Die verbannte Braut - Cathy McAllister - E-Book

Die verbannte Braut E-Book

Cathy McAllister

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Beschreibung

Ronan Hewitt, Lord von Stoneborough ist ein berüchtigter Lebemann, um den sich viele, grausame Gerüchte ranken. Er gilt als ruchlos und er hat nur eines im Sinne. Rache zu üben für den Tod seines jüngeren Bruders. Schuld an dem tragischen Schicksal seines Bruders trägt seiner Meinung nach die junge und selbstsüchtige Henrietta Henderson. Als er Herietta auf einem Empfang trifft, entführt er sie kurzerhand auf sein französisches Weingut. Was er nicht ahnt. Er hat die falsche Braut entführt. Erschrocken über die ungeplanten Gefühle, die seine Braut in ihm auslöst, verbannt er sie nach der Hochzeitsnacht auf seinen Landsitz, nicht ahnend, dass die kommenden turbulenten Ereignisse nicht nur ihre Herzen, sondern auch ihrer beider Leben mehr als nur einmal gefährden werden. Als Eve Ascott mit ihrer Cousine für einen Abend die Rollen tauscht, ahnt sie nicht, in was für ein Abenteuer sie geraten würde. Am wenigsten rechnet sie jedoch damit, den Mann ihres Lebens zu finden. Doch bevor sie das Herz ihres Gatten erobern kann, muss sie durch schwere Prüfungen gehen, die sie zu zerbrechen drohen.

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Contents

Titel

Copyright

Part I

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Part II

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Part III

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Epilog

Die verbannte Braut

von Cathy McAllister

Historical Romance

Die verbannte Braut

Cathy McAllister

Deutsche Erstausgabe 2013

copyright © 2013-2020 by Cathy McAllister

Coverdesign Melody Simmons

PART 1

Kapitel 1

Ronan Hewitt, Lord Stoneborough, Sohn des Earls von Stoneborough, betrachtete aus zusammengekniffenen Augen die bernsteinfarbene Flüssigkeit in seinem Glas. Er schwenkte es langsam und beobachtete, wie sich der edle Whisky in dem Glas hin und her bewegte und durch das flackernde Kaminfeuer in den unterschiedlichsten Goldtönen leuchtete.

Ein dezentes Räuspern ließ seinen Blick von dem Glas zurück zu seinem Besucher schweifen.

„Lord Stoneborough, Sir? Was ist nun Euer Anliegen?“, fragte John Smith ein wenig unbehaglich.

Ronan besaß nicht den besten Ruf und er war es gewohnt, dass Menschen ihm mit mehr oder weniger gut versteckter Furcht begegneten. Der junge Detektiv, den er hatte kommen lassen, war da keine Ausnahme. Ronan sah den Schweiß auf der Stirn des Mannes, die nervös in den Schoß verkrampften Hände und das stetige Hüpfen seines Adamsapfels. Er erwog kurz, ob er einen anderen Mann kommen lassen sollte. Doch man hatte ihm diesen Detektiv wärmstens empfohlen. Vielleicht waren seine beruflichen Fähigkeiten ja besser dadurch, dass er einen so unscheinbaren Eindruck machte. Niemand würde so ein lächerliches Männlein wahrnehmen. Zudem hatte er ja keinen gefährlichen Auftrag zu vergeben. Eine simple Nachforschung sollte dieser Mann wohl zustande bringen.

„Ich möchte, dass Ihr mir herausfindet, wo eine gewisse Miss Henrietta Henderson, die Tochter des Barons von Levisther, hier in London weilt. Ich bin sicher, dass sie sich ohne Probleme auffinden lassen wird. Ich rechne also mit dem Ergebnis bis morgen Abend.“

„London ist in dieser Saison sehr überfüllt, Sir. Ich weiß nicht, ob ...“

„Vierundzwanzig Stunden!“, unterbrach Ronan mit gefährlich ruhiger Stimme.

Der Detektiv errötete unter dem kalten Blick, den Ronan ihm zuwarf. Er rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her. Eingeschüchtert senkte er den Blick und sackte einige Zentimeter in sich zusammen.

„Na-natürlich, S-sir.“

„Gut.“

Ronan leerte seinen Whisky in einem Zug und knallte das Glas auf die massive Platte seines großen Schreibtisches aus poliertem Mahagoni.

„Das wäre dann alles“, sagte er.

Sichtbar erleichtert sprang Smith von seinem Stuhl auf und verbeugte sich, ohne aufzublicken.

„Ich empfehle mich, Sir.“

„Morgen Abend!“, sagte Ronan in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete.

