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Doktorarbeit / Dissertation aus dem Jahr 2003 im Fachbereich Kunst - Malerei, Note: 1,8 - cum laude, Technische Universität Dresden (Institut für Kunstpädagogik der Philosophischen Fakultät), Sprache: Deutsch, Abstract: Warum erscheint uns ein rotes Zimmer wärmer als ein ebensolches mit einem hellblauen Anstrich? In dem roten Raum fühlen wir uns noch behaglich, während uns in dem hellblauen bereits fröstelt. Diese Empfindung teilen die meisten Menschen, auch wenn die Temperatur der beiden Räume in Wirklichkeit gleich ist. Diesem Phänomen versucht diese Arbeit auf die Spur zu kommen. Zu Beginn werden dafür verschiedene Untersuchungen aus dem physikalischen und physiologischen Umfeld vorgestellt. Dazu werden sowohl spektralanalytische und Infrarotuntersuchungen durchgeführt, als auch ausführlich die Grundlagen und die Entwicklung des Sehens, bzw. der lichtabhängigen Reaktionen von der Fauna bis hin zum Menschen betrachtet. Der sich im Ergebnis herauskristallisierende Zweifel an bestehenden Lehrmeinungen wird im Folgenden evolutionär unterlegt und begründet. Um das Ergebnis weltweit belegen zu können, werden sehr ausführliche Vergleiche der Farbsymbolik exemplarisch gewählter Kulturkreise (Altägypten, Islam, China, Europa) durchgeführt. Unter Anderem wird dabei auch auf die verschiedenen Farbmaterialien und auf kunstgeschichtliche Zusammenhänge eingegangen. Darauf aufbauend werden wird die Lehrmeinungen berühmter Farbtheoretiker (Goethe, Kandinsky, Itten) dargestellt und verglichen. Die bestehenden Diskrepanzen in der Formulierung des Warm- Kalt- Kontrastes werden in zahlreichen psychologischen und statistischen Untersuchungen untersucht und führen im Effekt zu einer Neuformulierung des Warm- Kalt- Kontrastes. Unter Anderem ist ein großes Kapitel allein den Wirkungen und der Funktionsweise von Synästhetik gewidmet. Auch hier können neueste Untersuchungen aufgegriffen und durch eine Vielzahl statistischer Testreihen präzisiert werden. Das Gebiet, welches sich am deutlichsten auf solche Synästhesien und Farbassoziationen bezieht, ist das der Werbung, das entsprechend in einem Extrakapitel mit den entsprechenden statistischen Untersuchungen umfassend einbezogen wurde. Als Letztes sind in dieser Arbeit kunsttheoretische Interpretationen an ausgewählten Beispielen der modernen Kunst dargestellt. Dabei konzentriert sich die Kunstbetrachtung vor allem auf die Funktionsweise des Warm- Kalt- Kontrastes im Bild und eine mögliche Änderung der Bildaussage durch eine entsprechende Veränderung der einzelnen Farben des Warm- Kalt- Kontrastes. Abschließend kann daraus abgeleitet eine Aussage über die Wirkungsweise und den Einsatz des Warm- Kalt- Kontrastes in der Kunst getroffen werden.
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6.1.1. Goethes experimenteller Nachweis zur Farbtemperatur 130 6.2. Kandinskys Farblehre 134 6.3. Ittens Farblehre 137
6.4. Vergleichende Untersuchungen zu den farbtheoretischen Aussagen zum Warm- Kalt- Kontrast 139 6.4.1. Assoziationsmalerei 139
6.4.2. Rangbestimmung von einzelnen Farbtönen hinsichtlich der Temperaturwirkung 6.4.3. Rangbestimmung von Farbkombinationen
6.5. Zusammenfassung 7. Farbe als bildnerisches Mittel 167 7.1. Bildanalyse 170 7.1.1. Henri Matisse: „Das Gespräch“, 1911 172
7.1.2. Edvard Munch: „Der Schrei“, 1893 173
7.1.3. Edvard Munch: „Liegender Akt“, 1912 175
7.1.4. Vincent van Gogh: „Der Gymnasiast“, 1890 176
7.1.5. Max Beckmann: „Geschwister“, 1933 177
7.1.6. Pablo Picasso: „Die Tragödie“, 1903 179
7.1.7. Marianne von Werefkin: „Tragische Stimmung“, 1910 7.2. Auswertung 183 7.3. Zusammenfassung 185 8. Fazit und Diskussion 195 9. Literaturverzeichnis 203 10. Abbildungsverzeichnis 209
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Warum erscheint uns ein rotes Zimmer wärmer als ein ebensolches Zimmer mit einem hellblauen Anstrich? In dem roten Raum fühlen wir uns noch behaglich, während uns in dem hellblauen bereits fröstelt. Diese Empfindung teilen die meisten Menschen, auch wenn die Temperatur der beiden Räume in Wirklichkeit gleich ist.
