Die Sprache der Giraffen - Karoline Bitschnau - E-Book

Die Sprache der Giraffen E-Book

Karoline Bitschnau

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Beschreibung

Es gibt viel theoretisches Wissen über Kommunikation. Aber wie kann dieses Wissen in eine breite Praxis integriert und umgesetzt werden? Trotz aller Modelle und Theorien lässt sich eine stetige Zunahme an Gewalt und damit Nicht-Verständigung verzeichnen. Auf der Suche nach einem Modell, das gleichsam praxistauglich ist, lernte die Autorin die Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall Rosenberg kennen. Im vorliegenden Buch, einer überarbeiteten Fassung ihrer Dissertation, erörtert Karoline Bitschnau u.a., wie die Gewaltfreie Kommunikation die Reflexions- und Konfliktfähigkeit erweitern kann und inwieweit eigene Entwicklungsprozesse bewusst gestaltet werden können. Sie beschäftigt sich mit den gesundheitsfördernden Effekten emotionaler und sozialer Kompetenz und damit, wie Menschen zu einer erweiterten Handlungsfähigkeit gelangen und ihr Leben so immer bewusster gestalten können. Dieses Buch bietet u.a. grundlegende Einblicke in jene bewährten Konzepte und Modelle, die die Basis für eine Gewaltfreie Kommunikation darstellen sowie spezifisches Wissen darüber, wie soziale Kompetenzen erweitert und gefördert werden können.

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Karoline Ida Bitschnau

Die Sprache der Giraffen

Zur Qualität zwischenmenschlicher Beziehungen

Wie die GFK Ihr Leben verändern kann

Über dieses Buch

Es gibt viel theoretisches Wissen über Kommunikation. Aber wie kann dieses Wissen in eine breite Praxis integriert und umgesetzt werden? Trotz aller Modelle und Theorien lässt sich eine stetige Zunahme an Gewalt und damit Nichtverständigung verzeichnen. Auf der Suche nach einem Modell, das gleichsam praxistauglich ist, lernte die Autorin die Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall Rosenberg kennen. Im vorliegenden Buch, einer überarbeiteten Fassung ihrer Dissertation, erörtert Karoline Bitschnau u. a., wie die Gewaltfreie Kommunikation die Reflexions- und Konfliktfähigkeit erweitern kann und inwieweit eigene Entwicklungsprozesse bewusst gestaltet werden können. Sie beschäftigt sich mit den gesundheitsfördernden Effekten emotionaler und sozialer Kompetenz und damit, wie Menschen zu einer erweiterten Handlungsfähigkeit gelangen und ihr Leben so immer bewusster gestalten können.

Dieses Buch bietet u. a. grundlegende Einblicke in jene bewährten Konzepte und Modelle, die die Basis für eine Gewaltfreie Kommunikation darstellen, sowie spezifisches Wissen darüber, wie soziale Kompetenzen erweitert und gefördert werden können.

Dr. phil. Karoline Ida Bitschnau ist Erziehungswissenschaftlerin, Lebens- und Sozialberaterin, Lehrbeauftragte verschiedener Universitäten, Trainerin für Kommunikation, Rhetorik und Konfliktmanagement. Weitere Arbeitsschwerpunkte: Coaching, psychosoziale Gesundheit und soziale Kompetenz. Sie lebt in Innsbruck. Internet: http://www.akademie-bitschnau.at

Copyright: © Junfermannsche Verlagsbuchhandlung, Paderborn 2008

Covergestaltung/Reihenentwurf: Christian Tschepp

Coverfoto: © Vitaliy Pakhnyushchyy FOTOLIA.com

Satz & Digitalisierung: JUNFERMANN Druck & Service, Paderborn

Alle Rechte vorbehalten.

Erscheinungsdatum dieser eBook-Ausgabe: 2015

ISBN der Printausgabe: 978-3-87387-707-8

ISBN dieses E-Books: 978-3-87387-995-9 (EPUB), 978-3-95571-324-9 (PDF), 978-3-95571-323-2 (MOBI).

Meinen Eltern, Sieglinde und Kurt Dellamaria, und meinen Kindern,

Daniela und Alexander Bitschnau.

