Die verschleierte Gefahr - Zana Ramadani - E-Book

Die verschleierte Gefahr E-Book

Zana Ramadani

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Beschreibung

"Der Islam gehört nicht zu Deutschland", sagt Zana Ramadani. "Muslime gehören zu Deutschland – aber nur, wenn sie sich dieser Gesellschaft anpassen." Doch das kann nicht gelingen, solange die überkommenen Regeln einer vormodernen Religion auf die heutige westliche Welt angewendet werden und muslimische Mütter frauenfeindliche Werte an ihre Kinder weitergeben. Als Tochter einer muslimischen Einwandererfamilie nennt Zana Ramadani Dinge beim Namen, die sich sonst kaum jemand zu sagen traut: "Die muslimischen Frauen herrschen in der Familie. Ihre Töchter erziehen sie zu willenlosen Lemmingen, ihre Söhne zu verwöhnten Machos – und weil diese Hätschel-Machos damit im Leben scheitern, zu den nächsten Radikalen." In ihrem Buch plädiert Zana Ramadani für eine offene, schonungslose Auseinandersetzung und macht deutlich: Ohne die muslimischen Mütter kann Integration nicht gelingen. Zana Ramadani ist eine der meinungsstärksten islamkritischen Stimmen Deutschlands. Für die engagierte Menschenrechtsaktivistin ist klar: Ein Islam, der den Koran wortwörtlich nimmt und Regeln aus dem Mittelalter einfordert, der Frauen missachtet und junge Männer radikalisiert, der die westliche Kultur und die hier existierenden Gesetze ablehnt, gehört nicht zu Deutschland. Als Tochter einer muslimischen Einwandererfamilie erlebte auch Zana Ramadani Gewalt und Unterdrückung. Schnell lernte sie: Es sind oft die muslimischen Mütter, die in den Familien herrschen, indem sie die frauenfeindlichen Werte, unter denen sie selbst gelitten haben, an ihre Kinder weitergeben. In ihrem Buch macht Zana Ramadani deutlich, dass die Integration von Muslimen in unsere Gesellschaft nicht gelingen kann, solange muslimische Mütter ihre Söhne zu verwöhnten Machos und ihre Töchter zu Gehorsam und Anpassung erziehen.

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1. eBook-Ausgabe 2017

© 2017 Europa Verlag GmbH & Co. KG,

Berlin · München · Zürich · Wien

Umschlaggestaltung: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich, unter Verwendung eines Fotos

von © Jörg Schulz/Chuck Knox Photography

Lektorat: Heike Gronemeier

Layout & Satz: BuchHaus Robert Gigler, München

Konvertierung: Brockhaus/Commission

ePub-ISBN: 978-3-95890-143-8

ePDF-ISBN: 978-3-95890-144-5

Das eBook einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Nutzer verpflichtet sich, die Urheberrechte anzuerkennen und einzuhalten.

Alle Rechte vorbehalten.

www.europa-verlag.com

Ich danke meinen Eltern: meinem Vater dafür, dass er mich gelehrt hat, Fragen zu stellen, auch unbequeme, und meiner Mutter dafür, dass sie mich unbewusst zu einer Rebellin gemacht hat.

INHALT

EINLEITUNG: ICH KANN NICHT SCHWEIGEN

Wir müssen dem politischen Islam entschlossen entgegentreten

KAPITEL 1: LEKTIONEN IN GELEBTEM ISLAM

Ein Mädchen hat bei den Männern nichts zu suchen

GLÜCK IN WILDEN, WESTFALEN

Wir waren bereit, uns nach der deutschen Gesellschaft zu richten

EMANZIPATION VOM ISLAM

Eine junge Muslimin will leben, die Onkel versuchen sie zu zähmen

KAPITEL 2: DIE MUSLIMISCHE FRAU – IMMER NUR EIN OPFER?

Die Ehe gelingt, wenn die Frau gehorsam und sittsam ist

»SCHLAGT SIE!«

Befürwortet der Koran die körperliche Züchtigung von Frauen?

DIE MUSLIMISCHE FRAU ALS TÄTERIN

Mütter sind die größten Unterdrücker der Töchter

BEWAHRERINNEN DER TRADITION

Muslimische Mütter als Hüterinnen der Jungfräulichkeit ihrer Töchter

»HIER SUCHT SICH KEIN MÄDCHEN IHREN MANN ALLEINE AUS«

Auch in Deutschland werden muslimische Frauen zwangsverheiratet

DER SÖHNCHENKULT

Wie muslimische Mütter ihre Söhne zu gewalttätigen Machos erziehen

SCHLAMPEN ANMACHEN

Von der sexuellen Not junger Muslime

KAPITEL 3: ZURÜCK IN DIE VERGANGENHEIT

Religiöse Kleidervorschriften sind der Anfang vom Ende der Freiheit

LEICHENTÜCHER DER FREIEN GESELLSCHAFT

Der Schleier ist auch ein Zeichen der Ablehnung unserer Kultur

KLEIDUNG SCHÜTZT NICHT VOR SEXUELLER GEWALT

Das Kopftuch ist ein »Fuck you« ins Gesicht eines jeden Mannes

DIE DEUTSCHE GESELLSCHAFT VERÄNDERT SICH

Wir haben den Kampf gegen den Hidschab fast verloren

KAPITEL 4: FALSCHE FEMINISTINNEN

Der Islam und freie Sexualität sind unvereinbar

DIE ENTMENSCHLICHUNG DER FRAU

Wer für die Verhüllung von Frauen eintritt, verrät den Feminismus

DAS ENDE DER FREIHEIT

Die Kurzsichtigkeit der Kopftuchfeministinnen

VERBOHRTE WEISSE GENDERFEMINISTINNEN

Sie dulden Sitten, denen sie sich selbst niemals unterwerfen würden

ALLAH HUI! GOTT PFUI!

Weiße Mädchen kapern Femen, Islamkritik gilt jetzt als Rassismus

KAPITEL 5: EINE GEWALTTÄTIGE RELIGION

Der Glaube ist die Grundlage für den islamistischen Terror

DIESER ISLAM GEHÖRT NICHT ZU DEUTSCHLAND

Woher kommen Rückständigkeit und Gewaltneigung bei Muslimen?

