.

Der ältere der beiden Wanderer war schon grauhaarig und dennoch rüstig. Der andere war etliche Jahre jünger und trug lange Haare, blond und offen, die ihm in die Stirn hingen und sein vollbärtiges Gesicht bis hinunter auf die Schultern strähnig und fettig umrahmten. Die Schläfen des Älteren waren von Haaren frei, über der Stirnmitte waren sie zurückgestrichen und im Nacken zu einem dichten Zopf geflochten.

Beide Männer trugen die übliche Kleidung dieses Landes: wollene Mäntel, an der Schulter von bronzenen Spangen zusammengehalten, darunter hüftlange Hemden mit Gürteln, die Schwertgehänge und kleine Lederbeutel hielten, Hosen, die gerade bis über die Knie reichten, Stoffstreifen um die Waden und Bundschuhe aus Leder. Die Männer waren verdreckt und unrasiert; ihre Ausrüstung starrte vor Schmutz. Die Waffen sahen noch am gepflegtesten aus: das breite Hiebschwert aus Eisen, an der Hüfte des hoch gewachsenen Jüngeren baumelnd, und die mannshohen Eschenspeere mit dem eisernen Blatt, die Framen, die ihnen über den Schultern lagen. Am Speer des einen hing ein rundes Bündel mit Habseligkeiten – vielleicht Nahrung oder Ersatzkleidung. Der dunkelfarbene große Sack, der dem Jüngeren von seinem Framen über die Schulter hing, war dagegen flacher. Eine Ausbuchtung zeichnete sich fast wie ein Buckel unter dem Leinen ab. Mit jedem Schritt klapperte es leise.

Die beiden wanderten auf alten Pfaden, die sich durch das nicht sonderlich dichte, aber sumpfige Waldgebiet schlängelten, wichen tiefgängigen Stellen aus oder überquerten diese auf darüber gelegten Baumstämmen, die vielleicht seit Ewigkeiten ihre Aufgabe als Behelfsbrücken erfüllten. Über noch breitere Sumpflöcher führten Stege, Gebilde aus miteinander verstrickten Holzbohlen und straff gespannten Seilen, halbfeste Bohlenwege über haltlosem Boden. Die Spur zwischen den Abschnitten aus Bohlen war ausgetreten und kaum zu verfehlen.

»Der Weg ist in einem guten Zustand.« Die Stimme des Älteren klang bedrückt.

Schweigen antwortete ihm. Die Gedanken des Jüngeren fanden nur langsam zurück an diesen Ort, woher sie auch immer kommen mochten. »Ja.«

»Das heißt, dass sie ihn oft genutzt haben. Und du weißt auch, was das bedeutet?«

»Dass wir uns nicht querfeldein durch das Unterholz schlagen müssen.« Weiße Zähne leuchteten aus einem verfilzten Bart.

Der Alte blieb stehen. »Nein, es heißt, dass sie ...«

»Segestes, ich weiß, was es heißen könnte. Vielleicht mussten sie viele Opfer bringen. Vielleicht war der Sommer schlecht. Vielleicht wandeln Riesen in der Nacht ... Dieser Weg kennt mehr als ein Ziel.«

Irrlichter tanzten über den Sumpflöchern, und dumpfer Modergeruch lag darüber. Segestes folgte seinem Gefährten nach einem Blick zum Himmel. »Was meinst du? Wahrscheinlich spielen sie noch.« Der Mond verbreitete ein spärliches Licht über den Kronen der Birken. In den sumpfigen Niederungen wallten Nebelschwaden und verschluckten den Grund der Senken. Dort lagen die Reiche der Unterirdischen, jener Schwarzalben und Waldgeister, denen die Riesen wohlgesonnen waren.

Der vorangehende Jüngere schaute ebenfalls zu den hellen Wolkenbänken auf, die den Standort des Mondes verrieten. »Wer? Nidhard wahrscheinlich und Isegrimm, der Eisenschädel. Ha, keine allzu gewagte Vermutung. Aber so spät ist es ja noch nicht, das lässt mich hoffen.« Er seufzte. »Ein Horn Bier ... Doch, ich hoffe, sie spielen nicht nur, sondern saufen auch.«

»Glaubst du, sie werden uns überhaupt zuhören, Hludico?«

Die Antwort war ein kurzes, belustigtes Schnauben. »Nein.« Hludicos Lachen klang gedämpft. »Nicht, wenn die Hörner kreisen.« Er hob die Schultern, während sie weitergingen. »Aber einer muss damit anfangen. Nach allem, was wir bis jetzt gesehen und gehört haben ... Andererseits, wer hört nicht gern Geschichten von dicken Weibern und Berichte aus sonnigen Ländern? Doch, sie werden uns zuhören. Gern wüsste ich aber, ob sie uns auch glauben.«

»Wenn nicht, öffnest du deinen Sack ...«

»Die Verlockungen des Reichtums ...« Hludico blieb stehen und wandte sich zu seinem Hintermann um. »Ja, ich öffne ihn, aber nicht zu weit. Diese andere Sache sollte ich erst mit Volugeso besprechen – und mit Albruna, wenn sie so lange am Leben bleibt.« Er strich sich nachdenklich durch den Bart und klaubte eine Klette heraus. »Waschen wäre auch nicht schlecht.«

»Es wäre hilfreich«, sagte Segestes und lächelte dann. »Albruna, meine ich, nicht das Waschen. – Aber es gibt Möglichkeiten, das wissen wir jetzt. Möglichkeiten und viel Raum. Wir haben das doch in den letzten Monden oft genug besprochen und erlebt, dass es gelingen kann. Es gibt immer einen Weg.«

Segestes stieß Hludico an, und der setzte sich wieder in Bewegung. »Für uns beide, ja. Für tausend Kämpfer vielleicht auch noch. Mit dem ganzen Stamm dürfte es allerdings nicht so einfach werden ... Und die Kelten sind stark. Uneins, aber stark. Und hinter ihnen kommen die Schwarzhaarigen. Uh, wenn ich daran denke, was wir von denen gesehen haben ...«

Nach einer Weile lichtete sich der Wald, und unweit des kimbrischen Weilers stiegen die Wanderer durch einen Durchlass in einer Hecke und betraten kultiviertes Land.

