Die Sonne sehen, auch wenn es dunkel ist - Josef Epp - E-Book

Die Sonne sehen, auch wenn es dunkel ist E-Book

Josef Epp

4,9
11,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
  • Herausgeber: Kösel
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2009
Beschreibung

Ein Klinikseelsorger begleitet durch Krankheit und Krise

Ein Buch für Momente, in denen oft die Worte fehlen: beim Besuch im Krankenhaus, nach einer schweren Diagnose, in persönlichen Krisen ... Die kurzen, assoziativen Texte sind aus der persönlichen Begleitung Kranker entstanden. Sie geben die Gewissheit, mit dem eigenen Schicksal nicht allein zu sein, und schenken neue Hoffnung.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 97

Bewertungen
4,9 (16 Bewertungen)
14
2
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis
 
Vorwort
Durch die Krankheit gehen - die Sichtweise einer Betroffenen
Copyright
Vorwort
Menschen in Krankheit und Krise stehen oft vor einer grundlegenden Erschütterung ihres Lebens. Dies erlebe ich als Seelsorger in einem kleinen Krankenhaus Tag für Tag. Verluste und Brüche, schwerwiegende Diagnosen und Enttäuschungen stellen zuweilen alles in Frage, fordern den ganzen Menschen heraus. An Menschen in solchen und vergleichbaren Situationen wendet sich dieses Buch.
Wie kann ein Buch Begleiter für Menschen in Krankheit und Krise sein? Viel notwendiger im buchstäblichen Sinne ist doch die persönliche Begleitung, die Nähe eines Menschen, das gute Wort, die gereichte Hand! Daran soll und kann nicht gerüttelt werden. Doch die Realität ist nicht zu übersehen. Zahllose Lebensbrüche, Krisen und Erschütterungen geschehen nahezu unbemerkt, verborgen, von der Umgebung kaum wahrgenommen. Eine Hochgeschwindigkeitsgesellschaft lässt oftmals nur noch Raum für kurze Betroffenheit, ein schnelles Innehalten, und schon fordern die nächsten Aufgaben die ganze Aufmerksamkeit. »Business as usual« gestattet nur kurzzeitige Anteilnahme.
Die Situation im Krankenhaus verdeutlicht dies treffend. Der ökonomische Druck auf das Gesundheitswesen verlangt eine immer kürzer werdende Aufenthaltsdauer. Auch schwer und lebensbedrohlich erkrankte Patienten halten sich oftmals nur noch wenige Tage in einer Akutklinik auf. Zwischen erschütternder Diagnose, Zäsur, unerwarteter Nachricht und der Entlassung bleibt nur wenig Zeit. Das klärende Gespräch, das Fragen, das Sich-Einstellen auf neue Situationen kommt zu kurz. Tränen und Trauer, Hader und Aufbegehren gehen zuweilen ins Leere, weil Raum und Zeit dafür nicht ausreichend gewährt werden.
Als Klinikseelsorger sind meine Begegnungen mit betroffenen Menschen oft blitzlichtartig, in intensiven Gesprächen wird eine Welt voll Leid und Fragen offenbar. Doch eine nachhaltige Begleitung stößt immer wieder an die Grenzen eines schnelllebigen Klinikbetriebes.
Dabei ist bei aller Beschleunigung der Mensch kein anderer geworden. Ihn quälen seine Fragen, er erlebt ein Auf und Ab, er hat das Bedürfnis nach Zeiten der Stille, nach Gespräch, nach der Nähe eines Menschen und nach dem Alleinsein. Er braucht Zeit, will verstehen, sich neu orientieren. Kleine, mosaikartige Beiträge dazu will dieses Buch anbieten.
