Die Vampirschwestern (Band  2) – Ein bissfestes Abenteuer - Franziska Gehm - E-Book

Die Vampirschwestern (Band 2) – Ein bissfestes Abenteuer E-Book

Franziska Gehm

4,9

Beschreibung

Onu, zoi, trosch - und los geht's! Daka und Silvania nehmen ihre Freundin Helene mit auf einen waghalsigen Ausflug über die Stadt. Leider endet dieser in einer katastrophalen Bruchlandung, die für jede Menge Ärger sorgt. Doch damit nicht genug, denn für die Schule müssen die Zwillinge über eine Ausstellung im Kunstmuseum schreiben. Langweilig? Keineswegs, denn die beiden werden unfreiwillig Zeugen eines Überfalls. Jetzt sind ihre vampirischen Fähigkeiten gefragt, um das Schlimmste zu verhindern. Das ist allerdings gar nicht so einfach, und schon schweben die Schwestern selbst in Gefahr … Franziska Gehms lustige Reihe für Mädchen ab 10 Jahren begleitet die halb-vampirischen Teenie-Schwestern Daka und Silvania durch ihren Alltag mit Eltern und Schule, aber auch durch Abenteuer mit bissigen Fledermäusen und der ersten Liebe. Unterstützt werden die paranormalen Heldinnen von Helene, deren Freundschaft allen Unterschieden, Hindernissen und Gefahren trotzt. Mehr Infos rund um die Vampirschwestern unter: www.vampirschwestern.de

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Für jeden Popo was

Elvira Tepes klemmte sich fünf Klobrillen unter den Arm. Dann hängte sie sich ihre Handtasche über die Schulter und gab ihrem Mann einen Abschiedskuss. Sein schwarzer Schnauzbart, der zwei riesengroßen Lakritzschnecken ähnelte, kitzelte. „Tschüss, mein Mihai. Schlaf gut!“

Mihai Tepes stand auf der Treppe zum Keller und lächelte seiner Frau nach. Als die Haustür ins Schloss fiel, gähnte er. Es war schon fast zehn Uhr morgens. Höchste Zeit, in den Sarg zu gehen. Langsam stieg Herr Tepes die Stufen hinab. Er konnte gar nicht glauben, dass er sich so schnell an das neue Zuhause gewöhnt hatte. Doch sein Heimweh blieb nach wie vor groß. Er vermisste die dichten transsilvanischen Wälder, seine Freunde und Verwandten. Er vermisste es, als richtiger Vampir zu leben.

Es war schon fast ein Monat vergangen, seit der Möbeltransporter aus Transsilvanien in den Lindenweg gebogen war. Mihai und Elvira Tepes waren mit ihren Töchtern Silvania und Daka in das Reihenhaus Nummer 23 eingezogen. Mihai Tepes, zweiter Sohn einer ehrwürdigen Vampirfamilie aus Bistrien, wohnte samt Sarg, Orgel und Rennzecken im Keller. Nicht ganz freiwillig.

Elvira Tepes hatte in der oberen Etage nicht nur ein Schlafzimmer besetzt, sondern auch eins der Kinderzimmer, das ursprünglich für Silvania vorgesehen war. Dort lagerte sie 250Klobrillen, die sie günstig in Rumänien erstanden hatte. Vor ein paar Tagen hatte sie ihren ersten eigenen Laden in der Innenstadt von Bindburg eröffnet. „Die Klobrille“. Es war der erste Klobrillenladen der ganzen Stadt. Vielleicht sogar in ganz Deutschland. Oder im ganzen Universum. Silvania und Daka hatten ihrer Mutter bei den Vorbereitungen zur Eröffnung geholfen. Sie hatten den Werbeslogan von Frau Tepes an das Schaufenster geklebt: Ich gestalte Klobrillen, ganz nach Ihrem Willen. Klobrillen nach Maß – für jeden Popo was!

Frau Tepes hatte zu Anschauungszwecken bereits ein paar Klobrillen kunstvoll gestaltet. Sie hingen wie Ausstellungsstücke in einem Museum an der Wand des kleinen Ladens. Die Eröffnung war ein voller Erfolg gewesen. Zunächst waren nur Familie Tepes, Oma Rose und Opa Gustav und der Ladenvermieter Dr.Peter Steinbrück mit seiner Tochter Helene gekommen. Doch im Laufe des Tages verirrten sich immer mehr Schaulustige und Stadtbummler in den außergewöhnlichen Laden. Frau Tepes bekam sogar die ersten Aufträge: Ein Mann wollte eine hellblaue Plüschklobrille, passend zu seinem Badvorleger, und eine Frau wollte eine Klobrille bemalt mit Gummibärchen, damit sie ihren kleinen Sohn dazu brachte, statt auf das Töpfchen aufs Klo zu gehen.