»Endlich«, sagte Hludico. Er schniefte. Über Segestes' Gesicht lief ein Leuchten, eine Träne rollte ihm über die Wange. »Ja, endlich. Dreizehn ewig lange Monde.« Ein Hund schlug an, andere stimmten ein, und kurz darauf kam den beiden Wanderern eine schlanke Gestalt mit einer Fackel entgegen, um nach dem Rechten zu sehen. Davor lief ein langhaariger Torfhund.

Als der Mann die beiden Schatten sah, befahl er den Hund zu sich und rief dann die Fremden an. »Freki, bleib hier! Freki! – Wer kommt da?«

Segestes blieb stehen und kniff die Augen zusammen. »Ketil, scheint mir«, murmelte er. Dann lauter: »Wenn es nicht so dunkel wäre, könntest du sehen, wer wir sind, Ketil. Geh wieder hinein und lass alle wissen, dass Hludico und Segestes zurück sind!«

Der Wächter zögerte kurz, offenbar ebenso überrascht wie ungläubig. Dann verschwand er im Weiler, und man hörte ihn rufen. Der Hund näherte sich. Sein Knurren ging in ein Winseln über, nachdem er an den Männern geschnuppert hatte. Noch ehe die Wanderer das Tor erreicht hatten, eilten die Bewohner auf sie zu, allen voran die Würfelspieler und Vibilio.

»Wahrhaftig!« Vibilio lachte laut, als er nahe genug war, um die Gesichter zu erkennen. »Mein großer Bruder ist zurück!« Er umarmte den strahlenden Hludico. »Ich kann's nicht glauben ...« Laute Rufe gingen hin und her. Als dann Frauen und Kinder aus dem Weiler gelaufen kamen, schwoll der Begrüßungslärm noch einmal an.

Überschwänglich begrüßte Segestes seine Frau Svava und seine drei Kinder Gaisarik, Svanhild und Bragir, die sich begeistert und neugierig um ihn scharten. Hludico wurde von seiner Familie willkommen geheißen: seinem Bruder, einer jungen Schwester und den stolzen Eltern. Als eine sommersprossige junge Frau hinzutrat, ließ Hludico seine Sippe stehen und fiel ihr in die geöffneten Arme. Hludicos Mutter zog ein säuerliches Gesicht und bekam dafür von ihrem Mann – von allen anderen unbemerkt – einen Stoß in die Seite.

»Das war's.« Vibilio gluckste. »Gehen wir hinein und warten wir, bis Wisigarda mit ihm fertig ist. – He, Garda, sieh dich vor! Er stinkt wie ein Rind und sieht aus wie ein Wildschwein.«

Später bat Segestes den Dorfältesten Volugeso, alle Männer in der Mitte des Weilers zusammenzurufen. Auf dem Dorfplatz wurde ein Feuer entfacht, und ein großer Holzstoß sorgte dafür, dass es nicht erlosch. Volugeso ließ einen Zuber mit frischem Met bringen, einem vergorenem Gemisch aus Beeren, Honig und Getreide. Dreißig in Felle und Mäntel gehüllte Kimbern saßen schließlich auf flachen Steinen und Holzblöcken um das Feuer herum. Den Framen aus Eschenholz, das Zeichen ihrer Freiheit, hatte jeder neben sich. Mancher hatte zudem einen großen runden Holzschild dabei.

An der linken Seite des notdürftig gereinigten Hludico saß Wisigarda, wie alle Männer mit einem Trinkhorn in der Hand. Wisigarda war rothaarig und von heller Hautfarbe. Sie war nicht älter als Hludico, aber um ihre Augen hatten sich bereits kleine Falten eingegraben. Neben Hludico, der sich sehr aufrecht hielt, wirkte sie klein, fast zierlich. Um die Schultern hatte sie ein buntes Seidentuch geschlungen, ein Geschenk des Heimkehrers. Außer Wisigarda war keine weitere Frau anwesend. An Hludicos rechter Seite saß gebeugt dessen Vater, daneben Vibilio. Anstelle eines Framens hielt er das Schwert Mjölnir auf den Knien. Stolz sprach aus jedem seiner Blicke.

Volugeso erhob sich, und um das prasselnde Feuer erstarb alles Raunen. »Es ist gut, euch wieder hier zu wissen, Segestes und Hludico. Seid willkommen in der Heimat. Ich vermute, wenn Neugier Geräusche erzeugen könnte, müsste ich schreien wie der Donnerer3, um überhaupt verstanden zu werden. Bitte, erlöst uns endlich von schweigendem Lärm. Auf welchen Wegen seid ihr gewandert?«

»Wege, die nach Süden führten, zu den Kelten im Herkynischen Wald – und dann noch weiter.« Nach diesen Worten nahm Segestes einen tiefen Schluck aus seinem Horn.

Die lärmende Stille schien noch anzuwachsen. Schon der Herkynische Wald war weit, die Stämme, die seine Lichtungen bewohnten, galten als geheimnisumwittert. Jenseits seines fernen Saumes begannen die Legenden.

»Um Donars willen, was habt ihr dort zu suchen gehabt, Segest?« Nidhard, der Würfelspieler, verdrehte die Augen. »Ein übler Streich war euer heimlicher Aufbruch. Eure Leute schwiegen wie Grabhügel, und Volugeso wollte uns weismachen, dass wir Geduld haben sollten. Selbst Vibilio ließ nichts verlauten, selbst dann, wenn er voll war wie Mimirs Brunnen4. Was vorgekommen ist. Heute zum Beispiel! Nun denn, Segest, alter Freund, berichte uns von deinen Abenteuern!«

Segestes nickte Volugeso und dem peinlich berührten Vibilio zu. Der grummelte einige unverständliche Flüche sowie das deutlich vernehmbare Wort »Übertreibungen« vor sich hin. Holzscheite knackten, und Funken stoben in den Nachthimmel. Die Männer um das Feuer beäugten die Wanderer mit einer Mischung aus unverhohlener Neugierde und verstecktem Neid. Ungeduld schwebte wie eine dichte Wolke über dem Platz und vermischte sich mit dem Rauch.