Aus der konkreten Arbeit der Klinikseelsorge erwuchsen die Texte und Betrachtungen dieses Buches. Ergänzend zum Gespräch, zur persönlichen Begegnung sollen sie die Möglichkeit schaffen, verschiedene Gedankenwege zur eigenen Situation zu gehen, den je eigenen Zugang zur entstandenen Lebenssituation zu finden. Jeder Text steht für sich, kann aus dem Ganzen herausgelöst werden. Die Leserin und der Leser bestimmen ganz alleine die Auswahl und die Reihenfolge.
Konkrete Gespräche und Situationen sind oftmals der Ausgangspunkt eines Textes geworden, Einzelschicksale spiegeln sich darin. Manche Erfahrungen, Fragen und Gedanken tauchen in ähnlicher Weise immer wieder auf, es lassen sich bei aller Einmaligkeit jedes Weges auch typische und wiederkehrende Erfahrungen entdecken. Auch sie sind in die Texte eingeflossen.
Krankheit und Krise verlaufen in jedem Fall einmalig und individuell. Dem Betroffenen dienen keine Vergleiche, eine Systematisierung seines Erlebens scheint ihm oft geradezu zynisch. Es gibt keine allgemein gültigen Verlaufsbeschreibungen und schon gar keine übertragbaren Bewältigungsrezepte.
In den einzelnen Texten spiegeln sich ganz unterschiedliche Erfahrungen, Fragen und Impulse. Die Einteilung in drei Kapitel bedeutet keine chronologische Beschreibung eines Krankheits- und Krisenprozesses, sondern fasst verwandte Gedankengänge zusammen.
Bilder, Gedichte, Fotos und Bibeltexte ermöglichen Impulse von außen und schaffen Raum für eigene Assoziationen. Die einzelnen Betrachtungen bieten Gedankengänge und Reflexionen an, sie lassen aber auch zu, eigenen Erfahrungen und Gefühlen nachzuspüren.
Die Dankbarkeit vieler Menschen für ein kleines Stück Wegbegleitung, die Offenheit für eine Begegnung, die nicht in Anspruch nehmen kann, ein Lebensproblem zu lösen, haben mich ermutigt, konzentrierte Gedanken solcher Begleitungen zu Papier zu bringen.
Vielen großartigen Menschen darf ich in der Klinikseelsorge begegnen, starken Persönlichkeiten voller Ausstrahlungskraft ebenso wie gebrochenen Frauen und Männern, die verzweifelt nach Lebensperspektiven fragen. Sie alle bringen mir immer wieder die Einmaligkeit jeder Person in ihrer unverbrüchlichen Würde nahe, ihnen allen sei dieses Buch auch gewidmet.
Der Beitrag von Frau Irmgard Pfister, die als Betroffene in offener Weise an ihrem Weg durch Krankheit und Lebenskrise teilhaben lässt, vermittelt Unmittelbarkeit und authentische Sichtweise. Die Gedanken des Ärztlichen Direktors Chefarzt Dr. Wolfgang Pflederer in den Nachgedanken spannen den Bogen von dieser unmittelbaren Betroffenheit zur Perspektive eines Arztes, der tagtäglich mit Menschen in schweren Krisen konfrontiert wird und sich in einem gesellschaftspolitisch brisanten Spannungsfeld bewegen muss. Beiden danke ich von ganzem Herzen für ihre große Bereitschaft, das Anliegen des Buches mitzutragen.
Die Not vieler Einzelner, die zuweilen stumm und ratlos machende Dichte manchen Schicksals, aber auch die oftmals nicht zu beugende Kraft der Hoffnung fordern immer wieder heraus. Das »Trotzdem« der Hoffnung, das der Apostel Paulus so eindrucksvoll bezeugt, will jeden Tag neu im Angesicht menschlicher Krisenerfahrungen Ausdruck finden. Eine Form, dieser Herausforderung nicht nur schweigend zu begegnen, ist dieses Buch - wohl wissend, dass wortloses Schweigen zuweilen eine wichtige und authentische Art der Begleitung von Menschen in ihrer Not sein kann.
 
