Die Teufelsgesellschaft: Ein Fall für Ben Weaver - Band 3 - David Liss - E-Book
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Die Teufelsgesellschaft: Ein Fall für Ben Weaver - Band 3 E-Book

David Liss

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Beschreibung

Wenn die Wahrheit den Tod bedeutet: Der historische Kriminalroman »Die Teufelsgesellschaft« vom internationalen Bestsellerautor David Liss jetzt bei dotbooks. London, 1722: Er ist der Mann, der selbst den finsteren Kerkern von Newgate entkommen konnte, doch nun liegt sein Schicksal in der Hand des skrupellosen Jerome Cobb. Ben Weaver soll für ihn zum Spion werden – und die mächtigste Handelsgesellschaft der Welt untergraben. Doch Ben ist nicht der Einzige, der einem Geheimnis auf der Spur ist, das die Grundfesten der East India Company erschüttern könnte. Inmitten von Ränkespielen und tödlichen Intrigen versucht Ben, seine wertvollen Informationen in die richtigen Hände zu spielen. Doch welchen Preis hat die furchtbare Wahrheit? »Mit Benjamin Weaver hat David Liss einen facettenreichen Protagonisten und eine großartige Erzählstimme geschaffen.« The New York Sun Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der packende historische Kriminalroman »Die Teufelsgesellschaft« – Band 3 der spannenden Ben-Weaver-Reihe von Bestsellerautor David Liss. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 764

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Über dieses Buch:

London, 1722: Er ist der Mann, der selbst den finsteren Kerkern von Newgate entkommen konnte, doch nun liegt sein Schicksal in der Hand des skrupellosen Jerome Cobb. Ben Weaver soll für ihn zum Spion werden – und die mächtigste Handelsgesellschaft der Welt untergraben. Doch Ben ist nicht der Einzige, der einem Geheimnis auf der Spur ist, das die Grundfesten der East India Company erschüttern könnte. Inmitten von Ränkespielen und tödlichen Intrigen versucht Ben, seine wertvollen Informationen in die richtigen Hände zu spielen. Doch welchen Preis hat die furchtbare Wahrheit?

»Mit Benjamin Weaver hat David Liss einen facettenreichen Protagonisten und eine großartige Erzählstimme geschaffen.« The New York Sun

Über den Autor:

David Liss, geboren 1966 in New Jersey, studierte an der Columbia University über britische Literatur und Kultur im 18. Jahrhundert und widmete sich nach seinem Abschluss dem Schreiben von Romanen. Für seinen ersten historischen Krimi »Die Papierverschwörung« wurde er mit den drei bedeutendsten Preisen der Kriminalliteratur ausgezeichnet: dem Edgar-Allen-Poe-Award, dem Barry-Award und dem MacAvity-Award.

Bei dotbooks veröffentlichte David Liss bereits den historischen Kriminalroman »Der Kaffeehändler« sowie die folgenden Bände seiner spannungsgeladenen »Ben Weaver«-Reihe: »Die Papierverschwörung« und »Die Falschspieler«.

Die Website des Autors: www.davidliss.com

***

eBook-Neuausgabe Juni 2018

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 2007 David Liss

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2007 unter dem Titel »The Devil’s Company« bei Random House, New York.

Copyright © der deutschen Erstausgabe 2008 bei btb Verlag in der Verlagsgruppe Random House GmbH München

Copyright © der Neuausgabe 2018 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Sailorr und ein Gemälde von George Sydney

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-96148-197-2

***

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David Liss

Die Teufelsgesellschaft

Roman

Aus dem Amerikanischen von Leon Mengden

dotbooks.

Kapitel 1

Während meiner Jugend suchte ich leider allzu oft die Nähe zu Spieltischen jeglicher Art und musste mit Entsetzen zusehen, wie Fortuna so manche Münze, die, genau genommen, nicht einmal mir gehörte, in fremde Hände spielte. Als ein Mann von etwas reiferen Jahren, der an der Schwelle zur dritten Dekade seines Lebens steht, wusste ich es dann durchaus besser, als mich mit Würfeln und Karten abzugeben. Dieses Teufelszeug ist zu nichts nutze außer dazu, einen Mann in trügerischer Hoffnung zu wiegen, bevor seine Träume am Boden zerschmettert werden. Leichten Herzens jedoch machte ich bei jenen Gelegenheiten, bei denen das Silber eines anderen meine Börse füllte, eine Ausnahme – umso leichter noch, wenn jener andere in Machenschaften verstrickt war, die dafür sorgten, dass der Wurf oder die Karten zu meinen Gunsten ausfielen. Jene, die es mit der Moral ganz genau nehmen, mögen der Meinung sein, es stürze die Seele in den tiefsten Abgrund, wenn man dem Zufall so auf unlautere Weise ein wenig nachhalf, und dass ein Taschendieb, ein Mörder, selbst ein Vaterlandsverräter besser sei als ein Betrüger am Spieltisch. Möglicherweise haben sie damit nicht einmal unrecht, doch handelte ich im Dienste eines großzügigen Auftraggebers, und das dämpfte meines Ermessens das Schlagen des Gewissens.

Die Geschichte, die ich zu erzählen habe, setzt im November des Jahres 1722 ein, runde acht Monate nach den die Parlamentswahl begleitenden Geschehnissen, über die ich bereits an anderer Stelle berichtet habe. Die brackigen Wogen der Demokratie waren in jenem Frühjahr über London und somit auch über das ganze Land hinweggespült und hatten uns alles andere als geläutert daraus hervortreten lassen. Wie die Gladiatoren waren Männer im Dienste dieses oder jenes Kandidaten oder dieser oder jener Partei zum Kampf angetreten, doch im Herbst sah es so aus, als wäre nichts von Bedeutung dabei herausgekommen, und mit Hilfe gegenseitiger Patronage hielten Whitehall und das Parlament das Heft so fest in der Hand wie eh und je. Dem Königreich stand während der kommenden sieben Jahre keine neue Wahl mehr ins Haus, und im Nachhinein fragte man sich, warum eigentlich die vorangegangene solche Wogen geschlagen hatte.

Auch ich war keineswegs an Leib und Seele unbeschadet aus den politischen Tumulten hervorgegangen, doch meinem Ruf als privatem Ermittler war dies im Gegenteil eher zuträglich. Ich genoss eine gewisse anerkennende Erwähnung in den Zeitungen, und obwohl das Meiste, was die Schreiberlinge über mich zu berichten wussten, ganz und gar grotesk anmutete, hatte mein Name weitere Verbreitung erfahren. Seit jener Zeit konnte ich mich nicht über einen Mangel an Klienten vor meiner Tür beklagen. Gewiss gab es einige, die sich nun von mir fernhielten, weil sie befürchteten, meine Taten hätten auf unerwünschte Weise Aufmerksamkeit erregt. Viele andere erwogen jedoch mit weit mehr Wohlwollen die Möglichkeit, sich meiner Dienste zu versichern, denn ich galt als ein Mann, der aus dem Zuchthaus von Newgate entkommen war, sich in hitzigsten Faustkämpfen bewiesen, den Mächtigsten im Lande die Stirn geboten und damit gezeigt hatte, aus welchem Schrot und Korn er war. Ein Mann, dem dies gelungen war, sagte man sich, würde gewiss auch einen Halunken stellen, der einem Ehrenmann noch dreißig Pfund schuldete, oder den Namen des Wüstlings herausbekommen, der sich mit dem Gedanken trug, eine ungebärdige Tochter zu entführen, oder den Schuft, der eine Uhr gestohlen hatte, seiner verdienten Strafe zuführen.

Das war das täglich Brot meiner Arbeit, doch es gab auch eine Klientel, die eine ungewöhnlichere Verwendung für mich hatte, und eben aus diesem Grunde fand ich mich an jenem Abend im November in Kingsley’s Coffee House ein, einem Etablissement von einst zweifelhaftem Rufe, das inzwischen jedoch einen recht lebhaften Publikumsverkehr verzeichnete. Kingsley’s war unter den bon ton seit einiger Zeit als Spielsalon sehr en vogue und dürfte diesen Ruf wohl noch für mindestens eine weitere Saison genießen. Mit Verstand gesegnete Londoner würden dieser Art Amüsement nicht allzu lange frönen, doch für den Augenblick schöpfte Mr. Kingsley mit beiden Händen sein Glück ab.

Während der Tagesstunden war es durchaus nicht unüblich, dass ein Gast kam, um seinen Kaffee oder Kakao zu genießen und dabei gemütlich Zeitung zu lesen oder sich vorlesen zu lassen, doch nach Sonnenuntergang hätte es eines eisernen Willens bedurft, um sich noch auf trockene Worte zu konzentrieren. Zu dieser Stunde wurde Kingsley’s von mehr Huren als Spielern bevölkert, und es waren durchaus die begehrenswertesten ihres Standes darunter. Nach hinfälligen, spindeldürren Metzen aus Covent Garden oder St. Giles suchte man bei Kingsley’s vergeblich. Ja, in den Gesellschaftsspalten hieß es sogar, Mrs. Kingsley inspiziere höchstpersönlich eine jede Kandidatin, um sich zu vergewissern, dass sie auch dem Standard ihres Hauses entsprach.