Schließlich stand Segestes auf und sprach. »Ich hätte nicht erwartet, dass unser kleines Geheimnis so lange ein Geheimnis bleiben würde. Aber gut. Dann will ich es euch allen lüften: Wir, Hludico und ich, sind nicht für uns allein gegangen. Wir sind auch für euch gegangen, ebenso für den Gau und sogar für den ganzen Stamm. Volugeso und einige andere kannten den Grund, aber sie sollten schweigen, um keine unerfüllbaren Hoffnungen zu wecken. Dass es so lange dauern würde, das haben wir allerdings nicht erwartet, und glaubt mir« – er schaute zuerst Nidhard, dann Wisigarda an –, »unsere Geduld wurde nicht weniger auf die Probe gestellt als die eure.«

»Ein Sommer und ein Winter, Segest. Das dürfte eine lange Erzählung werden.«

Hludico erhob sich nun ebenfalls. »Eine Erzählung für lange, dunkle Winterabende, Nidhard. Hier und heute müssen wir über anderes sprechen: über die Gründe für unseren Aufbruch und seine möglichen Folgen.« Er holte tief Luft, während Segestes sich wieder setzte. Hludicos Stimme war tief und trug weit. »Es mag manchen unter euch nicht gefallen, aber es ist an der Zeit, gewisse Dinge in Bewegung zu bringen, Zeit, um mit dem Alten zu brechen. Unten an der Küste klagen die Seekimbern über ständige Stürme, die Ackermänner hier im Hinterland jammern Sommer für Sommer über immer schlechtere Ernten. – Ah, was erzähl ich euch da – ihr wisst es doch selbst! Schaut euch an, schaut eure Frauen und Kinder an! Der letzte Sommer kann nicht besser gewesen sein als jene Sommer, die Segest und ich mit euch erlebt haben.«

»Wärst du in diesem Sommer hier gewesen, dann hättest du einen neuen Begriff von dem schönen Wort ›schlecht‹ gewonnen. Nass wie Mimirs Wasserader.« Ein Nicken und Murmeln folgte den Worten Volugesos.

Hludico schnaubte. Er hatte im Grunde nichts anderes erwartet. »Aber die Vorzeichen für Veränderungen sind günstig! Das Los ist schon lange geworfen, und drüben im Eulengau, da hat Albruna im Blut große Veränderungen gesehen. Die Nornen würden einen neuen Faden in der Geschichte unseres Stammes weben, sagt sie. Die heiligen Rosse seien unruhig, sie würden mit den Hufen scharren, erhöben die Stimme und hielten Zwiesprache mit den Göttlichen.«

Unbestimmbares Murmeln, ein Knurren. »Haben wir gehört. Der Herkynische Wald. Was ist damit?«, rief Nidhard.

»Die Götter mögen wissen, wem Ernteheil und Viehheil zuteil werden – wir kennen beides schon längst nicht mehr. Das Korn steht dünn, viele Ähren tragen überhaupt keine Frucht. Das Vieh nimmt an Zahl ab, manche Weiden sind völlig verwaist. Das Wild flieht immer tiefer in die Wälder. Seit ... Segestes? Seit drei Tagen, so glaube ich, haben wir kein Rotwild mehr gesehen. Neugeborene werden ausgesetzt, und Alte gehen freiwillig in den Tod. Und wenn wir im Nachsommer unsere Vorräte sichten, wissen wir schon, dass sie kaum bis zum Julfest5 reichen werden. Manchmal erzählen uns Händler Geschichten über den Süden, über Länder, auf denen der Segen der Götter in ungeheurem Maße ruhen muss: milde Winter, fast endlose Sommer.« Wieder holte Hludico tief Luft. »Diese Geschichten sind alle wahr! Dagr, der Tag, ist selbst im Winter länger als Nott, und weite Ebenen findet ihr da, lichte Wälder voller Eichen und Buchen, fruchtbare Felder, Städte ganz aus Stein, die bis in den Himmel reichen. Und süßen Wein und weiches Fleisch gibt es dort unten so viel wie in Wodans Halle. Die Südländer haben Bäuche wie Bergelmir6, und sie hauen sich die Wänste mit köstlichen Speisen voll. Jeden Tag wird Brot gebacken. Und die Frauen, Freunde, die Frauen ...« Er grinste Wisigarda fröhlich an, die nur den Mund verzog, den Blick aber nicht von seinem Gesicht wandte.

Ein Raunen erhob sich. »Wie sehen die aus? Haben die wirklich ganz schwarze Haare?«

»Was? Überall?«

»Hu, hört sich ja fast nach Schwarzalben an.«

»Ja, alle schwarz! Ohne Ausnahme, am ganzen Kör...«

Wisigarda versetzte Hludico einen Faustschlag gegen das Bein. »Sieh dich vor, mein Geliebter. Ich mag nicht wissen, was du weißt.« Gelächter nahm ihren Worten die drohende Schärfe. Vibilio war der lauteste Lacher. Doch Wisigarda fuhr ungerührt fort: »Heb dir deine Geschichten für die langen Winterabende auf, wie du versprochen hast. Wenn wir Frauen in der Spinnhütte sitzen und über unsere dummen Männer klagen.«

Hludico rieb sich gespielt das Bein, dann richtete er sich wieder auf. »Und die Männer tragen alle Eisenschwerter.«

»Jeder? So viel Eisen gibt es in ganz Midgard nicht ...«

»Das sind doch Märchen!«

»Segestes und ich sind diesen Märchen nachgegangen und haben erlebt, dass es keine Märchen sind. Echte Eisenschwerter, sage ich. Eisen, so viel, wie keine tausend Männer wegtragen können. Reines Eisen – kein Jötendreck wie hier bei uns. Alles, was man braucht, kann man kaufen, nicht tauschen. Bezahlt wird mit Münzen aus Bronze oder Silber. Weizenfelder, die bis zum Himmelsrand reichen, keine versandeten oder vermoderten Böden, die nur Emmer oder Einkorn tragen. Die Ähren tragen acht, zehn oder gar zwölf Körner. Süße Früchte, Rinder, groß und fett wie Ure. Kinder« – Hludico hob die Hand und wies dorthin, wo die Rückseite der nun dichten Wolkenbänke beschienen wurde –, »so rund wie der Mond. Alles, was ihr euch erträumen könnt, und noch viel mehr.« Er legte eine bedeutungsvolle Pause ein. Die Blicke der Männer reichten von Unglauben bis Begehrlichkeit. »Ich war in Glanzheim, und ich war an der Donnerfurt, ich war im Weiler In den Birken, und ich war im Stegerland. Ich habe mich im Jötengau umgesehen, im Gau der Wölfe, und ich war in den Vier Eisernen Gauen des Westlandes. Unten am Meer, in Seeburg und Stegerland, wissen sie längst, dass bald etwas geschehen muss. Nur hier in den Wäldern will keiner die Wahrheit sehen, und dabei ist sie doch so klar wie das Wasser im Brunnen Hergelmir7.« Hludicos Blick streifte die Runde. »Die Tage des Zauderns sind vorüber, die Tage der Alten vergehen. Ein neues Zeitalter bricht an, und die Tage der Jungen kommen: Wenn wir überleben wollen, müssen wir in den Süden ziehen. Alle, der ganze Stamm. Hier haben wir nichts – dort können wir alles haben.«

Als Hludico sich nun niederließ, sprangen viele andere auf, riefen, fragten und schrien durcheinander. Vibilio reckte sein neues Schwert mitsamt der Holzscheide. Segestes blieb sitzen; er spürte Sehnsucht nach seinen jungen Tagen in sich aufsteigen, nach der Zeit, als sie die nördliche Welt verheert hatten. Die Tage schienen kürzer geworden und die Schatten länger.