Josef Epp
Durch die Krankheit gehen - die Sichtweise einer Betroffenen
Meine Krankheit hat mich zu einer Zeit überrascht, zu der man eigentlich gar keine Zeit dafür hat. Ich war 37 Jahre alt, verheiratet, hatte drei Kinder im Alter von 14, 12 und 9 Jahren, einen Bauernhof, die Oma im Haus und einige Ehrenämter: Ortsbäuerin, Pfarrgemeinderätin, Lektorin, Kirchenchorsängerin und Gemeinderätin.
Und dann die Diagnose. Zuerst vermuteten die Ärzte offene Tuberkulose, das bedeutete einen längeren Aufenthalt in der geschlossenen Abteilung einer Fachklinik. Ich glaube, es war meine erste Nacht, in der ich nicht geschlafen habe und weinen musste vor Sorge. Denn am nächsten Morgen wurde ich gleich in die Fachklinik Wangen eingewiesen. Am Morgen half ich noch im Stall und als unsere Kinder sich verabschiedeten und zur Schule gingen, habe ich ihnen nachgeschaut und ich weiß nicht, wer trauriger war - unsere Kinder oder ich.
Nach dreiwöchigen Untersuchungen in dieser Fachklinik stand die Diagnose fest: Farmerlunge. Mir war am Anfang noch nicht recht bewusst, was das bedeutete und was auf mich zukommen würde. Eigentlich war ich damals froh, dass es auf Farmerlunge hinauslief, denn es bedeutete, dass ich die Klinik wieder verlassen durfte, was bei offener Tuberkulose nicht der Fall gewesen wäre. Das war im März und im April ging unser jüngster Sohn zur Erstkommunion - und Kommunionmutter, was bedeutet, die Kinder in Gruppenstunden und durch gemeinsame Aktionen auf die bevorstehende Erstkommunion vorzubereiten, war ich doch auch noch dazu.
Ich weiß noch gut, wie mein Lungenfacharzt auf meine Meinung, dass ich noch mal glimpflich davongekommen sei, geantwortet hat: »Mit einem lachenden und einem weinenden Auge.« Ich wusste wirklich nicht, was das bedeuten sollte, und das war auch gut so. Also musste ich mich mit meiner Krankheit abfinden. Es war ja eine Berufskrankheit und so gab es von der Berufsgenossenschaft einen Betreuer, der mich immer wieder besuchte und mir Ratschläge gab, wie ich mich verhalten sollte. Die Prognosen waren nicht gut. Dieser Herr kannte ja solche Krankheitsverläufe und erzählte mir immer wieder, wer alles schon gestorben war oder schlecht dran sei. Ich habe mich regelrecht gefürchtet, wenn wieder ein Besuch anstand oder Post von der Berufsgenossenschaft im Briefkasten war.
Eine liebe Tante hat einmal zu mir gesagt: »Du musst deine Krankheit annehmen und mit ihr leben«. An diesen Satz habe ich sehr oft gedacht und es stimmt wirklich. Ich habe es gewusst, dass es keine Heilung gibt. Am liebsten war es mir, wenn ich meine Ruhe hatte und meine Arbeit machen konnte, denn ich wollte doch auch ganz normal sein wie die anderen. Ganz schlimm waren für mich auch die regelmäßigen Besuche beim Lungenfacharzt, mir grauste regelrecht davor. Ich wollte es nicht hören, dass mein Lungenvolumen immer kleiner wurde, gespürt habe ich es doch selbst am besten. Wie glücklich fuhr ich nach Hause, wenn der Arzt zu mir sagte, es sei gleich geblieben.