Diesem Phänomen versucht das Buch auf die Spur zu kommen. Es sollen die Temperaturwirkung von Farben auf den Menschen genauer untersucht und die Ursachen dafür geklärt werden. Dabei werden die Formulierungen des Warm-Kalt- Kontrastes, wie sie aus der bildenden Kunst bekannt sind als Farbgrundlage angenommen und entsprechend der im Folgenden dargestellten Untersuchungsergebnisse konkretisiert.
Farben gehören für uns mehr oder weniger zur Normalität des Alltags. Nur noch selten erfreuen wir uns ganz bewusst der Vielfalt und Schönheit unserer bunten Welt. Viele Menschen arbeiten ausschließlich geistig, sei es beispielsweise in der Verwaltung oder in der Informatik. Am Ende eines Arbeitstages fehlt ihnen dann etwas Konkretes, wovon sie sagen können: „Das habe ich heute gemacht, das ist meine Leistung!“. Die Gesellschaften wachsen und werden immer komplexer in ihren Rechts- und Verwaltungssystemen. Was daraus folgt ist eine Entfremdung des Menschen von seinen Ursprüngen, die in einer zunehmenden Unzufriedenheit Ausdruck findet. Viele Menschen sind immer auf der Suche nach etwas was ihr Leben noch interessanter, noch aufregender und erfüllter macht. Schnelllebigkeit ist eins der Schlagwörter unserer Zeit. Dieses Problem lässt sich bis in die Schulen hinein verfolgen, vielleicht liegt hier sogar eine der Ursachen. In kürzester Zeit wird so viel Wissen als möglich vermittelt. Theoretisch sollen dabei auch soziale Kompetenz und ein gesundes Verhältnis zu den Sinnen einbezogen werden, praktisch ist das angesichts der vollen Lehrpläne und der großen Klassen kaum möglich. Wir leben in einer Leistungsgesellschaft, wo in erster Linie die Ergebnisse zählen. Der Ruf nach den Ursprüngen und der Rückkehr zur Natürlichkeit ist eine logische Konsequenz der einseitigen Forderung des Menschen. Ein Leben ohne Farben wäre heute überhaupt nicht mehr denkbar. Farben dienen als Unterscheidungsmerkmal der Dinge in unserer natürlichen und gebauten Umwelt. Farbige Kleidung und Wohnräume spiegeln die Persönlichkeit der Menschen wider. Farben sind ein fester Bestandteil der uns geläufigen Symbolik, wie beispielsweise in der Werbung oder bei der Verkehrsordnung. In nahezu allen Lebensbereichen sind sie immanent. Oft spielen Modetrends eine Rolle, so dass bei vielen Menschen die ursprüngliche Affinität zu Farben nach und nach in den Hintergrund gedrängt wurde. Mit Regeln versucht die Gesellschaft dort Harmonie zu schaffen, wo man beim Menschen glaubt keine natürliche mehr zu finden. Ein Beispiel sind die Vorschriften, die von den Städten bezüglich der Farben für Häuserfassaden
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vorgeschrieben werden. Lebhafte Farben werden meist vermieden, Ton in Ton wird bevorzugt.
