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Ein Leben mit fremdartigen, außergalaktischen Wesen hier auf der Erde, in unbekannten Weiten, auf anderen Planeten oder in fernen Sonnensystemen einer unbestimmten Zukunft; wer sagt uns, dass das nicht möglich ist?
Frank Neugebauer erzählt in seinen erstmals in dieser Form zusammengefassten phantastischen Erzählungen und Novellen unter anderem, wie man sich plötzlich in einer anderen Realität wiederfindet, als habe man einen anderen Raum betreten, als würde man im nächsten Augenblick die Welt um einen herum aus einem anderen Körper heraus betrachten; wie es den Menschen endlich gelingt, in die Vergangenheit zu Reisen, und dort Dinge erleben, die außerhalb ihrer Vorstellungskraft liegen … wie die Menschheit eine Möglichkeit gefunden hat, in Kühlkammern ihre Körper so zu konservieren, dass sie erfolgreich in den galaktischen Weiten nach bewohnbaren Planeten suchen können, diese nach einer geraumen Zeit auch finden und dort eine böse Überraschung nach der anderen erleben, wie sie sich das niemals, nicht einmal in ihren kühnsten Träumen, vorstellen konnten …
Lasse Sie sich in DIE STERNE ÜBER DER ERDE entführen, einer phantastischen Welt, in der Science-Fiction zur Wirklichkeit wird.
Dieser Band enthält folgende Geschichten:
› Keile
› Malheur
› Das alte Idol
› Asurmar – Die Rückwand des Atomkriegs
› Ephemär
› Posaune-Fünf
› Sie kamen aus Phasis
› Delegation
› Expedition ins Fieber
› Gratulation zum letzten Hochatmosphärenflug
› Das Transsolare Evangelium
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Frank Neugebauer
Die Sterne über der Erde
Science-Fiction
Erzählungen und Novellen
Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv
Cover: © by Vladimir Maneyukhin mit Bärenklau Exklusiv, 2023
Korrektorat: Bärenklau Exklusiv
Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang
Die Handlungen dieser Geschichte ist frei erfunden sowie die Namen der Protagonisten und Firmen. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig und nicht gewollt.
Alle Rechte vorbehalten
Inhaltsverzeichnis
Impressum
Das Buch
Die Sterne über der Erde
Keile
Malheur
Das alte Idol
Asurmar – Die Rückwand des Atomkriegs
Ephemär
Posaune-Fünf
Sie kamen aus Phasis
Delegation
Expedition ins Fieber
1
2
3
4
5
Gratulation zum letzten Hochatmosphärenflug
Das Transsolare Evangelium
Von Frank Neugebauer ist weiterhin erhältlich, oder befindet sich in Vorbereitung.
Ein Leben mit fremdartigen, außergalaktischen Wesen hier auf der Erde, in unbekannten Weiten, auf anderen Planeten oder in fernen Sonnensystemen einer unbestimmten Zukunft; wer sagt uns, dass das nicht möglich ist?
Frank Neugebauer erzählt in seinen erstmals in dieser Form zusammengefassten phantastischen Erzählungen und Novellen unter anderem, wie man sich plötzlich in einer anderen Realität wiederfindet, als habe man einen anderen Raum betreten, als würde man im nächsten Augenblick die Welt um einen herum aus einem anderen Körper heraus betrachten; wie es den Menschen endlich gelingt, in die Vergangenheit zu Reisen, und dort Dinge erleben, die außerhalb ihrer Vorstellungskraft liegen … wie die Menschheit eine Möglichkeit gefunden hat, in Kühlkammern ihre Körper so zu konservieren, dass sie erfolgreich in den galaktischen Weiten nach bewohnbaren Planeten suchen können, diese nach einer geraumen Zeit auch finden und dort eine böse Überraschung nach der anderen erleben, wie sie sich das niemals, nicht einmal in ihren kühnsten Träumen, vorstellen konnten …
Lasse Sie sich in DIE STERNE ÜBER DER ERDE entführen, einer phantastischen Welt, in der Science-Fiction zur Wirklichkeit wird.