„Ja, Sir. Gewiss. Morgen Abend.“

Als der Detektiv das Arbeitszimmer verlassen hatte, lehnte sich Ronan nachdenklich in seinem Sessel zurück. Er nahm das kleine Gemälde, welches auf seinem Schreibtisch stand, und betrachtete es eine Weile, ehe er es seufzend zurück an seinen Platz stellte. Es zeigte seinen jüngeren Bruder Jeremiah. Er war der Grund, warum Ronan hier in London war und nach dieser Henrietta Henderson suchen ließ. Jeremiah hatte sich in die junge Frau verliebt gehabt, doch diese hatte ihn, nachdem sie ihm über Monate Hoffnung gemacht hatte, offensichtlich fallen gelassen, wie eine heiße Kartoffel. Ronans sensibler Bruder hatte den Verlust nicht verkraftet und sich vom Dach des Chateaus der Familie in den Tod gestürzt. Das war vor vier Monaten gewesen.

Ronan schenkte sich ein weiteres Glas Whisky ein, dann begab er sich zu dem Sessel, der vor dem Kamin stand, und machte es sich bequem. Seine Gedanken kreisten unermüdlich um diese Miss Henderson, die seinen Bruder so hochmütig hatte abblitzen lassen. Ronan kannte sie nicht, da er lange in Frankreich gewesen war und erst zurückgekehrt war, als ihn die Nachricht vom tragischen Tod seines Bruders erreicht hatte. Aber er konnte sie sich lebhaft vorstellen. Sicher war sie eine jener verzogenen und selbstsüchtigen Schönheiten der oberen Schicht. Er hasste diese verlogene Gesellschaft, weswegen er die letzten zwei Jahre in Frankreich zugebracht hatte, wo er ein Weingut besaß. Dort hatte er gewöhnliche Winzer als Freunde und umgab sich nur mit Leuten, die er mochte. Man kannte zwar seinen Stand in der Gesellschaft, jedoch behandelte man ihn auf seinen Wunsch hin, wie einen Mann ihresgleichen. Leider würde er irgendwann seinen Platz als Earl von Stoneborough einnehmen müssen. Aber im Moment hatte er ganz andere Sorgen. Er hatte dieser Miss Henderson eine Lektion zu verpassen, die sie so schnell nicht vergessen würde.

Kapitel 2

„Denkst du wirklich, dass es eine gute Idee ist?“, fragte Eve Ascott unsicher. Sie fühlte sich gar nicht wohl in ihrer Haut.

„Natürlich ist es das!“, erwiderte Henrietta Henderson bestimmt und rollte die Augen. „Wir gleichen uns fast wie zwei Schwestern. Wir haben beide die gleiche Größe, dasselbe, blonde Haar und diese Leute haben mich seit drei Jahren nicht gesehen. Niemand wird auf die Idee kommen, anzuzweifeln, dass du Henrietta Henderson bist. Es ist ja nur für ein paar Stunden. –Bitte!“

Henrietta setzte ihr süßes Gesicht auf, das schon so viele Leichtgläubige hinters Licht geführt hatte. Nicht so Eve, die ihre Cousine bestens kannte.

„Du weißt, dass dein Gesicht bei mir nicht zieht!“, sagte Eve deshalb.

„Komm schon! Sei nicht so ein elender Spielverderber!“, schmollte Henrietta. „Ich gebe dir auch mein grünes Kleid, welches dir so gut gefällt.“

Eve seufzte. Sie war nicht so vermögend, wie ihre Cousine und ein weiteres Kleid, noch dazu dieses Kleid, welches ihr so gut gefiel, war schon eine Versuchung. Eine wirklich große Versuchung. Und gegen ihren Willen erwachte auch ein wenig Abenteuergeist in ihr. Nicht, dass sie sonst besonders abenteuerlustig wäre. Eigentlich war sie schon seit ihren Kindheitstagen die Vernünftige, während Henrietta immer was im Schilde zu führen schien.

„Also gut“, gab Eve schließlich nach und ärgerte sich augenblicklich über sich selbst, als sie in das triumphierende Gesicht ihrer Cousine blickte. Ein Teil von ihr hasste es, dass Henrietta immer ihren Willen bekam. „Aber nur dieses eine Mal!“, fügte sie deswegen schnell hinzu, um den Triumph ihrer Cousine ein wenig abzudämpfen.

„Aber ja doch! Danach werde ich dich nie wieder mit so einer Bitte behelligen!“, versicherte Henrietta.

„Warum glaube ich dir das nicht?“, seufzte Eve.