Im Vergleich dazu finden sich in den Ländern der Dritten Welt, wie beispielsweise in Peru, Afrika oder in Indien oftmals die leuchtendsten Farben in der Kleidung und den Häusern der Menschen. Solche Farbgebungen zeugen von einem natürlichen und unvoreingenommenen Verhältnis zur Farbe, da die bunten Gewänder und Häuser auch ohne Reglement, auf eine ungezwungene Art und Weise ein Gefühl von Lebensfreude vermitteln. Für den Gebrauch von Farben gibt es eine Vielzahl von Modellen der Farbtheorie, die teils wissenschaftlich fundierte Zusammenhänge der Farben untereinander darstellen, andererseits jedoch Anspruch darauf erheben von den meisten Menschen in ähnlicher Art und Weise empfunden zu werden. Die Verbindung des Menschen zu seinen Empfindungen und damit auch die zu seinem Farbempfinden ist jedoch in unserer heutigen, angepassten Gesellschaft nicht zuletzt durch die Regeln und die Mode der Zivilisation verschüttet gegangen. Im Kunstunterricht werden Farbmodelle oftmals ungefragt angewendet, ohne sich auf die Ursachen zu besinnen. Das trifft in besonderem Maße für die Kontraste zu, welche auf rein psychischen Empfindungen zu beruhen scheinen. Der Warm- Kalt- Kontrast ist ein solches Modell, was bislang ohne andere, als assoziative Ursachen auskam. Im Zuge der eingangs beschriebenen Entwicklung der Zivilisation, wird eine Ursachenforschung mehr und mehr notwendig, da der Mensch neben dem Verlust der ureigenen Empfindungen nunmehr ein gesteigertes Interesse an den Zusammenhängen und Wirkungsweisen aller Modelle, welche die Welt beschreiben hegt.
Um herauszufinden warum rote Räume ein intensiveres Wärmegefühl hervorrufen als blaue, oder ob nicht gelbe Räume noch viel wärmer wirken, werden im Folgenden verschiedene Untersuchungen durchgeführt. Ausgehend von den farblichen Bestimmungen des Warm- Kalt- Kontrastes werden diese Farben nach ihren physikalischen, physiologischen und psychologischen Eigenschaften hin untersucht. Ziel ist zum einen, herauszufinden welche Eigenschaften für die Temperaturwirkung verantwortlich sind, zum anderen werden die Farben gesucht, welche die stärkste Wärme- oder Kälteempfindung beim Menschen auslösen. Das sind dann gleichzeitig die Polfarben des Warm-Kalt- Kontrastes, die bislang noch nicht eindeutig bestimmt und festgelegt werden konnten.
In einem abschliessenden Teil soll darüber hinaus veranschaulicht werden, welche sinnbildliche Funktionen der Warm- Kalt- Kontrast in der bildenden Kunst einnimmt, um auf diese Weise eine Nutzung im bildkünstlerischen Bereich zu ermöglichen.
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Unser gesamtes Sehvermögen beruht auf der Wahrnehmung von Kontrasten.
„Wahrnehmen heißt Unterschiede feststellen. Da kein Zeichen für sich allein wahrgenommen werden kann, vielmehr Sehen ein antithetischer Vorgang ist,...“1
So wäre Schwarz als die völlige Abwesenheit von Licht nicht ohne Weiß, das reine Licht denkbar, da es sich in diesem Fall sogar über den Gegenpart definiert. Farbgesetze oder -kontraste entstanden als modellhaft formulierte Hilfen beim Umgang mit der Farbe. Die Kenntnis solch kontrastierender Farbpaare ist u.a. für die bildkünstlerische Arbeit wichtig, da sie im Bildaufbau bei der Erzeugung von Bildspannung hilft.
Meist wird der Warm- Kalt- Kontrast in einer Reihe mit dem Farb- an- sich-Kontrast, dem Simultankontrast, dem Qualitätskontrast, dem Quantitätskontrast und dem Komplementärkontrast genannt.
Der Komplementär- oder der Simultankontrast werden anhand objektiv überprüfbarer Gesetzmäßigkeiten aus der Physik (Komplementärkontrast) oder der Physiologie (Komplementär- und Simultankontrast) begründet. Diese Kontraste erscheinen als mehr oder weniger stabile Gesetzmäßigkeiten, bei denen keine bedeutenden Änderungen durch neuere Forschungen zu erwarten sind.
Der Warm- Kalt- Kontrast besagt, es gäbe Farben die eine warme und solche, die eine kalte Temperaturwirkung beim Betrachter bedingen. Bislang ist der Verweis auf subjektive Erfahrungen des Menschen die einzige Grundlage für den Warm- Kalt- Kontrast. Damit hebt er sich in den Lehrbüchern der Kunsterziehung von den restlichen, objektiv begründeten Farbkontrasten ab. Aufgrund dieser Subjektivität konnte bisher auch keine Einigung über eine endgültige Fassung des Warm- Kalt- Kontrastes erzielt werden, so dass unterschiedliche Aussagen über die Pole Anwendung finden.