Eine geraume Weile verging, bis die anderen sich wieder beruhigt hatten und Hludico weitersprach. Abermals stand er auf, und wieder lauschten die Kimbern den Worten dessen, der von Auszug und Landnahme sprach. Segestes dachte an uralte Legenden, die von viel Krieg und wenig Frieden erzählten. Viele Männer in der Runde lächelten, aber die Frauen würden stöhnen.

Der Schmied, mit glasigem Blick und kaum in der Lage, Hludicos Worten zu folgen, rülpste laut, aber weder nahm einer Anstoß daran, noch lachte jemand.

»Damit das allen klar ist, ihr Männer: Wir reden hier von keiner Heerfahrt und von keinem heiligen Frühling unserer Jungmannen. Auch von keinem Beutezug gegen andere Stämme, nach dessen Beendigung wir zurückkommen und uns wieder hinter den Pflug stellen. Nein, wir werden alle gehen, und wir werden unsere Familien mitnehmen, und wir werden uns eine neue Heimat erobern.«

Es herrschte Windstille. Die wenigen Geräusche, die aus dem Wald herüberklangen, stammten meist von Grillen, bisweilen unterbrochen vom Triumphgeschrei eines nachtjagenden Waldkauzes, der vielleicht ein Kleintier in den Fängen hielt, das er in seine Baumhöhle schleppte. Noch einmal kam Bewegung in die Runde. Bald erhoben sich alle von den Steinen und Holzblöcken. Später konnte keiner mehr sagen, wo es seinen Anfang genommen hatte, am Ende hatten aber fast alle ihre Framen erhoben und schlugen die Schäfte gegen die hölzernen Rundschilde, die sie mitgebracht hatten. Dumpf hallte das Geräusch von Holz auf Holz durch die kleine Ansiedlung, unregelmäßig und leise fing es sich zuerst in den Baumwipfeln, gleichmäßiger und lauter drang es dann aus dem Weiler in den Wald hinein.

Im Feuerschein gleißten die eisernen Speerspitzen der Kimbern.

Frauen und Kinder traten aus den Langhäusern, Freigelassene, die keine Stimme in der Versammlung hatten, unfreie Knechte und Mägde, und näherten sich neugierig dem Feuer, und die Männer ließen es geschehen.

Hludico ließ die Anerkennung und Zustimmung der Speere über sich ergehen, genussvoll und lächelnd, während Segestes sich jede Regung verbiss. Das schwache Licht konnte jedoch die Befriedigung, die sich auf seinem bartlosen Gesicht abzeichnete, schlecht verbergen. Er sah, wie die Blicke der Männer an Hludicos Lippen hingen, ahnte, wie viel Stärke noch in ihm steckte, und bedauerte nur seine eigene Schwäche. Hludico besaß etwas, das ihm, Segestes, stets gefehlt hatte, das ihm nicht gegeben war, damit er unter den Angesehenen des Stammes mehr als nur ein Geringer war: Heil.

Wenn es wahrhaftig Männer gab, die zur Führerschaft befähigt waren – und die gab es, wie jeder wusste –, dann war Hludico einer von ihnen. Mannheil hat er, um andere Männer zu führen, Kraft, um sie zu beherrschen, Mut, um ihnen voranzugehen. Segestes erinnerte sich seines Vaters Clondico, eines Herzogs der Kimbern, der in den Kriegen gegen die Warnen eine große Rolle gespielt hatte. Er erinnerte sich der Geschichten über seinen Großvater, Segestes den Grauen, der den Kimbern allein mit seiner Gefolgschaft, den Kriegern des Sturmwindes, den Felsengau erobert hatte. Er erinnerte sich der Geschichten anderer großer Ahnen, die immer wieder Taten vollbracht hatten, welche im Gedächtnis des Stammes überdauert hatten. Und inbrünstig hoffte Segestes, dass seine Söhne, Gaisarik und Bragir, mehr Stärke besitzen würden, als er selbst zu zeigen imstande war.

»Wir waren dreizehn Monde lang im Süden. Wir haben Dutzende von Wegen erkundet und unzählige Gespräche geführt. Glaubt uns, es wird gelingen!« Segestes' Worte gingen im Lärm unter.

»Und wenn es nicht gelingt ...«, murmelte Wisigarda, die als eine der wenigen den letzten Satz mitbekommen hatte. Sie war ebenfalls aufgestanden und sah einmal Hludico, einmal Segestes an. »Wenn wir erst im Süden sind, dann gibt es kein Zurück mehr, nicht wahr? Das ist ...« Sie schüttelte sich. »Es macht mir Angst.«

»Ja, mir auch.« Dann erhob Segestes die Stimme und breitete die Arme aus. »Und damit es gelingt, haben Hludico und ich mehr getan als nur geredet, seit wir zurückgekommen sind.« Es wurde wieder ruhig. Mehr als hundert Menschen standen nun um das Feuer herum und hörten seine Worte. »In der Wurt Seehort haben wir mit Herzog Cimberio gesprochen. In Seehort weiß man seit langem, dass etwas geschehen muss, weil das Meer immer wieder das Land überschwemmt. Cimberio hat bereits den Thingfrieden ausgerufen. Er hat Boten in alle Kimberngaue und sogar in die Gaue der Haruden geschickt, um sie zu bewegen, sich um den nächsten vollen Mond zum Thing am Wodansberg zu versammeln. Wer könnte« – Segestes schrie nun beinahe – »den gemeinsamen Scharen von Kimbern und Haruden widerstehen? Und genug Land gibt es dort im Süden, einen Platz für jeden einzelnen Gau.«