Es gab Musikanten, die fröhliche kleine Melodien zum Besten gaben, zu denen ein ungewöhnlich schlanker Tänzer sein Gesicht, das einem Totenschädel glich, und seinen skelettartigen Körper zu den unnatürlichsten Posen und Fratzen verzerrte – und dabei von den meisten Anwesenden mit Missachtung gestraft wurde. Im Ausschank befanden sich Claret, Portwein und Madeira mittlerer Qualität, die auch die Gaumen der Genießer nicht beleidigten, denn diese Gäste waren viel zu sehr durch den Genuss anderer Dinge abgelenkt. Und der Anlass für diese Ablenkung waren – die Spieltische.

Es wäre schwer zu sagen, was Kingsleys Spieltische aus der Obskurität zur Berühmtheit erhoben hatte. Sie unterschieden sich kaum von denen in anderen Spelunken, und doch dirigierten die feinsten Herrschaften von London ihre Kutscher nach dem Theater, nach der Oper, nach dem Gesellschaftstanz oder sogar nach der Spätandacht dahin, wo das Leben tobte – zu Kingsley’s, jenem Tempel des Glücksspiels. Am Pharo-Tisch spielten gut situierte Gentlemen aus den Ministerien, unter ihnen auch niemand Geringeres als ein Mitglied des Unterhauses, der für seine opulenten Gesellschaften berühmter war denn für seine Fähigkeiten als Vertreter einer gesetzgebenden Körperschaft. An einem anderen Tisch sah ich den Herzog von N. beim Piquet verlieren. Mehrere bezechte Beaus bemühten sich, der bekannten Komödiantin Nance Oldfield beizubringen, wie man sich die Gesetzmäßigkeiten des Risikos zu Nutze machte, und man konnte ihnen nur Glück dabei wünschen, denn im Spiel war wie in der Liebe alles möglich. Es amüsierte mich außerordentlich zu beobachten, wie die Reichen ausgenommen und die aus der Gosse vermögend wurden, doch was ich dabei dachte, spielte eine untergeordnete Rolle. Das Silber in meiner Börse und die Banknoten in meiner Rocktasche gehörten nicht mir, und ich durfte sie nicht nach meinem Gusto einsetzen. Sie waren dazu bestimmt, einen gewissen Herrn in größte Verlegenheit zu stürzen, der jüngst den Gentleman gedemütigt hatte, in dessen Auftrag ich mich in einen Wettstreit begeben sollte, bei dem Täuschung und Arglist gefragt waren.

Ich verbrachte eine Viertelstunde damit, durch Kingsley’s Räumlichkeiten zu schlendern, mich in dem Licht der zahllosen Lüster zu sonnen und an ihrer Wärme zu ergötzen, denn der Winter war in diesem Jahr früh und mit Macht gekommen, und draußen war alles bitterkalt und mit einer Frostschicht überzogen. So gewärmt und in Stimmung gebracht – wozu die Musik und das Gelächter und die Verlockungen der Schönen der Nacht das ihrige getan hatten, um meinen Kopf in einen Rausch zu versetzen –, begann ich alsdann, meinen Plan zu schmieden. Ich nippte an einem verdünnten Madeira und nahm unauffällig meinen Mann ins Visier. Dies war ein leichtes Unterfangen, denn ich hatte mich als Geck der affigsten Sorte verkleidet, und wenn die Gäste Notiz von mir nahmen, dann nur von einem Mann, der es darauf anlegte aufzufallen. Auf welche Weise kann man sonst sein wahres Ich gründlicher verbergen?

Ich trug einen smaragdgrünen, mit Goldtressen geschmückten Rock, derart übermäßig drapiert, dass er schon beinahe untragbar war, und dazu ein Wams von der gleichen Farbe, doch nicht dazu passendem Schnitt, an welchem messingne Knöpfe von beinahe der Größe einer Untertasse glänzten. Mein Beinkleid war aus dem feinsten Samt, und an meinen Schuhen war unter der übergroßen Silberschnalle kaum noch das glänzende Leder zu erkennen. Die spitzenbesetzten Rüschen an meinen Ärmelaufschlägen quollen daraus hervor wie Blumenbuketts, und damit auch niemand, der mein Gesicht schon einmal gesehen haben mochte, mich wiedererkannte, trug ich obendrein eine gewaltige Allongeperücke, wie sie in jenem Jahr unter den aufgeblasensten Stutzern große Mode war.

Als ich den Zeitpunkt und die Umstände günstig wähnte, näherte ich mich dem Tisch, an dem Cacho gespielt wurde, und nahm mein Opfer näher in Augenschein. Er war ein Mann in meinem Alter, sehr teuer gekleidet, doch ohne die auffällige Haartracht und die grellen Farben, mit denen ich mich kostümiert hatte. Sein Gewand war von einem gesetzten Dunkelblau mit roten Tressen, geschmackvoll mit Goldfäden durchwirkt, und stand ihm recht gut. Unter seiner Kurzhaarperücke erkannte man ein angenehmes Gesicht. Er konzentrierte sich mit der Ernsthaftigkeit eines Gelehrten auf die drei Spielkarten in seiner Hand und äußerte etwas in ungefähre Richtung des Dekolletés der Dirne auf seinem Schoß. Sie lachte darauf, was, wie ich vermutete, mehr oder weniger die Art und Weise war, auf die sie sich die Gunst ihres Kavaliers zu sichern trachtete.

Der Mann hieß Robert Bailor. Ich meinerseits war von einem Mr. Jerome Cobb verpflichtet worden, dem Mann, der von Bailor bei einem Glücksspiel ausgenommen worden war. Wie mein Auftraggeber argwöhnte, hatte dieser Umstand mehr mit Betrug denn mit Glück zu tun. Dies entsprach jedenfalls der Vorgeschichte, die mir berichtet worden war, in der meinem Auftraggeber nach seinem beträchtlichen Verlust zu Ohren gekommen war, dass besagter Bailor in dem Rufe eines Spielers stand, der das Prinzip des Zufalls ebenso wenig schätzte wie die Forderung zu einem Duell. Mr. Cobb hatte von Bailor Genugtuung verlangt, war aber von diesem in überheblicher Form abgewiesen worden, worauf ihm, Cobb, keine andere Wahl blieb, als seinerseits zu dem Mittel der Tücke zu greifen.

Da er dazu jemanden benötigte, der die schmutzige Arbeit für ihn übernahm, hatte Mr. Cobb sich an mich gewandt und mir seine unerquickliche Lage geschildert, bei welcher Gelegenheit er mich auch darüber ins Bild setzte, dass meine Reputation ihn zu mir geführt hatte. Meine Aufgabe war simpel. Mr. Cobb instruierte mich, einen Zweikampf mit Bailor am Spieltisch zu provozieren. Doch sei ich nicht der Einzige, den er zu diesem Zwecke in seine Dienste gestellt habe, sondern ein bestimmter Bediensteter von Kingsley’s, dem das Austeilen der Spielkarten an den Tischen oblag, solle mir zuarbeiten, indem er dafür sorgte, dass ich verlor, wenn ich zu verlieren wünschte, und, noch wichtiger, dass ich gewann, wenn ich gewinnen wollte. Sowie es mir gelungen war, Mr. Bailor vor einer möglichst großen Menschenmenge öffentlich zu demütigen, sollte ich ihm so heimlich, dass kein anderes Paar Ohren es hörte, zuflüstern, er habe nun den langen Arm von Mr. Cobb zu spüren bekommen.

Ich stellte mich also an den mit rotem Samt bezogenen Spieltisch und versenkte mich einen Augenblick lang in den Anblick von Bailors Gespielin, wonach ich einen weiteren Moment lang meinen Blick auf Bailor selber ruhen ließ. Mr. Cobb hatte mich über alle ihm bekannten Eigenarten seines Widersachers belehrt; zu diesen gehörte, dass Bailor es überhaupt nicht schätzte, wenn Fremde ihn anstarrten, und dass er dies in ganz besonderem Maße bei Stutzern hasste. Ein glotzender Geck würde ganz gewiss seine Aufmerksamkeit erregen.

Bailor legte seine drei Karten offen; seine beiden Mitspieler taten es ihm nach. Bailor grinste und zog den Stapel Münzen auf dem Tisch zu sich heran. Dann richtete er bedächtig den Blick aus seinen schmalen Augen auf mich. Es war so hell im Raum, dass ich deren blassgraue Farbe und die roten Äderchen, die sie durchzogen, erkennen konnte. Letztere waren ein untrügliches Zeichen dafür, dass der Mann bereits zu lange am Spieltisch gesessen, dem Weine im Übermaß zugesprochen und dringend eine Mütze Schlaf nötig hatte.

Obwohl seine buschigen Augenbrauen und die etwas platte Nase mit den großen Nasenlöchern das Gesamtbild ein wenig störten, erweckten jedoch die starken Wangenknochen, das kantige Kinn und die kräftige Statur den Eindruck eines Mannes, der einen Ausritt mehr schätzte als ein Steak oder Bier. Er hatte somit etwas Gebieterisches an sich.

»Wenden Sie den Blick woanders hin, Sir«, sagte er zu mir, »oder ich muss Ihnen die Manieren beibringen, die Ihre Erziehung vermissen lässt.«

»Ach, was sind wir denn heute wieder gleich so grob, mein Bester«, erwiderte ich und ahmte dabei einen schottischen Akzent nach, denn mir war zu verstehen gegeben worden, dass Bailor außer Laffen vor allem die Bewohner des Nordens unserer Insel nicht ausstehen konnte. Somit erfüllte ich sämtliche Voraussetzungen, um seinen Zorn zu erregen. »Ich habe mir bloß einen kleinen Seitenblick auf das Mädgen erlaubt, das Sie bei sich haben. Falls Sie sie nicht länger brauchen, um Euch den Schoß zu wärmen, könnten Sie sie vielleicht eine Weile mir überlassen.«

Seine Augen zogen sich zu Schlitzen zusammen. »Ich glaube kaum, dass du etwas mit einer Frau anzufangen wüsstest, Sawny«, sagte er zu mir und nannte mich dabei bei dem Spitznamen, den die Schotten als so erniedrigend empfinden.