DER KRIEGERISCHE ISLAM BREITET SICH AUS

Moscheen sind Kasernen, Minarette Bajonette, Gläubige Soldaten

SCHLECHTE VORBILDER

Über die Radikalisierung der Imame

»ICH BIN STOLZ, MUSLIM ZU SEIN«

Die Re-Islamisierung der jungen Gläubigen

PARALLELGESELLSCHAFTEN: »DAS REGELN WIR UNTER UNS«

Scharia-Recht unterwandert das deutsche Rechtswesen

WEICHEIER

Was Muslime von biodeutschen Männern halten

KAPITEL 6: DAS MANTRA DER MUSLIMFUNKTIONÄRE

»Terror und Gewalt haben nichts mit dem Islam zu tun«

DIE TABUS DER MUSLIMFUNKTIONÄRE

»Muslime stöbern nicht nach den Fehlern ihrer Glaubensbrüder«

IMAME UND VERBÄNDE FÖRDERN RADIKALISIERUNG

»Völker gingen verloren, weil sie ihre nationalen und geistigen Werte verloren haben«

DIE FALSCHE TOLERANZ DER LIBERALEN MUSLIME

»Der Prophet und die Heiligen konnte nichts dafür, was in ihrem Namen geschah«

DIE WOLLEN SICH NICHT INTEGRIEREN

»Wenn wir unseren Glauben stark halten, können wir die ganze Welt herausfordern«

DAS GEREDE VON DER BRINGSCHULD

Müssen wir uns den Muslimen anpassen?

KAPITEL 7: WILLKOMMENSKULTUR JA – ABER MIT VERSTAND

Wie gegenseitige Verbundenheit entstehen kann

DIE SUCHE NACH EINER NEUEN IDENTITÄT

Was Zuwanderer brauchen

EINE ZENSUR FINDET NICHT STATT

Wir müssen und dürfen über den real existierenden Islam sprechen

NULL TOLERANZ

Wir müssen jegliche Form von Rassismus bekämpfen, auch den von Muslimen

KAPITEL 8: AUS FEHLERN LERNEN

Was wir von muslimischen Residenten und Zuwanderern erwarten dürfen – und sie von uns

WAS MUSLIME UND IHRE VERTRETER TUN MÜSSEN

Politik und Religion trennen

Haltung zeigen

WAS WIR TUN MÜSSEN

Kürzere Prüfverfahren und schnellere Abschiebung

Verpflichtende Sprach- und Integrationskurse

Integration und Bildung sind Aufgaben des Staates, nicht der Muslimverbände

Die »verschleierte Macht« nutzen und die Frauen stärken

Arbeit und Ausbildung

MEINE VISION

Ein Neustart kann gelingen

ANMERKUNGEN

EINLEITUNG

ICH KANN NICHT SCHWEIGEN

Wir müssen dem politischen Islam entschlossen entgegentreten

Wenige Stunden nach dem Attentat von Nizza erklärte der Imam von Nîmes seinen Rücktritt. Hocine Drouiches Begründung ließ nichts an Deutlichkeit vermissen: »Inzwischen ist es schwer, den Islam vom Islamismus zu unterscheiden.«1 Eine Aussage, die so in Deutschland noch nicht zu hören war – nicht einmal nach dem Attentat in Berlin am 19. Dezember 2016, als ein tunesischer Islamist einen Sattelschlepper kaperte, den polnischen Fahrer erschoss, in den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz raste und elf Besucher tötete. Der Täter sei ein »irregeleiteter Einzelner«, hieß es allenfalls.2

In Deutschland verstecken sich muslimische Prediger, Vereinsvorsitzende und viele Gläubige nicht nur nach solchen erschütternden Anschlägen gegen Menschlichkeit und Demokratie hinter dem Mantra: »Das hat mit dem Islam nichts zu tun.«

Dabei gehen die meisten Terrorakte auf das Konto von Männern und inzwischen auch Frauen, die sich auf den Islam berufen. Sie schrecken nicht einmal vor tödlichen Anschlägen auf Hochzeitsgesellschaften zurück, sie morden, sie zerstören Mausoleen, Gräber, Bibliotheken, Klöster, Museen – kurz: Kultur. Wie in Bamiyan, Mossul, Palmyra und Timbuktu, weil sie meinen, ihre Religion stehe über allem anderen. Über anderen Religionen, über Andersgläubigen und über dem, was man gemeinhin Weltkulturerbe nennt. Im Namen Allahs unterdrücken sie die Menschenrechte, die Errungenschaften von Zivilisation und Demokratie, Gleichheit und Freiheit. Mit dem Schlachtruf »Allahu akbar« auf den Lippen töten Islamisten teils gezielt, teils wahllos, wobei ihnen immer häufiger in westeuropäischen Metropolen aufgewachsene Helfer nacheifern, die ein Islamist bestenfalls als nützliche Handlanger betrachtet, keinesfalls als jemanden, der ihm und seinesgleichen das Wasser reichen könnte.

Die meisten Opfer der Islamisten – das ist auch ein Teil der Wahrheit – sind ihre Glaubensbrüder und -schwestern. Und nicht nur deshalb ist es fair zu sagen: Der islamistische Krieg gegen andere Kulturen spaltet auch die Umma, die Gemeinschaft der Muslime. Wie in christlich geprägten Gesellschaften leben auch in islamischen Menschen, die nicht an einen Gott glauben; andere betreten nur hin und wieder zu Feiertagen eine Moschee, so wie eine beträchtliche Zahl der Christen allenfalls zu Weihnachten eine Kirche besucht. Diese Muslime dürften den Untaten der Radikalen verständnislos begegnen. Auf der anderen Seite stehen die streng Gläubigen, unter denen radikale Prediger und ihre Apologeten stetig an Einfluss gewinnen. Sie nehmen den uralten Koran wörtlich und bestehen darauf, dass Muslime auch im 21. Jahrhundert nach den nicht mehr zeitgemäßen Suren leben.

Die ultrakonservativen Salafisten beispielsweise orientieren sich an der Lebensweise der »Altvorderen« (Salaf bedeutet auf Arabisch Vorfahre oder Vorgänger); zu diesen gehören die Gelehrten der ersten drei Generationen nach dem Propheten Mohammed (gestorben am 8. Juni 632). Der Koran und die von den Gelehrten festgelegten Bräuche und Normen sollen Grundlage für jede Lebens- und Staatsordnung sein. Dass diese Haltung in Opposition zu einem demokratischen Verfassungsstaat steht, ergibt sich zwangsläufig. Und ein großer Teil der Salafisten – wenn auch nicht alle – zieht daraus auch die Legitimation, diesen »Gegner« mit Gewalt zu bekämpfen.