Volugeso, seiner Rolle als Ältester gedenkend, schien nicht bereit, sich ohne weiteres überzeugen zu lassen. »Und was ist mit den Kelten?«

»Ja, richtig, es gibt Kelten da unten, sogar eine große Zahl dieser Druidenknechte. Ohne Opfer wird es nicht abgehen ... Aber wartet! Ich zeige euch, was man im Süden finden kann, wenn man nur den Mut hat, danach zu suchen.«

Segestes nestelte am Verschluss des Beutels zu seinen Füßen und holte einen glänzenden Gegenstand heraus. Dann noch einen und einen weiteren, immer mehr, bis ein kleiner Haufen Edelmetall zu seinen Füßen lag. Staunen ergriff die Kimbern, und sie drängten sich um ihn. Halsringe, Fibeln, Ohrringe, Fingerringe, Armspangen, Sonnenscheiben, Gürtelbleche, Messer, alles aus Gold oder Silber. Voller Achtung und Begehrlichkeit betrachteten die Nordmänner die wertvollen Stücke und ließen sie von Hand zu Hand wandern. Die Frauen griffen nach den Schmuckstücken, legten sie an und bewunderten sich damit.

»Keltisch«, meinte ein Kimber, nachdem er eine goldene Fibel hin und her gedreht und die feinen Verzierungen in Augenschein genommen hatte.

»Ja, Ermin«, stimmte Segestes zu, »es ist keltisch. Das Stück gehörte ... He, Hludico! Stammt es von dem Tulinger von der Insel im Fluss? Ja, ein Tulinger hat es uns ... ah, gegeben.«

»Gegeben?«, wollte Vibilio nun ganz genau wissen. Um seinen Mund zuckte es.

»Um sein Leben zu retten«, erklärte Hludico.

»Nun, hat es ihn gerettet?«

Segestes hob die Hände. »Das weiß Urd8 allein. Wir haben ihm das Leben gelassen, aber dafür fast alles andere genommen.«

Lachen. »Ein Glückskind! Hludico, Bruder, du wirst weich.«

»Das wird kein großes Gelage bei Wodan gewesen sein.« Noch mehr Gelächter, vor allem unter den Jüngeren. Einige verzogen nur das Gesicht. Hludico selbst schüttelte missbilligend den Kopf (Wir brauchen jeden Freund, den wir finden können), schwieg aber.

Wisigarda vermochte ebenso wenig zu lachen. Was den Männern Vergnügen bereitet, dachte sie, bereitet fremden Frauen großes Leid.

Ein alter Mann, Teutomatus, Zweiter im Weiler nach Volugeso, erhob sich. Ein Greis, erfahren, abgehärmt, nahezu zahnlos, beinahe selbstlos, weil vieles ihn nicht länger beschäftigen musste, und ohne große Erwartungen nach all den leidvollen Erfahrungen aus über sechzig kalten Wintern – mehr schlecht als recht in der Gewohnheit lebend und denkend. Er ließ einige Beutestücke durch die faltigen, fleckigen Hände gleiten und befingerte einen Ledergürtel mit Goldbeschlägen. Dann griff er nach einer Silberscheibe, die das herausgearbeitete, düstere Antlitz einer keltischen Gottheit zeigte, drehte auch diese so lange hin und her, bis schließlich auch der Letzte – außer dem Schmied, der wieder knatternd einen Wind aus den Gedärmen entließ – merkte, dass Teutomatus sprechen wollte.

»Ein schönes Stück ...«

Der Greis reckte sich in die Höhe.

»Aber ein schönes Stück für keltische Götter, nicht für die unseren.« Er warf die Scheibe und den Gürtel vor sich auf den Boden. »Feuer sah ich des Reichen Reichtümer verzehren – und der Tod stand vor der Tür. So lauten unsere Überlieferungen. Und ich sage, es kann nichts Rechtes daran sein, unseren Göttern fremdländische Dinge als Opfer darzubringen. Und es kann noch weniger recht sein, davon zu reden, die Orte zu verlassen, an denen wir so lange gelebt haben – ihr, eure Väter, eure Großväter und auch deren Väter und Großväter. Meine Augen mögen schlecht sein, gewiss, aber ich bin noch nicht blind. Ich erkenne auch die Zeichen der Zeit. Aber deshalb gleich alles zurücklassen, den Jötengau verlassen und in die Fremde ziehen ... Segestes? Hludico?« Der Alte legte eine eindrucksvolle Pause ein und veränderte dann seine Tonlage. »Eigen Haus, auch eng, geht vor – daheim, da bist du Herr!« Teutomatus fuhr nach einer weiteren Pause fort und erzählte noch viel, und er sprach in der langsamen Art alter Menschen, und mancher in der Runde wollte vor Ungeduld aufspringen, wenn der Alte wieder eine alte Spruchweisheit zitierte, wenn er umständlich an die ewigen Zeiten erinnerte, seit denen die Vorfahren auf diesem Boden gelebt hatten, wenn er an die Haine gemahnte, in denen sie den Göttern einst opferten. »Heilige Haine, ja. Hier liegen die Gräber unserer Väter, und hier liegen die Stätten unserer Things. Das Ungestüm von euch Jungen, ja, das war schon immer der Segen, und das war auch der Fluch des Stammes. Und die Gier nach Schätzen und Beute, die du mit diesen Stücken angefacht hast, Segestes.« Er nickte. »Aber Überfluss währt einen Augenblick – dann flieht er, der falsche Freund. Das Pfund der Alten sind Weisheit und Bedachtsamkeit. Und mit dieser Weisheit und Bedachtsamkeit beschwöre ich euch, nicht zu vergessen, dass sich unsere Heimat hier am Meer befindet. Ja,« – er nickte mehrmals –, »ich weiß, es gab in der Vergangenheit schlechte Tage. Doch dann folgten wieder gute Zeiten, da das Korn reich auf den Feldern stand und das Vieh in solcher Zahl gedieh, dass Milch, Käse und Fleisch für alle reichten. Wie oft habe ich schon am Kindbett gestanden, wie oft am offenen Grabhügel ... Immer ist es weitergegangen.« Teutomatus wies mit der Hand auf die Heimkehrer, ohne sie anzublicken. »Lasst die beiden mit ihren Sippen und ihren Anhängern fortziehen. Der Süden« – er legte erneut eine Pause ein – »ist das Reich Surts, des Feuerriesen, vergesst das nicht. Ihr, die ihr hier lebt, lange schon, immer schon, ihr solltet bleiben und das Andenken eurer Väter ehren, die niemals auf fremder Scholle fronen wollten, sondern sich mit diesem Boden verbunden fühlten. Ja, lasst uns Nerthus opfern, der Mutter Erde, dann wird sie uns ihre Gaben wieder schenken. Gaben, die ihr anderswo einfacher und ohne Mühe zu finden hofft, ohne saure Tage und harte Arbeit. Sein Schicksal wisse keiner voraus – dann bleibt der Sinn ihm sorgenfrei. Und was habt ihr denn schon außer Geschichten? Was kann Skuld uns heute sagen? Lasst uns diese Beutestücke ins Moor werfen, auf der Stelle! Ja, ich sehe Unglück, das von dem ganzen Tand ausgeht, das er anzieht wie Asgard die verfluchten Riesen. Werft das Zeug fort, vergrabt es oder zerstört es. Gebt alles dem Moor, ja, dem Moor. Das ist der einzige Weg, um seinem Einfluss zu entgehen. Und die Götter werden es uns danken. Dies ist keltisch, alles keltisch, nicht kimbrisch, es bringt uns nur Unheil.« Teutomatus holte tief Luft, einmal, zweimal, dreimal. Seid ihr den Geschichten denn nicht schon verfallen?, fragte er stumm und beobachtete die Blicke der Männer. Die meisten würden den Verlockungen folgen.