„Die Gedanken und Gefühle eines anderen völlig zu verstehen, einschließlich der Bedeutungen, die sie für ihn besitzen, und von diesem Menschen wiederum vollkommen verstanden zu werden: das ist eines der lohnendsten und allzu seltenen menschlichen Erlebnisse.“

– Carl Rogers

Einleitende Gedanken

„Alles wirkliche Leben ist Begegnung.“– Martin Buber

So ist dieses Buch entstanden aus einem Netz von Beziehungen und Begegnungen, die geprägt und getragen werden von der einfühlenden Verbindung im Sprechen und Zuhören.

Mit wachsender Wahrnehmung der Gedanken, Gefühle und Bedürfnisse anderer zeigt uns die Einfühlung, wie wir aus ganzem Herzen ein erfülltes Leben führen können.

Sie wirkt nicht auf plötzliche, spektakuläre Weise, sondern langsam wie das Licht, das hinter den Bergen aufscheint und anfängt, Wärme und Helligkeit zu verbreiten. Sie lässt in uns das Bewusstsein wachsen, dass unser Überleben von der Fähigkeit abhängt, einander achtsam und einfühlend zu begegnen. Sie ist unsere gemeinsame Sprache, denn sie gibt den tiefsten Bedürfnissen eine Stimme und knüpft die unsichtbaren Fäden, die uns zusammenhalten und von Mensch zu Mensch, von der Nachbarschaft zum Dorf, von der Gesellschaft zum Land, von der Nation zum Planeten reichen. Gleichzeitig ist sie durchdrungen vom Mitgefühl als der treibenden und grundlegenden Kraft.

Isolde Teschner

Vorwort

Das Wissen um die menschliche Existenz wächst beständig an, und zwar auf allen Ebenen, der psychologischen, biologischen und soziologischen. Auch theoretisches Wissen zum Thema Kommunikation ist genügend vorhanden. Aber es geht um die Frage, wie dieses Wissen in eine breite Praxis integriert und umgesetzt werden kann. Denn trotz aller Modelle und Theorien sind die aktuellen Zahlen von Scheidungen/Trennungen, Konflikten im Arbeitsbereich, Gewalt an Kindern, Gewalt in Schulen und verschiedenen anderen gesellschaftlichen Bereichen beängstigend1. Im wirtschaftlichen Bereich steigt die Zahl psychischer Erkrankungen und Burn-out-Betroffener (DAK Gesundheitsreport 2005; BARMER Gesundheitsreport 2007). Als wichtiger Grund wird ein Wandel in der Arbeitswelt – der Wandel zur Dienstleistungsgesellschaft – und damit eine Zunahme von Arbeitsbelastungen im Zusammenhang mit sozialen Beziehungen gesehen. Wesentlicher belastender Faktor ist dort die Art der zwischenmenschlichen Verständigung. Rothe (2006, S. 1) weist darauf hin, dass das Scheitern der Kommunikation in Partnerschaft, Familie und Beruf, unbewältigte Trennungen oder Sprachlosigkeit uns im Innersten bewegen und dann scheinbar zwangsläufig zur psychischen wie physischen Vernichtung des anderen führen. Und dies betrifft nicht nur den individuellen zwischenmenschlichen Bereich, sondern es gilt auch für die Kommunikation im Großen:

„Was bereits im Kleinen tödlich enden kann, geschieht auch im Großen. Wenn zwischenstaatliche Kommunikation scheitert, scheint der Krieg, also die Vernichtung des anderen Stammes, der anderen Volksgruppe oder Nation, eine unvermeidliche Folge zu sein“ (Rothe 2006, S. 1).

Rothe sieht die enorme Palette verschiedener Interventionsangebote, sei es Ratgeberliteratur, sei es das Aufgebot an Expertinnen und Experten auf den Gebieten der Psychotherapie, Supervision, Mediation, in Erziehungsberatung und Kommunikationstraining, als deutlichen Hinweis „auf das Ausmaß des Leidens an misslungener Kommunikation“ (ebd. S. 2). Auf meiner Suche nach einem Modell für die Praxis, das gleicherweise Ratsuchende wie professionelle Trainerinnen und Trainer unterstützen kann, erwies sich Rosenbergs Modell der Gewaltfreien Kommunikation als besonders wirksam. Ich setze mich seit fünf Jahren theoretisch und praktisch eingehend mit diesem Kommunikationsmodell und seinen Bedingungen auseinander. Die Ergebnisse lege ich in dieser Arbeit vor.