Unter Muslimen wächst eine bedenklich hohe Zahl an fanatischen, gewaltbereiten Menschen heran, die eine totalitäre, absolutistische, identitäre Staats- und Gesellschaftsordnung anstrebt, in dem das Individuum nichts, das islami(sti)sche (Gottes-)Volk alles ist. Sie lehnen den modernen, demokratischen Verfassungsstaat mit allen seinen Errungenschaften ab und üben Druck auf diejenigen aus, die anders leben und sich diesem Diktat nicht beugen wollen. Für sie gibt es nur schwarz oder weiß. Ihr Selbstverständnis lässt sich auf folgende Frage reduzieren: Bist du Moslem oder nicht? Wer diese Frage bejaht, so lautet ihr Anspruch, muss auch ihrem Islamverständnis folgen und danach leben. Wer das nicht tut, kann kein wahrer Moslem sein.

Es sieht so aus, als würden mehr und mehr Muslime dieser Version eines fundamentalistischen Islamverständnisses folgen. Bei manchen fruchtet die Saat des Salafismus geistig, bei anderen führt sie zu einer erhöhten Gewaltbereitschaft.

Am sichtbarsten ist die Hinwendung zur Religion in einem streng konservativen Sinne durch die Verbreitung religiös-politischer Symbole; Frauen mit Kopftuch oder Ganzkörperschleier sieht man nicht nur in islamischen Staaten, sondern auch in Europa. In der westlich-christlichen Hemisphäre werden diese Symbole zu einem Statement, das vielerlei Signale aussenden soll: vom Bekenntnis zum Glauben bis hin zur politisch aufgeladenen Abgrenzung von der Mehrheitsgesellschaft.

Die Schar derer, die ihr Leben strenger nach dem Koran und dem islamischen Recht (der Scharia) ausrichten, scheint zu wachsen. Die Gläubigen ordnen sich einer Religion und einer Gemeinschaft zu, die alles regelt, bis hinein ins Intimste. Und deswegen hat dieser gelebte Islam auch mit allem zu tun; er lässt sich nicht vom grassierenden Terror trennen.

Wer Islamisten jene blutrünstigen Suren des Korans vorhält, auf die sich Täter und Sympathisanten berufen, wird häufig mit einem Verweis auf die Bibel ausgekontert, die doch viel gewalttätiger sei als der Koran. Das sind Nebelkerzen. Selbstverständlich wird kein aufgeklärter Mensch bestreiten, was im Alten Testament steht und welche Gräuel Christen im Namen ihres Glaubens verübt haben – namentlich während der Kreuzzüge und der Zeit der Inquisition. Aber kein gläubiger Christ lebt heute mehr nach dem Wort: »Welcher des Herrn Namen lästert, der soll des Todes sterben; die ganze Gemeinde soll ihn steinigen. Wie der Fremdling, so soll auch der Einheimische sein; wenn er den Namen lästert, so soll er sterben.«3 Im Christentum wird schon lange nicht mehr gesteinigt. Und schließlich steht dem Alten Testament auch das Neue als Glaubensfundament entgegen, das nicht mehr den zornigen, strafenden Gott zum Mittelpunkt hat, sondern Versöhnung und Vergebung predigt durch Jesus Christus.

Immer mehr Muslime, auch mitten in Europa, leben dagegen nach der Überlieferung und nehmen die Suren des Korans und die Hadithe (also die außerkoranischen Äußerungen Mohammeds) wörtlich und stützen sich dabei auf Handlungsanweisungen aus einer längst vergangenen Zeit. Wo sie noch heute Gesetzeskraft haben, ist es normal, dass ein Jungfernhäutchen mehr zählt als das Mädchen, dem es gehört; dort ist es normal, dass Frauen diskriminiert und misshandelt, zwangsverheiratet und gesteinigt werden; dort ist es normal, dass Frauen sich unter Stoff verstecken müssen und dass junge Männer Frauen als »Schlampen« demütigen, die dem nicht nachkommen wollen.

Wir sollten jedoch nicht den Fehler begehen, muslimische Frauen ausschließlich als Opfer einer Männerherrschaft zu sehen. Sie sind auch Täterinnen. In der Urzelle der muslimischen Gesellschaft, der Familie, haben Frauen das Sagen. Es sind die Mütter, die Mädchen zu Bediensteten erziehen und Jungs zu größenwahnsinnigen Machos. Sie sind verantwortlich dafür, dass Traditionen weitergegeben werden, unter denen sie einst selbst litten und immer noch leiden. Und selbst unter Attentätern finden sich inzwischen Frauen, auch in Europa: Im September 2016 verhafteten Sicherheitsbehörden in Paris drei Frauen und vereitelten damit einen Anschlag auf einen Bahnhof. In Marokko nahm die Polizei kurz vor den Wahlen im Oktober 2016 zehn Frauen fest, die dem IS nahestanden und sich darauf vorbereitet hatten, Selbstmordanschläge zu verüben.4

Selbstverständlich gibt es auch schöne, barmherzige Suren und Hadithe. Leider scheint es einen Trend unter Muslimen zu geben, gewalttätigen Worten wie diesen zu folgen: »Und wenn die heiligen Monate abgelaufen sind, dann tötet die Götzendiener, wo immer ihr sie findet, und ergreift sie und belagert sie und lauert ihnen aus jedem Hinterhalt auf. Wenn sie aber bereuen und das Gebet verrichten und die Zakah entrichten, dann gebt ihnen den Weg frei. Wahrlich, Allah ist Allvergebend, Barmherzig.«5

Wer nicht konvertiert, soll getötet werden. Und so geschieht es auch, in Pakistan und Afghanistan, in Ägypten und Nigeria, kurz: wo immer der Wahn von einem islami(sti)schen Staat wütet. Inzwischen tragen die Kämpfer im Namen Allahs ihren Krieg auch nach Europa. Und die demokratische, tolerante, undogmatische, westliche Welt hat dem Treiben der undemokratischen, intoleranten, dogmatischen Männer und Frauen aus der muslimischen Umma, in der sich die Radikalen ausbreiten wie ein Geschwür, wenig entgegenzusetzen.

