18,99 €
Studienarbeit aus dem Jahr 2008 im Fachbereich Theologie - Biblische Theologie, Note: 1,3, Friedrich-Schiller-Universität Jena (Theologische Fakultät), Veranstaltung: Proseminar Exegese NT , Sprache: Deutsch, Abstract: Die vorliegende Arbeit unternimmt den Versuch aufzuzeigen, dass Jesus Christus in der Versuchungsgeschichte – trotz seiner scheinbaren Passivität und Abhängigkeit von der teuflischen Rede – nicht der unterlegene, sondern der übermächtige Dialogpartner ist, der entsprechend des biblischen Wortes zu leben und das Böse dieser Welt zu bekämpfen versucht. Dieser Versuch, so wie ihn uns der Evangelist Lukas in Lk 4,1-13 schildert, gelingt. Dadurch wird Jesus sowohl zum toratreuen Juden, der die von Israel begangenen Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen will, als auch zum ermahnenden und lehrenden Sohn Gottes stilisiert, der der Nachwelt aufzuzeigen will, wie die Versuchung ursprünglich in die Welt kam und wie sie zu therapieren ist.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Page 1
Proseminar: Einführung in die Exegese des Neuen Testaments
im WS 2008/09
Vorgelegt von:Daniel Meyer
Jena, den 01.08.2010
Page 4
Abkürzungen:
In der nachfolgenden Arbeit werden bestimmte Abkürzungen verwendet, die hier alphabetisch
aufgeführt werden sollen.
Bsp./ bsp. Beispiel
Bsw./ Bsw. beispielsweise
Bzw./bzw. beziehungsweise
Lk Evangelist Lukas
Lukan./lukan lukanisch[e,n,r]
Mt Evangelist Matthäus
Matth./matth. Matthäisch{e,n,r]
Mk Evangelist Markus
Mark./mark. Markinisch{e,n,r]
u.a. unter anderem
V.a./v.a. vor allem
Vgl./vgl. Vergleich
Z.B./ z.B. zum Beispiel
Page 1
Die vorliegende Arbeit unternimmt den Versuch aufzuzeigen, dass Jesus Christus in der Versuchungsgeschichte - trotz seiner scheinbaren Passivität und Abhängigkeit von der teuflischen Rede - nicht der unterlegene, sondern der übermächtige Dialogpartner ist, der entsprechend des biblischen Wortes zu leben und das Böse dieser Welt zu bekämpfen versucht. Dieser Versuch, so wie ihn uns der Evangelist Lukas in Lk 4,1-13 schildert, gelingt. Dadurch wird Jesus sowohl zum toratreuen Juden, der die von Israel begangenen Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen will, als auch zum ermahnenden und lehrenden Sohn Gottes stilisiert, der der Nachwelt aufzuzeigen will, wie die Versuchung ursprünglich in die Welt kam und wie sie zu therapieren ist.
1. Übersetzung von Lukas 4, 1-13
1.Jesus aber angefüllt vom Heiligen Geist ging vom Jordan aus und wurde vom Geist in die Wüste geführt
a[und] vierzig Tage versuchte der Teufel ihn.bUnd nichts aß er in jenen2.
Tagen und nachdem sie vollbracht waren, hungerte es ihn.3.Der Teufel aber sprach zu ihm: Wenn du der Sohn Gottes bist, sprich zu diesem einen Stein, damit er Brot würde.4.Und von Jesus wurde geantwortet:„Es steht geschrieben, dass nicht von Brot allein lebt der Mensch.“5.Und ihn hinaufführend zeigte er ihm alle Königreiche der Welt in einem Augenblick6.und der Teufel sprach zu ihm: dir werde ich geben alle diese Freiheit und ihre Herrlichkeit, weil sie mir gegeben wurden ist und ich gebe sie, wem ich will.7.Wenn du mich nun sichtbar anbeten würdest, wird sie ganz dein sein.8.Und antwortend sprach Jesus zu ihm, dass geschrieben wurde:„Den Herrn, deinen Gott, sollst du anbeten.“9.Aber er führte ihn nach Jerusalem und stellte ihn auf die Zinne des Tempels und sprach zu ihm: Wenn du der Sohn Gottes bist, wirf dich selbst von hier aus nach unten.10.Es wurde nämlich geschrieben,„dass er seinen Boten aufträgt über dich zu wachen,11.und dass sie dich auf Händen tragen werden, sodass du niemals stoßest deinen Fuß gegen den Stein.“12.und antwortend sprach Jesus zu ihm,
dass geschrieben steht:„Du wirst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen.“13.Und der Teufel beendete alle Versuchungen und ging eine Zeit gänzlich von ihm.
Page 2
An mehreren Stellen weist der Textabschnitt Lk 4,1-13 alternative Lesarten auf, die im Folgenden betrachtet und analysiert werden sollen. Aus dem Abgleich der zur Verfügung stehenden Variationen soll jene Textgestallt rekonstruiert werden, die mit großer Wahrscheinlichkeit als ursprüngliche Gestalt angenommen werden kann. Ein wesentlicher Untersuchungsaspekt dabei, der nochmals beim Vergleich der Versuchungsgeschichte innerhalb der synoptischen Evangelien relevant werden wird, sei hier bereits vorweg genommen. Es besteht eine enge Verbindung zwischen der Versuchungsgeschichte des Lukas- und der des Matthäus-Evangeliums, wie dies auch aus mehreren kritischen Anmerkungen Barbara Alands hervorgeht.1Entsprechende Stellen werden hier bereits Erwähnung finden, jedoch erst im Verlauf der vorliegenden Arbeit intensiver betrachtet.