Henrietta zuckte mit den Schultern und setzte eine Unschuldsmiene auf. Das sah wirklich zu albern aus. Gegen ihren Willen musste Eve lachen und beide fingen an zu kichern. Sie konnten gar nicht mehr aufhören und hielten sich lachend die Bäuche.

In diesem Moment ging die Tür auf und eine ältere Dame trat in den Salon. Es war Henriettas Großtante Caroline Hilmerton. Sie musterte Eve und Henrietta mit strengem Blick aus ihren halb blinden Augen und die beiden jungen Frauen verstummten abrupt.

„Das ganze Haus bebt von eurem albernen Gelächter. Ihr benehmt euch wie die Stallgänse“, schimpfte die alte Dame.

„Verzeiht, Tante Caro. Wir sind wirklich bedrückt, Euch verärgert zu haben“, beeilte sich Eve zu sagen und Henrietta nickte zustimmend.

„Ich weiß nicht, warum ich mich darauf eingelassen habe, für euch diese Saison die Anstandsdame zu spielen? Ich habe wahrlich nicht mehr die Nerven dafür.“

„Wir sind doch ganz artig“, flötete Henrietta und lächelte honigsüß.

„Dann benehmt euch jetzt bitte wie zwei wohlerzogene junge Damen und geht endlich schlafen. Ich selbst werde mich auch jetzt zur Ruhe begeben. Meine Migräne!“

„Wir sind schon ruhig. Gute Nacht.“

„Ich hätte mich nicht darauf einlassen sollen“, jammerte Eve, nachdem Tante Caro die Tür hinter sich geschlossen hatte. „Bestimmt wird sie etwas merken. Sie mag ja halb blind sein, doch sie ist nicht dumm.“

„Die?“, lachte Henrietta. „Die merkt gar nichts. Mach dir da mal keine Sorgen. Du darfst dich nur nicht verplappern. Und versuch, dich nicht so langweilig zu benehmen, dann merkt sie schon nichts.“

„Aber ich kann mich nicht ...“

„Papperlapapp!“, fiel Henrietta ihr ins Wort. „Du machst das schon. Du bist doch in allem gut, was du tust“, schmeichelte sie. „Und jetzt lass uns schlafen.“

Seufzend zog Eve ihre Bettdecke höher und schloss die Augen. Ihr war die ganze Sache wirklich nicht ganz geheuer. Man hatte Henrietta zu einer Soirée eingeladen. Da Eve noch nicht in die Gesellschaft eingeführt worden war, war an sie keine Einladung ergangen. Henrietta hatte jedoch andere Pläne und hatte Eve darum gebeten, an ihrer Stelle zu der Soirée zu gehen und sich als Henrietta auszugeben. Eve hatte darauf verzichte, ihre Cousine zu fragen, was für andere Pläne sie hatte. Sie wusste, dass die Moral ihrer Cousine zu wünschen übrig ließ und wäre nicht erstaunt zu hören, dass Henrietta sich heimlich mit irgendeinem Galan traf.

Doch wegen des Rollentauschs machte sich Eve wirklich Sorgen. Was, wenn ihre Verkleidung aufflog? Es stimmte zwar, dass Tante Caro sehr schlecht sah und wegen ihrer Migräne meisten wenig von dem mitbekam, was um sie herum geschah, doch ob sie auf ihre geplante Maskerade hereinfallen würde, bezweifelte Eve insgeheim.

Eve konnte einfach nicht einschlafen. Henrietta hatte angefangen, zu schnarchen und sie wälzte sich unruhig im Bett hin und her. Es dauerte lange, bis sie endlich doch in den Schlaf fiel.

Die Kutsche hielt vor einem großen Haus mit einer breiten Treppe. Musik und Gelächter waren aus dem Haus zu hören und die Fenster der unteren Etage waren allesamt hell erleuchtet. Mit klopfendem Herzen stieg Eve nach Tante Caro aus der Kutsche. Tatsächlich schien die alte Dame bisher nichts davon bemerkt zu haben, dass nicht Henrietta, sondern Eve in dem kostbaren grünen Kleid steckte. Henriettas Zofe hatte Eve sogar die gleichen Locken mit einer Brennschere gemacht und sie leicht geschminkt.

Sie folgte Tante Caro die Stufen hinauf zu der doppelflügeligen Tür mit dem massiven Türklopfer in Form eines Löwen. Noch ehe die alte Dame nach dem Türklopfer greifen konnte, wurde die Tür bereits von einem Butler geöffnet.

„Guten Abend die Damen.“

Tante Caro ignorierte den steifen Butler und rauschte an ihm vorbei in die Empfangshalle. Eve lächelte den Bediensteten zaghaft an und folgte der älteren Frau.