Das anhaltende Schweigen sprach deutliche Worte. Mit gesenktem Kopf verließ Teutomatus die Runde. Mitleid folgte ihm, aber keine Missbilligung.

Hludico trat in die Mitte des großen Kreises und hob die Hand, frohlockend und hoffnungsvoll. Er ließ den Blick noch einmal durch das Rund schweifen und schien jeden einzelnen Mann des Weilers zu mustern. Einige hielten den Atem an. Irgendwo schrie ein Waldkauz.

»Das Thing entscheidet. Aber ich sage heute schon: Jetzt ist die Zeit für Veränderungen! Jetzt! Kommt mit uns und lebt – oder bleibt hier und hungert.«

Ein lauter Jubel erhob sich nach diesen Worten. Unter den jüngeren Männern fielen sich etliche in die Arme. Viele liefen zu Hludico, der die ersehnten Worte gesprochen hatte, Worte, die Beute bringen würden, Reichtum, Ehre und Krieg, und sie umringten und beglückwünschten ihn und ließen ihn hochleben. Kinder umsprangen johlend den Haufen, Svanhild, Gaisarik und Bragir waren darunter.

Segestes schaute nachdenklich zu. Er hegte keinen Zweifel an der Entscheidung, die das Thing fällen würde, aber dunkle Tage der Reue mochten kommen. Er trat zu Wisigarda, die sich erhoben hatte und die ausgelassenen Männer still beobachtete, legte ihr einen Arm um die Schulter. »Ich fürchte, Frau, es wird noch ein wenig dauern, bis du ihn für dich hast.«

Sie antwortete mit einem traurigen Lächeln. »Glaubst du denn wirklich, ich werde ihn noch einmal ganz für mich allein haben?« Dann erst wandte sie den Kopf zu Segestes. »Für ihn ist es alles, was er sich immer erträumte, nicht wahr?«

Der Ältere wich ihrem Blick aus und sah zu Vibilio hinüber, der in der Nähe stand, mehrere Jünglinge um sich versammelt hatte und ihnen stolz das Schwert in der Scheide zeigte.

»Habe ich nicht Recht?«

»Ruhm, Kampf, Reichtum, Ehre, vielleicht ... Er hat viel von dir gesprochen.« Vibilio hatte nun das Schwert halb aus der Scheide gezogen. Segestes sah, dass seine Hände zitterten.

Wisigarda unterbrach ihn. »Schmerz, Leid, Krankheit, Tod, Heimweh ... Bei euch hört sich das alles so einfach an. Wenn ich nur daran denke, mondelang auf einem Wagen zu hausen ...«

»Nein, meine kleine Garda!« Segestes schnaubte und sah sie an. »Wir glauben zu wissen, was uns erwartet.« Seine Stimme klang so gepresst, dass Wisigarda fröstelte. »Es wird Wodan sein, der uns führt, nicht Donar. Aber irgendeiner musste den Becher endlich nehmen und einen neuen Wurf wagen.«

»Ja, ich weiß. Und ich hoffe, dass ihr Recht habt. Du ahnst nicht, wie schwer der Winter war.« Sie streckte die Hand aus und wies auf die Feiernden. »Aber wenn ihr eine Ahnung davon habt, was alles auf uns zukommt, dann solltet ihr es besser für euch behalten, Segest. Unsere Leute werden es früh genug erfahren.«

Segestes nickte. Er bückte sich, öffnete Hludicos bislang unberührtes Bündel und zog eine halbkugelige große Schale von dunkler Farbe daraus hervor, die in der Mitte die Tiefe von gut einer Handlänge aufwies. Darin sammelte er die Gegenstände, die herumgereicht worden waren. Dann bat er Wisigarda, den Sack aufzuhalten, und leerte vorsichtig mit beiden Händen den Inhalt der runden Schale in das Leinenbehältnis. Es klirrte und klapperte, als die Schmuckstücke auf etwas Hartes fielen, das noch auf dem Boden des Sackes ruhte.

DIE ODERMÜNDUNG EINIGE ZEIT NACH DEN VORANGEGANGENEN EREIGNISSEN

»Was meinst du, Herzog, wie schnell werden wir vorankommen?« Starker Wind trieb Sand und Wassertropfen vor sich her. Südwärts ziehende Wolkenbänke verschluckten das Sonnenlicht des Spätsommermorgens. Südwärts! Viele schauten den Wolken nach.

Möwenschreie erhoben sich über allem, und Lummen und zahllose andere Seevögel wiegten sich in den Böen.

Hludico ließ den Blick über die gewaltige Wagenansammlung gleiten, die auf das Zeichen zum Aufbruch wartete. Das struppige Pferd, neben dem er stand, schien zu klein, um den massigen Körper des Kimbers tragen zu können. Einige Ratsmitglieder waren um ihn: Segestes, Herzog Cimberio und andere Edelinge, schließlich Vibilio, der jüngere Bruder mit dem Eisenschwert Mjölnir an der Seite.