1. Einleitung

Pädagogische Wissenschaft fragt danach, wie Menschen einer bestimmten Gesellschaft und Kultur werden, was sie geworden sind. Eine weitere Frage ist, wie Individuen sich und ihre Umstände verändern können und was sie lernen müssen, um einem Ideal des Menschseins näher zu kommen.

Es geht in dieser Arbeit um die Möglichkeit von Veränderungen speziell im Bereich der sozialen Kompetenz als möglicher pädagogischer Schlüsselkompetenz. Dazu gehört die Fähigkeit, konstruktiv mit Konflikten umzugehen und tragende, sich gegenseitig stärkende soziale Beziehungen zu gestalten. Dies wird gerade im Hinblick auf einen von Zukunftsforschern prognostizierten Innovationsschub wichtig, der nach Opaschowski (2002) im Wesentlichen davon abhängt, dass künftig die gesellschaftlich weichen Faktoren mehr und besser genutzt werden. Darunter werden die Kompetenzen im Umgang mit Menschen verstanden, Kreativität, Motivation, Verantwortungsgefühl und vor allem die Bereitschaft, sich für eine Sache einzusetzen. Im Zentrum stehen für die Zukunftsforscher ein gesellschaftlicher Bedarf an ganzheitlicher Gesundheit (körperliche, seelische, ökologische und soziale Gesundheit), an Beziehungskompetenz sowie die Suche nach Sinn. Denn die gesellschaftliche Zukunft hängt zum Teil auch davon ab, wie eine Balance zwischen Wohlstand und Wohlbefinden gefunden werden kann. Menschen wünschen sich mehr soziale Geborgenheit, und soziale Kompetenzen werden immer wichtiger (vgl. dazu Nefiodow 1999; Opaschowski 2002, 2006; Opaschowski/Zellmann 2005).

Mit der Frage, wie das möglich sei, befassen sich unterschiedlichste Modelle. So auch das der Gewaltfreien Kommunikation. Marshall Rosenberg geht der Frage nach, wie man Gewalt vermeiden kann, wie Menschen friedfertiger werden und ein sinnerfülltes Leben führen können. Es soll daher untersucht werden, inwiefern ein Kommunikations- und Konfliktlösungsmodell wie die Gewaltfreie Kommunikation obige Aspekte berücksichtigt und geeignet ist, soziale Kompetenzen und eine salutogene Orientierung im Sinne Antonovskys (1997) zu fördern. Rosenberg geht es weniger um die Wissenschaft, ihm geht es um eine Praxis, wie das Ideal von „humanem Leben“ in alltäglichen Situationen gelebt werden kann, wie es Jantzen (1992, S. 12) auch in der Behindertenpädagogik fordert. Rosenberg weist immer wieder darauf hin, dass die Gewaltfreie Kommunikation letztlich als Werkzeug dient, um menschliche Begegnung möglich zu machen und gleichzeitig gesellschaftliche Strukturen zu verändern. In diesem Sinne ist sein wichtigster Begriff „Social Change“, und er begreift Gewaltfreie Kommunikation (auch) als politisches Handeln.

„Ich begreife es einerseits als unsere Aufgabe, uns selbst und unser persönliches Umfeld von der Gewalt in unserer Sprache und in unserem Denken zu befreien. Und andererseits ist es unsere Aufgabe, die Machtstrukturen zu verändern, die uns überhaupt erst so konditioniert haben und die immerfort das Unglück produzieren, das wir bekämpfen“ (Rosenberg 2004c, S. 133).