Ich will dem nicht länger zuschauen, handlungsunfähig oder unwillig wie offenbar viele westliche Politiker mit ihrer abgeklärten Laisser-faire-Haltung. Die Neutralen, Gleichgültigen und Übertoleranten vergessen, dass eine tolerante Gesellschaft wie unsere von Feinden bedroht ist, von Ideologien, über die Karl Popper in seinem Buch Die offene Gesellschaft und ihre Feinde schon 1945 schrieb. Er sprach vom »Paradoxon der Toleranz«, weil uneingeschränkte Toleranz zwangsläufig zum Verschwinden von Toleranz führe: »Denn wenn wir die unbeschränkte Toleranz sogar auf die Intoleranten ausdehnen, wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen.«

Popper redete damit nicht der gewaltsamen Unterdrückung von intoleranten Philosophien das Wort – solange wir ihnen durch rationale Argumente beikommen können und solange wir sie durch die öffentliche Meinung in Schranken halten können. Aber was, wenn die Intoleranten gar nicht bereit sind, die Meinung anderer aufzunehmen? Wenn sie Absolutheit für sich beanspruchen und für rationale Argumente nicht zugänglich sind? Dann, so Popper, sollten wir »das Recht in Anspruch nehmen, sie, wenn nötig, mit Gewalt zu unterdrücken; denn es kann sich leicht herausstellen, dass ihre Vertreter nicht bereit sind, mit uns auf der Ebene rationaler Diskussion zusammenzutreffen, und beginnen, das Argumentieren als solches zu verwerfen; sie können ihren Anhängern verbieten, auf rationale Argumente – die sie ein Täuschungsmanöver nennen – zu hören, und sie werden ihnen vielleicht den Rat geben, Argumente mit Fäusten und Pistolen zu beantworten. Wir sollten daher im Namen der Toleranz das Recht für uns in Anspruch nehmen, die Unduldsamen nicht zu dulden.«6

All das, Sie werden es lesen, geschieht heute tatsächlich. Und deshalb sollten wir wie Popper, »geltend machen, dass sich jede Bewegung, die die Intoleranz predigt, außerhalb des Gesetzes stellt, und wir sollten eine Aufforderung zur Intoleranz und Verfolgung als ebenso verbrecherisch behandeln wie eine Aufforderung zum Mord, zum Raub oder zur Wiedereinführung des Sklavenhandels«.7

Die intolerante Ideologie im Sinne Poppers ist heutzutage das, was zahlreiche islami(sti)sche Religionsphilosophen predigen. Manchmal tritt sie offen zutage. Zum Ramadan 2016 warnte ein Imam in einer Moschee in Gießen die Gläubigen davor, während des Fastens an einer Dattel zu lecken. Wer das tue, breche das Fasten. Wer das Fasten willkürlich breche, solle zu Bayram, also an religiösen Feiertagen, nicht in die Moschee kommen. »Das ist nicht dein Bayram-Fest, Mann«, rief er seinen Zuhörern zu. »Bleibe daheim.« Und dann folgte ein abschätziger, demaskierender Satz: »Sogar der Christ ist besser als du, der zündet zumindest an Advent eine Kerze an.«8

Sogar der Christ ist besser als du! Das verrät viel über die Wertschätzung für Menschen anderen Glaubens.

Was die radikalen Prediger in deutschen Moscheen von Frauen halten, offenbarte ein Gastprediger aus Ägypten in der gut gefüllten Al-Nur-Moschee im Berliner Stadtteil Neukölln im Januar 2015: »Eine Frau darf nicht den Sex mit ihrem Mann verweigern. Sie darf keine Ausreden oder Vorwände benutzen. Wie schon der Prophet und viele andere Gelehrte gesagt haben: Wenn ein Mann seine Frau ins Bett ruft und sie sich verweigert und einschläft – dann verfluchen die Engel sie!«

Das ist die freie Wiedergabe der Sure 2:223 des Korans, in der es heißt: »Eure Frauen sind ein Saatfeld für euch; darum bestellt euer Saatfeld, wie ihr wollt.« Das heißt: Frauen sind Sexualobjekt, über die der Mann jederzeit frei verfügen kann. Außerdem, so der Prediger in der Al-Nur-Moschee: Eine Frau »darf das Haus nicht ohne seine Erlaubnis (die des Mannes) verlassen. Und unter keinen Umständen darf sie außerhalb des Hauses übernachten. Eine Frau darf keine Arbeit ohne die Erlaubnis ihres Mannes annehmen. Das ist ein großes Problem in der Gesellschaft, in der wir leben.«9

In derselben Moschee hatte zuvor der deutsche Islamist Pierre Vogel Homosexualität als »Todsünde« bezeichnet. Und der Rapper Denis Cuspert, der als Kämpfer (und »Märtyrer«) des sogenannten Islamischen Staats (IS) bekannt wurde, hat sie ebenfalls häufig besucht.

In der »Abendschau« des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb) verteidigte ein Moschee-Vertreter den ägyptischen Gastprediger: Er sei missverstanden worden und habe lediglich »Tipps« für eine Ehe ohne Probleme geben wollen. Keineswegs habe es sich dabei um eine Hasspredigt gegen Frauen gehandelt.10

Natürlich, es war eine Liebesbotschaft, gerichtet auch an die »Gesellschaft, in der wir leben«, die aber leider Probleme bereitet. Und weil diese offene, moderne Gesellschaft nicht mit fundamentalistischen Überzeugungen in Einklang zu bringen ist, muss sie bekämpft werden. Die Mittel des Kampfes reichen von systematischer Indoktrination bis hin zu offenen Aufrufen zu Gewalt. So rufen sogenannte Informationskrieger wie Imam Gadzhimurad K. auch in Deutschland lebende Jugendliche zu den Waffen. Er rechtfertigte zudem per Internet-Video Verbrechen des IS und wurde dafür vom Berliner Kammergericht (Oberlandesgericht) im Juni 2016 wegen Unterstützung einer terroristischen Organisation im Ausland sowie der Billigung von Kriegsverbrechen zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Gadzhimurad K., russischer Staatsangehöriger dagestanischer Herkunft, war schon Jahre zuvor durch Predigten in einem Moscheeverein in Berlin-Moabit aufgefallen, aus dessen Umfeld mehrere Salafisten festgenommen worden waren, darunter der als »Emir von Wedding« bekannt gewordene Ismet D.11

In Poppers Sinn ist es nicht intolerant, wenn ich sage: Dieser Islam gehört nicht zu Deutschland. Seine Anhänger sind intolerant – uns und unseren Werten gegenüber. Ihre Ideologie repräsentiert alles andere als die schönen Seiten von Koran und Islam, die Kritiker von Islamkritikern gerne zitieren und die es zweifelsohne gibt.