Bereits in Vers 1 fällt eine Uneinigkeit hinsichtlich der Formulierungev n th/ | ev rh, mw|(„in die Wüste“) auf, welche nach Angabe des textkritischen Apparates von einer synoptischen Parallelstelle - hier explizit von Mk 1,12-13 und dessen Wortwahleiv j th. n e; rhmon(Vers 12) - beeinflusst wurde.2Obwohl sich beide Formulierungen inhaltlich nicht unterscheiden und quantitativ gut bezeugt sind, - so wird die mark. Formulierung von den Codices Alexandrinus (A 02, 5. Jhd. Kategorie I-III)3, Coridethianus (Q 038, 9. Jhd. Kategorie II), Zakynthius (X 040, 6. Jhd. Kategorie III) und dem Codex Athous Laurensis (Y 044, 8./9. Jhd. Kategorie II) sowie von den Minuskelfamilienƒ1 und ƒ13 (Lake-Gruppe und Ferrar-Gruppe), als auch vombelegt - erscheint die favorisierte Formulierung ursprünglicher zu sein. SieMehrheitstext
wird u.a. von mehreren Papyri (4,7sowie dem Bodner-Papyrus75) bezeugt, die zwischen dem 3.-4. Jahrhundert n. Chr. verortet sind und somit als Evangelienzeugen erster Ordnung verstanden werden können.4Außerdem wird die gewählte Lesart von einer Anzahl Codices bezeugt, darunter dem Codex Sinaiticus(ﬡ 01, 4. Jhd. Kategorie I), dem Codex Vaticanus(B 03, um 350, Kategorie I), dem Codex Bezae Cantabrigiensis (D 05, 5. Jhd. Kategorie IV), dem Codex Anglicus (L 020, 8. Jhd. Kategorie V) sowie dem Codex Freerianus (W 032, 4.-5. Jhd. Kategorie III). Auch die Minuskeln 579 (13. Jhd.), 892 (9. Jhd.) sowie 1241 (12. Jhd.) nennen bei Lk 4,1ev n th/ | ev rh, mw|. Bei der Entscheidung wurde also den älteren Schriften eine höhere Autorität zugeschrieben.
1Barbara Aland u.a. (Hrsgg.), Novum Testamentum Graece, Stuttgart271993, Seite 163f.
2Auch das Mt-Evangelium beinhaltet die Formulierungeiv j th. n e; rhmon,erweitert diese jedoch durchu` po tou/
pneu, matoj peirasqh/ nai u` po. tou/ diabo, lou.Diese Erweiterung unterliegt der Tendenz des Autors beim
Abschreiben ihm sinnvoll erscheinende Ergänzungen zu tätigen. Vgl. François Bovon, Das Evangelium nach Lk.
Lk 1,1-9,50, EKK 3/1 (1989), Seite 193.
3Der Codex Alexandrinus gehört in den Evangelien zur Kategorie III, ansonsten ist seine Qualität der Kategorie
I zuzuordnen. Vgl. Barbara Aland/Kurt Aland, Der Text des Neuen Testaments. Einführung in die
wissenschaftlichen Ausgaben sowie in Theorie und Praxis der modernen Textkritik, Stuttgart21989, Seite 116.
4Vgl. Ebd., Seite 116f.
Page 3
Diese Vorgehensweise, d.h. den älteren Text zu bevorzugen und den jüngeren zu übergehen, gehört zum Standardrepertoire des Nestle-Alands ebenso wie der quantitative Blick auf die Anzahl der jeweiligen Zeugen. Dies lässt sich an Vers 2 belegen. Dort wird die vom Codex Bezae Cantabrigiensis, von der lateinischen Handschrift e (nicht ständiger Zeuge, 5. Jhd.) sowie vom Sinai-Syrer bezeugte Bezeichnungsatanaübergangen, um der auch bei Mt zu findenden Formulierungdiabo, louden Vorrang einzuräumen, was außerordentlich gut belegt ist.5
In Vers 3 der lukan. Versuchungsgeschichte wird die Zeugenschaft der matth. Wortwahl jedoch wieder bezweifelt. Hier wählt der Evangelist Lk die Worteeiv ui` o. j ei= tou/ qeou/ ( eiv pe. tw/ | li, qw| tou, tw| i[ na ge, nhtai a; rtoj.Mt hingegen formuliert diese teuflische Aufforderung mit den Worteneiv ui` o. j ei= tou/ qeou/ ( eiv pe. i[ na oi` li, qoi ou- toi a; rtoi ge, nwntaiÅ6Abgesehen von den offensichtlichen Unterschieden - die Konjunktioni[ naist bei Mt umgestellt, er verwendet die Nomenli, qojunda; rtojim Plural (li,qoi/a; rtoi)und gleicht dementsprechend das Verbgi, nomaidarauf an (3.Person Plural Aoristge, nwntai),während Lk dieselben Veränderungen im Singular vornimmt - scheint es auf den ersten Blick keine inhaltlichen Differenzen zwischen den beiden Evangelisten zu geben. Die Ablehnung der matth. Lesart wirft Fragen auf. In Vorausschau auf weitere textkritische Abweichungen kann bereits jetzt die Vermutung angestellt werden, dass die Differenzen zwischen den beiden Evangelisten ihrer jeweiligen Theologien geschuldet sind und es damit schwierig wird die Ursprünglichkeit der Lesart zu verifizieren bzw. zu falsifizieren.