Die ältesten Überlegungen zur Farbtemperatur stützen sich auf die Lehre von den vier Temperamenten, bei denen aus einem spirituellen Gedankengang heraus Weiß als die wärmste Farbe eingestuft wurde. In einem Lexikon von 1727 findet sich die erste farbtheoretische Aussage zur Empfindung von Farbtemperaturen:
„daz die maler die blauen farben kalte farben nennen, engl. cold, die gelben warme“2
2Gage, John, Die Sprache der Farben, 1999, S. 22
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In einem Farbsystem taucht der Warm- Kalt- Kontrast offiziell erstmals 1813 im Farbkreis von Charles Hayter auf, obwohl er auch schon vorher von Malern genutzt wurde.3
Obwohl der Warm- Kalt Kontrast in fast allen kunsttheoretischen Schriften und Lehrbüchern einen festen Platz inne hat, gibt es bis heute weder eine eindeutige Festlegung welche Farben einen warmen oder kalten Eindruck hinterlassen, noch wurde eine unwiderlegbare Begründung für diese Wirkung gefunden. Mehr oder weniger übereinstimmend erklären die verschiedenen Kunsttheorien, dass die roten und gelben Töne der Wärme und die blauen und grünen der Kälte zuzuordnen sind. Unterschiedlich sind hingegen die Aussagen darüber, welches Farbpaar den größten Temperaturkontrast verkörpert. Konkret werden in diesem Buch die kunsttheoretischen Aussagen zur Polsetzung des Warm- Kalt- Kontrastes von Goethe, Kandinsky und von dem Maler und Kunsttheoretiker Johannes Itten miteinander verglichen. Die Ansichten der genannten Kunsttheoretiker stehen exemplarisch für die gespaltene Meinung der Kunsttheorie bei der Bestimmung des Warm- Kalt-Kontrastes. Neben der Annahme verschiedenen Polfarben unterscheiden sich auch deren Aussagen zu den Grundlagen des Kontrastes. Während Kandinsky von der Eigenwirkung der Farben ausgeht und sagt, dass auch Menschen ohne visuelle Erfahrungen die Farben in gleicher Art und Weise erleben, präferiert Goethe einen visuellen Erfahrungsgrundschatz, der kulturell gelernt wird. Die im Buch dargestellten Untersuchungen sollen dazu beitragen eine der dargestellten Positionen zu stützen oder sie zu verwerfen und am Ende den Warm- Kalt- Kontrast auf zwei Pole festzulegen.
Daneben soll den Ursachen der Temperaturwirkung von Farben die gebührende Aufmerksamkeit gewidmet werden.
Eine grundlegende Untersuchung, ob Farben objektiv nachweisbar eine Temperaturwirkung bedingen steht bislang aus und soll als Basis für die Auseinandersetzung mit dem Warm- Kalt- Kontrast dienen. Physikalische Untersuchungen geben hierüber Aufschluss. Des weiteren soll die Frage beantwortet werden, ob die Temperaturwirkung der Farben auch auf physiologische oder psychologische Ursachen zurückzuführen ist. Eine bedeutende Rolle wird dabei die Frage nach der evolutionär begründeten Sinnhaftigkeit spielen. Ziel ist es zu zeigen, dass es grundsätzlich auch im Bereich der Farbwirkung kausale Zusammenhänge gibt.
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Die physikalischen Merkmale des Warm- Kalt- Kontrastes liefern mess- und vergleichbare Ergebnisse, welche die Grundlage für objektive Aussagen zu Farbwirkungen bilden können. Untersucht wird, worin der Charakter von Farben rein physikalisch besteht und welche Gesetzmäßigkeiten sich hinsichtlich einer wissenschaftlich nachweisbaren Wärmewirkung daraus ergeben. So besteht die Möglichkeit, dass die Empfindung von warmen und kalten Farben auf einer tatsächlichen Temperaturstrahlung beruht. Ein rotes Zimmer würde damit aufgrund der Farbgebung zu einer tatsächlichen Erwärmung des Raumes führen, während ein blaues Zimmer entweder keine, oder eine abkühlende Wirkung auf die Zimmertemperatur ausüben könnte. Wenn das so wäre, müssten die Farbtöne mit der stärksten beziehungsweise niedrigsten Wärmewirkung physikalisch festzustellen sein. Damit wäre eine schlüssige Erklärung für die Temperaturwirkung von Farben gegeben. Um die Ergebnisse dieses Kapitels auf eine umfassende Recherche zu stützen, wurden neben den Material- auch die Lichtfarben in die Untersuchungen einbezogen.