Wie dankbar war ich für ein ermutigendes Wort. Wie wichtig ist ein Arzt, der Mut macht. Ich habe so darauf gewartet, dass mal ein Arzt sagen würde: »Frau Pfister, wenn sie das alles machen, dann schaffen sie das.« Die Hoffnung ist unglaublich wichtig. Nach den Arztbesuchen habe ich meistens zwei Tage gebraucht, bis ich mich wieder beruhigt und gefangen hatte, dann hab ich mich wieder selbst aufgebaut und festgestellt, es geht ja noch, ich kann dies und das und jenes noch leisten. Es war auch so, dass mein Mann mir meine gegenwärtige Verfassung schon im ersten Moment ansah, wenn ich heimkam. Ich kaufte nämlich, wenn mein Arzt zu mir sagte, mein Zustand hätte sich nicht verschlechtert, vor Freude meistens etwas Neues zum Anziehen - so sah er schon, ob ich mit oder ohne Tüte nach Hause kam.
Meine Kraft, mit der Krankheit zurechtzukommen, holte ich zweifelsohne aus meinem Glauben. Und ich bin meinen Eltern recht dankbar für die Wurzeln, die sie gelegt haben, und das gute Beispiel, das sie mir vorgelebt haben: nicht übertrieben fromm, aber rechtschaffen, einfach und gutmütig.
Zwei große Sorgen hatte ich aber schon: zum einen die Sorge, unsere Kinder bis zum Erwachsensein begleiten zu können, und zum anderen, meine Mutter, die ja bei uns im Haus wohnte, nicht alleine lassen zu müssen. Und ich habe immer wieder gebetet, dass mir dies gelingen möge.
Meine Luft wurde immer weniger, sodass das Leben langsam beschwerlich wurde. Die Kinder waren inzwischen erwachsen. Meine Mutter durfte mit 88 Jahren friedlich einschlafen. Es waren immer öfter stationäre Aufenthalte im Krankenhaus notwendig und die Sauerstoffversorgung unumgänglich. Es war eine harte Zeit, in der ich versuchte, diese Verschlechterung zu verkraften. Hinzu kam noch, dass es jetzt so weit war, dass nur noch eine Transplantation meine letzte Chance zum Weiterleben bedeutete. Ich wollte es nicht hören und wahrhaben. Weil ich niemanden kannte, der ein ähnliches Krankheitsbild hatte oder erfolgreich transplantiert war, zweifelte ich daran, überhaupt eine Chance zu haben, und mir graute davor, dies alles durchzustehen. Ich dachte immer: Ich nicht, ich will diese Entscheidung jetzt noch nicht treffen müssen. Und ich musste an meine verstorbene Mutter denken. Wie oft habe ich zu ihr gesagt, wenn sie in den letzten Jahren jammerte und sagte, sie könne dieses und jenes nicht mehr bewerkstelligen: »Freue dich an dem, was du noch kannst.« So musste ich mich jetzt an meiner eigenen Nase packen und mich wirklich an dem freuen, was ich noch konnte. Ich war noch da. Es war schon sehr schwer, von nun an mit einem Schlauch in der Nase und Sauerstoffgerät im Rucksack aufzutreten. Aber das größte Problem hat man mit sich selbst. Man schämt sich fast. Den anderen tut es lediglich leid. Kraft fand ich immer wieder im Gebet und wenn ich abends allein war und zu grübeln beginnen wollte, habe ich einfach gebetet, das beruhigt sehr. Sehr viel geholfen haben mir meine Familie und meine Freunde und Bekannte, die mir immer Halt gegeben haben.
Es fiel mir furchtbar schwer, immer weniger tun zu können, und ich war oft sehr traurig, wenn ich die anderen arbeiten oder vorbeifahren sah, zum Beispiel mit dem Traktor. Ich konnte nicht mehr. Auch wollte ich meine Familie nicht immer mit meinen Sorgen belasten, aber mit wem sollte
Copyright © Kösel-Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Umschlag: Kaselow Design, München Umschlagmotiv: mauritius images/ Pacific Stock
eISBN : 978-3-641-03334-7
 
Gedruckt auf umweltfreundlich hergestelltem Werkdruckpapier (säurefrei und chlorfrei gebleicht)
 
www.koesel.de
 
Leseprobe
 

www.randomhouse.de