Ich hingegen tat so, als wäre ich über derartige Kränkungen erhaben. »Wenn’s nach mir ginge, würde ich sie nich’ kalt werden lassen, während ich beim Kartenspiel sitze. Wenn’s nach mir ginge, nich’.«

»Sie beleidigen mich, Sir«, sagte er. »Nicht nur mit Ihren dreckigen Worten, sondern allein schon durch Ihre Person, die ein Schlag ins Gesicht dieser Stadt und dieses Landes ist.«

»Dazu kann ich nich’ sagen. Das müssen Sie selber wissen. Was iss denn nun? Kann ich die Metze nun haben oder nich’?«

»Nein«, sagte er ganz ruhig. »Das können Sie nicht. Stattdessen werde ich Sie zu einem Zweikampf herausfordern.«

Bei diesen Worten ging ein Raunen durch den Saal. Eine Menschenmenge hatte sich neugierig um uns geschart. Wir hatten etwa zwanzig oder dreißig Zuschauer – elegant gekleidete, zynisch grinsende Stutzer zogen ihre grell geschminkten Begleiterinnen näher zu sich heran und flüsterten aufgeregt untereinander; die Fächer der Damen flatterten wie ein Riesenschwarm Schmetterlinge.

»Ein Duell, meinen Sie?« Ich lachte laut auf. Ich wusste genau, was er meinte, tat aber, als hätte ich nicht verstanden, worauf er hinauswollte. »Wenn Sie sich so leicht in Ihrer Ehre kränken lassen, werde ich Ihnen gerne zeigen, wer von uns beiden der Mann iss. Dachten Sie an Messer oder Pistolen? Sie dürfen mir glauben, dass ich für beides eine Schwäche habe.«

Er antwortete mit einem abschätzigen Grollen und warf den Kopf in den Nacken, als könne er nicht glauben, dass es immer noch einen so rückständigen Menschen gäbe, der einen Wettstreit mit Waffen ausfechten wollte. »Ich habe kein Verständnis für solche barbarischen Gepflogenheiten. Ein Duell mit den Karten, Sawny, wenn es recht ist. Kennst du das Spiel?«

»Cacho? Ja, iss mir bekannt. Ein Spiel für Mädgens und für Knaben, denen noch keine Haare auf der Brust wachsen, aber wenn Sie Spaß daran finden, werde ich mich gerne der Herausforderung stellen.«

Die beiden Gentlemen, die bis eben mit ihm am Tisch gesessen hatten, erhoben sich, damit ich auf einem der Stühle Platz nehmen konnte. Dies tat ich und warf dem Bediensteten, der für das Austeilen der Karten zuständig war, einen äußerst diskreten Blick zu. Er war ein untersetzter Mann mit einem Muttermal auf der Nase – genau der, den Mr. Cobb, mein Auftraggeber, mir beschrieben hatte. Er erwiderte flüchtig meinen Blick. Es verlief alles nach Plan.

»Noch ein Glas von dem Madeira«, rief ich in der Hoffnung, dass ein Bediensteter mich hören würde. Dann zog ich eine mit einem feinen Schnitzmuster verzierte Schnupftabaksdose aus Elfenbein aus der Tasche und entnahm ihr mit geziert langsamen Bewegungen eine Prise des scheußlichen Zeugs. An Mr. Bailor gewandt fragte ich: »An welche Summe hatten Sie gedacht, mein Bester? Fünf Pfund? Oder übersteigen zehn Ihre Verhältnisse?«

Seine Freunde lachten. Er zog eine höhnische Grimasse. »Zehn Pfund? Sind Sie verrückt? Sind Sie je bei Kingsley’s gewesen?«

»Nun, dies ist mein erster Besuch in London. Warum fragen Sie? Ich kann Ihnen versichern, dass ich in meinem Heimatland einen vorzüglichen Ruf genieße.«

»Woher soll ich wissen, aus welcher Gosse von Edinburgh du kommst …«

»Es iss nich recht, mich so anzusprechen«, unterbrach ich ihn. »Sie müssen wissen, dass ich der Laird von Kyleakin bin«, erklärte ich stolz und hatte dabei keine Ahnung, wo Kyleakin lag oder ob der Ort bedeutend genug war, um von einem Laird, einem Gutsherren, geführt zu werden. Ich wusste bloß, dass die Hälfte der Schotten in London von sich behaupteten, der Laird von irgendwas zu sein, dieser Titel seinem Träger aber mehr Spott einbrachte als Respekt.

»Es ist mir gleich, welchen Sumpf Sie Ihren Heimatort schimpfen«, sagte Bailor. »Aber lassen Sie sich gesagt sein, dass hier bei Kingsley’s niemand um weniger als fünfzig Pfund spielt. Falls Sie eine solche Summe nicht aufbringen können, verschwinden Sie von hier und hören auf, mir die Atemluft zu verpesten.«

»Ich spucke auf Ihre fünfzig Pfund. Für mich ist das nicht mehr als ein roter Heller.« Ich zog eine Brieftasche hervor, der ich zwei Banknoten zu je fünfundzwanzig Pfund entnahm.

Bailor inspizierte sie, um sie auf ihre Echtheit zu überprüfen, denn mit Falschgeld oder dem Schuldschein eines bankrotten Laird von Kyleakin würde er nichts anfangen können. Die beiden Noten stammten jedoch von einem angesehenen Londoner Goldschmied, so dass mein Gegner nichts daran auszusetzen hatte. Nun zog er seinerseits zwei Banknoten hervor, die nun ich wiederum an mich nahm, um sie zu überprüfen, obwohl ich keinen Grund zu der Annahme hatte, es könne etwas faul damit sein – und dieser Umstand mir auch hätte gleichgültig sein können. Ich verfolgte lediglich die Absicht, ihn noch mehr gegen mich aufzubringen, indem ich mir Zeit nahm. Dementsprechend betrachtete ich mir sein Geld von allen Seiten, hielt es gegen das Kerzenlicht und saugte es mit meinen Augen förmlich auf, um den Druck genauestens zu überprüfen.

»Legen Sie das Geld auf den Tisch«, sagte er nach einer Weile. »Wenn Sie jetzt nicht zu einem Schluss gekommen sind, werden Sie sich nie entscheiden, solange Sie nicht einen Ihrer Seher aus den Highlands hinzuziehen. Was ich damit sagen will – mein Ruf ist hier über jeden Zweifel erhaben, Ihrer ist es nicht. Wir fangen also mit fünfzig Pfund Einsatz an, aber wir erhöhen in Schritten von mindestens zehn Pfund. Sind wir uns darin einig?«

»Jawohl. Doch nun wollen wir beginnen.« Ich legte meine linke Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger auf den Tisch. Das war das zuvor vereinbarte Zeichen für den Geber, dass ich diese Runde zu verlieren wünschte.

Selbst zu jenen Zeiten, als ich noch häufig beim Kartenspiel anzutreffen war, hat mir Cacho nie rechten Genuss bereitet, denn bei diesem Spiel muss man zu viele auf unbekannten Faktoren beruhende Entscheidungen treffen. Mit anderen Worten ist das Spiel mehr eine Frage des Zufalls als des Geschicks, und an so etwas habe ich kein Interesse. Cacho wird mit vierundzwanzig Karten gespielt – nur das Ass bis zur Sechs jeder Farbe. Jeder Spieler bekommt eine Karte, macht seinen Einsatz, und das wird dann zweimal wiederholt, bis jeder Spieler drei Karten auf der Hand hat. Da das Ass als niedrige Karte zählt, gewinnt eben nicht der Spieler mit dem vermeintlich besten – oder in unserem Falle dem besseren – Blatt.

Ich bekam ein Herzass. Kein guter Start in diesem schlichten Spiel, in dem eine einzige hohe Karte oft schon zum Sieg genügt. Ich aber grinste, als hätte ich die Karte erhalten, die ich mir am meisten wünschte, und warf zehn Pfund in die Mitte des Tisches. Auch Bailor ließ sich nicht lumpen, und mein verbündeter Geber reichte mir eine weitere Karte. Die Karodrei. Wieder kein glücklicher Griff, aber ich warf noch zehn Pfund in den Topf, und Bailor tat es mir nach. Meine letzte Karte war die Pikvier. Ein Blatt, mit dem man nur verlieren konnte. Aber wir legten beide unsere zehn Pfund dazu, und dann verlangte Bailor mein Blatt zu sehen. Ich hatte nichts von Wert anzubieten, aber er präsentierte ein Cacho, drei Karten von der selben Farbe. Mit einem Handstreich hatte er mich um achtzig Pfund erleichtert – etwa die Hälfte dessen, was ich mit Glück in einem Jahr verdiene. Aber da es sich ja nicht um mein Geld handelte, und ich instruiert worden war, es zu verlieren, weinte ich ihm kaum eine Träne nach.