Alles Leben auf der Erde entwickelte sich unter der Sonne. Von der auf der Erde ankommenden Strahlung nehmen wir nur eine gewisse Bandbreite wahr. Dieser Ausschnitt war ausreichend für die, im Zuge seiner Entwicklung, entstandenen Reaktionsmöglichkeiten des Menschen auf die Umwelt. Nur Strahlungen der Wellenlänge von ca. 380- 780 nm können beim Auge einen Helligkeits- und Farbeindruck hervorrufen.
Die anderen Wellenlängen üben eine eigene Wirkung auf den menschlichen Organismus aus, diese kann jedoch nicht mit den Augen erfasst werden. (z.B.: wird infrarote Strahlung als Wärme wahrgenommen; Röntgen- und Gammastrahlung schädigt den Organismus, wie man am einfachsten an den Wirkungen von Kernstrahlung ersehen kann)
Weißes Licht besteht aus einer Kombination aller Farben. Die Farben, welche durch Brechung erscheinen und nicht weiter zerlegbar sind werden Spektralfarben genannt.
Licht ist nicht immer weiß, es kann entsprechend der atomaren Zusammensetzung des Strahlers zu den einzelnen Spektralfarben hin verschoben sein. (So ist Kerzenlicht eher gelb, das von brennendem Lithium rot und brennender Schwefel führt zu einer blauen Flammenfärbung.) Die Färbung des Lichtes hat Einfluss auf die jeweiligen Gegenstandsfarben. So kann sich beispielsweise die Farbe einer Blume allein durch die Stellung der Sonne (Abendrot) ändern. Bei der Bestrahlung mit farbigem Licht entsteht beim Betrachter ein Farbeindruck, der den Gesetzen der subtraktiven Farbmischung folgt. Wird beispielsweise eine cyan- blaue Fläche mit rotem Licht bestrahlt,
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entsteht der Farbeindruck Schwarz. Wird die gleiche Fläche dagegen mit gelben Licht bestrahlt, entsteht der Farbeindruck Grün.4Dass man Gegenstände farbig wahrnehmen kann, liegt jedoch nicht nur daran, dass sie angestrahlt werden.
Allgemein ausgedrückt, hängt die Farbgebung eines Gegenstandes immer von dessen Reflexions- und Absorptionsvermögens ab. Ist das Material des Gegenstandes so beschaffen, dass er gleichmäßig alle einfallende Strahlung reflektiert, erscheint er als Weiß. Ist das Gegenteil der Fall und der Gegenstand absorbiert alle Wellenlängen, erscheint er uns als Schwarz. Je nachdem welche Wellenlänge reflektiert wird, entsteht für uns ein der Reflexion entsprechender Farbeindruck. Z.B.: Eine Fläche erscheint grün, wenn sie nur die mittelwellige Strahlung reflektiert und die kurz- und langwellige absorbiert. Werden mehrere Wellenbereiche reflektiert, entsteht eine Mischfarbe aus den reflektierten Lichtstrahlen (additive Farbmischung). Dies kann man als Gesetzmäßigkeit ansehen, vorausgesetzt das bestrahlte Material (Fläche) hat die Eigenschaft alle Wellenbereiche gleichmäßig zu reflektieren (es ist also bei normalem Tageslicht weiß).
Entsprechend ihrer spezifischen Materialeigenschaften, werden von vielen Gegenständen nicht alle Wellenbereiche gleich reflektiert. Je nach Absorptions-und Reflektionsvermögen erscheinen diese Gegenstände bei Tageslicht in einer bestimmten Farbe.
Die Sonne, unsere wichtigste Licht- und Wärmequelle, ist ein Temperaturstrahler. Das heißt, auf ihrer Oberfläche herrschen ca. 6000K und sie emittiert u.a. auch Infrarotstrahlung.5
Die Farbe des ausgesendeten Lichtes wird von der Temperatur der Lichtquelle beeinflusst, der sogenannten Farbtemperatur. Aufgrund der hohen Temperaturen auf der Sonne ist ihr Licht weiß.