Nachdem sie ihre Mäntel dem Butler übergeben hatten, führte ein weiterer Diener sie zum Salon, wo die Soirée stattfinden sollte. Es waren schon recht viele Gäste anwesend und Eve spürte, wie ihr das Herz in die Knie sank. Zum Glück war dies ihre erste Saison in London und so kannte sie niemanden hier.

Eine Tatsache, die sich schneller ändern sollte, als ihr lieb war. Sie wurde so vielen Leuten vorgestellt, dass ihr schon nach kurzer Zeit der Kopf schwirrte von all den Namen und Gesichtern. Sie hoffte, dass der Abend schnell vorüberging. Je eher sie wieder zuhause und allein war, desto besser. Sie fand es überaus anstrengend, sich den ganzen Abend zu verstellen.

„Meine liebe Henrietta, darf ich Euch einen der begehrtesten Junggesellen Englands vorstellen?“, flötete Olivia Prune, die Gastgeberin der Soirée. „Lord Stoneborough, dies ist Henrietta Henderson.“

Eve blickte auf und ihr Blick fiel auf den Mann, der neben Mrs. Prune stand und ihr ein atemberaubendes Lächeln schenkte. Er hatte schwarze, recht kurz geschnittene Haare und ein markantes Gesicht mit einer leicht gebogenen Nase. Seine tiefbraunen Augen musterten sie unverhohlen.

Er verbeugte sich, ohne den Blick von ihr zu wenden und hielt ihr seine Hand entgegen, um ihre zu umschließen, die sie ihm zögerlich entgegen hob. Ihr Herz schlug wie wild und ihr Mund war mit einem Mal ganz trocken. Sie war nie zuvor einem Mann begegnet, der so umwerfend aussah. Er war groß und breit gebaut. Eher wie ein Arbeiter, denn ein Gentleman. Sie könnte ihn sich auch gut als Kapitän eines Piratenschiffes vorstellen. Seine Ausstrahlung hatte auf jeden Fall eine äußerst beunruhigende Wirkung auf sie.

„Miss Henderson. Ich bin entzückt, Eure Bekanntschaft zu machen. Ich habe schon so viel von Euch gehört.“

Seine Stimme hatte einen rauchigen Klang, als hätte er zu viel Whisky getrunken. Eve lief ein Schauer über den Rücken. Sie fühlte sich zittrig.

Als er ihre Hand küsste, hatte Eve das erste Mal in ihrem Leben das Gefühl, gleich ohnmächtig zu Boden zu sinken. Wie mochten sich diese Lippen auf ihrem Mund anfühlen? Hatte er schon viele Frauen geküsst? Was für eine dumme Frage! Ein Mann wie er hatte sicher schon unzählige Frauen geküsst, und mehr als das. Männer wie er würden mehr von einer Frau erwarten, als nur einen Kuss. Allein der Gedanke daran ließ sie schwindelig werden.

„Ganz … ganz meinerseits, MyLord“, brachte sie atemlos hervor.

Lord Stoneborough hielt ihre Hand ein wenig länger, als schicklich war, ehe er sie langsam losließ. Der plötzliche Verlust der intimen Berührung durch seine große Hand verwirrte sie. Was war nur los mit ihr?

„Da bist du ja“, riss die Stimme von Tante Caro sie aus ihren Überlegungen. „Wenn ich dich nicht an Deinem grünen Kleid erkennen würde, hätte ich dich gar nicht wiedergefunden, bei all den Leuten hier. Meine Augen werden auch immer schlechter“, klagte die alte Dame und seufzte. Dann blickte sie mit nach vorn geneigtem Kopf auf Lord Stoneborough. „Kenn ich Euch, Sir? Ihr müsst verzeihen, ich bin blind wie ein Maulwurf.“

Lord Stoneborough verbeugte sich und nahm Tante Caros Hand entgegen, um sie zu küssen.

„Lord Stoneborough. Euer Diener, Madam. Ich fürchte, wir hatten noch nicht das Vergnügen, einander zu begegnen.“

„Lord Stoneborough, wie reizend. Ich habe von Euch gehört. Ihr seid im Ausland gewesen, ist das richtig?“

„Das ist richtig, Madam. In Frankreich. Ich bin wegen des tragischen Todes meines Bruders zurückgekehrt.“

„Ach, wie furchtbar“, sagte Tante Caro. „Das tut mir außerordentlich leid. Ich wollte Euch nicht an dieses tragische Ereignis erinnern.“

„Grämt Euch nicht. Ich denke ohnehin ständig daran. – Aber ich bin gerade dabei, das Ganze zu verarbeiten.“

„Ich weiß, wie schwer das ist. Ich habe erst letztes Jahr meinen Gatten verloren.“

„Darf ich den Damen eine Erfrischung besorgen? Dann können wir uns über erfreulichere Dinge unterhalten“, sagte Lord Stoneborough.