Dieser Band enthält folgende Geschichten:
Keile
Malheur
Das alte Idol
Asurmar – Die Rückwand des Atomkriegs
Ephemär
Posaune-Fünf
Sie kamen aus Phasis
Delegation
Expedition ins Fieber
Gratulation zum letzten Hochatmosphärenflug
Das Transsolare Evangelium
***
Erzählungen und Novellen
Der Schrank blieb auch ohne Keil gerade stehen. Kochholtz hatte die Seiten mit den Augen vermessen, die Blechtür geöffnet und in den Winkel zwischen Boden und Wand einen steifen Block gestellt. Dazwischen passte weniger als ein Blatt, der rechte Winkel herrschte in jeder Ecke des Blechschranks
Der Keil, einer von vielen auf der Planetenstation EXKURS-1: an seinem flachen Ende franste er seltsam unregelmäßig aus; unter schwärzlichem Horn, das seine Oberfläche ausmachte, lugten Fasern heraus, die ins Kupfrige hinüberspielten; das Hornmaterial plusterte sich pustelig auf; der ganze Keil, der in der Länge einem kurzen Unterarm entsprach, war mäßig biegsam. In einem Moment glaubte man sich einem abgefahrenen Stück Autopneu gegenüber, das ein lauter Knall aus dem Gürtelreifen gesprengt hatte – im nächsten Augenblick wähnte man einen groben, angewitterten, schwarzschimmelvollen Riesenspan unter der Hand, den ein Spalthammer nach vollem Schwungviertelkreis aus einem Essigbaum gehackt hatte. Die Wahrheit lag nicht zwischen diesen irdischen Extremen, sondern anderswo auf 650-Pietnam.
Der Geograph kniete neben dem breiten Spind; sein Laborkasack vor dem Bauch in Knitter; -inmitten vom Stoffwulst, in der tiefen Kasacktasche, spreizte sich der Holzkeil. Seine Kante drückte gegen Kochholtz, eine Spitze spiekte in den Oberschenkel. Der Gegenstand strebte wie von selbst seiner Bestimmung entgegen, seinem Gebrauch als Stütze, seinem Gebrauchswert, der sich auf vier Zentimeter bemaß, der Höhe, um die er einen Schrank oder etwas anderes hochhieven und verankern konnte. Kochholtz zog die sperrige Latte aus dem Stoffmantel, legte die schräge Bahn unter den Schrank – das Blech wippte kurz aus, an dem Schreibblock zeigte sich jetzt eine kleine Flucht, eine deutliche Schieflage. Und doch hatte der Keil untergesteckt, als Kochholtz und die anderen Leute von der KONTINUUM-Expedition anfingen, EXKURS-1 zu reaktivieren.
Wild blickte er plötzlich das Fensterkreuz an. Nichts wäre ihm peinlicher gewesen, als von einem anderen Forscher dabei beobachtet zu werden, wie er über den Boden rutschte und abseitige Experimente anstellte. Doch die Krassheit der Unwissenschaftlichkeit, mit der er die Versuche ausführte, stand mit der Vagheit und Nichtspezifikation der Problemstellung in Einklang, die ihm die Keile aufgaben.
Kochholtz zog seinen Kasack aus. Das Stück war unbequem geworden, desto mehr Keile er in die Taschen getan hatte. Sein Gedächtnis verwaltete die Funde. Linke Hüfttasche: der Keil unterm Blechschrank, rechte Hüfte: der Keil zwischen Wand und Einhängetisch, Brusttasche: der Keil auf dem Lattenrost, Innentasche: der Keil über dem Türblatt – er war ihm entgegengefallen, als er in Schädlichs Raum hineinging. Was suchten vier Keile in einem karg eingerichteten Zimmer, einer Studierklause, deren Teile vorgefertigt waren und vom rechten Maße nicht nennenswert abwichen? Vier Keile, die die Möbel aus dem Lot brachten?
Der Mann legte den Kasack über den Karton mit den Steinproben und verdeckte diese Arbeit halb. Fünf graue Stücke, die er unter dem Vormittag aus einem erratischen Block im Elta-Feld gebrochen hatte, drei Säckchen Boden aus den A- und B-Horizonten zusammengekauert daneben; der Unterschied zwischen kaltem Morgen draußen, dort, wo die Erde 650-Pietnams gewesen war, und Laborwärme hier, wo Erde Fundsache wurde, zeitigte einen Beschlag feiner Tröpfchen auf der Innenseite der Plastikbeutel.
