Die Veredelung der Zeit - Arnold Mettnitzer - E-Book

Die Veredelung der Zeit E-Book

Arnold Mettnitzer

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Beschreibung

Als erfahrener Seelsorger und Psychotherapeut kennt Arnold Mettnitzer alle Facetten des Lebens – von der Begeisterung der Jugend bis hin zu den Herausforderungen und Glücksmomenten des Älterwerdens. In diesem Buch nimmt er uns mit auf die Suche nach all den Möglichkeiten, die Zeit zu veredeln und das Älterwerden zu genießen. Er erzählt in sehr persönlichen Geschichten von Menschen, denen das gelungen ist – durch die Kraft der Begegnung und den Mut, sich mit Anderen auseinanderzusetzen, durch die Fähigkeit zu verzeihen und die Offenheit bis zuletzt zu wachsen. Eine zutiefst persönliche Liebeserklärung an das Älterwerden, das Miteinander, die Achtsamkeit und die heilsame Wirkung spiritueller Erfahrungen.

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Arnold Mettnitzer

Die Veredelung der Zeit

Eine Liebeserklärung ans Älterwerden

Inhalt

Vorwort

Glückspilze und Welterfinder

Die Grundkoordinaten gelungenen Lebens

Wie Begegnungen die Zeit veredeln

Altern als Chance

Letzte Wege

Zu guter Letzt: „Vielleicht wird Liebe wehen“

Anmerkungen und Quellen

Altsein ist ein herrlich Ding, wenn man nicht verlernt hat, was anfangen heißt.

Martin Buber

 

„Fangen wir an! Fangen wir an! Jeder ist wichtig, weil ein jeder was kann!“ Drei Vorschulkinder sitzen auf dem Gehsteig vor dem Blumengeschäft in der Gersthoferstraße 73 und singen, was sie wohl soeben im Kindergarten in größerer Runde gemeinsam gesungen haben: Als ich am 21. Juli 2018 zufällig in diesen Blumenladen komme, strahlen mich die Kleinen an und tun so, als sängen sie für mich alleine. Diesen drei – heute vielleicht neun oder zehn Jahre alten Kindern – und Jutta, meiner Frau, für die ich damals Blumen kaufen wollte, ist dieses Buch gewidmet.

Vorwort

„Wahrscheinlich lebt man gar nicht, sondern wartet darauf, dass man bald leben werde; nachher, wenn alles vorbei ist, möchte man erfahren, wer man, solange man gewartet hat, gewesen ist“1, vermutet Martin Walser. Seit ich diesen Satz vor ziemlich genau fünfundzwanzig Jahren zum ersten Mal gelesen habe, fürchte ich mich davor, in meinem Leben Dinge für wichtig zu nehmen, die diese Aufmerksamkeit nicht verdienen, und dabei Wertvolles und Kostbares zu übersehen. Wer in diesem Zusammenhang von Menschen in helfenden Berufen erwartet, sie könnten Wege aufzeigen und Fragen beantworten, wird womöglich enttäuscht sein. Rezepte und Wegweiser dafür, dass das Leben gelingt, gibt es nicht, auch wenn man sich manchmal in den Ratgeberecken der Buchhandlungen des Eindrucks nicht erwehren kann, es gäbe für jedes Problem das passende Buch, zumindest einen vielversprechenden Titel dazu.

Deshalb ist dieses Buch nicht in erster Linie ein Ratgeber oder Wegweiser, keine Anleitung für geglücktes Leben; es erzählt vielmehr von persönlichen Erfahrungen in Begegnungen mit anderen, von Sternstunden und Enttäuschungen, denn ich bin überzeugt davon, dass ohne den Mut, sich mit anderen auseinanderzusetzen, ohne Respekt, Wertschätzung und täglich geübtes Vertrauen die Grundmelodie im Orchester einer gesunden Gesellschaft verstummen muss. Erst im Miteinander von Glücklichen und Unglücklichen, Gesunden und Kranken, Jungen und Alten zeigen sich nach und nach Möglichkeiten und Chancen, voneinander zu lernen und aneinander zu wachsen. Wenn dieses Buch davon erzählt, dann vor allem, um Leserinnen und Leser dazu einzuladen, in die Kellergänge der eigenen Erfahrungen hinunterzusteigen, wo die im Laufe der Jahre gereiften Weine der Weisheit liegen und nur darauf warten, entdeckt, entstaubt, gehoben und möglichst gemeinsam mit anderen genossen zu werden.