Eve fühlte sich mehr als unbehaglich. Zum einen machte dieser Lord Stoneborough sie ganz nervös, zum anderen hatte sie wegen ihrer Maskerade ein ganz schlechtes Gewissen. Hätte sie sich doch bloß nicht darauf eingelassen.

„Er scheint viel netter zu sein, als sein Ruf“, stellte Tante Caro fest, nachdem Lord Stoneborough zum Erfrischungsstand gegangen war.

„Was … was hat er den für einen Ruf?“, fragte Eve neugierig und noch immer von dem faszinierenden Mann schwer beeindruckt.

„Er hat vor einigen Jahren einen Mann getötet“, erzählte Tante Caro in gedämpften Tonfall. „So sagt man jedenfalls. Es soll ein heimliches Duell gegeben haben. Man konnte ihm aber nichts nachweisen. Gerede gab es natürlich trotzdem. Zudem ist er ein Spieler und seine letzte Mätresse, Vicky Loraine, schwört, dass er der Teufel in Person ist. Ihrer Meinung nach hat er noch viel mehr Morde auf seinem Gewissen. Lord Stoneborough ist wegen der Skandale nach Frankreich gegangen. Am Tag seiner Abreise, oder sollte man es Flucht nennen?, hat ein Schneiderbursche Miss Loraine eine Lieferung bringen wollen. Er berichtete später, die ehemalige Mätresse des Lords sei ein furchtbarer Anblick gewesen. Grün und blau geschlagen und mit gebrochener Nase. Sie hat dazu niemals etwas gesagt, aber es schien eindeutig, wer dahinter gesteckt hatte.“

Eve hatte Mühe, die beschriebenen Taten mit dem Mann in Verbindung zu bringen, der ihn so ein betörendes Lächeln geschenkt hatte.

„Aber warum bist du dann so freundlich zu ihm gewesen?“, wollte Eve wissen.

„Es ist nicht gut, ihm zu zeigen, dass man zu viel weiß“, flüsterte Tante Caro. „Entweder ist das alles gar nicht wahr, oder die Gerüchte stimmen. Aber wenn sie stimmen, dann kann es lebensgefährlich sein, sich Lord Stoneborough in den Weg zu stellen.“

Kapitel 3

Ronan begab sich zu dem langen Buffet, welches am anderen Ende des Raumes aufgebaut war. Diese Miss Henderson war eine glänzende Schauspielerin. Ganz die jungfräuliche Unschuld. Wenn er nicht genau wüsste, was für eine liederliche Person sie in Wirklichkeit war, hätte er ihr die gelungene Komödie sogar abgenommen. Kein Wunder, dass sein unerfahrener Bruder ihr in die Falle getappt war. Wie sehr musste es ihn zerbrochen haben, plötzlich ihr wahres Gesicht kennenzulernen. Groll kochte in ihm hoch und er ballte unwillkürlich die Hände zu Fäusten. Er musste sich zusammenreißen. Niemand hier sollte ihm seine innere Erregung ansehen. So öffnete er die Fäuste und setzte ein leichtes Lächeln auf. Ja, auch er war ein guter Schauspieler.

„Was darf es sein, Sir?“, fragte das Mädchen am Erfrischungsstand mit einem professionellen Lächeln auf den Lippen.

Noch eine Schauspielerin hier.

„Drei Glas Punsch bitte!“

„Gerne, MyLord. – Hier bitte schön. Kann ich sonst noch etwas für Euch tun?“

„Danke. Das ist auch schon alles“, antwortete Ronan höflich und schenkte dem Mädchen sein strahlendstes Lächeln, was sie prompt erröten ließ.

Er konnte es also immer noch. Selbst sein Ruf hatte nicht dazu beitragen können, dass die Frauen nicht von ihm betört waren.