Es war dies, woran sich sein Interesse hätte entzünden sollen, die Bodenanalyse, worauf Kochholtz seinen Eifer hätte verwenden müssen. Doch die Keile muteten ihn seltsam an, auf dieses Einrichtungsextra seines Vorgängers Schädlich von der DISKRETA-Expedition konnte er sich keinen Reim machen.
Kochholtz tupfte sich Schweiß von der Stirn, blickte den keilvollen Kasack, den er dazu benutzt hatte, giftig an. Sie heizten ihm wieder kräftig ein. Er umgriff das Zuleitungsrohr, prüfte die Temperatur. Dann warf er den Fensterschließer herum und beugte sich hinaus, die Augen gierten den Kordon der Hütten entlang. Kahlendahl schaufelte hinten, wo der Halbbogen gegen blaue Büsche ausschwang, Holzschnitze in den Alphatank. Der Häcksler lief leer und röhrte. Kochholtz stieß in den Lärm und rief Kahlendahl an. Die Frau winkte mit der überbreiten Schaufel zurück – zum Zeichen, dass sie ihre Arbeit nach eigenem Plan und unveränderlicher Vorstellung zu Ende führen werde.
Kochholtz zog den Anorak über, die Kabinentür schlug hart gegen die Wand. Dort, wo die Heizungsrohre der einzelnen Unterkünfte zusammenliefen, war der Schnee geschmolzen, und silbrige Lachen teilten dem dunklen Boden ein Mosaik mit. Die Rohre waren auf Stelzen gebunden, an der Aufliegestelle sämtlich unterkeilt. Kochholtz taxierte die Länge der Leitungen, ihr Nebeneinander, das eine Vervielfachung der Keilzahl ins Kalkül zog, ihr Übereinander, das weitere Mengen zugab, ihre Knicke in die Wohnanlagen hinein: unter jedem Winkelstück lugte ein Zusatzkeil heraus. Sie alle einsammeln wollen hätte geheißen, einen großen Leinensack sprengen und an dem offensichtlichen Irrsinn der DISKRETA-Besatzung im Nachhinein verzweifeln.
Kochholtz lief die Strecke zwischen den Kabinen ab, zog sich Hand über Hand an den Leitungen wie an einem komfortabel warmen Eisengeländer vorwärts, zählte nebenher die Keile aus. Bevor er nach den Gärtanks umbog, fragte er das Videobrett an. Es bat um nähere Spezifikation, und er legte es auf einen typischen Keil, damit die elektronische Maschine die Gestaltqualitäten einlesen konnte. Das Ergebnis zeigte sich erst im Hintergrund des Mehrschichtenbildschirms, dämmerte allmählich hoch und kam plötzlich unwiderstehlich ganz auf: von Keilen war nichts vermerkt, die DISKRETA- Leute hatten sie weder geschnitzt noch irgendwo auf 650-Pietnam zusammengelesen, über eine Anwendung lag keine Notiz vor. Kochholtz’ Verdacht verfestigte sich, vor der letzten Kabinenecke hielt er im Gehen inne: Dies bedeutete nichts anderes, als dass zwischen der DISKRETA und der KONTINUUM, während der dreieinhalb Wochen der Stilllegung von Wohnkomplex und Gärheizwerk, die Keile eingewandert waren. Tier oder Pflanze – auf jeden Fall eine Lebensform!
Kahlendahl befüllte energisch den Alphatank. Die Gärverschlüsse bekränzten das obere Drittel der Tonne, in dem fein ausgezogenen Glas wanderten Blasen; weil Kahlendahl das System geöffnet hatte, war die Bewegung unstet, die Ausgasungen ohne Takt.
Kochholtz drehte Kahlendahl an der Schulter zu sich. Sie stützte sich auf den Schaufelstiel; das Rot ihrer Backen spielte vor Kälte und Anstrengung schon ins Violette hinüber. So vital mochte er sie lieber als in Augenblicken, in denen breiige Milde ihre Züge entstellte.
An Kochholtz’ Handgelenk baumelte das Videobrett eingeschaltet. Es bedurfte keiner Worte mehr. Kahlendahl zog die Stirn ärgerlich in Falten: ein solches Rätsel, eine unerklärliche Einwanderung von Keilen konnte niemand gebrauchen, der eine Forschungsstation aufbauen wollte. Kochholtz freute sich beinahe daran, wie sie rücksichtslos aufbrauste; ihm war, als dringe er auf ihren Wesenskern hinab, den sonst Routine verstellte.