Zum Vergleich: Glühendes Eisen strahlt bei allmählicher Erhitzung zunächst rotes Licht aus. Je höher die Temperatur wird, desto kürzere Wellenbereiche werden mit ausgesendet. Das bedeutet, bei Erhitzung ändert sich die Farbe des Lichtes von Rot über Gelb bis hin zu Weiß, wenn die Temperatur so hoch ist, dass alle Wellenbereiche ausgesendet werden. Weißglut ist in der Natur ein Synonym für die größte Wärmestrahlung.6Bei der Verwendung des Wortes „Wärme“ ist der Unterschied in der Begrifflichkeit zu beachten. Reden wir von Wärme im physikalischen Sinn, ist damit eine messbare Größe gemeint, welche auf einen physikalischen Begriffden der Bewegung, reduziert werden kann. Diese vollständige Reduktion wurde
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möglich durch die Entwicklung der statistischen Thermodynamik, welche Wärme als Bewegungen von Atomen definiert.7
Damit geht jedoch ein Verlust all unserer Alltagserfahrungen von Wärme einher. Auch wenn sich der physikalische Wärmebegriff aus den Alltagserfahrungen ableitet, liegen Welten zwischen der physikalischen und der lebensweltlichen Größe.
Die gefühlsmäßige Erfassung von Wärme hat nichts mit der Bewegung von Atomen zu tun, sie ist vielmehr eine direkte Empfindung, so dass die physikalische Reduktion lediglich ein Hilfsmittel zur Beschreibung der Welt darstellt, das den Vorteil der Messbarkeit mit sich bringt. Sprechen wir dagegen von der Wärmewirkung von Farben, ist damit zunächst eine direkte Wirkung auf das Befinden des Menschen gemeint. Dieses Kapitel soll zeigen ob es dabei bleiben muss, oder ob man eine physikalische Basis findet, welche den bereits genannten Vorteil eines messbaren Vergleichs und der Objektivität mit sich bringt.8
Mit dem nachfolgend dargestellten Experiment sollte herausgefunden werden, ob es Unterschiede im infraroten Reflexionsspektrum von roten und blauen Farbtönen gibt.
Rot liegt als langwelligste sichtbare Farbe in unmittelbarer Nachbarschaft zum Infrarot, welches wir als Wärmestrahlung empfinden. Blau befindet sich im Farbspektrum an der gegenüberliegenden Seite und ist somit von den sichtbaren Farben „am weitesten“ vom Infrarot entfernt.9
Theoretisch wäre es möglich, dass der rote Farbträger eine höhere Frequenz im Infrarotspektrum aufweist, was eine tatsächliche Wärmestrahlung zur Folge hätte. Diese könnte vom Menschen als Temperaturwirkung wahrgenommen werden.
Gibt es einen höheren Reflexionsgrad im Infrarotbereich bei den roten Farbtönen, müsste die entsprechende Frequenz mit einer Spektralanalyse erkennbar sein.
Verwendet wurde für diese Untersuchung ein Spektrometer, welches die Reflexion (R) im Bereich von 350- 2500 nm misst.
Bei dem Experiment wurden ca. 50 Blau- und Rottöne, sowie Vergleichsfarben aus dem Gelb- und Orangebereich vermessen. Die Auswahl der Farben orientierte zum einen auf eine große Bandbreite und zum anderen auf eine repräsentative Materialfülle (Farbgrund).
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Der Infrarotbereich liegt in den abgebildeten Diagrammen im Bereich von ca. 780- 2500 nm. Weist das Diagramm einen hohen Infrarotanteil auf, verfügt die untersuchte Farbe über eine starke Wärmereflexion. Um zu einem relevanten Ergebnis zu kommen, werden die Spektren der blauen und der roten Farben hinsichtlich ihres Infrarotanteils miteinander verglichen. Für eine Bestätigung der These, dass die vom Menschen in Versuchen festgestellte Wärmewirkung von Blau und Rot einen physikalisch nachweisbaren Hintergrund hat, müsste durchgängig bei allen Rottönen eine höhere Infrarotfrequenz auftreten als bei den blauen. Anhand der vorliegenden Diagramme wird deutlich, dass die Frequenzhöhe der Infrarotstrahlung unabhängig von der Farbe ist. So ist beispielsweise beim Spektrum der Farbe Blau 1 eine höhere Infrarotstrahlung feststellbar als beim Spektrum Rot 3. Weitere Beispiele finden sich in der hier abgebildeten Tabelle, wobei sich die angegebenen Werte lediglich auf das Maximum der Infrarotreflexion beziehen. Die im oberen Bereich (2000-2500 nm) auftretenden Schwankungen stammen von der Interferenz, welche in dem Abstand zwischen Ober- und Unterkante des Papiermusters begründet ist. Sehr gut sichtbar wird das beispielsweise bei den Diagrammen Rot 2, Blau 3 und Gelb 1, welche die Reflexion von Farbproben des gleichen Papiers darstellen. Für die Ergebnisbetrachtung sind diese Schwankungen nicht relevant.