Bailor lachte so dreckig wie der Schurke in einem Marionettentheater und wollte wissen, ob ich mich mit einer Revancherunde noch tiefer ins Unglück zu stürzen wünschte. Ich sagte ihm, dass mich seine schäbige Herausforderung nicht schrecke, und gab wiederum dem Geber das Zeichen, dass er mich verlieren lassen sollte. Entsprechend war ich kurz darauf um weitere achtzig Pfund ärmer. Nun fing ich an, die Miene eines von den Ereignissen schwer getroffenen Mannes zu ziehen, fluchte leise vor mich hin und schluckte hastig meinen Wein.

»Ich würde mal sagen«, hob Bailor an, »dass Sie in diesem Duell unterlegen sind. Nun sehen Sie zu, dass Sie Land gewinnen. Verschwinden Sie wieder zurück in den Norden, malen Sie sich meinetwegen blau an, aber behelligen Sie nicht länger unsere gesitteten Gestade.«

»Noch habe ich nicht verloren«, versetzte ich. »Es sei denn, Sie sind ein solcher Feigling, dass Sie einen Rückzieher machen.«

»Ich wäre ein merkwürdiger Feigling, wenn ich einen Rückzieher davor machte, Ihnen Ihr Geld abzuknöpfen. Dann spielen wir also noch eine Runde.«

Obwohl ich anfänglich gewisse Skrupel gehabt hatte, mich auf einen solchen Schwindel einzulassen, packte mich nun ein Gefühl der Abscheu gegen Bailor, und ich freute mich außerordentlich darauf, ihm seine Niederlage beizubringen. »Nun aber Schluss mit dem Kinderkram«, sagte ich, zog drei Hundertpfundnoten aus meiner Brieftasche und knallte sie auf den Tisch.

Bailor zögerte nur einen kurzen Augenblick, ehe er den Einsatz entsprechend verdoppelte. Nun legte ich die rechte Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger auf den Tisch – das Zeichen, dass ich jetzt gewinnen wollte, denn es wurde Zeit, diesem Mann die Quittung zu präsentieren.

Ich erhielt meine erste Karte – die Kreuzsechs. Ein vielversprechender Anfang, dachte ich und legte noch zwei Hunderter auf den Stapel. Einen Moment lang befürchtete ich, Bailor könnte entweder Verdacht schöpfen oder kalte Füße bekommen, aber er hatte ja selber darauf bestanden, die Herausforderung anzunehmen, und konnte nun nicht klein beigeben, ohne das Gesicht zu verlieren. Also tat er es mir nicht nur nach, sondern legte gleich noch einen weiteren Hunderter hinzu, was auch ich wiederum mir nicht nehmen ließ.

Es ging in die zweite Runde, und ich bekam die Piksechs. Ich bemühte mich, mein Frohlocken zu verhehlen. Beim Cacho sind drei Sechsen das beste Blatt. Der Mann, den mein Auftraggeber bezahlte, hatte vor, mir den Weg zum Gewinn zu ebnen. Ich legte weitere zweihundert auf den Tisch. Bailor tat dasselbe – erhöhte den Einsatz aber nicht noch einmal von sich aus. Es überraschte mich nicht, dass er langsam unsicher wurde. Wir hatten nun beide jeweils achthundert Pfund in die Waagschale geworfen, und die zu verlieren, würde einen herben Schlag für ihn bedeuten. Er verfügte über einige Mittel, wie mir gesagt worden war, doch nicht über unermessliche, und niemand bis auf die reichsten unter den Lords und Handelsherren konnte ohne mit der Wimper zu zucken solche Summen dreingeben.

»Sie wollen diesmal nicht erhöhen, mein Bester?«, höhnte ich. »Bekommen Sie schon weiche Knie?«

»Halt dein schottisches Lästermaul«, fluchte er.

Ich grinste, denn ich wusste, dass er nichts anzubieten hatte, und das würde auch dem Schotten, der ich zu sein vorgab, nicht entgangen sein.

Und dann bekam ich meine dritte Karte. Die Karozwei.

Ich musste gegen das Verlangen ankämpfen, dem Geber zuzuraunen, dass er sich geirrt hatte. Gewiss hatte er mir eine Sechs zugedacht. Da nun so viel von dem Geld meines Auftraggebers auf dem Tisch lag, bekam ich ein äußerst ungutes Gefühl angesichts der Aussicht, es zu verlieren. Doch rasch beruhigte ich mich wieder, als ich erkannte, dass ich mich lediglich auf einen weit spektakuläreren Ausgang gespitzt hatte, als der Geber ihn plante. Ein Sieg mittels dreier Sechsen hätte viel zu sehr nach dem Betrug ausgesehen, den wir ja schließlich auch gemeinsam durchgeführt hatten. Mein Mitverschwörer brauchte Bailor nur eine noch schlechtere Karte zukommen zu lassen, und unser Wettstreit wäre durch diese eine Karte mit höherem Wert entschieden. Doch der Verlust würde meinen Gegner dadurch nicht minder schwer treffen, dass er durch eine solche Lappalie herbeigeführt worden war.

Um uns herum hatten sich immer mehr Zuschauer versammelt, und es wurde stickig am Tisch von der Wärme ihrer Körper und ihres Atems. Doch es lief alles so, wie mein Auftraggeber es sich vorgestellt hatte. Ich warf dem Geber einen Seitenblick zu, den dieser mit einem kaum wahrnehmbaren Kopfnicken quittierte. Ihm war nicht entgangen, wie sehr ich mich erschrocken hatte. »Noch einmal hundert«, sagte ich. Mehr wollte ich nicht aufs Spiel setzen, denn das Geld von Mr. Cobb ging langsam zur Neige, und ich wollte noch etwas in der Hinterhand behalten, falls Bailor noch einmal zu erhöhen trachtete. Das tat er auch, beließ es jedoch bei fünfzig Pfund, womit mir allerdings nur noch zwanzig, höchstens dreißig Pfund von Mr. Cobbs Geld blieben.

Bailor grinste mich an. »Nun wollen wir mal sehen, wer der Bessere ist, Sawny.«

Ich erwiderte sein Grinsen und legte meine Karten offen. »Nicht so glanzvoll, wie ich es mir gewünscht hätte, aber ich habe schon mit weniger gewonnen.«

»Kann sein«, erwiderte er, »aber diesmal hättest du mit mehr verloren.« Dann zeigte er sein Blatt – ein Cacho, und nicht bloß ein Cacho, sondern eines mit einer Sechs, einer Fünf und einer Vier. Besser konnte man es nur mit drei Sechsen treffen. Ich hatte verloren, und zwar nicht zu knapp.

Mir wurde schwindlig. Irgendetwas war schiefgegangen, ganz fürchterlich schiefgegangen. Ich hatte alles so gemacht, wie Mr. Cobb es mir aufgetragen hatte. Der Geber hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass er Mr. Cobbs Mann war. Ich hatte die Zeichen wie verabredet gegeben. Und doch musste ich nun zurück zu dem Mann, der mich in seine Dienste genommen hatte, und ihm gestehen, dass ich über tausend Pfund seines Geldes verloren hatte.

Ich warf dem Geber einen Blick zu, dem dieser auswich. Bailor hingegen sah mich so unverhohlen lüstern an, dass ich einen Augenblick lang das Gefühl hatte, er wolle mich, und nicht seine Hure, mit in seine Gemächer nehmen.

Ich erhob mich vom Tisch.

»Wohin soll’s denn gehen, Sawny?«, fragte einer von Bailors Freunden.

»Ein Hoch auf den Laird von Kyleakin«, rief ein anderer.

»Noch eine Runde«, ließ Bailor sich vernehmen. »Oder wollen wir das Spiel als beendet ansehen, mit dir als Verlierer?« Er wandte sich wieder seinen Kumpanen zu. »Vielleicht sollte ich meinen Gewinn dazu verwenden, ganz Kyleakin zu kaufen und seinen derzeitigen Verwalter vor die Tür zu setzen. Ich schätze, dass auf diesem Tisch ein Batzen mehr liegt, als ich dazu benötigen würde.«

Ich sagte nichts, hatte nur den Wunsch, aus diesem Coffee House zu verschwinden, bei dessen Geruch nach verschüttetem Wein, Schweiß und den Düften der Damen sich mir nun der Magen umdrehte. Ich wollte, dass mir die winterliche Abendkälte ins Gesicht schlug, damit ich einen klaren Kopf bekam, um meinen nächsten Schritt planen zu können, vor allem aber, um mir darüber klar zu werden, was schiefgegangen war und wie ich dem Mann unter die Augen treten sollte, der mir ein kleines Vermögen anvertraut hatte.

Ich musste mehr zur Tür geschlurft als gegangen sein, denn ehe ich die Klinke drücken konnte, war Bailor mit rotem, vor hämischer Siegesfreude glühenden Gesicht und mit seinen Kumpanen im Schlepptau schon wieder hinter mir. Im ersten Augenblick glaubte ich, er wolle mich herausfordern, noch auf eine andere Weise meine Kräfte mit den seinen zu messen, was mir tatsächlich nur recht gewesen wäre, hätte es mir doch einiges von meiner Seelenlast genommen, es ihm mit der Faust heimzuzahlen.

»Was ist noch?«, fuhr ich ihn an. Lieber sollte er sich an meinem Elend weiden als glauben, ich wolle mich davonstehlen. Obwohl man mich unter meiner Verkleidung nicht erkennen konnte und somit nichts, was ich tat, meinen guten Ruf beschmutzen könnte, war es mir als Mann doch zuwider, vor einem anderen davonzulaufen.