»Zu langsam, ganz sicher zu langsam.« Cimberio zog eine Grimasse und wandte den Kopf. »Vergesst alles, was ihr auf euren Beutezügen erlebt habt. Selbst wenn wir so mühelos vorankommen, wie wir es uns wünschen, dann ist das vermutlich immer noch nicht schnell genug, um vor dem Winter einen guten Platz zu finden. Dabei sollten wir eher damit rechnen, dass sich uns alles in den Weg stellen wird, das uns nur einfällt. Und darüber hinaus auch noch das, woran keiner von uns bisher gedacht hat.«

Der Herzog, der ebenfalls neben seinem Pferd stand, war ein stattlicher Mann und Gebieter über eine ansehnliche Schar von Gefolgsleuten. Nicht so mächtig wie die Herzöge Teutorik oder Baiarik, die vom Auszug nichts hatten wissen wollen, nicht so angesehen wie manche Edelinge aus den Grenzgauen im Norden Kimberlands, die ihre Familien von den Göttern ableiten konnten. Unter den Wandernden aber war er ein Großer, ein Umstand, auf den Hludico fest baute. Er blies die Backen auf und ließ die Luft wieder entweichen. »Wie schnell also?«

»Lass mich überlegen ... Nun, bis zu den Rugiern ...« Cimberio blickte nachdenklich zum Himmel hinauf. »Zu Fuß in knapp drei Tagen. Mit den vielen Wagen? Zwanzig. Mindestens.«

»Das ist verdammt langsam. Ob wir wirklich die richtige Entscheidung getroffen haben, Segestes?«

Segestes nickte entschieden. »O doch, Hludico, das haben wir. Und das Thing hat genau aus diesem Grund zugestimmt.«

Das Thing, die große Zusammenkunft! Kimbern und Haruden waren tatsächlich zusammengekommen. Drei Tage hatten sie gebraucht, um eine Entscheidung zu fällen. Für Hludico drei endlose Tage zwischen Hoffnung und Enttäuschung. Die Entscheidung war nicht so einstimmig ausgefallen, wie er gehofft hatte. Von großen Zweifeln war sie getragen und von vielen Zeichen begleitet. Eine Erscheinung aber war am meisten umstritten, und daran schieden sich Geister und Menschen. Die dunklen Mächte hatten ihre – beliebig zu deutende – Meinung offenbart, das Chaos hatte eine Vorwarnung abgegeben, einen hässlichen Vorgeschmack auf das Weltenende und den möglicherweise neuen Anfang: Jormungandr, die gewaltige Midgardschlange im Meer, dort auf die Endzeit und den letzten großen Krieg zwischen Gut und Böse wartend, hatte sich in ihrem Zorn als Sturm über das Land der Kimbern gewälzt und die Küstengaue mit ihrer unbändigen Kraft heimgesucht – und doch war die Schlange nur ein Teil jener Macht, die die Herrscher der Grenzwelten im letzten Kampf gegen das Götterreich Asgard ins Feld führen würden.

›Bleibt hier‹, hieß der große Sturm für viele, die zögerten, ›sonst wird es euch schlecht ergehen.‹

›Aber die Endzeit ist noch nicht gekommen‹, sagten andere und dass dies ein Zeichen von Wodan sei: Warum sonst hätte der weise Gott der Winde solches zulassen sollen, wenn er seine Kinder nicht endlich zum Aufbruch bewegen wollte? Und hatte er nicht ein noch deutlicheres Zeichen auf den verwüsteten Stränden von Glanzheim zurückgelassen, ein Zeichen, das von Hludico, ausgerechnet von Hludico, dem von Glück und Göttern gleichermaßen Begünstigten, gefunden wurde?

Der Liebling der Götter lächelte, wann immer er daran dachte. Dieses Zeichen würde den Kimbern hilfreich sein auf ihrem Weg, das Zeichen als solches und sein wirklicher Wert. Nur die wenigsten – gerade einmal der Rat und einige andere – wussten, worum es sich bei alldem wirklich handelte.

»Und dann?«, wollte Vibilio wissen und legte die Hand auf den Griff seines Schwertes, wie er sich das schnell angewöhnt hatte. Hludico lächelte, darüber und über die Neugierde seines Bruders.

»Nach den Rugiern? Vielleicht die Greutungen. Ich weiß nicht, wo sie zurzeit siedeln. Die Späher haben sie nicht gefunden. Ich hoffe, weiter ostwärts, bei den Ulmerugiern vielleicht ...«

»Die soll Hel holen, die gotischen Schlappschwänze. Vielleicht sind sie ja wieder übers Meer, zurück auf ihre Inseln ...« Ein bärtiger Kimber aus der Runde spuckte auf den Boden.

»Dann ... der Herkynische Wald. Und danach die Boier.«

Cimberio nahm das Stichwort von Segestes auf und blickte ihn fragend an. »Sind wir genug für einen solchen Gegner? Ohne die Nordgaue und Baiarik ...«

Segestes hob die Schultern. »Sehr starker Stamm! Ich weiß es nicht, Cimberio.« Er ließ die Schultern wieder fallen, und die anderen Reiter spitzten die Ohren. »Alles, was wir über die Boier wissen, haben wir von den Rugiern. Und die haben eine mächtige Achtung vor ihnen.« Mit der Hand wischte er alle Sorgen beiseite. »Aber darüber können wir uns im nächsten Sommer Gedanken machen. Vorher werden wir ihre Sitze in keinem Fall erreichen. Wenn überhaupt.«

»Mindestens zwei.« Aber kaum einer hatte Hludicos Gemurmel gehört.

Aistulf, ein Herzog der Haruden, drängte sein Pferd nach vorn. »Rugier, Goten, der Herkynische Wald mit allen seinen Bestien und Drachen. Boier. Und dann?« Er blickte auf die Kimbern hinab. »Wie weit noch, Segestes? Und wer kommt nach den Boiern?«

»Um die Rugier müssen wir uns nicht sorgen, die lassen uns durch. Wir stellen Geiseln, sie weisen uns Wege. Die Greutungen packen wir, keine Frage, wenn sie nicht sowieso die mickrigen Schwänze einziehen. Und nach den Boiern? Andere Kelten. Aber vorher ... Vielleicht treffen wir noch auf die Sueben, die sich zwischen den Strömen wie die Seuche in alle Richtungen ausbreiten. Hermunduren wahrscheinlich. Und Lemovier. Und dann, später, wenn wir jemals so weit kommen, dann treffen wir auf die Römer.«

Schweigen breitete sich aus, als dieser Name fiel, der auch im Norden der Welt immer wieder vernommen wurde und von großer Macht kündete. Nur das Abbild eines Schattens, aber eines dunklen Schattens, der groß schien und stark, erzeugt von Gerüchten, Geschichten und Unwissenheit.