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Tab. 2.1. Infrarotreflexion
Interessant ist, dass diese Interferenzmuster bei unterschiedlichen Farben und gleicher Papiersorte fast identisch sind.
Die Vermutung wird durch die Gesamtheit der Versuche bestätigt: das Reflexionsvermögen einer Farbe im Infrarotbereich ist abhängig vom Material und nicht von der Farbgebung desselben. Das bedeutet, erscheint die gleiche Papiersorte einmal in Blau und einmal in Rot, ergibt die Analyse am Spektrometer für beide Papiere eine fast identischen Reflexionskurve. Einen Einfluss auf die Reflexion haben ebenfalls die einzelnen Bestandteile der Farben und Papiere, wie Bindungsmittel oder verschiedene Leimsorten. Die Frage nach einer präzisen Formel, welche den Zusammenhang von Reflexion und atomarer Beschaffenheit des überprüften Materials klärt, scheint in Bezug auf die Fragestellung dieser Arbeit nicht relevant. Wichtig ist hingegen der erfolgte Nachweis, dass es keine physikalische Erklärung für die im Farbraumexperiment auftretende unterschiedliche Wärmewirkung von roten und blauen Farbtönen gibt.
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Aus den bisherigen Untersuchungen ergab sich, dass physikalisch betrachtet keine messbare Verbindung von Farbgebung und Wärmewirkung besteht. Die daraus abzuleitende Fragestellung ist die nach einen möglichen Bezug von Farbe und Trägermaterial. So ist es durchaus denkbar, dass die Färbung eines Materials, wie z.B. einer Zimmerwand, das Wärmeverhalten derselben beeinflusst. Untersucht werden muss demnach, ob eine rote Farbe zu einer stärkeren Erwärmung des Trägermateriales führt als eine blaue. Bei dieser Untersuchung sollen aus physikalischen Erwägungen heraus neben Rot- und Blautönen auch Schwarz und Weiß einbezogen werden. Schwarz und Weiß werden in der bildenden Kunst nicht zu den Farben gerechnet, sondern als Töne beziehungsweise unbunte Farben bezeichnet.
„So wie die Pole Weiß und Schwarz den hellsten und den dunkelsten Ton darstellen,...“10
Weiß wird als das ausgeglichene Spektrum aller Wellenlängen des sichtbaren Lichtes definiert und Schwarz wird äquivalent als die völlige Abwesenheit von Licht (theoretisch nur im schwarzen Strahler erreichbar) bezeichnet.11Des weiteren stützt sich die Farbausgliederung von Schwarz und Weiß auf den menschlichen Sehapparat, der zwei separate Sehsysteme aufweist, zum einen das Farbsehen mit den Zäpfchen und zum anderen das Hell- Dunkelsehen mit Hilfe der Stäbchen.12
Unter dieser Voraussetzung werden Schwarz und Weiß in bildkünstlerischen Modellen gesondert behandelt und nicht als Farben bezeichnet. Dabei liegt jedoch ein Fehler vor.
Sowohl in der Gestaltung der Lebenswelt, als auch beim bildnerischen Einsatz werden Schwarz und Weiß als Materialfarben aus Pigmenten zusammengestellt und fallen somit in den Bereich der Materialfarben! Das heißt, sie haben eine verwandte Konsistenz zu den Buntfarben und werden in der gleichen Art und Weise beim bildnerischen Gestalten eingesetzt.13Menschen ohne farbtheoretische Vorbildung, sprich die alten Kulturen der Menschheit oder auch Schüler, die sich noch nicht mit kunstästhetischen Theorien auseinandergesetzt haben, verwenden alle Farben ohne Unterschied. Da insbesondere der Warm- Kalt- Kontrast versucht Urbefindlichkeiten zu erklären, wäre es falsch, auf der Trennung von bunten und unbunten Farben zu bestehen und lediglich eins dieser Modelle zu hinterfragen. Nach dieser Ansicht müssen auch die unbunten Farben in Bezug auf die Untersuchungen des Warm-Kalt- Kontrast mit einbezogen werden.