Ein wichtiges Kernstück ihrer Ideologie zeigt sich darin, dass weder der Koran noch die Botschaften seiner Gelehrten hinterfragt werden dürfen. Wenn aber der Koran als unumstößliches und letztgültiges Wort Gottes gilt, kann es keine moderne Auslegung, keine offenen Debatten geben. Kritik, Auseinandersetzung und Debatten werden auch weiterhin durch Schmähungen, Hassbotschaften, Morddrohungen, Fatwas (Rechtsgutachten, die sich auch gegen Menschen richten können, wie der von Ruhollah Khomeini ausgesprochene Mordaufruf an alle Muslime gegen Salman Rushdie) und Terroranschläge beantwortet werden.

Die Christen haben ihre Kreuzzüge längst hinter sich. Sie haben sich größtenteils von den schwarzen Seiten der urchristlichen Ideologie emanzipiert. Die Bemühungen von islamischen Predigern und Muslimverbänden in westlichen Gesellschaften, einen Teil ihrer Anhänger vom Pfad der Gewalt abzubringen, halten sich dagegen in überschaubaren Grenzen. Statt sich von einem dogmatischen Islamverständnis zu distanzieren, bleiben sie ihrem Mantra verhaftet: »Das hat nichts mit dem Islam zu tun.«

Das hat es sehr wohl. Denn der Koran bestimmt das Leben der Gläubigen in Staaten, in denen es keine Trennung von Religion und Staat gibt. Und er bestimmt das Leben einer wachsenden Community in Europa auf eine zunehmend dogmatische Weise. Die Stimmen von liberalen Imamen, Philosophen und Gelehrten gehen unter in sich verhärtenden und abschottenden islami(sti)schen Parallelgesellschaften des Westens. Die Religion beeinflusst zunehmend alles Leben von gläubigen Muslimen.

Gelebter Islam zeigt sich, wenn schon Mädchen auf ihr Geschlecht und ihre Sexualität reduziert werden, wenn sie nicht am Schwimmunterricht teilnehmen dürfen und wenn selbst Grundschülerinnen Kopftuch tragen (müssen). Dieses vorgestrige Geschlechterbild stammt aus einer Welt, in der Workshops mit Titeln konzipiert werden wie diesem: »Ist die Frau ein Mensch?«12

Barack Obama sagte einmal: »Du kannst den Erfolg einer Gesellschaft daran messen, wie sie ihre Frauen behandelt.«13 Die muslimische Gesellschaft behandelt Frauen schlecht, jedenfalls nach westlichen Maßstäben. Aber das ist nur ein Teil der Wahrheit. Der andere: Sind aus den Mädchen Frauen, aus den Frauen Mütter geworden, dann erziehen sie die nächste Generation von Mädchen auf dieselbe überkommene Weise. Auch deshalb entwickelt sich der Islam nicht weiter, nicht in Saudi-Arabien und auch nicht in Europa, wo ein Imam einer deutschen Lehrerin den Handschlag verweigert, Menschen im Namen der Familienehre ermordet werden und Scharia-Gerichte Recht sprechen.

Es müsste offen und ohne Tabus darüber gesprochen werden, weshalb der Islamismus sich in unseren westlichen, europäischen Staaten breitmachen konnte. Stattdessen reden wir darüber, ob und, wenn ja, wie wir über Islam und Islamismus diskutieren dürfen. Wir sollten in Deutschland weniger über Islamkritik streiten, sondern mehr und entschiedener darüber debattieren, was wir von Muslimen erwarten, wenn sie Teil dieser Gesellschaft sein oder werden wollen. Wir sollten dazu stehen, wenn wir der Meinung sind, dass der wörtlich verstandene Islam nicht zeitgemäß ist und einer Reform bedarf; nur dann kann diese Religion bei uns eine Zukunft haben. Wir sollten offen darüber reden, welche Folgen es hat, wenn importierte Vorbeter mitten in Europa eine mittelalterliche Ideologie verbreiten. Und wir sollten uns nicht scheuen, den Zusammenhang zwischen einem politisch verstandenen Islam und dem grassierenden islamistischen Terrorismus zu thematisieren.

Nicht nur wir sollten uns damit auseinandersetzen, vor allem sollte sich jeder Muslim, der nicht in Saudi-Arabien oder im Land der Taliban lebt, diesen Fragen stellen. Das dürfen wir zuerst erwarten, bevor wir uns den Aspekten widmen, wie wir als Gesellschaft dabei helfen können. Religionsfreiheit heißt nicht, dass Religion nicht kritisiert werden darf. Den Mittelalter-Islam oder den politischen Islam als kulturelle Eigenart zu verharmlosen ist falsch verstandene Toleranz oder Traumtänzer-Nostalgie. Wenn wir es nicht wagen, dem politischen Islam und der zunehmenden Radikalisierung entschlossen entgegenzutreten, weil wir Angst vor dem Vorwurf der Intoleranz oder des Rassismus haben, dann ist das Feigheit. Und wenn wir denen, die unsere Art zu leben torpedieren, Rabatt einräumen, dann werden sie uns nicht mehr respektieren.

Von dem französischen Schriftsteller und Philosophen Albert Camus ist der Satz überliefert: »Wer die Dinge beim falschen Namen nennt, trägt zum Unglück der Welt bei.«14

Ich will dazu nicht beitragen.

KAPITEL 1

LEKTIONEN IN GELEBTEM ISLAM

Ein Mädchen hat bei den Männern nichts zu suchen

Als ich elf Jahre alt war, erteilte meine Mutter mir eine Lektion in gelebtem Islam. Es war Sommer, und die ganze Familie war im Haus der Großeltern in der Altstadt von Skopje zusammengekommen, wo die »Albaner« lebten, deren Vorfahren einst den Glauben der Osmanen hatten übernehmen müssen. Im Vorhof hatten sich die Männer – ein paar Onkel und mein Vater –, auf Teppichen und Matratzen niedergelassen, um zu reden und zu rauchen. Ich war auf der Suche nach meiner Mutter und ging zu ihnen, um meinen Vater zu fragen, wo sie sei. Bevor er antworten konnte, stürzte meine Mutter aus dem Nichts auf mich zu, packte mich an den Haaren und zog mich von den Männern weg. »Benimm dich nicht wie eine Hure!«, brüllte sie.

Sie tat mir weh, körperlich und seelisch. Es war entwürdigend. Ich war wehrlos gegen die körperliche Urgewalt meiner muslimischen Mutter, die ihren Erziehungsauftrag auf denkbar rücksichtslose Weise erfüllte. Ich war noch so jung und unbedarft, dass ich nicht einmal wusste, was eine Hure ist. Aber an diesem Tag lernte ich: Ein heranwachsendes Mädchen ist eine Hure, wenn es zu den Männern geht, egal aus welchem Grund. Ein anständiges Mädchen hat bei den Männern nichts zu suchen.