Einen Moment lang sagte er gar nichts und sah mich nur an. Dann beugte er sich vor, als wolle er mich auf die Wange küssen, aber stattdessen flüsterte er mir etwas ins Ohr. »Mr. Weaver«, sprach er mich bei meinem richtigen Namen an, »ich glaube, Sie haben soeben den langen Arm von Jerome Cobb zu spüren bekommen.«

Kapitel 2

Im ersten Morgengrauen richtete ich mich im Bett auf. Ich war weder ausgeruht noch erquickt, denn ich hatte die ganze Nacht nicht geschlafen, sondern ständig die Ereignisse des vorangegangenen Tages in meinem Kopf hin- und hergewälzt. Ich gab mir vergeblich alle Mühe zu begreifen, was sich abgespielt hatte, und dann stand mir auch noch das unangenehme Zusammentreffen mit Mr. Cobb bevor, bei dem ich ihm beichten musste, dass ich ihn statt um eine Genugtuung reicher um atemberaubende tausend Pfund ärmer gemacht hatte. Und nicht nur das – das Opfer seiner Rache wusste wohl von seinem Vorhaben und hatte den Spieß umgedreht und Mr. Cobb damit noch eine weitere Kränkung zugefügt. Ich war in Gedanken mindestens ein Dutzend Mal alle Möglichkeiten durchgegangen, die als Erklärung herhalten könnten, wie es zu dieser unschönen Wendung kommen konnte, doch bis auf eine einzige überzeugte keine davon. Um aber meinen geneigten Lesern Gelegenheit zu geben, dies nachzuvollziehen, will ich ein wenig zurückgreifen.

Ich stand noch keine zwei Tage in Mr. Cobbs Diensten, als es zu der unerfreulichen Begegnung in Kingsley’s Coffee House kam. An einem kalten, doch angenehm sonnigen Nachmittag hatte ich Botschaft von Mr. Cobb erhalten, dass er mich zu sprechen wünsche, und da mich nichts daran hinderte, seinem Wunsche Folge zu leisten, begab ich mich umgehend zu seinem Haus in der Swallow Street, unweit des St. James’s Square. Es war ein prächtiges Haus, in einem der neueren Teile der Metropole. Im Vergleich zu so manchen anderen in London waren die Straßen breit und sauber und, zumindest vorläufig, frei von Bettlern und Dieben, obschon ich bald Zeuge werden sollte, wie sich dieser glückliche Umstand änderte.

Obwohl es ein wolkenloser Tag war und eine wärmende Wintersonne mich beschien, waren die Straßen Londons zu dieser kalten Jahreszeit mit Eis und festgetretenem Schnee bedeckt, den allerdings der Ruß aus den Schornsteinen gräulich über braun bis hin zu schwarz verfärbt hatte. Ich konnte mich keine fünf Minuten im Freien aufhalten, ohne dass dieser Ruß sich bereits schwer auf meine Lunge zu legen begann, und nur wenig später bekam ich das Gefühl, eine schmutzige Rußschicht hätte meine ganze Haut bedeckt. Sowie die ersten warmen Tage kommen, pflege ich mich stets für einige Zeit nach außerhalb der Stadtmauern zu begeben, damit meine Lunge sich mittels frischer Landluft reinigt.

Als ich auf das Haus zuging, fiel mir ein Bediensteter auf, der einen halben Häuserblock vor mir mit einem großen Paket unter dem Arm unterwegs war. Er war in eine hellgrüne, mit Rot und Gold abgesetzte Livree gekleidet und trug einen leicht hochnäsigen Gang zur Schau, der verriet, wie stolz er auf die Stellung war, die er im Hause seines Herren innehatte.

Nun, dachte ich so bei mir, es gibt wohl nichts, was so gründlich den Neid der Minderbemittelten erweckt wie der Anblick eines schlichten Bediensteten, der die Nase hoch trägt, und gerade so, als hätte die Umgebung meinen Gedanken aufgegriffen, gewahrte ich, wie sich mindestens ein Dutzend Straßenbengel, die mit einem Male aus den schmalen Nischen zwischen den Häusern zum Vorschein gekommen waren, an die Fersen unseres Lakaien hefteten. Diese vom Schicksal Benachteiligten richteten ihre eigentlich völlig unangebrachte Häme gegen den Unglücklichen und umtanzten ihn wie kleine Höllenteufel. Es fiel ihnen dabei nichts Originelleres ein, als ihm zuzurufen, er sei ein Lackel; seht ihn euch doch nur an, er hält sich für ’nen feinen Herrn, der Laffe. Selbst aus sicherer Entfernung konnte ich beobachten, wie der Bedienstete sich verkrampfte, was ich zunächst für ein Zeichen von Angst hielt, obwohl ich rasch eines Besseren belehrt wurde. Die Straßenjungen setzten ihre Verhöhnungstirade noch eine halbe Minute fort, doch dann schoss unvermittelt die freie Hand des Gedemütigten wie eine Schlange vor und packte einen der Bengel bei seinem abgewetzten Kragen.

Ohne jeden Zweifel war der Diener in einem feinen Hause beschäftigt, denn seine Livree war gewaschen und gebügelt – er hatte darin fast etwas Soldatisches an sich. Dazu kam aber, dass der Bursche von eigenwilliger Physiognomie war: Mit seinen weit auseinanderstehenden Augen, seiner unverhältnismäßig kleinen Nase und den grotesk geschürzten Lippen erinnerte er an nichts so sehr wie an eine verwirrte Ente, oder, in diesem Moment jedenfalls, eine verwirrte, gereizte Ente.

Der Knabe, den er sich gegriffen hatte, konnte höchstens acht Jahre alt sein, und seine Kleidung hing in solchen Fetzen, dass es aussah, als würde sie nur von einer Schmutzschicht zusammengehalten. Sein Mantel war zerrissen, und ich vermochte kein Hemd darunter zu erkennen; ein Loch in seiner Hose entblößte seinen Hintern – ein Umstand, der ihm auf der Bühne eines Theaters so manchen Lacher beschert haben würde. Bei einem Bettler im Erwachsenenalter hätte dies äußerst abstoßend gewirkt, bei einem Kind allerdings erweckte er nur Gefühle des Mitleids. Am schlimmsten war es um die Stiefel des Jungen bestellt; sie bedeckten nur den Spann seiner Füße, und als der kräftig gebaute Diener ihn in die Höhe hielt, konnte ich die schmutzigen, mit blutenden Schwielen überzogenen Fußsohlen des Kindes sehen.

Die übrigen Kinder, deren Erscheinungsbild nicht minder abgerissen und verwahrlost war, hüpften schreiend um den Diener herum, beschimpften ihn und bewarfen ihn mit Steinen, was den Mann jedoch unbeeindruckt ließ, gerade so, als wäre er ein Untier aus den Tiefen des Meeres, das durch seinen dicken Panzer gegen eindringende Harpunen gefeit war. Der Knabe in seinem Würgegriff lief indessen feuerrot im Gesicht an und zappelte hin und her wie ein Hängender im Zuchthaus von Newgate bei seinem letzten Tanz in schwebender Höhe.

Der Bedienstete hätte ihn umbringen können. Und warum auch nicht? Wer wollte einen Mann dafür anklagen, dass er einem diebischen Waisenbengel den Garaus machte, die Sorte Landplage, der man kaum mehr Beachtung zollte als einer Ratte? Ich jedoch, wie meine geneigten Leser auf den folgenden Seiten erfahren werden, kann mich zu höchster moralischer Instanz aufschwingen, wenn die Umstände dies erfordern, und das Strangulieren eines Kindes hat seinen festen Platz in der Kategorie dessen, was ich nicht zu tolerieren gewillt bin.

»Lass den Jungen los!«, rief ich. Weder die Kinder noch der Bedienstete hatten mich bisher wahrgenommen, und nun drehte sich alles nach mir um. Aufrechten, entschlossenen Ganges näherte ich mich der Szene, denn ich hatte längst gelernt, dass ein entsprechendes Auftreten einem mehr Gewicht verlieh als die Kraft irgendeines Amtes. »Setz das Kind ab, Mann.«

In seinem Erpelzorn hatte der Bedienstete nur ein verächtliches Schnauben für mich übrig. An der Schlichtheit meines Gewandes und an der Tatsache, dass ich keine Perücke über meinem Haar trug, konnte er gewiss erkennen, dass ich den mittleren Ständen zugehörig war und kein Gentleman, dessen Befehlen widerspruchslos Folge zu leisten wäre. Dennoch war ihm der Tonfall meiner Stimme nicht entgangen, und ich konnte darauf bauen, dass dieser mir eine gewisse Autorität verlieh. Und doch schien er keineswegs eingeschüchtert, sondern im Gegenteil eher nur noch wütender zu werden und drückte, soweit ich es erkennen konnte, noch fester zu, so dass der Junge wohl nur noch wenige Sekunden zu leben haben dürfte, was keinen weiteren Aufschub eingreifenden Handelns mehr duldete. Dementsprechend zog ich meinen kurzen Säbel aus seiner Scheide und richtete die Klinge geradewegs an seinen Hals. Es war mir Ernst, und ich hatte nicht vor, wie ein Tor zu wirken, der leere Drohungen ausstößt.