Aber: Obwohl es keine Patentrezepte für ein gelungenes Leben gibt, schon gar nicht für die „Veredelung der Zeit“, so gibt es doch wunderbare Glücksstrategien, die uns die in jedem Menschen schlummernden Potenziale entdecken lassen. Das ist deshalb möglich, weil Menschen trotz aller Unterschiedlichkeit in den Tiefenregionen ihres Wesens mehr Gemeinsames als Trennendes entdecken können.

Dass das im Blick auf das Miteinander der Generationen heute besonders schwierig geworden ist, steht außer Zweifel. „Noch niemals in der Geschichte der Menschheit waren wohl die Abstände zwischen den Generationen so groß wie heute“2, vermutet Olga Tokarczuk, die polnische Literaturnobelpreisträgerin 2018. Eine Pandemie, die den Jüngeren mehr zugesetzt hat als den Älteren, hat diese Entwicklung genauso befeuert wie die Debatte rund um die Klimaveränderungen und die Notwendigkeit, darauf notwendend zu reagieren. Die Jüngeren lehnen sich dabei gegen ein „Nach-mir-die-Sintflut-Denken“ der Älteren auf und werfen ihnen zu Recht vor, sich nicht um die Zukunft und konkrete Problemlösungen zu kümmern. Der tiefe Graben, der sich hier mittlerweile auftut, ist aber für Olga Tokarczuk nicht nur Sinnbild eines Konflikts zwischen Jung und Alt, sondern auch einer seltsamen Divergenz zwischen den Generationen, auch wenn sie im selben Kulturraum leben. Enkel und Großeltern haben heute fast gar keinen gemeinsamen Erfahrungsraum mehr, Urenkel und Urgroßeltern erst recht nicht. Während die Enkel sich über ihre Smartphones beugen, schauen die Großeltern ihre Lieblingssendungen im Fernsehen. „Der Zerfall der Bevölkerung in verschiedene ‚Stämme‘ je nach Generationszugehörigkeit veranschaulicht, wie viele Realitäten sich in ein und demselben Raum befinden. Sie verzahnen, überschneiden, stimulieren sich gegenseitig – und bleiben dennoch strikt getrennt.“

Vielleicht war das immer so. Schon Sokrates soll über die Jugend geklagt haben, dass sie den Luxus liebe, schlechte Manieren und keinen Respekt vor älteren Leuten habe: „Die jungen Leute […] widersprechen ihren Eltern, schwadronieren in der Gesellschaft, verschlingen bei Tisch die Süßspeisen, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.“ Das Verlockende dieses Textes, der zwar durchaus aus dem reichen Fundus der dem Philosophen in den Mund gelegten Sätze stammen könnte, aber von ihm anscheinend nie so ausgesprochen wurde, liegt in seiner markanten Bildhaftigkeit, die unsere Vorurteile jungen Menschen gegenüber befeuern könnte und diejenigen der Jüngeren den Älteren gegenüber. Doch gesetzt den Fall, Sokrates, der bedeutendste Philosoph der Antike, hätte diese Sätze tatsächlich gesagt, könnte sein Pauschalurteil über die Jugend ja auch mit der Salvador Dalí zugeschriebenen Vermutung zu tun haben, dass das Problem mit der heutigen Jugend darin bestehe, „dass man selbst nicht mehr dazugehört“.