Meine Frage ist nun, wie Rosenberg Gewalt definiert, wie unser Denken und unsere Sprache von dieser Gewalt befreit werden könnten, wie nach ihm gesellschaftliche Machtstrukturen verändert werden könnten und inwieweit es einen Zusammenhang zwischen individueller und gesellschaftlicher Veränderung gibt. Das sind natürlich keine neuen Fragen. Schon feministische Forscherinnen, deren Ziel ebenfalls eine Veränderung gesellschaftlicher Machtstrukturen war, wiesen auf den engen Zusammenhang von Selbstveränderung und Gesellschaftsveränderung hin. Auch ihnen geht es um Selbstbefreiung durch Selbstveränderung und dadurch Veränderung bestehender Strukturen. Grundannahme ist, dass die herrschende Kultur und Ideologie durch uns selbst reproduziert wird und Sprache nicht nur ein Werkzeug darstellt, sondern politisch wirkt, dass wir mit Sprache arbeiten und Sprache mit uns arbeitet. In diesem Sinne gelte es, die persönliche Sprache und damit sich selbst zu verändern.

Besonders bei der Methode der Kollektiven Erinnerungsarbeit nach Frigga Haug und Kornelia Hauser (1986, 1988, 1991) wird auf die enge Verbindung von Selbstveränderung und Gesellschaftsveränderung hingewiesen: „Wenn wir etwas verändern wollen, wenn Frauenbewegung etwas verändern und erreichen will, werden wir feststellen, dass unsere alten Persönlichkeitsstrukturen der Veränderung im Wege stehen“ (Haug 1990, S. 17). Auch bei Peter Senge (1998, S. 171) finden wir ähnliche Ideen: „Organisationen lernen nur, wenn die einzelnen Menschen etwas lernen. Das individuelle Lernen ist keine Garantie dafür, dass die Organisation etwas lernt, aber ohne individuelles Lernen gibt es keine lernende Organisation.“ Diese beiden Positionen kommen zwar aus gänzlich unterschiedlichen theoretischen Richtungen, doch ihr gemeinsames Moment ist für mich die Vision, individuelle und gesellschaftliche Veränderung gemeinsam zu ermöglichen. Dazu führe ich zwei Aussagen von Marx an, die meines Erachtens immer noch Gültigkeit haben: „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern“ (MEW Bd. 40, S. 5 f.). Die zweite Aussage greift die immer noch wichtige Frage der Selbsterziehung auf: „Die materialistische Lehre von der Veränderung der Umstände und der Erziehung vergisst, dass die Umstände von den Menschen verändert und der Erzieher selbst erzogen werden muss“ (MEW Bd. 3, S. 5 f.).

Mich interessiert nun, inwieweit es durch die intensive Beschäftigung mit dem Modell der Gewaltfreien Kommunikation zu dieser geforderten Selbsterziehung bzw. Selbstveränderung kommt. Das Modell der Gewaltfreien Kommunikation besteht aus vier scheinbar einfachen Schritten, gleichzeitig ergeben sich bei der Auseinandersetzung mit diesem Modell auf verschiedenen Ebenen Schwierigkeiten. Zum einen gibt es Aussagen von Befragten, die darauf hinweisen, dass die Gewaltfreie Kommunikation in der Praxis nicht umsetzbar sei, zum anderen weisen Befragte darauf hin, dass sich ihr gesamtes Leben und ihre Beziehungen durch die Beschäftigung mit der Gewaltfreien Kommunikation geändert haben. Ich wollte wissen, was das Besondere an diesem Modell ist, was Menschen dazu bewegt, sich intensiv mit Kommunikation zu befassen und täglich ihr eigenes Sprachverhalten zu reflektieren, und was letztlich die verändernden Faktoren sind. Eine weitere Frage ist, inwiefern sich der sprachliche Habitus der Akteurinnen und Akteure (Bourdieu 1990) verändert, welche Kompetenzen sich zeigen, erweitert oder neu erworben werden und in welcher Form dies zu einer Veränderung gesellschaftlicher Realität führen könnte.

Deshalb lege ich den Fokus dieser Arbeit auf drei Bereiche: Zum einen auf den individuellen Bereich (Selbstveränderung), wo mögliche intrapersonale Veränderungen und eine Erweiterung der Handlungsfähigkeit (Holzkamp 1983) im Zentrum stehen. Zum anderen auf den sozialen Bereich, wo es um interpersonale Veränderungen und um Veränderungen in Beziehungsstrukturen geht.