Mit den drei Gläsern in den Händen machte sich Ronan auf, zu den Damen zurückzukehren. Als diese Henrietta in sein Blickfeld kam, blieb er kurz hinter einem großen Blumenkübel stehen, um sie genauer betrachten zu können. Er musste feststellen, dass, zumindest was das Äußere anbelangte, sein Bruder sehr viel Geschmack besessen hatte. Henrietta Henderson war eine Schönheit. Ihre Porzellanhaut war makellos und ihre blonden Locken glänzten golden im Licht der vielen Kerzen. Sie hatte eine tadellose Figur mit kleinen, festen Brüsten, soweit er das beurteilen konnte, und eine schmale Taille. Ihre blauen Augen waren riesig in ihrem herzförmigen Gesicht und wurden von langen Wimpern umrahmt. Gerade leckte sie sich mit einer rosa Zungenspitze über ihre fein geschwungene Oberlippe und Ronan registrierte erstaunt, dass er hart wurde.

Verdammt!

Beinahe hätte er eines der Gläser zwischen seinen Fingern zerbrochen. Was war nur los mit ihm? Er verlor sonst nie die Kontrolle über sein Verlangen. Erst recht nicht, wenn es um eine Frau ging, die er aus tiefsten Herzen verabscheute. Er musste sehr vorsichtig sein, wenn er seinen Plan in die Tat umsetzte. Dieses Weib war noch gefährlicher, als er gedacht hatte.

Ronan atmete tief durch, und als er das Gefühl hatte, wieder Herr der Lage zu sein, setzte er seinen Weg fort.

Kapitel 4

Eve fühlte sich erhitzt. All die vielen Menschen, die unzähligen Kerzen und der ungewohnte Alkohol stiegen unangenehm warm in ihr auf. Sie war froh, dass dieser verwirrende Lord Stoneborough sich seit gut einer halben Stunde entschuldigt hatte, um ein paar Kontakte aufzufrischen, wie er sagte. Dieser Mann war äußerst gefährlich. Nicht nur der Gerüchte wegen, die um ihn kursierten. Auch die mehr als unpassenden Gefühle, die er in ihr auslöste, machten ihn zu einer Bedrohung. Eve hatte nur wenig Erfahrung im Umgang mit Männern, aber sie verstand sehr wohl, wenn ein Mann so offensichtlich mit ihr zu flirten versuchte. Einmal mehr bereute sie, dass sie sich auf dieses Spiel eingelassen hatte. Sie hatte keinen Zweifel daran, dass ihre Cousine keine Probleme damit gehabt hätte, diesen Lord Stoneborough um ihren kleinen Finger zu wickeln. Doch Eve hatte nichts von der weiblichen Raffinesse ihrer Cousine. Sie waren eigentlich so unterschiedlich, wie Tag und Nacht. Dass Tante Caro noch nichts aufgefallen war, grenzte an ein Wunder. Vielleicht war die alte Dame doch seniler, als Eve vermutet hätte.

Sie schaute sich nach ihrer Tante um, konnte sie jedoch nirgendwo erblicken. Vielleicht hatte die alte Dame auch Probleme mit der Hitze und war in den Garten hinausgegangen. Eve schaute sehnsüchtig zu der großen Flügeltür, die nach draußen führte. Eigentlich schickte es sich nicht, wenn sie allein, ohne Begleitung hinausging. Aber andererseits konnte Tante Caro ja auch dort sein. Vielleicht sollte sie einfach einmal nachsehen.

Zielstrebig bahnte sie sich ihren Weg durch die Gäste zu der Tür. Sie schaute sich verstohlen um, und als sie das Gefühl hatte, das niemand sie beachtete, stahl sie sich schnell hinaus.

***

Ronan konnte sein Glück kaum fassen, als er sah, wie sich das Ziel seines Interesses heimlich in den Garten schlich. Er hatte sich schon gefragt, wie er es anstellen sollte, sie nach draußen zu locken. Er hoffte nur, dass sein Kutscher wie vereinbart vor dem hinteren Gartentor bereitstand. Er hatte alles gut geplant und wollte nicht riskieren, dass etwas schief ging. Wenn sie erst einmal unterwegs waren, würde ihnen nichts mehr passieren. Bis man auf der Soirée bemerken würde, dass Miss Henderson fehlte, würde er längst aus London hinaus und auf offener Landstraße sein. Als Erstes würde man die Vermisste gewiss innerhalb der Stadt suchen. Aber jetzt hieß es schnelles Handeln. Wenn sein Opfer draußen allein war, würde er die Gelegenheit nutzen.