Frau Tepes war sehr zufrieden. Mit ihrem Laden, dem Umzug zurück in ihre Heimat und mit ihrem Mann, der sich noch mal in aller Form bei Herrn Dr.Steinbrück entschuldigt hatte. In einem nächtlichen Anflug von Eifersucht hatte er versucht, ihn zu beißen. Bei mehreren Kaffees, Tees und Sprudelwässern war es Frau Tepes gelungen, ihren Vermieter von der Harmlosigkeit ihres Mannes zu überzeugen. Zumindest dachte er jetzt, Mihai Tepes litte an einer unerforschten psychischen Störung: krankhafte Eifersucht mit Bisszwang.

Wäre es nur nach Mihai Tepes gegangen, hätte er freiheraus gesagt, wie es sich wirklich verhielt: Er war ein Vampir! Und darauf war er stolz. Er hasste es, sich zu verstecken. Aber er hatte es Elvira versprochen. Sie glaubte an Vampirjäger und fürchtete, alle Menschen würden entweder die Flucht ergreifen oder auf die Familie losgehen, wenn sie wüssten, dass ihr Mann ein Vampir und ihre Töchter Halbvampire waren. Dabei lebten Vampire, Halbvampire und Menschen in Transsilvanien friedlich zusammen. Na gut, nicht ganz so friedlich. Ab und zu verschwand schon mal ein unvorsichtiger Mensch. Aber er war selbst schuld, wenn er nicht aufpasste!

Mihai Tepes schloss die Kellertür, legte sich in seinen Sarg mit der Heimaterde und atmete tief ein. Er schloss die Augen und stellte sich vor, mit seinem Bruder Vlad durch die transsilvanischen Wälder zu fliegen, über rauschende Bäche hinweg und durch steinige Schluchten. Sie verspeisten genüsslich die Fliegen, die sich dabei in ihren Mund verirrten. Der Wind zerzauste Mihai die halblangen pechschwarzen Haare, während sie immer schneller flogen, geradewegs auf den Vollmond zu …

„Papa?“

Jemand klopfte kräftig am Sargdeckel. Mihai Tepes stöhnte. Er verabschiedete sich von seinem Traum, von Vlad, dem Mond und den transsilvanischen Wäldern. Dann öffnete er die Augen und stieß den Sargdeckel auf. „Was?“

Seine Tochter Daka, die sieben Minuten jüngere Zwillingsschwester von Silvania, hielt ihm den Telefonhörer entgegen. „Onkel Vlad.“

Herr Tepes fuhr sich durch die Haare. „Schon wieder?“

Daka nickte.

„Mitten am Tag?“

Daka nickte abermals.

Schließlich nahm Herr Tepes den Telefonhörer. „Danke“, sagte er und strich Daka kurz über ihre Stachelhaarfrisur. Erst gestern Nacht hatte Mihai Tepes mit seinem Bruder gechattet. Und vorgestern Nacht hatten sie sich im Fünfminutentakt SMS geschrieben. Herrn Tepes tat noch immer der Daumen weh. Anscheinend vermisste Vlad seinen kleinen Bruder in Transsilvanien genauso sehr wie der seinen großen Bruder in Deutschland.

„Hoi, Vlad“, meldete sich Mihai. Das Gespräch fand natürlich auf Vampwanisch statt. Einer der kompliziertesten und ältesten Sprachen der Welt. Vlad erkundigte sich nach der Familie, dann regte er sich über einen Nachbarn auf, der tagsüber Orgel spielte (und dazu noch schlecht), und schließlich kam er zu seinem Lieblingsthema: der Weltrevolution der Vampire aller Länder.

Mihai Tepes war über die Revolution aus früheren Gesprächen bestens informiert, deswegen hörte er nicht so genau hin. Er legte sich mit dem Telefonhörer am Ohr wieder in den Sarg, schloss den Deckel und brummte ab und zu „hm, hm“. Herr Tepes brauchte dringend Schlaf. Seine Nachtschichten als Gerichtsmediziner am Institut für Rechtsmedizin waren doch anstrengender, als er gedacht hatte. Vor allem, wenn man neben der Arbeit noch ein paar leckere Blutkonserven mit nach Hause in die große Tiefkühltruhe schmuggeln musste.