Zum Zeitpunkt dieses einschneidenden Erlebnisses lebten wir schon vier Jahre in Deutschland. Es war das erste Mal, dass wir seit unserer durch den Krieg erzwungenen Emigration aus meiner Geburtsstadt Skopje die Familie, die Brüder und Schwestern meiner Mutter und meines Vaters besuchten. Während sich in unserem Leben alles verändert hatte, galten dort wie selbstverständlich die alten Regeln, die Regeln der Religion, die immer zu befolgen sind, wenn Muslime unter sich sind. In Deutschland hatten die Religion und deren Bestimmungen für mich keine wirkliche Bedeutung mehr, aber für meine Mutter galten sie noch, vor allem wenn Verwandte uns besuchten.

Meine Mutter wollte offenbar beweisen, dass sie noch dazugehörte zur Gemeinschaft der Muslime. Und ich war ihr Demonstrationsobjekt. Ich hatte gegen die Regeln verstoßen, ich war zu den Männern gegangen, und die Schwägerinnen meiner Mutter hatten das beobachtet. Die ungezogene Tochter der Exilanten hatte sich nicht züchtig abgewandt, sich nicht den Blicken der Männer entzogen, wie es der Koran verlangt. Weil die anderen Frauen es gesehen hatten, musste meine Mutter mich zurechtweisen. Das forderte ihre Rolle, und sie war bereit, sie zu erfüllen. Vor allem, wenn wir in Mazedonien waren, wo ich die meisten Lektionen in gelebtem Islam erhielt.

Wir hatten mittendrin gewohnt, in der Nähe des alten Basars, im Elternhaus meines Vaters, nicht weit entfernt von meinen Großeltern mütterlicherseits. Es war eines dieser alten Gebäude mit drei bis vier Meter hohen Mauern drum herum. Vom Vorhof aus gelangte man direkt in die Zimmer, die keine Türen hatten. Damals kam mir das alles vor wie ein Labyrinth, heute erscheint es mir winzig.

Als meine Großeltern wenige Monate nach meiner Geburt starben, musste mein Vater sein Kunststudium abbrechen; als ältester Sohn musste er sich um seine Geschwister kümmern, eine Schwester und vier Brüder, von denen die kleinsten nur wenig älter waren als ich. Er hatte nun für acht Personen den Lebensunterhalt zu verdienen. Meine Mutter trug mit Schneiderarbeiten dazu bei, und ich saß häufig neben ihr, wenn sie nähte oder einer ihrer Kundinnen ein neues Kleid anpasste.

Im Geburtshaus meiner Mutter galten die Regeln des Islam. Man machte sich darüber wenig Gedanken, es war einfach so. Meine Großmutter trug immer ein Kopftuch, so ein weites, leichtes, damit die Haare nicht herunterfallen. Es war wie eine Mütze gebunden. Sie kochte wunderbar, und zwar für die ganze Familie: zwei weitere Töchter, deren Ehemänner und die Kinder, meine Cousins und Cousinen. Sie litt unter ihrem Mann, meinem Großvater. Wenn das Essen nicht heiß genug oder ihr eine Tasse aus der Hand gefallen und am Boden zerborsten war, dann sprang er auf, beschimpfte sie brüllend, und nicht selten schlug er sie. Niemand sagte ein Wort! Nicht ein Mann stand auf. Keiner wies ihn zurecht, nicht der leiseste Widerspruch war zu hören. Denn er war das Oberhaupt der Familie. Seine Autorität anzugreifen, das gehörte sich nicht und das wagte auch keiner. Warum auch? Hatte nicht schon Mohammed seine Frauen zurechtgewiesen? Und musste man nicht dem Propheten folgen? Seinen Weg nachgehen, ohne ihn infrage zu stellen?

Als ich ein Jahr alt war, zogen wir aus dem Haus meiner Großeltern väterlicherseits in ein Hochhaus am Stadtrand, in einen dieser neu gebauten kommunistischen Plattenbauten. Die Wohnung war ein echtes Statussymbol. Wir hatten drei Zimmer für acht Personen: für meine Eltern und mich und die jüngeren Geschwister meines Vaters. Was aber viel wichtiger war: Erstmals kappten wir unsere Wurzeln, mein Vater hatte es so gewollt – raus aus der Stadt, raus aus der Enge der muslimisch geprägten Altstadt, raus aus den Zwängen der Familie, weg von der albanischen Community, wo die Frauen auch damals schon Kopftücher trugen und mehr Kinder zur Welt brachten als die Mazedonier.

Die Welt der Plattenbauten war eine ganz andere. Auf der Schule war ich die einzige Albanerin, aber ich tanzte auf einem Schulfest weiß gekleidet mit einer roten Schürze und einem kleinen, weißen Folklorekopftuch, wie die mazedonischen Bäuerinnen das damals trugen. Und ich sprach mazedonisch. Das taten wir auch zu Hause. Man müsse die Amtssprache des Landes beherrschen, in dem man lebt, lehrte mein Vater, und zwar perfekt. Man könne sonst nicht vernünftig leben, nicht selbstständig für sich sorgen. Und er hatte recht. Er hat immer noch recht. Das gilt bis heute und sollte auch für alle Menschen gelten, die einst nach Deutschland gekommen sind und gegenwärtig kommen. Die Sprache ist der wichtigste Grundstein für alles Weitere.

In Skopje war ich gut integriert, wie man heute sagen würde. Ethnien und Religion spielten damals in der mazedonischen Gesellschaft und im öffentlichen Leben eigentlich eine untergeordnete Rolle. Gleichwohl fühlten sich die Albaner benachteiligt; sie waren nicht in der Regierung vertreten, ihre Schulen waren schlechter ausgestattet, und die Weigerung mancher, mazedonisch zu sprechen, war wohl Ausdruck des Trotzes einer Minderheit, die sich als fünftes Rad am Wagen fühlte. Meine Cousinen und Cousins mütterlicherseits, die albanische Schulen besuchten, sprechen die Amtssprache bis heute nicht perfekt, obwohl es die Sprache jenes Landes ist, in dem sie zur Welt kamen. Das ist absurd.