Dass sich die zunächst unüberwindbar scheinenden Gräben zwischen den Generationen bei eingehender Beschäftigung in spannende Begegnungsfelder und manchmal unerwartet heiterfruchtbare Inspirationsquellen verwandeln können, davon bin ich im Grunde seit meinem siebzehnten Lebensjahr überzeugt. Als Gymnasiast zu Besuch bei meinem Schulkollegen Charly Riesenhuber in Krummnussbaum an der Westbahn stand ich damals vor dem Eingangstor zum Friedhof in Marbach an der Donau vor einem Schild mit der Aufschrift: „Was ihr jetzt seid, das waren einst wir! Was wir jetzt sind, das werdet auch ihr!“

In den Jahrzehnten meiner seelsorglichen und therapeutischen Tätigkeit hat sich dieses Gespräch am Friedhofstor zwischen Lebenden und Verstorbenen zum Gespräch unter Lebenden gewandelt. Wie dabei die Begeisterung der Jugend das Salz der Gesellschaft sein mag, bleibt die Weisheit des Alters ihr Pfeffer. Eine lebendige Gesellschaft braucht beides gegen die Langeweile und Fadesse sich voneinander abgrenzender Altersgruppen. Deshalb begibt sich dieses Buch auf die Suche nach Möglichkeiten, im Älterwerden jung zu bleiben, und erzählt von Menschen, denen dieses Kunststück gelungen ist.

Wie ein roter Faden zieht sich das Gespräch zwischen Jungen und Alten, Gesunden und Kranken, Glücklichen und Unglücklichen durch mein Leben. Fünfundvierzig Jahre meiner seelsorglichen Verantwortung und dreißig Jahre meiner Tätigkeit als Psychotherapeut konnten mich von der heilenden Kraft der Zwiesprache unter Lebenden überzeugen. Statt an Gräbern zu stehen, schauen Junge im Gespräch mit Älteren in ihre eigene Zukunft und Alte im Blick auf die Jugend in ihre eigene Vergangenheit und bleiben dabei – mit etwas Glück – offen und neugierig, am Leben anderer Menschen interessiert und bis zuletzt bereit, den Blick über den Tellerrand hinaus zu wagen.

 

Wie die Begeisterung der Jugend das Salz der Gesellschaft sein mag, bleibt die Weisheit des Alters ihr Pfeffer.

Glückspilze und Welterfinder

Der Titel dieses Buches verdankt sich einer Vorgeschichte. In einem kleinen Team in der Marktgemeinde Moosburg in der Kärntner Wörtherseeregion hatten wir vor ein paar Jahren damit begonnen, über Maßnahmen gegen das Aussterben des Ortskerns nachzudenken. Nach zwei Jahren gründlicher Beratung und Planung hoben wir den Verein „zumglueck.jetzt – Initiativen zur Veredelung der Zeit“ aus der Taufe und machten damit Moosburg zur ersten Glücksgemeinde Österreichs. Was dort in der Zwischenzeit den Besucherinnen und Besuchern angeboten wird, lässt sich mit gutem Gewissen als Glücksparcours beschreiben, als Spielwiese, die Menschen aller Alters und Berufsgruppen einlädt und motiviert, in ihrem Leben geglückte Momente und gelungene Augenblicke freizulegen und diese mit anderen zu teilen.

Zum Zeitpunkt der Eröffnung dieses Vereins am 23. Oktober 2020 erhielt die inzwischen leider verstorbene US-amerikanische Lyrikerin Louise Glück3 den Nobelpreis für Literatur 2020 für ihre „unverwechselbare poetische Stimme“. Für unser Kernteam ein wunderbares transatlantisches Gründungsgeschenk. Nicht nur ihr Name steht für unser Programm, auch ihre Lyrik entspricht unserem Anliegen; denn sie wendet sich in ihren Gedichten nicht an die Welteroberer, die sich als Glücksritter in ihrer Suche nach dem Glück im Äußeren verlieren. Die Adressaten ihrer Lyrik sind die Glückspilze, die Welterfinder, die wissen, dass sie das Glück zuallererst in ihrem Inneren suchen müssen, und die von dort aus nach Möglichkeiten gelungenen und geglückten Lebens Ausschau halten. Die Veredelung der Zeit kann so betrachtet nur gelingen, wenn Menschen sich als Gemeinschaftswesen begreifen, bereit, miteinander und voneinander zu lernen und im ständigen Miteinander von Jung und Alt auf der Suche zu bleiben, sich aneinander zu freuen, sich aber auch aneinander zu reiben und sich gelegentlich übereinander zu wundern. Daraus ergeben sich „wie von selbst“ drei Grundhaltungen: im Blick nach vorne die Bitte, im Blick zurück die Dankbarkeit und im Blick auf das, was möglich geworden ist, ein großes Staunen.