Daka war wieder nach oben gegangen. Sie setzte sich neben Silvania auf die blutrote Couch im Wohnzimmer und stellte ihre nackten Füße in ein Katzenklo. Es gehörte Herrn Tepes und war am Boden mit Heimaterde bedeckt.

Silvania las in der neuesten Mädchenzeitschrift. „Fumpfs!“, rief sie. „Lila ist total out, jetzt ist Kirschrot in.“ Sie starrte voller Entsetzen auf ihre lila lackierten Fingernägel.

„Tja, da hilft nur Fingerabhacken.“ Daka verdrehte die Augen.

„Übrigens ist der Punklook auch total out“, sagte Silvania und zeigte auf die Seeigelhaarfrisur ihrer Schwester.

„Bei Menschen vielleicht.“

Silvania seufzte. „Hallo! Guten Morgen! Wir sind jetzt bei den Menschen.“

„Na und? Trotzdem bin ich ein Halbvampir.“ Daka fuhr sich mit der Zunge über ihre spitzen Eckzähne. Es war höchste Zeit für Dentiküre. Sie sprang auf und holte ihre Zahnfeile aus dem Bad. Dann setzte sie sich wieder auf die Wohnzimmercouch und begann, an einem Eckzahn zu feilen. Es quietschte furchtbar.

Silvania verzog das Gesicht. „Was soll denn das jetzt?“

Daka setzte die Feile ab. „Dentiküre. Radikale Regel Nummer sieben.“ Frau Tepes hatte sieben radikale Regeln für die Töchter aufgestellt. Sie verboten den Halbvampiren zum Beispiel Fliegen bei Tageslicht, Flopsen, lebende Mahlzeiten und schrieben Dentiküre und Tragen von Sonnenschutz vor. Normalerweise hielt sich Daka nicht besonders an die radikalen Regeln. Aber wenn ihr langweilig war und sie ihre Schwester damit ärgern konnte, dann schon.

„Musst du das hier mitten im Wohnzimmer machen?“ Silvania beugte sich zur Terrassentür. „Wo dich jeder sehen kann?“

„Meinst du den Komposttypen?“ Daka winkte ab. „Der hat sich schon seit Tagen nicht mehr blicken lassen.“

Dirk van Kombast, der unmittelbare Nachbar der Tepes, war tatsächlich seit Tagen wie vom Erdboden verschluckt. Dabei sah man ihn sonst regelmäßig, gut gebräunt und gut geföhnt, in seinem silbernen Sportwagen den Lindenweg entlangfahren.

„Vielleicht ist er auf extralange Vertreterreise gegangen“, überlegte Silvania laut.

„Sag bloß, du vermisst ihn!“

Silvania warf ihrer Schwester einen mitleidigen Blick zu. Es war nicht zu fassen, was sieben Minuten Altersunterschied ausmachten! Daka hatte keine Ahnung von Männern, der Liebe und anderen grundlegenden Dingen. „Nur weil ich finde, dass er wahnsinnig gut aussieht, vermisse ich ihn doch nicht gleich.“

„Wahrscheinlich hat er nach der Geschichte mit Rattatoi Angst, dass Papa ihn wirklich anzeigt, und hat sich erst mal aus dem Staub gemacht“, sagte Daka.

Herr van Kombast hatte eine tote Ratte auf der Terrasse der Tepes gefunden. Mit eindeutigen Bissabdrücken. Herr Tepes (der seinen Mitternachtssnack auf der Terrasse vergessen hatte) konnte Dirk van Kombast davon überzeugen, dass es sich um das Haustier der Familie handelte. Offenbar hatte es ein tragischer Tod ereilt. Offenbar durch Herrn van Kombast. Er drohte dem Nachbarn mit einer Anzeige, woraufhin dieser die Flucht ergriff. Seitdem hatte sich Dirk van Kombast nicht mehr bei den Tepes sehen lassen.

Doch Dirk van Kombast war weder auf extralanger Vertreterreise, noch hatte er sich aus Angst vor einer Anzeige aus dem Staub gemacht. Dirk van Kombast war in den letzten Tagen mit den Vorbereitungen einer Reise beschäftigt gewesen. Er hatte den besten Anzug aus der Reinigung geholt, Flugtickets und ein Hotel gebucht, war noch mal zur Zahnreinigung gegangen und hatte schließlich seine Reisehausschuhe und seinen Laptop eingepackt. Sein Laptop war sein Gedächtnis, seine geheime Zentrale voller Beweismittel.