»Ich werde nicht zulassen, dass der junge erstickt, während ich eine Entscheidung fälle, ob du mich ernst nimmst oder nicht«, sagte ich. »Wenn du den Knaben nicht binnen fünf Sekunden loslässt, werde ich dich aufspießen. Verfalle nicht auf den Irrtum, ich hätte so etwas nicht schon früher getan, und sei gewiss, dass ich auch in Zukunft nicht davor zurückschrecken werde.«

Die Augen des Mannes zogen sich zu zwei Schlitzen unter seiner vorgewölbten Stirn zusammen. Aber er musste an der Glut meines Blickes erkannt haben, dass ich nicht zu Scherzen aufgelegt war, denn seine verbissenen Züge lockerten sich augenblicklich, und der Junge plumpste aus zwei Fuß Höhe auf die Erde, von wo ihn seine Kameraden rasch fortzerrten. Nur wenige von ihnen warfen mir noch einen Blick zu, während sie sich in sichere Entfernung zurückzogen – weit genug, um nötigenfalls die Flucht ergreifen, nahe genug, um uns im Auge behalten zu können. Nur einer machte eine übertriebene Art Verbeugung, als er rückwärts laufend das Weite suchte.

In den Augen meines Widersachers flackerte erneut mörderische Wut auf. Wenn er sein Mütchen schon nicht an einem Jungen kühlen konnte, dachte er möglicherweise, dann könne er es vielleicht mit mir aufnehmen.

Um ihm zu zeigen, dass ich nichts dergleichen im Sinn hatte, steckte ich meinen Dolch in die Scheide zurück. »Nun fort mit dir«, sagte ich. »Mir fehlen die Worte für einen so niederen Charakter, der sich an Grausamkeiten gegen Kinder ergötzt.«

Mein Gegenüber wandte sich den Jungen zu, die uns aus der Distanz beobachteten. »Ihr haltet euch vom Haus fern!«, schrie er. »Ich weiß nicht, wie ihr euch Zugang verschafft, aber ihr bleibt draußen, oder ich drücke jedem Einzelnen von euch die Kehle zu.« Alsdann ließ er sich dazu herab, sein Schwimmvogelgesicht mir zuzuwenden. »Ihr vergeudet Euer Mitgefühl. Es sind Diebe, üble Schlingel, und Ihr gedankenloses Handeln wird sie nur zu weiteren Schurkereien aufstacheln.«

»Ich verstehe. Du bevorzugst es, einen Knaben zu ermorden, bevor er sich zu etwas aufstacheln lässt.«

Der Zorn des Bediensteten ebbte zu einem gärenden Groll ab, der wohl seiner Vorstellung von Gleichmut entsprach. »Wer seid Ihr? Ich habe Euch noch nie in dieser Straße gesehen.«

Ich zog es vor, ihm nicht meinen Namen zu nennen, denn ich wusste nicht, ob mein möglicher Auftraggeber es wünschte, dass seine Verbindung zu meiner Person bekannt würde. Also gab ich stattdessen seinen Namen als Referenz an. »Ich habe geschäftlich mit Mr. Jerome Cobb zu tun.«

Wieder veränderte sich sein Gesichtsausdruck. »Dann kommt mit mir. Ich stehe in Mr. Cobbs Diensten.«

Der Diener gab sich plötzlich alle Mühe, seinen Groll zu unterdrücken und mich bevorzugt zu behandeln, zumindest, bis er abschätzen konnte, von welcher Bedeutung ich für seinen Herrn war. Er führte mich in ein elegantes Stadthaus und bat mich, in einem Zimmer voller mit rotem Samt bezogener und mit Goldtressen verzierter Stühle und Polsterbänke Platz zu nehmen. An den Wänden hingen diverse Porträts in dicken goldenen Rahmen und dazwischen jeweils bodenlange Spiegel, um das Licht besser einzufangen. Zwischen den Bildern und Spiegeln ragten silberne Kerzenhalter aus den Wänden, und der Boden war von einem fein gewobenen, riesengroßen Orientteppich bedeckt. Dem Haus und der Wohngegend nach zu schließen verfügte Mr. Cobb zweifelsohne über beträchtliche Mittel, und die Einrichtung seiner Räume wies ihn mir auch als einen Mann von Geschmack aus.

Es gehört zu den Angewohnheiten der Reichen, diejenigen niederen Standes, so wie mich, eine unangemessen lange Zeit ihre Hacken kühlen zu lassen. Ich habe nie begriffen, warum die Mächtigen im Lande, die, die in diesem Königreich zweifelsohne die Fäden in der Hand halten, ständig ihre Macht unter Beweis stellen müssen, und ich wusste nicht einmal, ob sie diese Macht mir oder sich selber beweisen zu müssen meinen. Doch wie ich bald feststellen durfte, gehörte Cobb auf vielerlei Weise nicht zu dieser Sorte mächtiger Männer. Er ließ mich höchstens eine Viertelstunde warten, ehe er, gefolgt von seinem finster dreinblickenden Diener, persönlich ins Zimmer kam.

»Ah, Mr. Benjamin Weaver. Welch eine Freude, Sir, welch eine Freude.« Er verbeugte sich vor mir und gab mir mit einer Geste zu verstehen, dass ich auf dem Stuhl Platz behalten sollte, von welchem ich aufgesprungen war. Ich erwiderte die Verbeugung und setzte mich wieder hin.

»Edward«, sagte er zu seinem Diener, »hole Mr. Weaver ein Glas von unserem vorzüglichen Claret.« Dann wandte er sich mir zu. »Sie trinken doch ein Glas Claret, nicht wahr?«

»Nur, wenn er wirklich so vorzüglich ist«, antwortete ich.

Er lächelte mir zu. Mr. Cobb war ein Mann, der viel lächelte. Ich schätzte ihn auf Ende vierzig; er war ein wenig beleibt, wie die Männer dieses Alters es halt sind, doch, wie ich fand, von angenehmem Äußeren, mit einem freundlichen, faltigen Gesicht und leuchtenden blauen Augen. Eine Frohnatur, wie es schien, aber ich hatte die Erfahrung gemacht, dass man sich vor solchen Frohnaturen besser in Acht nehmen sollte. Manchmal waren sie das, als was sie erschienen, aber manchmal war das leutselige Naturell auch nur aufgesetzt, um einen grausamen Charakter dahinter zu verbergen.

Sowie Edward mir den Wein gereicht hatte – der Claret war in der Tat vorzüglich und wurde in einem reich verzierten Kristallglas kredenzt, in das etwas eingraviert war, das aussah wie ein tanzender Fisch –, nahm Cobb mir gegenüber auf einem der roten Samtstühle Platz, nippte an seinem Wein und schloss genussvoll die Augen. »Ich habe oft mit Wohlwollen über Sie reden hören, Mr. Weaver. Man sagt Ihnen nach, Sie wären genau der Richtige, um etwas Verlorengegangenes wiederzufinden. Und auch, dass Sie sich geschickt zu tarnen wüssten. Kein leichtes Unterfangen für jemanden, über den die Zeitungen so viel zu schreiben haben.«

»Ein Gentleman könnte meinen Namen wissen, ohne mein Gesicht zu kennen«, erwiderte ich. »Nur das schärfste Auge erkennt ein Gesicht ohne die gewohnte Umgebung. Geschickt ausgewählte Perücke und Gewand wirken Wunder, wie ich aus Erfahrung weiß.«

»Ja, über Ihre Beschlagenheit in solchen Dingen ist mir viel zu Ohren gedrungen. Und ebendarum habe ich eine Aufgabe, die ich Sie für mich zu erledigen bitte und die es erfordert, dass Sie in Verkleidung auftreten. Es handelt sich um die Arbeit von nur einem einzigen Abend und verlangt nicht mehr von Ihnen, als dass Sie sich in einen Spielsalon begeben, mit gewissen Damen schöntun und mit ihnen etwas trinken und beim Kartenspiel mitmachen, ohne dabei Ihr eigenes Geld einsetzen zu müssen. Dafür würde ich Ihnen fünf Pfund bezahlen. Nun, was sagen Sie dazu?«

»Wenn jeder Mann auf so angenehme Weise fünf Pfund verdienen könnte, gäbe es in London kaum noch Menschen mit Schulden, würde ich dazu sagen.«

Er lachte und fuhr damit fort, dass er mir von einem gewissen Bailor erzählte, einem Falschspieler, der ihn, Cobb, bei einer Runde das Kartenspiels Cacho auf die unverschämteste Art und Weise betrogen hatte. »Ich kann damit leben zu verlieren«, sagte er, »und ich kann sogar damit leben, als Dummkopf dazustehen, weil ein anderer geschickter war als ich. Aber als ich erfuhr, dass dieser Bailor ein berufsmäßiger Falschspieler ist, war es zu viel des Guten. Ich möchte es ihm heimzahlen.« Sodann erörterte mir Cobb seinen Plan. Jener Bailor würde am folgenden Abend bei Kingsley’s zugegen sein, und Cobb hatte bereits mit dem Geber am Cacho-Tisch einen Handel ausgemacht, so dass von mir nicht mehr erwartet wurde, als Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen und dafür zu sorgen, dass Bailor mich zu einem Wettspiel herausforderte. Nachdem Cobb mich auch über Bailors Abneigungen informiert hatte, kamen wir rasch überein, dass ich als schottischer Lackaffe auftreten sollte. Cobb stand kurz davor, sich vor Freude selber zu umarmen. »Er wird so ahnungslos in die Falle tappen, dass ich mir wünschte, ich könnte selber dabei sein. Doch ich fürchte, meine Anwesenheit würde ihn argwöhnisch machen, also halte ich mich lieber fern.«

Als ich auf das Geld zu sprechen kam, das ich gegen Bailor einsetzen sollte, sagte Cobb, dass ich mir in dieser Hinsicht keine Sorgen zu machen brauchte. Er zückte seine Brieftasche und entnahm ihr ein beachtliches Bündel Banknoten. »Das sind zwölfhundert Pfund«, erklärte er, ohne allerdings Anstalten zu machen, mir das Geld in die Hand zu geben. »Einen Teil davon werden Sie verlieren, um ihn anzustacheln, aber ich wünsche, dass Sie beim entscheidenden Schlag so nahe an eintausend Pfund Einsatz herangehen wie möglich.« Er behielt das Geld weiterhin fest in der Hand.