Drei wichtige Grundhaltungen: im Blick nach vorne die Bitte, im Blick zurück die Dankbarkeit und im Blick auf das, was möglich geworden ist, ein großes Staunen.

Je älter ich geworden bin, umso deutlicher haben sich mir diese drei Grundhaltungen (ich nenne sie die Tugenden der Erntedankbarkeit) als die wesentlichen Koordinaten des Lebens gezeigt; ohne sie ist das, was in diesem Buch als Veredelung der Zeit beschrieben wird, nicht denkbar; und dort, wo sie fehlen, ist nach und nach jene Art von Bitterkeit zu erleben, vor der Erwin Ringel in seinen Vorträgen unter Berufung auf den norwegischen Erzähler Knut Hamsun gewarnt hat: „Das Alter macht alt, sonst gar nichts.“ Dieser Einstellung bin ich in den neun Jahren meines Studiums in Rom so gut wie nie begegnet. Die dort vorherrschende Überzeugung lautet: „Das Alter ist die Transparenz des Lichts!“ Nie sind Menschen, geläutert durch ihre Erlebnisse und Erfahrungen, so durchsichtig und klar wie im Herbst ihres Lebens. Darum genießen auch alte Menschen – und seien sie noch so von Krankheit und Elend gezeichnet – in mediterranen Gesellschaften einen viel höheren Stellenwert als bei uns.

Drei verlässliche Wahrheiten

Der argentinische Psychotherapeut und Schriftsteller Jorge Bucay stellt in seinem Buch „Geschichten zum Nachdenken“ die Frage, ob es verlässliche Wahrheiten gibt, die „so felsenfest und unumstößlich sind wie geografische Gegebenheiten“4, oder ob es sich dabei lediglich um vergängliche, leicht zerbrechliche Konstrukte handelt. Er nennt drei Wahrheiten, die für ihn so zweifelsfrei gültig sind, „wie sie nach gesundem Menschenverstand nur sein können“.

Die erste Wahrheit lautet: „Was ist, das ist.“

Dazu muss man aber zunächst akzeptieren, dass das, was mir im Leben geschehen ist, die Situationen, denen ich ungefragt ausgesetzt worden bin, so sind, wie sie sind, und dass ich sie nicht ohne Weiteres ändern kann. Die Wirklichkeit ist, wie sie ist, jetzt und hier und in jedem Moment, in dem ich mich mit ihr beschäftige. Sie ist nicht so, wie sie gestern war oder wie sie morgen sein wird. Sie ist, wie sie ist. Ohne das zu akzeptieren, gibt es keinen verlässlichen Ausgangspunkt. Viele Patientinnen und Patienten lassen sich deshalb erst so spät helfen, weil sie viel zu lange nicht wahrhaben wollten, dass ihr körperlicher und seelischer Zustand so ist, wie er ist. Lange haben sie versucht, sich selbst mit „Es wird schon wieder“ zu vertrösten, bis sie sich eingestehen mussten, dass es ohne fremde Hilfe nicht mehr wird. Aus der Einsicht, dass das, was ist, ist, schließt Bucay, dass er auch der ist, der er ist. Nicht der, der er sein möchte, nicht der, der er sein sollte, nicht der, den die anderen gerne hätten, auch nicht der, der er früher war, sondern eben der, der er ist. Und wenn es schon schwierig ist, zu akzeptieren, der Mensch zu sein, der man ist, wie schwer ist es dann erst, einem anderen zuzugestehen, zu sein, wer er oder sie ist. Auch die anderen sind nicht, wer sie einmal waren, und noch nicht jene, die sie vielleicht einmal sein werden. Jeder und jede Einzelne ist, wer er bzw. sie ist. Dies zu akzeptieren bedeutet, die anderen zu respektieren und nicht von ihnen zu verlangen, dass sie sich ändern. Und auf der Basis dieser grundlegenden, keineswegs banalen Überlegungen definiert Jorge Bucay die Liebe als „die uneigennützige Aufgabe, Raum zu schaffen, damit der andere sein kann, wer er ist“5.