Hludico bewegten andere Überlegungen. Er dachte an den Bund, den die Herzöge der Kimbern und der Haruden während des Things geschlossen hatten. Die Waffe, die Vibilio erwürfelt hatte, hatte ihm selbst diesen Gedanken eingegeben: Über dem alten Schwert Mjölnir, einst geschmiedet, um die Haruden in einem langen Krieg in den weiten Wäldern und dunklen Mooren der Halbinsel zu bekämpfen, hatten die kimbrischen und harudischen Edelinge am Wodansberg, wo die Weltesche aufragte und die Quelle der Erkenntnis sprudelte, den alten Streit begraben. Sogar ein Versprechen hatten sie einander gegeben: gemeinsam zu kämpfen, bis eine neue Heimat gefunden war.

Oder bis zum Untergang ... Doch das war Nornengeschick, kein guter Gedanke in diesen Tagen. Die Kelten,dachte Hludico, sind bestimmt zu schlagen, und ob wir weit genug nach Süden ziehen, um auf das Römervolk zu stoßen, das an diesem Inneren Meer lebt – das wird sich erst noch zeigen. Er musste an die Monde denken, als er mit Segestes unterwegs gewesen war. Damals waren sie auf die Römer gestoßen, aber noch bevor sie die Soldaten Roms leibhaftig sahen, hatten sie von ihnen gehört, immer wieder, immer häufiger ... Jetzt werden sie von uns hören. Noch bevor sie uns sehen, werden sie von uns hören und werden uns spüren. Wenn wir erst einmal den alten Handelsweg erreicht haben ... Und unsere Brüder in der Heimat werden Sorge tragen, dass auch die Menschen des Westens nach Norden schauen. Denn viele waren in der Heimat geblieben, viele Edelinge mit ihren Gefolgsleuten, wissend, dass ein solches Unternehmen jede Rangordnung umdrehen würde und sie, die Mächtigen, nur verlieren konnten.

Hludico musterte den Haruden. Aistulf war ein Mann, mit dem auf der Wanderung zu rechnen war, machtvoll, klug, hart. Ihn mussten sie gewinnen, damit es zwischen den Stämmen keinen Streit gab.

»Was hat sie eigentlich gesagt?« Vibilio deutete auf eine alte Frau, die unten am Meeresstrand kniete. »Ihr habt doch mit ihr geredet, Hludico. Gefällt sie ihr« – er verstellte seine Stimme –, »die Gabe Wodans?« Er lachte.

Alle blickten zum Ende der Landzunge, wo die grauhaarige, barfüßige Albruna, die oberste Priesterin des Stammes, noch einmal das Wohlwollen der Götter erflehte. Eben erhob sie sich schwerfällig und ließ sich von einem Jüngling zu einem verhüllten Wagen geleiten. Das Gefährt trug das eherne Abbild der Götter und eine Vielzahl geweihter Gerätschaften. Ein großer silberner Kessel gehörte seit kurzem dazu, allgemein bekannt als die ›Gabe Wodans‹, den Hludico nach dem großen Sturm vorgeblich an den Stränden vor Glanzheim gefunden hatte. Schneeweiße Pferde zogen den Wagen Albrunas. Das waren in der Menschenwelt Midgard die Geschöpfe, die von allen am heiligsten waren und deren Wiehern große Geheimnisse barg.

»Sie wird sehen, was sie sehen muss.« Cimberio presste die Lippen aufeinander. »Und alle werden glauben, was sie sieht, wie immer.«

»Also hat sie das Zeichen als das gedeutet, was es eigentlich nicht war?«

»Willst du etwa den Sturm in Frage stellen, Schwertträger? Nein, der war eindeutig. Aber seine Gabe ... Wer will sagen, was es war oder nicht war? Volugeso sagt, es war Schicksal, und meint, unser kleines Spiel gereicht uns nicht zum Heil, alle sollten davon wissen. Euer Teutomatus hat gejammert und den Kopf geschüttelt und irgendwelche Weisheiten vor sich hingemurmelt. Ihm geht es nur um die alten Geschichten. Wenn er den Kessel in die Hände bekäme ... Wäre schade drum. Dein großer Bruder sieht nur das Ziel, nicht den Weg. Ich finde, es wäre nicht nötig gewesen, aber vielleicht hat es in gewissen Köpfen noch Zweifel ausgeräumt. Und Albruna ... Sie hält unseren Einfall für ziemlich klug. Dass nur alle glauben – das ist ihre ganze Sorge. Wenn ein Geschenk Wodans der Weg ist, um den Glauben anzufachen, nun, dann ... Nachdem wir ihr noch einen Anteil dessen versprochen hatten, was dein Bruder wirklich fand – da wurde sie wie Wachs in unseren Händen.«

Schweigen folgte den Worten des Herzogs, und die Männer starrten zu den zahllosen Wagen hinüber, die alles Land zu bedecken schienen. Hausrat, Nahrungsmittel, Schläuche mit Wasser und Beutel mit kostbarem Salz, Decken, Felle, Saatgut, Werkzeuge, Kleidung, Waffen, Futter für die Tiere, Eisenerz, Feuerstein, Hühnerkäfige, Wachs und Tauschwaren bargen sie, und irgendwo dazwischen, wenn der Platz es zuließ, hockte noch eine Hand voll kleinerer Kinder und, selten, ein grauhaariger Alter mit Wehmut im Blick. Der größte Teil der Alten und Siechen und alle Kranken waren in Kimberland geblieben – um die Heimat nicht verlassen zu müssen, um den Jüngeren nicht zur Last zu fallen, um die Vorräte zu schonen.

Außer den Alten waren es meist die erstgeborenen Söhne, die mit ihren Familien geblieben waren, Ackermänner, Bauern, Seemänner und Gefolgsleute jener Edelinge, die nicht auszogen. Die Nachgeborenen, zweite, dritte, vierte Söhne, Männer, Heranwachsende und Knaben, deren Erbteil gering bis unbedeutend sein würde, die hungrig und unternehmungslustig waren, Abenteuerseelen, Unruhestifter, Seeräubernaturen und Faulpelze folgten erwartungsfroh Hludico und dem Rat.