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Dazu wurde die gleiche Farbe auf verschiedenen Trägermaterialien, verschiedene Farben auf dem gleichen Trägermaterial und deren Abkühlungsverhalten nach vorheriger Erwärmung untersucht. Unterschiede in der gemessenen Wärmestrahlung der Proben ergaben sich innerhalb einer
Messung unterschiedlichen Fähigkeit der Trägermaterialien die Lichtenergie in Wärme umzuwandeln und diese zu speichern. Für die Auswertung sind jeweils die Differenzen innerhalb einer Messung aussagekräftig. Insgesamt liegen dieser Arbeit ca. 350 Messungen zugrunde. Eine getrennte Untersuchung von Farbe und Trägermaterial ist in Wirklichkeit nicht durchführbar, da beide nur miteinander existieren können. Somit besteht eine enge Wechselwirkung, die mit dem Infrarottest untersucht wurde.
Die Messdaten zeigen, dass es einen Zusammenhang zwischen Farbgebung und Wärmekapazität des Trägermaterials gibt. Bei der Untersuchung der gleichen Trägermaterialien mit unterschiedlichem Farbauftrag zeigt beispielsweise die Messreihe 1 (Holz) eine wesentlich höhere Wärmekapazität von Schwarz gegenüber der von Weiß.
Durch die Messreihen bestätigt sich die aufgestellte Hypothese, dass schwarze Farbe zur größten Aufheizung des Trägermaterials führt. Da eine rote Wand die energiereicheren Blauanteile des Spektrums absorbiert und in Wärmeenergie umwandelt, müsste die Temperatur der roten Wand theoretisch höher als die einer blauen Wand sein, welche das energieärmere Rotspektrum absorbiert, die Unterschiede dürften jedoch minimal sein. Die Temperaturpole liegen physikalisch ganz eindeutig bei Schwarz und Weiß. Es konnte nachgewiesen werden, dass die Wärmekapazität in erster Linie vom Trägermaterial abhängt. So haben Holz und Kork eine wesentlich höhere Wärmekapazität als Pappe oder Plaste. Unterschiede ergaben sich auch im Abkühlungsverhalten. So erwärmt sich Kork vergleichsweise sehr schnell, gibt die Wärme aber auch wesentlich schneller wieder ab als Aluminium, das eine höhere Speicherfähigkeit hat. Der Farbanstrich kommt dementsprechend stets an zweiter Stelle, nach der Spezifik des Trägermaterials. Bei gleichem Material hat die Farbe einen Einfluss auf die Wärmekapazität wie beschrieben.
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TAFEL I ZUM INFRAROTVERGLEICH
gleiches Material/ verschiedene Farben
1. Holz 2. Pappe
Weiß 29,7°C Schwarz 35,1°C Blau 33,1°C Rot 29°C
3. Metallfolie1 4. Papier
Schwarz 26,4°C Blau 24,3°C Rot 24°C Weiß 23,9°C Schwarz 30,4°C Weiß 26,7°C
5. Papier 6. Papier
Schwarz 28,4°C Blau 24,2°C Blau 23,4°C Rot 23,3°C Orange23,4°C
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TAFEL II ZUM INFRAROTVERGLEICH
gleiches Material/ verschiedene Farben
7. Pappe 1 8. Pappe 1
Weiß 31,8°C Schwarz 34,3°C Blau 34,2°C 0range 33,4°C Rot 33,6°C
9. Pappe 1 10. Plaste 1
Blau 31,8°C Orange 31°C Rot 31,2°C Blau 34,1°C Weiß 33,3°C Rot 33,6°C
11. Plaste 1 12. beschichtete Pappe
Blau 28,8°C Rot 28,2°C Weiß 28,6°C Blau 30,1°C Weiß 29,4°C Rot 29,8°C
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TAFEL III ZUM INFRAROTVERGLEICH
gleiche Farbe/ unterschiedliche Trägermaterialien/ Abkühlungsverhalten
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Messdaten:
1.gleiche Trägermaterialien mit unterschiedlichem Farbauftrag
2. Abkühlungsverhalten/ gleiche Probe zu verschiedenen Zeitpunkten gemessen
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3. gleiche Farbe/ verschiedene Trägermaterialien/ Abkühlungsverhalten