»Am besten verabreden wir uns für den Nachmittag«, sagte sie, »und besprechen dann alles. Warum auch mussten Sie mir gerade jetzt damit kommen!«
Kochholtz bemühte sich um Ausgleich und half Kahlendahl mit. Doch am Alphatank gab es nicht mehr viel zu tun. Er ging hinüber zu Beta. Der aufgemalte Kennbuchstabe bauchte sich, der dicke Farbstrich zog die Rundung förmlich herab; das »Beta« wirkte wie die stilisierte Seitenansicht einer Schwangeren. Er umkreiste den Tank auf dem Laufsteg, der in einer Siebenviertelspirale aufwärtslief.
Auf halber Höhe kitzelte ihn ein Reflex, der vom Kontrollglas ausging, im Augenwinkel. Doch als er hinsah, stellte sich das Bullauge als zu stumpf heraus, um zu reflektieren: also – es war etwas Langes im Inneren des Tanks, das gegen die Scheibe schwappte. Zur Sicherheit rief Kochholtz die Statusangabe des Betatanks aufs Videobrett: darinnen sollte sich nach Stilllegungsvorschrift einzig eine kleine Füllung lauwarmen Wassers befinden. Kochholtz zog schnell den Anorakstoff über den Handballen und polierte das Fenster: An der Wasseroberfläche trieben in Drei-, Vierfachschichtung dunkle Keile!
Kahlendahl hatte ihre Schaufelarbeit aufgegeben. Sie kletterte die Leiter zur Auslüftung am Betatank hinauf, plierte durch den Raureif auf die Manometerskala, hängte sich hinaus, packte ein Rohr – es war schon ganz feucht von der Gärwärme – sie wischte die Hand an der Hose ab, schüttelte sie aus, als ob es sie ekelte. Beta gärte, obwohl niemand den Tank beschickt hatte; die Keile tauchten im Wasser, Bläschen Kohlensäure rollten über sie hin, perlten ab; die Gärung erzeugte wütenden Schaum von gelber Farbe.
»Als erstes entlaste ich den Tank«, sagte Kahlendahl, »das weitere verschieben wir auf später.«
Sie lockerte einen Hebel, drehte das Rad dahinter. Der Druck, die Abwärme, der Dampf – viel unsinnlicher als von Kochholtz erwartet entwich das Gemisch. Über der Auslüfte wallte bloß eine kleine Wolke, darüber schon durchsichtige, leicht wabernde Luft.
Dann stieg Kochholtz ab; er klemmte seine Unterlippe zwischen die Zähne und überlegte, wie er den Beweis für seine Annahme erbringen konnte. Nirgends sonst auf 650-Pietnam herrschte das ganze Jahr über solch eine Gleichmäßigkeit der Temperatur, wie sie in den Wohncontainern, auf, über und neben den Heizungsrohren und in den Gärtanks selbst vorkam. Wenn die Wärme nun als biologischer Katalysator für eine Fortentwicklung der Spezies »Keil« fungierte …?
Da fand er die Beta-Tonne in einem Schattenbild wieder, das sich auf dem nächsten Wohncontainer abzeichnete, perspektivisch verbogen, den birnenförmigen Gärtankaufsatz überlang. Die Auslüfte zitterte auf der Containerwand, die durch den Sonnenstand augenblicklich eine ganz passable Projektionsfläche abgab. Und über der Auslüfte, dort, wo die Wahrnehmung im normalen Tageslicht nur wabernde Luft ausnahm, schlingerte und verdrillten sich die gärigen Gase in großer Mannigfaltigkeit. Ein Reichtum der Formen, der Kelche und Kehlen, der Schratten und Schründe, der Bögen und Bauschungen wuchs über der Lüfteröhre auf, den Kochholtz nicht hatte gewärtigen können.
Fest ging er zur ersten Tür hinein, besänftigte den Kollegen Sikorsky mit einer Geste und forderte: »Schnell, schnell, den Rekorder!« Durch den Türspalt fiel die Schlierenbewegung sogar ausschnitthaft auf den Fußboden der Kabine, doch dafür besaß Sikorsky noch kein Auge.