Das ist Bucays – und meine – erste verlässliche Wahrheit, ohne die „eine Liebeserklärung ans Älterwerden“ nicht vorstellbar wäre; erst in dem von Jungen und Älteren gemeinsam geschaffenen Raum der gegenseitigen Hilfe, der Wertschätzung und Dankbarkeit können sich auch Schönheit und Attraktivität des Älterwerdens entfalten.

Die zweite Wahrheit lautet: „Das Gute gibt es nicht umsonst.“

Alles hat seinen Preis! Wer das Leben als Lottospiel (miss) versteht, sieht sich nach dem Ausfüllen und Abgeben des Lottoscheins als vorauseilendglücklichen Gewinner und nach der Ziehung als abermals gescheiterten Verlierer. Die Stimmung pendelt zwischen Hoffnung und Enttäuschung, die mit dem Ausfüllen eines neuen Lottoscheins für kurze Zeit wieder in Hoffnung umschlägt, dabei aber nie zur Ruhe kommt. Die Erkenntnis, dass auch das Gute seinen Preis hat, bedeutet, „ein für alle Mal die kindliche Vorstellung fahrenzulassen, dass mir jemand etwas geben müsse, nur weil ich es will. Dass mich das Leben mit dem ausstatten muss, was ich mir wünsche, nur weil ich es mir wünsche, einfach so, wie von Zauberhand“6.

 

Was ist, das ist.

Das Gute gibt es nicht umsonst.

Niemals etwas tun, was ich nicht will.

Jorge Bucay, Geschichten zum Nachdenken

Auch die dritte, aufs Erste vielleicht plausibel und einfach klingende Wahrheit setzt eine Art psychohygienische Achtsamkeit voraus, und sie ist hinsichtlich der Steigerung der Lebensqualität unentbehrlich: „Es steht fest, dass man niemals all das tun kann, was man will, aber genauso steht fest, dass man niemals etwas zu tun braucht, das man nicht will.“7

Kürzer gefasst lautet diese dritte Wahrheit: Ich muss nichts tun, das ich nicht tun will. Vielleicht werden sich manche Menschen von mir abwenden, vielleicht werde ich von manchen keinen Beifall mehr bekommen, aber dafür gewinne ich etwas ganz anderes: Selbstachtung, Autonomie, Individualität – und wahrscheinlich neue Freunde. Für ein gelungenes Leben ist das unverzichtbar.

Die Grundkoordinaten gelungenen Lebens

Vom ersten Augenblick unseres Lebens bis zum letzten Atemzug leiten uns zwei fundamentale Erfahrungen, die jeder Mensch bereits aus seiner Zeit als Embryo im Mutterleib kennt, sie dort erfahren hat und mit in sein Leben bringt: Die erste ist, mit der Mutter im Mutterleib aufs Engste verbunden gewesen zu sein. Aus dieser schon vorgeburtlich im Hirn jedes Menschen verankerten Erfahrung entsteht nach der Geburt die Erwartungshaltung, dass es da draußen in der Welt so weitergeht, dass auch da jemand ist, der Geborgenheit und Schutz gibt und das Gefühl, dazuzugehören und nicht alleingelassen zu werden.