Ich verfolge hier das Ziel, Veränderungsaspekte und jeweilige Kompetenzerweiterungen, die sich durch einen kontinuierlichen Prozess in der Auseinandersetzung mit der Gewaltfreien Kommunikation ergeben, zu eruieren und sichtbar zu machen. Der dritte ist der gesellschaftliche Bereich, da Rosenberg (2004a, S. 7 ff.) immer wieder auf die Wichtigkeit von persönlicher Veränderung bei gleichzeitiger Reflexion gesellschaftlicher Dominanzstrukturen hinweist. Auch Jantzen kritisiert ein Denken, das sich von Gesellschaft ab- und dem einzelnen Menschen zuwendet und damit gerade jene Verhältnisse stabilisiere, die es im pädagogischen Raum aufzuheben gilt. Als Beispiel führt er an:

„Unter Bedingungen des Sozialabbaus schützt die beste pädagogische Arbeit nicht davor, dass die Pflegesätze einer Einrichtung für Behinderte heruntergesetzt werden; ein Einschnitt in den Arbeitsmöglichkeiten, der jedoch u. U. durch gewerkschaftliche Arbeit, Mobilisierung der Nachbarschaft usw. verhindert werden kann und dann natürlich umso mehr, je besser und bewusster auch die pädagogische Arbeit ist“ (Jantzen 1992, S. 16).

Was Jantzen hier für den Bereich der Behindertenpädagogik formuliert, gilt selbstverständlich auch für andere Beispiele, wie finanzielle Kürzungen im Bereich der Frauenarbeit (Schließung von Frauenhäusern, weniger finanzielle Unterstützung bei Frauenprojekten und Beratungsstellen für Frauen usw.), in Bereichen der Suchtarbeit, in der Arbeit mit Migrantinnen und Migranten, in allen Bereichen, in denen mit sogenannten Randgruppen gearbeitet wird. Mit Hilfe der Gewaltfreien Kommunikation soll es nach Rosenberg möglich sein, vermehrt Einfluss auf gesellschaftliche Belange zu nehmen, Menschen mit Entscheidungsbefugnis zu erreichen und so zu einer Vision eines sozialen Wandels – im Sinne eines solidarischen Miteinanders – zu gelangen. Deshalb gehe ich auch der Frage nach, inwieweit durch den Prozess der Gewaltfreien Kommunikation tatsächlich Veränderungen auf dieser gesellschaftlichen Ebene initiiert und sichtbar werden.

Einführend lege ich meine wissenschaftstheoretische Position und das konkrete forschungsmethodische Vorgehen dar und führe verschiedene theoretische Positionen an, die wesentlich zum Verständnis dieser Arbeit beitragen. Im zweiten Teil geht es in Bezug auf das Habituskonzept von Bourdieu (1990) um Sprache als symbolische Macht und den Begriff der Kompetenz. Danach wird das Modell der Gewaltfreien Kommunikation nach Rosenberg (2003, 2004, 2005, 2006) vorgestellt. Zwar verweist Rosenberg in seinen Büchern und Seminaren immer wieder auf Studien und weiterführende wissenschaftliche Literatur, aber er liefert keine kohärente theoretische Grundlage. Deshalb ist es auch Ziel dieser Arbeit, die einzelnen Schritte des Modells zu erläutern und entsprechende theoretische Grundlagen zu erarbeiten. Wesentlicher Kernpunkt ist die Herausarbeitung und Sichtbarmachung der verschiedenen Kompetenzen, die sich durch die intensive Beschäftigung mit den jeweils einzelnen Schritten im Prozess der Gewaltfreien Kommunikation ergeben. Im anschließenden empirischen Teil werden nach Darstellung des Forschungs- und Erhebungsdesigns ausgewählte Aspekte der qualitativen und quantitativen Untersuchung und deren Ergebnisse diskutiert. Wichtig sind dort die Veränderungsmomente auf den verschiedenen Ebenen und der Zusammenhang von Gewaltfreier Kommunikation und salutogener Orientierung (Antonovsky 1987). Im letzten Teil fasse ich die analysierten Teilkompetenzen zusammen und entwickle auf der Basis einer bedürfnis- und wertorientierten Kommunikation ein Modell relationaler und sozialer Kompetenz.