Ein Blick zur Sonne 650-Pietnams langte aus – der Schatten verlängerte sich durch die Himmelsdrehung rapid. Es verblieben eben noch einige Minuten, die der Fixierung lohnten. Danach würde das Flimmern im Schattenriss unwiederbringlich auseinanderädern.
Der besondere Fall war eingetreten, dass einer der ruhigsten KONTINUUM-Mitarbeiter alle Aufmerksamkeit auf sich zog. Die Ad-hoc-Requirierung des Rekorders, das gehetzte Filmen von mehreren Positionen und das laute Aufstöhnen, als Kochholtz den Sinn erfasste, der den Ablüfteschlieren innewohnte, dies Verhalten lockte die Kollegen an.
Es war nicht anders, als dass auf die Schlieren ein metallischer Glanz trat, der die Transparenz allmählich tilgte, die Konturen schärfte und die Kontraste vertiefte. Kochholtz wusste aus seiner geologischen Praxis, wie er gegen dieses Phänomen zu handeln hatte. Um in einem veränderlichen Glanze etwas erkennen zu können, bedurfte es nicht der Konzentration, sondern, im Gegenteil, des Nachlassens – allein ein willkürlich träumerischer Blick konnte die Bildinformation ausschöpfen, das scharfe Adlerauge musste an dem Glitzern verzweifeln.
»Können Sie damit etwas anfangen?«, fragte Sikorsky.
Die Schlieren waren in große Tiefen gestaffelt, Kochholtz erkannte eine technische Apparatur – augenscheinlich ein Schema des Beta-Tanks! Die Darstellung entsprach aber nicht ganz den technischen Konventionen; als solche hätte das Schlierenbild auch eine geistlos-mechanische Wiedergabe des Behälters sein können. In den Weisen und Arten aber, wie sich die Schemastücke aufbliesen, wie sie in blassem Rosa aus dem Flimmergrau in den Bildvordergrund hochschossen, wie schließlich in allmählicher Überblendung und durch kühnes Neuarrangement der Versatzstücke ein drei Meter hoher Keil goldflitternd und diamantflirrend auf den Flimmerplan trat, zeigte sich das Wirken einer außerirdischen Intelligenz!
Dreizehn Menschen drängten Kochholtz noch vor Ort, sich zu erklären. Er trat im Schnee von einem Fuß auf den andern, vor Aufregung, nicht um sich zu wärmen.
»Um es kurz zu machen: Die Keile sind kein Einrichtungsextra, keine Stilmarotte unserer Vorgänger, sondern Träger intelligenten Lebens! Es hat sich selbst bei uns eingenistet: auf den Zimmern, unter den Schränken, zwischen den Leitungen und sogar im Beta-Gärtank.«
»Ein schlecht und unvollständig abgeernteter Kartoffelacker zieht Kellerasseln an«, sagte Kahlendahl, »sie wandern in die Knollen ein und fressen das Faule; der Instinkt leitet diese Tiere. Nennen Sie mir einen Grund, Kochholtz, weshalb sich die Keile nicht genauso verhalten, wenn sie der Restwärme hier in der Station nachziehen, kurz nachdem die Menschen der DISKRETA sie verlassen haben!«
Angriffslustig stellte sie ein Bein vor. Kochholtz knickte in den Knien fast ein, ihn kränkte solche Abwehr ausgerechnet aus ihrem Mund besonders; doch es gelang ihm, seine Schwäche als Frösteln zu tarnen.
Sikorsky vermittelte: »Erzielen wir doch Einigkeit darüber, dass die Keile, wenn wir uns schon bereitfinden, sie als Tiere anzusehen, etwas Vergleichbares wie Kulturfolger sind – wilde und auf alle Zeit wilde Tiere, die sich die menschliche Unterkunft als Gunstraum erschließen, die Stadt, die Kulturfläche, meinetwegen auch eine bessere Kampierungsstelle wie diese.«
Kurz beflügelte der Kollege Sikorsky Kochholtz dadurch, dass er ihm beisprang. Doch darinnen befand sich auch ein Ärgernis, Sikorsky zauderte und zögerte wie alle, die die kühne Hypothese aus Angst, ihre wissenschaftliche Reputation zu verlieren, scheuten.