Vor zwei Tagen hatte Dirk van Kombast den Flieger nach New York genommen. Doch die Stadt, die niemals schlief, interessierte ihn nicht. Er war kein gewöhnlicher Tourist. Er war geladener Besucher der „VI. International Vamptology Conference“. Endlich würde er mit vernünftigen, gleich gesinnten Menschen reden können.

Bevor Dirk van Kombast zum Vampirologenkongress aufgebrochen war, hatte er sich von seiner Mutter in der psychiatrischen Anstalt verabschiedet. Außer ihr, vermutete er, würde ihn niemand in Deutschland vermissen.

Silvania dachte an Rattatoi und musste kichern. Doch dann überkam sie ein langes Gähnen. Daka stimmte sofort in das Gähnen ein. Die Schwestern blinzelten zum Fenster, vor dem die Sonne schien.

„Wie schaffen es die Menschen nur, bei der Helligkeit wach zu bleiben? Da kneift man doch freiwillig die Augen zu“, meinte Daka.

Silvania gähnte zur Bestätigung gleich noch einmal. Dann nahm sie die Hand vom Mund. „Diese schlaflosen Tage sind echt anstrengend.“

„Ich werde mich nie daran gewöhnen, den Tag zur Nacht zu machen.“

„Papa hat es gut mit seinem Job. Aber in der Schule werden sie extra für uns sicher keine Nachtschichten einführen“, sagte Silvania.

„Na ja, immerhin konnten wir letzte Woche in Geschichte und Geo mal schön ausschlafen.“

Das lag nicht daran, dass der Unterricht so langweilig war oder der Lehrer ein Schlafexperiment durchgeführt hatte. Herr Martin Graup, der Klassenlehrer der 7b und Lehrer für Geschichte und Geografie, war die ganze Woche krank geschrieben. Es hieß, ihm wäre eine Honigmelone direkt aus dem Himmel auf den Kopf gefallen. Statt Geschichte und Geo hatte die 7b stille Beschäftigung. Daka und Silvania Tepes nahmen es mit dem „still“ sehr ernst. Von ihrer Bank war nur ab und zu ein leises Schnarchen zu hören. Hätte Helene sie nicht regelmäßig geweckt, hätten sie bis zum Sonnenuntergang schnarchend auf der Schulbank gelegen.

Helene Steinbrück, die Tochter von Dr.Peter Steinbrück, war Silvanias und Dakas neue, einzige und beste Freundin. Zumindest fast. Helene hatte den Schwestern ihr Geheimnis anvertraut: Sie trug ein Hörgerät, das sie hinter ihren langen blonden Haaren versteckte und von dem niemand in der Klasse etwas wusste. Daka und Silvania hatten versprochen, niemandem davon zu erzählen. Aber sie hatten auch versprochen, Helene ihr Geheimnis zu verraten. Helene hatte die Schwestern genau beobachtet und war sich sicher, dass sie nicht ganz normal waren. Dabei hatte Daka nur mal kopfüber am Stufenbarren ein Schläfchen gemacht und Silvania war bei einem akuten Heimaterdeentzug vom Schwebebalken gekracht. Ganz normale Begebenheiten. Für Halbvampire.

Solange die Zwillinge Helene nicht ihr Geheimnis anvertrauen würden, waren sie keine echten Freundinnen. Das leuchtete auch Daka und Silvania ein. Denn echte beste Freundinnen vertrauten einander. Doch in der Schule war es viel zu gefährlich, solche Geheimnisse auszutauschen. Zum einen störten die Lehrer, die mitten im Unterricht ständig Fragen hatten, zum anderen der Schrank und der Kleiderständer. Das waren Lucas Glöckner, ein Möchtegernmonster, und Rafael Siegelmann, ein leibhaftiger Lehrerliebling.

Am meisten aber störte Ludo Schwarzer. Er schlich wie ein Panther durch die Schulgänge, tauchte plötzlich in der Nähe der Zwillinge auf und starrte sie dann mit seinen geheimnisvollen, ockerfarbenen Augen an, dass die Halbvampire eine Gänsehaut bekamen. Wenn Silvania und Daka schon nicht ganz normal waren – Ludo Schwarzer war es sicher nicht.

Die Ratten

Elvira Tepes stand vor dem Spiegel im Schlafzimmer und hängte sich ihre Lieblingsohrringe an die Ohrläppchen. Sie ähnelten zwei großen Tränen und hatten die gleiche Farbe wie ihre nachtblauen Augen. Mihai hatte sie von einem Besuch bei Verwandten in Damaskus mitgebracht.

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