Spannungen zwischen den Ethnien lagen immer dort in der Luft, wo mazedonische orthodoxe Christen und albanische Muslime zusammenwohnten; aber sie nahmen erst massiv zu, als Jugoslawien zerfiel. Die Albaner boykottierten das Referendum über die Unabhängigkeit und träumten davon, sich einem Groß-Albanien anschließen zu können. Sozusagen in Vorbereitung auf dieses Ereignis isolierten sie sich zunehmend, blieben unter sich, in ihren Kreisen. Sie wurden immer mehr zu Menschen eines Volkes, das nicht mehr aus Jugoslawen (Südslawen) bestand, bald auch nicht mehr aus Albanern, sondern aus Muslimen. Sich mit Nichtgläubigen zu verbinden, Freundschaften zu schließen, gar Partnerschaften einzugehen war nicht mehr erwünscht. Das war eine Form von religiösem Rassismus.

Als Jugoslawien zerfiel, entstand ein weiteres Problem: Weil durch das Ende des Kommunismus sehr viele Strukturen zerbrachen, suchten die Menschen woanders Halt und Orientierung. Beides fanden sie in der Religion. Aus Saudi-Arabien floss (und fließt) viel Geld, vor allem auch in jene Moscheen, in denen nicht nur gebetet, sondern ein radikaler, ein politischer Islam gepredigt wurde (und wird). Viele der neuen Gläubigen sahen sich nur noch als Muslime, die Religion bestimmte das Sein, sie definierte, wer man war.

Mein Geburtsland ist mir heute fremder denn je, ich habe keine emotionale Bindung zu Mazedonien mehr. Dass ich diese Gesellschaft schon im Alter von sieben Jahren hinter mir lassen konnte, habe ich meinem Vater zu verdanken, der mit uns nach Deutschland zog, weg vom Krieg und weg aus der Enge der muslimischen Gesellschaft, weg von der Familie und weg vom Islam und seinem Glauben, sich über andere Religionen stellen zu können.

Wenn ich heute von Heimat spreche, meine ich Deutschland. Dieses Land, das so anders war und ist als jenes, das wir damals verlassen hatten. Doch seit einigen Jahren holt mich diese verbohrte Beschränktheit, die ich dort erlebt hatte, wieder ein, mitten in Deutschland: Die Zahl der Menschen, die sich in erster Linie als Muslime sehen und dann als Deutsche – wenn überhaupt – steigt. Junge Menschen mit türkischen Vorfahren jubeln »unserem Präsidenten« zu, und dieser Mann ist Recep Tayyip Erdogan. In einer Studie stimmte fast die Hälfte von 1200 Zuwanderern aus der Türkei und ihren Nachkommen der Aussage zu, »die Befolgung der Gebote meiner Religion ist wichtiger als die Gesetze des Staates, in dem ich lebe«. Ein Drittel wünscht sich die Gesellschaftsordnung aus Mohammeds Zeiten zurück. 13 Prozent haben ein verfestigtes fundamentalistisches Weltbild.15

Für mich ergeben sich daraus Fragen: Stehen diese Menschen, die ja teils hier geboren sind, auf dem Boden der freiheitlichdemokratischen Grundordnung? Wenn nicht, wieso gehen sie dann nicht zurück ins Land ihrer Vorfahren? Wollen sie ein anderes Deutschland? Und wollen wir das zulassen?

GLÜCK IN WILDEN, WESTFALEN

Wir waren bereit, uns nach der deutschen Gesellschaft zu richten

Mein Vater ist ein kluger und weitsichtiger Mann. Als Jugoslawien langsam zerfiel, der Nationalismus erblühte, die Albaner in Mazedonien sich lossagen wollten und Christen und Sunniten sich mit Hass zu begegnen begannen, traf er eine Entscheidung. Es war im Frühsommer 1991, als er nach Deutschland reiste und uns in Skopje zurückließ. Wochen später räumten die Brüder meiner Mutter unsere Wohnung aus, transportierten unser Hab und Gut mit einem LKW ab und brachten uns am nächsten Tag zum Bus. Unser Ziel hieß Deutschland. In Duisburg, bei Freunden, trafen wir meinen Vater wieder. Von dort ging es an den Ort, der uns aufnehmen und sich in vielerlei Hinsicht als Glücksfall für mein weiteres Leben erweisen sollte: Wilden, eine Teilgemeinde von Wilnsdorf in der Nähe von Siegen in Westfalen.

Der erste Glücksfall war das Mädchen, neben das ich mich am ersten Schultag setzen durfte: Alexandra. Sie war Mitglied in einer freikirchlichen Gemeinde. Ich sprach kein Wort Deutsch, alle in der Klasse kannten sich, aber für sie war es offenbar gleichgültig, wer ich war, woher ich kam und woran ich glaubte. Als sie sah, dass ich keine Stifte hatte, schob sie herüber, was ich brauchte.

Wir wohnten in einem Flüchtlingsheim auf einem Hügel, von dem aus ich auf die Schule hinunterschauen konnte. Heute ist das Haus zu einer kleinen Pension umgewandelt. Es gab insgesamt vier Wohnungen, jede mit zwei Zimmern, einer Küche und einem Bad. In einer wohnte eine türkisch-kurdische Familie mit mehreren Kindern, in der zweiten eine Familie aus Osteuropa, die uns bei Behördenfragen half, und in der dritten ein paar Somalier. Für meine Mutter war es eine neue Erkenntnis, dass es auch Schwarze gab, die Allah anbeteten. Unsere Wohnung teilten wir mit einer Afrikanerin, die nicht oft da war, wir lebten und schliefen in einem Zimmer, zu dritt, und als mein Bruder auf die Welt kam, zu viert. Nach heutigem Maßstab erscheint das sehr beengt, aber wir hatten immerhin mehr Platz als in der Altstadt von Skopje, wo die Großfamilie nachts die Matratzen herauszog und Decken aus dem Schrank holte und morgens wieder irgendwo verstaute. Abgesehen davon: Wer waren wir, dass wir irgendwelche Ansprüche hätten stellen können, bevor wir bewiesen hatten, ein Teil dieser Dorfgemeinschaft werden zu wollen? Wir waren glücklich, in Deutschland noch einmal von vorn beginnen zu können – und wir wollten alles richtig machen. Meine Eltern gingen zu den Einheimischen und fragten: »Was müssen wir tun? Wie funktioniert das hier?«

Mein Vater, der vor seinem Studium eine Lehre als Schlosser absolviert und als solcher immer gearbeitet hatte, fand schnell eine Anstellung, meine Mutter putzte, schneiderte und arbeitete in der Kantine einer großen Firma. Sie bemühten sich, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen, und erwarteten nicht, dass die Gesellschaft ihnen Brot und Obdach ohne Gegenleistung schenkte. Sie versuchten, ihr Leben neu zu ordnen und es in den Griff zu bekommen, weil sie möglichst bald auf eigenen Beinen stehen wollten. Und sie waren bereit, sich in der neuen Nachbarschaft einzugliedern. Mein Vater packte bei Gemeinschaftsarbeiten im Dorf an, etwa beim Anbau des Gemeindehauses der evangelischen Gemeinde. Die Einheimischen sahen, dass wir nicht Däumchen drehten, sondern etwas beitragen und umgekehrt auch teilhaben wollten. Heute nennt man das Bereitschaft zur Integration.