***

Eve atmete erleichtert auf, als sie die frische Nachtluft auf ihren erhitzten Wangen spürte. Ihre Tante war nicht im Garten. Niemand außer Eve schien das Verlangen nach frischer Luft zu verspüren. Umso besser! Sie war gern allein. Am liebsten war sie auf dem Land, wo sie jeden Tag mit ihrer Stute Velvet über die saftigen Wiesen von Greenwood Manor galoppieren konnte. London sagte ihr überhaupt nicht zu. Zu voll, zu laut, zu eng und viel zu viel Gestank. Dann dieser ständige Nebel. Wenigstens heute hatten sie eine klare Nacht. Sie legte den Kopf in den Nacken und blickte zum Sternenhimmel hinauf. Der Mond war beinahe voll. Sein bleiches Leuchten hatte etwas Hypnotisierendes an sich. Sie hatte keine Ahnung, warum, doch der Anblick des Mondes, löste immer eine unbestimmte Sehnsucht in ihr aus.

Plötzlich packte sie jemand von hinten und eine kräftige Hand schloss sich über ihren Mund, ihren Schrei erstickend. Sie wehrte sich verbissen, konnte sich aber gegen ihren kräftigen Angreifer nicht zur Wehr setzen. Panisch registrierte sie, wie der Unbekannte sie in den hinteren Teil des Gartens schleifte. Wollte er sie etwa schänden? Oder gar töten? Sie mobilisierte ihre letzten Kräfte und trat dem Mann rückwärts vor das Schienbein.

Sie hörte ihn fluchen und ein Schauer des Entsetzens überkam sie, als sie seine Stimme erkannte. Ihr Entführer war niemand anderer als Lord Stoneborough. Was konnte er nur mit ihr vorhaben?

Sie waren beinahe bei der hinteren Gartenpforte angelangt und sie versuchte erneut, sich loszureißen. Sie sah eine Kutsche hinter dem Zaun warten. Angst griff mit kalten Klauen nach ihrem Herzen. Sie hatte zwar keine Ahnung, was dieser Schurke mit ihr vorhatte, doch eines wusste sie mit Gewissheit. Nämlich dass sie es auf jeden Fall verhindern musste, dass er sie in diese Kutsche schaffte.

Ein Mann, offensichtlich der Kutscher, kam seinem Herrn zur Hilfe. In einem letzten, verzweifelten Aufbäumen gegen ihr Schicksal, nahm sie all ihren Mut zusammen und biss Lord Stoneborough in die Hand.

Fluchend riss er seine Hand weg, doch ehe sie schreien konnte, presste der Kutscher ihr ein widerlich süßlich riechendes Tuch auf das Gesicht und ihr wurde schwarz vor Augen.

Alles um sie herum schien sich zu drehen und auf und ab zu bewegen. Ihr wurde übel und sie stöhnte leise auf. Ihre Augenlider waren seltsam schwer. Eve versuchte, ihre Augen zu öffnen, doch es wollte ihr nicht gelingen. Erneut kam Dunkelheit über sie.

Als sie das nächste Mal zu sich kam, hatte sie einen unangenehm trockenen Mund und ihr Kopf schmerzte furchtbar. Noch immer bewegte sich alles. Sie blinzelte und als alles nur verschwommen vor ihren halb geöffneten Augen erschien, erfasste sie erneut dieser Schwindel. Sie überlegte, was mit ihr passiert war. Schemenhaft konnte sie sich daran erinnern, dass jemand sie im Garten von hinten überwältigt und zum Ende des Gartens geschleift hatte. Dann war da diese Kutsche gewesen und ein Mann, der ihr ein süßlich riechendes Tuch auf das Gesicht gepresst hatte. Es musste sich um ein Betäubungsmittel gehandelt haben. Chloroform! Sie hatte davon gehört. Es wurde jetzt überall für Operationen genutzt, doch bisher hatte Eve es nicht benötigt und jetzt hatte man es benutzt, um sie außer Gefecht zu setzen.

Erneut versuchte sie die Augen zu öffnen und diesmal lichtete sich der Schleier von ihren Augen und sie erkannte, dass sie sich im Inneren einer Kutsche befand. Jetzt registrierte sie auch, dass sie gegen jemanden gelehnt saß und ein Arm um ihre Schultern geschlungen war. Schlagartig war sie hellwach und sie rückte mit einem erschrockenen Schrei von der Person ab. Ein Blick bestätigte, was sie bereits vermutete. Es handelte sich tatsächlich um Lord Stoneborough, der da lässig auf der Bank saß und sie spöttisch anlächelte.

„Warum plötzlich so schüchtern, Liebes?“, neckte er sie mit seiner rauchigen Stimme, die gegen ihren Willen erneut einen wohligen Schauer über ihren Körper sandte.

Sie reckte das Kinn und funkelte ihn aus großen Augen wütend an.

„Ich bin nicht Euer Liebes!“, fauchte sie.