»Ja«, pflichtete Kochholtz ihm dennoch emphatisch bei – denn Sikorsky wollte er auf seine Seite ziehen – »ja, die Keile sind die Stare, die im Herbst über ihren Schlafbäumen in den von Menschen angelegten Parks kreisen, die in die Alleen und Prachtstraßen einfallen, wenn die Dämmerung zur Nacht wird. Die Keile sind die Hyänen, die schief über die Müllhalden wackeln, die die Chemie in den Kippen fliehen und um die Häuser der Stadtrandbezirke schleichen; die Äpfel unter den Bäumen locken sie an.«
»Kochholtz, gerade meinten Sie noch, dass die Fermentierung im Tank Intelligenz bei den Keilen hervorruft; jetzt sprechen Sie jedoch von Instinkthandlungen? Geben Sie Ihren Standpunkt auf?«, fragte Sikorsky tastend.
Kahlendahl mischte sich, bevor Kochholtz zur Antwort ansetzte, herablassend ein: »Wenn es intelligentes Leben sein sollte, bestünde unsere erste Aufgabe darin, es aus dem Gärtank zu befreien, weil es dadurch doch vollständig umgesetzt wird.«
»Nein, nein, nein«, sagte Kochholtz. »Der Keil hat instinktiv den besten Ort für sich ausgesucht – gedankenlos wie jede andere Pflanze von 650-Pietnam, die die KONTINUUM-Expedition bisher aufgenommen hat. Wir Menschen haben Technik in diese Biozönose eingebracht; nichts ist weniger verwunderlich, als dass die Flora darauf aufstuft. Unser Aufkreuzen hier, der Aufbau der Station, die Installation der Gärretorten, das hat den Entwicklungsschritt vom dummen Keil zum schlauen Gas provoziert. Die Zerstörung im Gärprozess bedeutet die Entfaltung von ephemerer Intelligenz.«
Er blickte in die Gesichter um ihn: in verschiedene Gesichter zwar, über die sich jedoch die gleiche Stirn wölbte, eine von der Art, die, wenngleich hoch, bald in großem Bogen einbiegt. Durch diese runden Stirnen trat die Mannigfaltigkeit der Natur wie durch einen Filter. Sie waren das physiognomische Merkmal einer Wissenschaftsergebenheit, die pastoral anmutete. Kochholtz spürte wieder den Schnitt, den die lange Zeit des gemeinsamen Raumflugs nicht hatte heilen können.
Kochholtz ermannte sich zu sagen: »Der Keil spricht im Bilde der Schliere zu uns, wenn der Zersetzungsprozess der Gärung unaufhaltsam und unumkehrbar geworden ist. Der Dampf erst hat Intelligenz!«
Noch eine peinliche Weile duckte er sich unter den Blicken der anderen, zuckte bei jedem Einwurf zusammen, als man ihm weitere Erklärungen abnötigte. Unversehens war er unter einen Haufen hartnäckiger Lächler gefallen. Er ruderte dicht über den Trampelschnee mit leeren Armen hin und redete und redete.
Doch allmählich begriffen alle und sahen, so offen wie erstaunt, zum Beta-Tank hin; über der Ablüfte kringelte sich dünn der letzte, der ausgehende Dampf, zog ohne sichtbare Spur zu ihnen. Der Name der Keile roch faulig-süß und hängte sich fest ein. Kahlendahl und die anderen rümpften die Nase, sie rümpften sie nicht ein bisschen über Kochholtz.
ENDE
Schnell bückte er sich nach dem Stein und hob ihn auf, führte ihn vors Gesicht und warf ihn, nach unmerklichem Zögern, wieder weg, dorthin, wo eine Woge den Stein gleich überrollte und untergrub im blauen Sand.
Ernst Juvenal streunte halb selig, halb schon angestrengt von der vielen Doppel-Sonne (die orange-weiß auf seinen Rücken schien), am Strand entlang, der hier eine zarte Biegung beschrieb. Seine Füße trieben spielerisch den Saum Treibgut, der sich oberhalb der Flutlinie gebildet hatte, auseinander. Fremdartige Tange von quadratischem Querschnitt und fahle, ausgelaugte Stöckchen Holz platzten oder knackten unter seinem Tritt.
Den Beutel, den er umgeschnallt hatte, fühlte er jetzt schwer gegen den Leib schlagen. Dort oben an der Abbruchkante stand sein Zelt festgesteckt. Er überblickte kurz die ockergelbe Weite des Meeres, die Zunge Land, die sich, wo riesenwüchsige Flechten siedelten, gelb und wächsern weit in die Bucht hinzog, dann den grünen Tageshimmel selbst, an dem jetzt ein paar Sterne blinkten.