»Sorgen Sie sich vielleicht um die Sicherheit Ihres Geldes?«

»Es ist immerhin sehr viel mehr als das, was für Sie dabei herausspringt.«

»Ich glaube, dass selbst in jenen Berichten, die mich am schlechtesten beleumunden, nie davon die Rede war, ich sei ein Dieb oder ein Betrüger. Ich gebe Ihnen mein Wort, dass ich mit Ihrem Geld nur so verfahren werde, wie Sie es von mir wünschen.«

»Ja, selbstredend.« Cobb läutete die kleine Glocke, die auf dem Tisch neben ihm stand. Wiederum betrat sein Diener das Zimmer, diesmal in Begleitung eines mürrisch dreinblickenden Mannes in ungefähr meinem Alter, was bedeutete, dass er an die dreißig Jahre alt sein durfte. Entweder hatte er eine niedrige Stirn oder seine Perücke zu weit nach unten gezogen, wobei ich allerdings das Erstere vermutete, denn auch ansonsten waren seine Züge alles andere als vollkommen – eine zu große, klumpige Nase, eingefallene Wangen, ein fliehendes Kinn. Kurz gesagt, er war ein äußerst unattraktiver Mann, der gemeinsam mit Edward, dem Diener ein ausgesprochen unangenehmes Paar abgab. Ich halte nicht viel davon, aus der Physiognomie eine Wissenschaft zu machen, aber die beiden waren so abstoßend, dass ich fast überzeugt war, ihr Charakter müsse ihnen ins Gesicht gezeichnet sein.

»Mr. Weaver, hier sehen Sie Mr. Tobias Hammond, meinen Neffen und treuen Diener Seiner Majestät im königlichen Zollamt.«

Hammond verbeugte sich steif. Ich erhob mich und erwiderte die Geste.

»Er arbeitet im Zollamt Seiner Majestät«, wiederholte sich Cobb.

»Ja«, erwiderte ich.

»Ich wollte lediglich darauf hinweisen, dass er am Zollamt beschäftigt ist«, sagte Cobb.

»Schon gut, Onkel«, sagte Hammond. »Ich glaube, das hat er jetzt verstanden.«

Cobb wandte sich wieder mir zu. »Obwohl, wie Sie schon sagten, ich nie eine glaubwürdige Äußerung vernommen habe, durch die Ihre Ehrlichkeit in Frage gestellt würde, macht es Ihnen hoffentlich nichts aus, dass ich zwei Zeugen hinzugeholt habe, die sehen, dass ich Ihnen zwölfhundert Pfund anvertraue. Ich erwarte von Ihnen, dass sie mir das Geld spätestens am Donnerstagmorgen zurückerstatten – einschließlich sämtlicher Gewinne, die Sie damit gemacht haben. Da diese Gewinne einzig und allein durch meine eigenen Vorbereitungen möglich sein werden, gehe ich doch davon aus, dass Sie keinen prozentualen Anteil daran für sich beanspruchen werden.«

»Natürlich. Und wenn es Ihnen lieber ist, kann ich Ihnen das Geld auch noch am gleichen Abend zurückbringen. Es wäre mir angenehm, es nur so kurz wie möglich in meinem Besitz zu wissen.«

»Damit Sie nicht in Versuchung geraten, sich damit davonzumachen, nehme ich an?« Er lachte über seinen eigenen Scherz.

»Natürlich ist eine so große Summe Geldes verführerisch, aber bisher ist es mir stets gelungen, mich zu beherrschen.«

»Onkel, seid Ihr sicher, dass das klug ist?«, fragte der Neffe, Mr. Hammond aus dem Zollamt.

»Oh, das bin ich gewiss«, antwortete Cobb.

Hammond verzog sein komisches Gesicht zu einer noch hässlicheren Fratze des Missbehagens. Er wandte sich dem Diener zu. »Das wäre dann alles, Edmond.«

Edmond. Cobb, so fiel mir auf, hatte ihn Edward genannt. Sowie der Diener gegangen war, sah mich Hammond aus strengen braunen Augen an.

»Ich habe vernommen, dass dieser Mr. Weaver einen akzeptablen Ruf genießt«, sagte er, »aber es kann kein vernünftiges Unterfangen sein, einem Mann eine solche Summe anzuvertrauen, die mehr darstellt, als er bei allem guten Willen in einem Zeitraum von mehreren Jahren zu verdienen hoffen könnte.«

»Es ist eine beträchtliche Summe«, pflichtete ich ihm bei. »Aber wenn ich sie stehlen wollte, würde das heißen, dass ich mich verstecken, meinen guten Namen aufgeben und auf alle Aussichten, mir auch noch in Zukunft etwas zu verdienen, verzichten müsste. Wenn es jedoch nach diesem Auftrag die Runde macht, dass man mir diese Summe anvertraut hat und ich Mr. Cobbs Vertrauen nicht enttäuscht habe, kann mein Einkommen in Zukunft nur noch größer werden. Und außerdem war dies Mr. Cobbs Einfall und nicht der meine. Ich habe nicht darum gebeten, dass mir ein solches Vertrauen entgegengebracht wird, und ich werde auch nicht darauf bestehen, das Geld an mich zu nehmen.«

»Wenn es mein Geld wäre, würde ich ihn einen Schuldschein dafür unterschreiben lassen«, meinte Hammond.

»Wenn es dein Geld wäre, könntest du damit machen, was du für richtig hältst, so, wie ich mit meinem Geld verfahre.« Aus Cobbs Worten war keine Spur von Verstimmung herauszuhören. Im Gegenteil, er klang gut gelaunt, als wäre es unmöglich, ihn zu reizen. »Was bedeutet schon ein Stück Papier, wenn man Zeugen hat. Der gute Ruf, der Mr. Weaver vorauseilt, bürgt besser für mein Geld als jeder Fetzen.«

»Wie Ihr wünscht, Sir.« Hammond zog sich mit einer Verbeugung zurück.

Während der nächsten halben Stunde erzählte mir Cobb noch mehr von dem, was er über Bailor wusste, und instruierte mich auch, was ich zu ihm sagen sollte, sowie ich ihm seine Niederlage beigebracht hatte. Ich war zuversichtlich, meine fünf Pfund mit Leichtigkeit verdienen zu können, doch gleichzeitig beschlich mich ein ungutes Gefühl, denn niemand kann zwölfhundert Pfund in bar mit sich herumtragen und sich dabei wohl in seiner Haut fühlen. Ich hatte nur den Wunsch, zu tun, was mir aufgetragen ward, und dann schnellstmöglich das Geld zurückzuerstatten.

Als ich das Haus verließ, sah ich, dass der Diener an der Tür darauf gewartet hatte, dass ich ging. Sein misstrauischer Blick folgte mir; er schien sich vergewissern zu wollen, dass ich auf dem Weg nach draußen nicht noch etwas mitgehen ließ. Ich konnte mir kaum ausmalen, was mich dazu treiben sollte, nachdem sein Herr mir eine solche Summe anvertraut hatte, die ich nur auszugeben brauchte.

Bevor ich ihm den Rücken kehrte, sprach ich ihn noch einmal an. »Mr. Cobb hat Sie Edward genannt, aber Mr. Hammond hat Sie mit Edmond angesprochen. Was ist denn nun richtig?«

»Edgar«, sagte er und schlug mir die Tür vor der Nase zu.

Nach allem, was ich über Cobbs Plan wusste, kam nur eine Schlussfolgerung in Betracht: Der Mann, der die Karten gab, hatte die Sache an Bailor verraten. Dieser Mann war, wenn ich es recht verstanden hatte, neben Cobb, Hammond und mir der Einzige, der in alles eingeweiht war, und da er die Karten gab, konnte niemand sonst einen so unglücklichen Ausgang in die Wege geleitet haben. Es war durchaus möglich, dass Bailor ihm angeboten hatte, ihn kameradschaftlich an seinem Gewinn zu beteiligen. Ich dachte schon daran, mir den Schurken vorzuknöpfen und ein Geständnis aus ihm herauszuprügeln, bevor ich zu Mr. Cobbs Stadthaus zurückkehrte, aber mein Verstand hielt mich davon ab. Gewiss war es richtig, dass der Geber die Karten zu Gunsten von Bailor manipuliert haben konnte, aber das vermochte ich nicht zu beweisen, also brauchte ich mehr Informationen, bevor ich zur Tat schritt. Dass die Komplizenschaft des Gebers die naheliegendste Erklärung darstellte, hieß allerdings noch nicht, dass dies die einzige Erklärung war. Ich war Zeuge geworden, wie sowohl sein Diener als auch sein Neffe sich Mr. Cobb gegenüber feindselig gezeigt hatten, und es lag zumindest im Bereich des Möglichen, dass einer der beiden seine Finger im Spiel hatte.