Er lachte leise. Himmel! Warum musste dieser Mann so eine unerhört sinnliche Ausstrahlung haben? Sein Lachen fühlte sich an wie eine Liebkosung und der Blick, mit dem er sie bedachte, hatte etwas so unerhört intimes an sich, dass sie verstört den Blick abwandte.

„Was habt Ihr mit mir vor?“, fragte Eve nach einer Weile des Schweigens.

„Das wirst du schon schnell genug erfahren, Liebes.“

„Ich hab schon gesagt, dass ich nicht Euer Liebes bin!“

„Wollen wir das nachprüfen?“, raunte er, und ehe sie es sich versah, war er dicht neben ihr und riss sie in seine Arme.

„Was …?“

Er erstickte ihren Protest, indem er seinen Mund auf ihren presste. Eve stemmte die Hände gegen seine Brust und wollte ihn von sich schieben, doch alles, was sie damit erreichte war, dass er sie noch dichter an sich heranzog. Mit einer flinken Bewegung hatte er sie auf seinen Schoß gehoben. Sie konnte seinen wilden Herzschlag unter ihren Händen spüren. Ihr Eigenes schlug genauso unruhig und das Blut rauschte in ihren Ohren.

Als ihre erste Gegenwehr erlahmte, wurde sein Kuss sanfter, neckender. Überrascht von dem aufregenden Gefühl, das sich in ihrem Schoß ausbreitete, öffnete sie die Lippen zu einem Stöhnen. Er nutzte die Gelegenheit und drang mit seiner Zunge in ihren Mund vor.

Eve wollte erschrocken zurückweichen, doch er hatte eine Hand an ihrem Hinterkopf gelegt und machte ein Entrinnen so unmöglich. Sie spürte, wie ihr auf einmal fast unerträglich heiß wurde, und ihre Brustwarzen sich gegen den Stoff ihres Kleides drängten. Einem uralten Instinkt folgend schmiegte sie sich unwillkürlich dichter an seinen männlichen Körper und erwiderte sein Zungenspiel. Erst zaghaft, dann immer kühner, bis er sich plötzlich von ihr löste und sie von seinem Schoß schob.

Eve errötete. Was war nur in sie gefahren? Wie hatte ihr das passieren können, dass sie so die Kontrolle über sich verloren hatte. Sie wagte nicht, ihn anzusehen. Ihr war schleierhaft, warum er sie so plötzlich von sich geschoben hatte. Hatte es ihm nicht gefallen, dass sie seinen Kuss so forsch erwidert hatte? Sie musterte ihn vorsichtig. Sein Gesicht war eine eiskalte Maske, als hätte er sie nicht Augenblicke zuvor leidenschaftlich geküsst. Sein hasserfüllter Blick ließ eine Gänsehaut über ihren Rücken kriechen. Plötzlich fröstelnd schlang sie die Arme vor ihrer Brust zusammen. Ihr Herz klopfte ihr bis zum Hals und zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie wirklich Angst.

***

Ronans Herz hämmerte wild in seiner Brust. Dieser kleine Kuss hatte ihn so in Erregung versetzt, dass er drauf und dran gewesen war, sie hier in der Kutsche zu nehmen. Was war bloß los mit ihm, dass er so auf sie reagierte, trotz des Wissens um ihre Schuld am Tode seines Bruders? Es durfte auf keinen Fall wieder vorkommen. Er würde sie erst anrühren, wenn sie verheiratet waren. Er würde einmalig die Ehe mit ihr vollziehen, um eine Annullierung unmöglich zu machen, dann würde er sie auf seinen Landsitz verbannen. Von jetzt an würde Henrietta Herndersons Leben so verlaufen, wie er es bestimmte. Sie würde lernen, dass sie mit seinem Bruder die bessere Wahl gehabt hätte, denn Jeremiah hätte sie sicher auf Händen getragen, Ronan würde nichts dergleichen tun. Er würde ihr das Leben zur Hölle machen. Das war sein Plan und daran würde er sich auch halten! Dieses durchtriebene Weibsstück wusste nur zu gut, wie man einem Mann mit einer Mischung aus Unschuld und Verführerin betörte.

Sie fuhren schweigend durch die Nacht. Es würde drei Tage dauern, bis sie Dover erreichten. Nach Frankreich war es dann über den Kanal nur noch ein Katzensprung. In Frankreich hatten sie eine weitere Woche Reise vor sich, bis sie sein Weingut erreichen würden. Dort sollte die Hochzeit in kleinem Kreise stattfinden. Es war kein Ereignis, was es zu feiern galt, aber er brauchte ein paar Zeugen.

***

Sie hielten nur