Wieder bückte er sich und fasste nach einem Stein. Er wog den flachen Kiesel in der Hand. Er machte sich breit in der Hand, brachte aber nicht viel Gewicht mit. Was bist du?, fragte sich Juvenal, ein Bernstein, hier auf diesem fremden Planeten?
*
Er biwakierte ohne eigentliche innere Richtung hier draußen. Die nächste Station befand sich einige Kilometer entfernt. Er lag und döste und lag noch eine Weile vor dem Zelteingang.
Der eine Stein fiel dem jungen Mann wieder ein. Er barg ihn aus dem Beutel, pustete den trockenen Sand herunter. Fester atmete er aus: der Stein hatte in der Mitte ein Loch.
Juvenal setzte sich auf und rieb interessiert an dem Stückchen. Der Stein wies jedoch keine honiggelbe Färbung wie Bernstein auf, sondern war durchscheinend rot. Als er ihn in die Doppelsonne drehte, glänzte der Stein eigentümlich auf wie ein Spinell-Edelstein etwa. Ein großes Maß an Halbheit befand sich in dem Glanze ausgedrückt: der Glanz war falsch und zugleich verführerisch.
Betroffen von den Gefühlen, die ihn anwandelten, steckte er den Fund in die Tasche seiner Shorts und stieg auf eine Düne. Einen Augenblick suchte er die Umgebung ab, ein paar messing Halme vereinnahmte er bald für sich und seine Zwecke.
Grob rupfte er die Gräser ab, drehte und flocht (wobei das eine vom anderen nicht mehr zu unterscheiden war) ein Band daraus. Die Zunge zwischen den Zähnen, fädelte Juvenal den künstlichen Faden in die Öse seines Steins ein – und fand es trefflich.
Unter ein paar Verrichtungen (Essen, Aufräumen, das »Bett« im Zelt vorbereiten) wurde es Abend. Er zündete ein Feuer an und wirbelte den Stein an der Kordel herum.
Seine Augen betrachteten die fremden Sternkonstellationen, den Streif einer nahen Galaxie, die sich dieser so weit genähert hatte, dass ihr Rand sich in Einzelsterne auflöste. Die Abendstunden waren hier fast regelmäßig von einer berauschenden Klarheit, gegen Morgen zogen dann stets Regenwolken auf.
Sein Blick fand sich bald satt, den Stachel, den der Stein in sein Fleisch setzte, konnte jedoch keine Minute, selbst die lange Stunde hier nicht ziehen, die Lust am stupiden Spiel verlor nicht an Intensität. Ernst Juvenal spielte ein sinnloses Spiel, das gerade deshalb aufreizte.
Plötzlich riss die improvisierte Kordel und der Stein traf den Spieler an der Oberlippe. Sofort verfluchte er den Stein und den fremden Strand, sprang auf, rannte drei Schritt und legte halb brüllend, halb jammernd zwei Finger auf die schmerzende Stelle.
Er beruhigte sich damit, dass es doch nur ein Stein gewesen sei. Zum Gleichmut entschlossen, hockte er sich wieder ans Feuer, doch der linde Zauber wollte sich nicht wieder einstellen. Abwechselnd zog er die Lippe hoch oder machte lange Zähne.
Eine richtige Wunde ist das nicht, urteilte er scharf; er konnte kein Blut schmecken und von einer regelrechten Schwellung konnte keine Rede sein. Zweifellos aber war da etwas nicht ganz in Ordnung. Wie er mit der Zunge innen die Lippen abfuhr, peinigte ihn ein spitzer Schmerz: etwas von der Art eines unsichtbaren Haarrisses.
Der Riss beschäftigte ihn noch, als er sich hinlegte.
*
Gegen Morgen, als ein windiger Regenschauer sein Zelt beutelte, erwachte er einen kurzen Augenblick lang. Er lag völlig ohne Schmerzen, lag stumpf gegen seine Umgebung. Der Schlaf griff sofort wieder nach ihm, ein Schlaf, der mehr einer Bewusstlosigkeit glich.
Unbestimmte Zeit später sah er die selten erinnerten Erscheinungen des Halbschlafs, die weniger als Träume sind.