Wenn ich meine Ehre retten wollte, würde mir nichts anderes übrig bleiben, als zu Mr. Cobb zurückzugehen, ihm alles zu erzählen, was sich zugetragen hatte, und ihm dann von mir aus anzubieten, nicht nur seinen Schaden wiedergutzumachen, sondern auch herauszufinden, was an seinem Plan schiefgegangen war. Es gab so vieles, was ich über den Mann nicht wusste, und ich konnte mich keinesfalls darauf verlassen, dass er alles mit Umsicht durchdacht hatte. Zum einen war es möglich, dass er in seiner törichten Vorfreude nicht den Mund gehalten hatte und dass etwas von seinem Plan auf Umwegen zu Bailor durchgesickert war. Doch wie gesagt, es erschien mir vorerst nicht klug, diese Spur ohne zusätzliche Informationen zu verfolgen.

Auf mein Klopfen wurde mir sofort von dem Diener die Tür geöffnet. Er begrüßte mich mit einem höhnischen Grinsen auf seinen wie zu einem Schnabel geschürzten Lippen. »Weaver, der Jude«, sagte er.

»Edgar, der kinderschändende Stiefellecker, den niemand bedeutsam genug findet, um sich seinen Namen zu merken«, gab ich zurück, denn ich war wütend und müde und hatte keine Lust, mich mit dem Mann auf Spielchen einzulassen.

Er führte mich sogleich wieder in das Zimmer mit den vielen Sitzmöbeln, wo ich diesmal – nun, wohl eine gute Dreiviertelstunde warten musste, wobei jedes Ticken der Standuhr mir wie eine Ohrfeige vorkam. Ich fühlte mich wie ein Patient, der auf den Arzt wartet, damit der ihm seine Nierensteine herausnimmt – ich fürchtete mich vor dem Eingriff, wusste aber um seine Unvermeidbarkeit und wollte ihn lieber früher als später hinter mir haben.

Endlich erschien Edgar und führte mich in den Salon. Mr. Cobb stand, in gesetztes Braun gekleidet, mitten im Raum und lächelte mit dem Eifer eines Kindes, das eine Süßigkeit erwartet. In einer Ecke lauerte, die Knollennase in eine Zeitung gesteckt, Mr. Hammond in einem Sessel. Er hob kurz den Blick, als ich eintrat, nahm aber dann ohne ein Wort seine Lektüre wieder auf.

»Ich schätze, Sie haben Neuigkeiten für mich, Sir«, begrüßte mich Cobb. Er rieb sich erwartungsvoll die Hände.

»In der Tat«, sagte ich, nachdem er sich gesetzt hatte. »Aber es sind keine erfreulichen Neuigkeiten.«

»Keine erfreulichen Neuigkeiten.« Sein Lächeln erstarrte. »Aber Sie haben doch noch das Geld?«

Nun erst erweckte meine Anwesenheit Hammonds Interesse. Er legte seine Zeitung hin und starrte mich wütend an, wobei seine Augen, wie bei dem eingezogenen Kopf einer Schildkröte, gerade eben unter seiner Perücke hervorlugten.

»Leider nicht«, sagte ich zu Cobb. »Es ist etwas ganz fürchterlich danebengegangen, Sir, und obwohl es mir überhaupt nicht liegt, nach Entschuldigungen für mich selbst zu suchen, habe ich an dieser Angelegenheit nichts ändern können. Es ist denkbar, dass Sie von dem Angestellten von Kingsley’s hintergangen worden sind, denn die Karten, die ich von ihm bekam, hielten nicht, was ich mir von ihnen versprochen hatte, und nachdem alles vorüber war, zeigte er keinerlei Anzeichen von Betroffenheit. Ich habe über die Geschehnisse des gestrigen Abends lange nachgedacht, und ich glaube …«

»Wie ich es prophezeit habe«, sagte Hammond fast gleichmütig. »Der Jude hat unser Geld genommen.«

»Es ist durch Perfidität verloren gegangen«, verteidigte ich mich und gab mir dabei größte Mühe, weder arrogant noch verbittert zu klingen. »Doch darf ich Ihnen versichern, nicht durch meine.«

»Wäre auch kaum denkbar, dass Sie es uns sagen würden, wenn es sich anders verhielte«, knurrte Hammond triumphierend.

Cobb jedoch warf ihm einen Blick zu, dass er sich zurückhalten solle. »Wenn Sie das Geld gestohlen hätten, wären Sie ja kaum hier, um uns davon zu erzählen«, sagte er.

»Pah«, ließ sich Hammond vernehmen. »Er will sich zusätzlich zu dem, was er eingesackt hat, wohl noch seine fünf Pfund Bezahlung abholen. Ein feines Schlitzohr, muss ich sagen.«

»Unsinn«, sagte Cobb, mehr zu mir als zu seinem Neffen. »Nichtsdestotrotz haben Sie es verloren, was Sie in meinen Augen zwar nicht verachtenswert macht, was ich Ihnen aber kaum verzeihen kann.«

»Ja, ich habe es verloren, und obwohl ich die Schuld daran nicht bei mir selber suchen kann, betrachte ich mich sowohl als hintergangen als auch irgendwie für den Verlust verantwortlich. Ich versichere Ihnen, dass ich keine Ruhe geben werde, bis wir herausfinden, wer …«

»Sie versichern mir?«, wiederholte Cobb. Seine Stimme klang eine Spur düsterer. »Ich habe Ihnen dieses Geld anvertraut, und Sie haben mir versichert, mein Vertrauen nicht zu enttäuschen. Ich fürchte, Ihre Versicherungen halten nicht ganz das, was ich mir von ihnen versprochen habe.«

»Jeder hätte vorhersagen können, dass es so ausgeht«, meldete sich noch einmal Hammond zu Wort. »Wenn ich mich recht erinnere, habe ich meine warnende Stimme erhoben.«

»Ich habe Ihr Vertrauen nicht missbraucht«, sagte ich zu Cobb und spürte, wie auch in mir die Wut hochzukochen begann. Ich war schließlich ebenso sehr aufs Kreuz gelegt worden wie er und mochte mir seine Andeutungen nicht länger anhören. »Ich muss darauf hinweisen, dass es Ihr eigener Plan war, in dem von Anfang an der Wurm steckte. Aber das spielt jetzt keine Rolle, denn ich bin fest entschlossen …«

»Mein Plan, sagt er«, unterbrach mich Cobb. »Sie erweisen sich als ganz schön unverschämt, Weaver. Das hätte ich nicht von Ihnen erwartet. Nun, seien Sie so unverfroren, wie Sie wollen, aber sobald Sie mit Ihren Bemühungen fertig sind, mir diesen Verlust schmackhaft zu machen, werden Sie mir doch wohl zustimmen, dass Sie mir zwölfhundert Pfund schulden.«

Hammond nickte. »Ganz recht. Und er muss die Schuld augenblicklich begleichen.«

»Die Schuld begleichen? Zunächst muss ich in Erfahrung bringen, wer Ihnen das Geld abgenommen hat, und dazu brauche ich Ihre Hilfe. Wenn Sie sich einen Moment Zeit nehmen, meine Fragen zu beantworten, können wir, glaube ich, herausfinden, wem wir den Verlust zu verdanken haben.«

»Was ist das? Ein Versuch, alles zu vernebeln?«, warf Hammond ein. »Sie haben versprochen, das Geld heute früh zurückzubringen. Das haben Edward und ich mit eigenen Ohren gehört. Versuchen Sie es jetzt nicht mit irgendwelchen lumpigen Ausflüchten. Sie haben eine beträchtliche Menge Geldes entweder entwendet oder verloren, und nun wollen Sie eine hochnotpeinliche Befragung meines Onkel durchführen? Ihren Nerv möchte ich haben, mein Lieber.«

Cobb schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, mein Neffe hat recht, Mr. Weaver. Ich wäre ein schlechter Verwalter meiner Finanzen, wenn ich bei dieser Schuld ein Auge zudrücken würde. Leider muss ich darauf bestehen, dass Sie mir, wie zugesagt, heute früh das Geld zurückerstatten. Wenn Ihnen das nicht möglich sein sollte, bleibt mir keine andere Wahl, als einen Haftbefehl gegen Sie zu beantragen.«

»Einen Haftbefehl?« Ich hatte das Wort lauter, als ich beabsichtigt hatte, ausgestoßen, aber es fiel mir zunehmend schwerer, mich im Zaume zu halten. »Das kann ja wohl nicht Ihr Ernst sein.«

»Es ist mein voller Ernst. Haben Sie das Geld nun zur Verfügung oder nicht?«

»Das habe ich nicht«, sagte ich mit so unerbittlicher Stimme, als wären es die letzten Worte eines Straßenräubers unter dem Galgen. »Und wenn ich es hätte, würden Sie es nicht bekommen.« Ich hatte erwartet, dass Cobb sehr unzufrieden mit dem Ausgang unseres Vorhabens sein würde, aber nie im Leben, dass er mich auf eine solche Weise behandeln könnte. Schließlich war es der Dritte im Bunde gewesen, der ihn hintergangen hatte. Trotzdem führte kein Weg daran vorbei, dass ich mich in einer prekären Situation befand, denn er konnte zwei Zeugen vorweisen, die schwören würden, dass sie mein Versprechen, das Geld zurückzuerstatten, gehört hatten, und dieses Versprechen konnte ich nun nicht einlösen.