Wir hatten bald ein Auto, mit dem Vater zur Arbeit fuhr, und zogen nach etwas mehr als zwei Jahren in eine richtige Wohnung. Ich lernte in der Schule und beim Spielen mit den anderen Kindern im Dorf innerhalb von ein paar Monaten mehr als gut Deutsch, obwohl es damals weder eine Sonderförderung noch Sprachunterricht gab.

Von der ersten Klasse an besuchte ich den Religionsunterricht, den evangelischen. Ich ging auch zu Gottesdiensten, wo ich bald die Kirchenlieder mitsang, die ich immer als etwas Beruhigendes empfand, und hinterher ging ich zur Bibelstunde. Ich tat das nicht, weil ich besonders christlich gewesen wäre, sondern weil es mich interessierte. »Lies, schau und hör dir das an«, hatte mein Vater, der Atheist, immer wieder gesagt. »Und dann kannst du sagen, ob du es gut findest oder nicht.« Später, in der Realschule, war mir eine Freistunde wichtiger als der Religionsunterricht.

Ich ging zum Kinderturnen und zum Ballett, und weil meine Mutter dafür kein Geld ausgeben wollte, hatten sich die anderen Mütter im Vorfeld dafür eingesetzt, dass ich kostenlos mitmachen durfte. Freitags ging ich zur Jungschar, und meine Mutter legte, wie es sich gehörte, Geld in Glückwunschkarten, die wir meinen Freundinnen zur Konfirmation schrieben.

Ich habe in der christlichen Gemeinschaft in Wilden gelernt, dass ich genauso viel wert bin wie ein Junge, dass es keine Unterschiede gibt zwischen den Geschlechtern. Und ich habe gelernt, dass ich nicht weniger wert bin als ein Christ. Ich gehörte dazu, weil ich dazugehören wollte und sie mich dazugehören ließen. Meine Herkunft oder mein Glaube spielte keine Rolle. Wichtig war, ob ich mich einfügte in die Gemeinschaft und sie mitgestaltete. Das tat ich. Ich war interessiert, wie jedes andere Kind auch. Und wenn meine Mutter mir die Teilnahme an Pfingstfreizeiten – Mädchen und Jungen gemeinsam – nicht genehmigen wollte, dann standen die Jugendleiter oder die Frauen aus dem Dorf vor unserer Tür und baten um Erlaubnis. Ablehnen konnte sie das dann nicht mehr. Die Gemeinschaft holte mich aus der Vergangenheit in die Gegenwart, zeigte mir ihre Werte, das Positive, das Freie. Wie ich leben wollte und heute lebe, dafür lieferten die christliche Gemeinde und die Dorfgemeinschaft das Vorbild.

Umgekehrt musste ich schon nach den ersten Jahren in Deutschland feststellen: Die islamische Gesellschaft kann mir nichts Positives geben, ich verbinde damit ausschließlich negative Eindrücke. Ich bin zwar in eine muslimische Familie hineingeboren worden, aber ich habe mich weder zu dieser Religion noch zu denen, die sie leben, hingezogen gefühlt. Wie auch, wenn ein widerständiges Mädchen wie ich akzeptieren sollte, dass Mädchen nichts wert sind, ihre Cousins und ihr Bruder aber auf Händen getragen werden? Wie auch, wenn Männer Frauen schlagen, weil das Essen nicht warm genug ist? Für gläubige Muslime mag das normal sein, jedenfalls wird es nicht hinterfragt, aber für mich war es das nie. Und weil das alles mit Allah, dem Koran und der Religion begründet wurde, konnte dieser real existierende Islam mich nicht überzeugen.

Ganz anders das, was ich im Religionsunterricht und der Gemeinde erfuhr: Was das christliche Menschenbild ausmacht, sind Nächstenliebe, Barmherzigkeit und der Einsatz für Schwächere. Und so war es gar nicht abwegig, mich später, als junge Frau, der CDU anzuschließen. Das war 2010, nachdem ich die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen hatte. Ich wollte mich politisch engagieren und auf diese Weise der Gemeinde, die mir dieses schöne Leben ermöglicht hat, etwas zurückgeben. Ich war sehr aktiv, durfte schnell in vielen Gremien mitarbeiten, und die anderen Parteimitglieder freuten sich, neben tendenziell älteren Männern auch mal eine junge Frau in der CDU zu haben, eine Migrantin gar, die besonders gut integriert war, die anpackte und zuverlässig kam, wenn man sie rief.

In einer größeren Stadt wäre mein Leben vielleicht anders verlaufen. In der Anonymität ist es schwieriger, Kontakt zu Einheimischen zu bekommen, wirklich aufgenommen zu werden. Auch das Leben meiner Eltern wäre vermutlich anders verlaufen. Meine Mutter hätte sich wohl anderen Kreisen zugewandt, muslimischen. Ich bin froh, dass wir so weit weg vom Schuss lebten und es dort keine in sich geschlossene Community gab. In einer kleinen Gemeinde können auch die Ängstlichen oder diejenigen mit starken Vorbehalten fremden Neuankömmlingen auf Dauer nicht aus dem Weg gehen. Beide Seiten lernen sich schnell kennen und merken, dass wir alle Menschen sind, keine Monster. Deshalb hatten wir in Wilden Glück, pures Glück. Dabei lebten in unserer Nachbarschaft nicht nur (aber überwiegend) CDU-Wähler, sondern auch NPD-Mitglieder; es gab Familien, die als rechts galten und ihr Kreuzchen schon immer bei dieser Partei gemacht hatten. Bei einigen, mit deren Kindern ich zur Schule ging, saß ich häufig am Mittagstisch. Sie ließen mich nicht spüren, dass ich keine Deutsche war, und sie haben mich nie rassistisch behandelt. Mag sein, dass ich Glück hatte. Ich glaube aber, dass es daran lag, dass viele