2. Wissenschaftstheoretische Positionierung und Forschungsdesign

2.1 Quantitatives und qualitatives Paradigma

Um auf verschiedenen Ebenen Ergebnisse zu erzielen, bediene ich mich sowohl des qualitativen als auch des quantitativen Paradigmas. Die wichtigsten Aspekte sollen im Folgenden dargestellt werden.

Qualitative Forschung hat sich in den letzten Jahren sowohl in den Sozialwissenschaften als auch in der Psychologie etabliert und wird durch die weitergehende Pluralisierung der Lebenswelten für die Untersuchung sozialer Zusammenhänge immer aktueller und wichtiger, da die klassischen deduktiven Methodologien an der Differenziertheit der Gegenstände vorbeizielen würden (vgl. Flick 2002, S. 12).

Zu Beginn der historischen Entwicklung der qualitativen Forschung wurden die Diskussionen im Sinne „entweder oder“ geführt und „eine Schwarz-Weiß-Position aufgebaut, in der qualitative und quantitative Forschung durch pauschale Gegensatzpaare wie flexibel – fixiert, konkret – abstrakt, subjektiv – objektiv gekennzeichnet“ war (König/Zedler 2002, S. 155). Danach verlagerte sich die Diskussion von der wissenschaftstheoretischen mehr auf die forschungspraktische Ebene und es wurde seit den 80er Jahren eine Vielzahl verschiedener Methoden für die Erhebung und Auswertung von Daten entwickelt, die der qualitativen Forschung zur Verfügung stehen. Es geht eben nicht darum, beide Vorgehensweisen – qualitativ versus quantitativ – gegenüberzustellen, da vor allem auch Gemeinsamkeiten bestehen. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass sich qualitative und quantitative Methoden ausschließlich hinsichtlich ihres Abstraktionsgrades und der daraus resultierenden Erfordernisse unterscheiden. Es geht somit darum, in Bezug auf das jeweilige Erkenntnisinteresse, den jeweils angestrebten Abstraktionsgrad, den jeweiligen Gegenstandsbereich und je nach Fragestellung und Forschungstradition ein adäquates Methodenspektrum zu wählen.

Mir ist es aufgrund der spezifischen Fragestellung dieser Arbeit ein Anliegen, beide Forschungsansätze zu integrieren, um auf verschiedenen Abstraktionsgraden Ergebnisse zu erhalten und diese mittels unterschiedlicher Methoden abzusichern. Voraussetzung für die Integration beider Ansätze ist eine klare Vorstellung über die jeweilige Fragestellung bei gleichzeitiger Offenheit „für neue und im besten Fall überraschende Erkenntnisse“ (Flick 2002, S. 77). Als weitere Voraussetzung sehe ich eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit den Gütekriterien quantitativer und qualitativer Forschung. Mayring formulierte sechs allgemeine Gütekriterien qualitativer Forschung: Verfahrensdokumentation, Argumentative Interpretationsabsicherung, Regelgeleitetheit, Nähe zum Gegenstand, Kommunikative Validierung und Triangulation (vgl. Mayring 1996, S. 119–122). Ich orientiere mich bezüglich Gütekriterien auch an Ines Steinke, die verschiedene Grundpositionen zur Bewertung qualitativer Forschung zusammenfasst und einige zentrale, breit angelegte Kernkriterien qualitativer Forschung diskutiert (vgl. dazu Steinke 2004, S. 319–331).

Intersubjektive Nachvollziehbarkeit

Qualitative Forschung kann nicht den Anspruch auf intersubjektive Überprüfbarkeit erheben, da eine identische Replikation von Untersuchungen schon aufgrund der begrenzten Standardisierbarkeit des Vorgehens nicht möglich ist. Deshalb gilt hier als Qualitätskriterium die intersubjektive Nachvollziehbarkeit des Forschungsprozesses (vgl. Steinke 2004, S. 324 ff.). Um diesem Kriterium zu entsprechen, habe ich seit Beginn dieser Forschung den Forschungsverlauf mittels Forschungstagebuch (Fischer 2003, S. 693–703) und wissenschaftlichem Journal (Werder 1993, S. 139–182) dokumentiert, um Erfahrungen, Beobachtungen, Ideen, Irritationen, und Fragen als Erinnerungshilfe festzuhalten und sie reflektierend und strukturierend bearbeiten zu können.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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