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Die folgenden vier Vorträge erheben keinen Anspruch, mehr als eine populäre Erklärung der vier großen Glaubenssysteme zu sein und sind nicht für ein eigentliches Studium derselben geschrieben. Da sie vor einer Zuhörerschaft gehalten wurden, die fast ganz aus Hindus bestand, mit nur wenigen Zoroastriern und Christen darunter, so setzte ich die Bekanntschaft mit Sanskritausdrücken voraus und habe nur die Erklärungen hinzugefügt, wo sie zur Aufklärung nötig schienen. Ihre Absicht ist, den Anhängern jeder der vier Religionen es zu erleichtern, den Wert und die Schönheit der drei anderen Glaubensrichtungen anzuerkennen und die ihnen allen gemeinsame Grundlage darzulegen. Im Vortrag über Buddhismus hatte ich besonders die falsche Auffassung im Sinn, durch welche der Buddha den Herzen seiner Landsleute entfremdet wird, und bemühte mich, sie durch Zitate aus dem überlieferten Schriften zu beseitigen, die anerkannte Berichte seiner eigenen Aussprüche enthalten. Es gibt keinen größeren Dienst, den man der Religion leisten kann, als eine Wiederannäherung dieser getrennten Glaubenssysteme zu versuchen, die die orientalische Welt in zwei Hälften teilen. Inhaltsverzeichnis Impressum Vorwort Der Hinduismus Das Zoroastertum Der Buddhismus Die christliche Religion
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Die vier großen Religionen
Vier Vorträge vor der einundzwanzigsten Jahresversammlung der Theosophischen Gesellschaft zu Adyar bei Madras
Annie Besant
Verlag Heliakon
2024 © Verlag Heliakon, München
Umschlaggestaltung: Verlag Heliakon
Herstellung: ePubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin
Titelbild: Pixabay (Stéphanie MENARD)
2024 © Verlag Heliakon, München
Umschlaggestaltung: Verlag Heliakon
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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über dnb.de abrufbar.
Inhaltsverzeichnis
Titelseite
Vorwort
Der Hinduismus
Das Zoroastertum
Der Buddhismus
Die christliche Religion
Die folgenden vier Vorträge erheben keinen Anspruch, mehr als eine populäre Erklärung der vier großen Glaubenssysteme zu sein und sind nicht für ein eigentliches Studium derselben geschrieben. Da sie vor einer Zuhörerschaft gehalten wurden, die fast ganz aus Hindus bestand, mit nur wenigen Zoroastriern und Christen darunter, so setzte ich die Bekanntschaft mit Sanskritausdrücken voraus und habe nur die Erklärungen hinzugefügt, wo sie zur Aufklärung nötig schienen.
Ihre Absicht ist, den Anhängern jeder der vier Religionen es zu erleichtern, den Wert und die Schönheit der drei anderen Glaubensrichtungen anzuerkennen und die ihnen allen gemeinsame Grundlage darzulegen. Im Vortrag über Buddhismus hatte ich besonders die falsche Auffassung im Sinn, durch welche der Buddha den Herzen seiner Landsleute entfremdet wird, und bemühte mich, sie durch Zitate aus dem überlieferten Schriften zu beseitigen, die anerkannte Berichte seiner eigenen Aussprüche enthalten. Es gibt keinen größeren Dienst, den man der Religion leisten kann, als eine Wiederannäherung dieser getrennten Glaubenssysteme zu versuchen, die die orientalische Welt in zwei Hälften teilen. Mutter und Tochter sind sie, und ein Familienstreit ist sprichwörtlich ein bitterer; aber heilen lässt sich ein solcher Riss, wenn der Wunsch nach Versöhnung auf beiden Seiten vorhanden ist. Weniger tief wurzelnd, aber noch bitterer ist der Widerwille gegen das Christentum, der durch die oft groben und schmähenden Angriffe noch verstärkt wird, die eine niedrige Klasse unwissender Missionare gegen den verehrungswürdigen Glauben richten, zu dem sich fast alle meine Zuhörer bekannten. Und doch horchten sie achtungsvoll und sogar bald sympathisch auf die Erklärung des, im Vergleich zu dem ihrigen, noch so jungen Glaubens, und erkannten schließlich an, dass auch das Christentum eine große Religion sei und von dem Hinduismus eigentlich sich nicht so sehr unterscheide. Ich kann nur wünschen, dass diese Vorträge wie eine Botschaft des Friedens auf die Herzen der Leser wirken, wie sie es auf die Herzen ihrer Hörer ersichtlich taten.
Der allgemeine Ideengang dieser Vorträge ist folgender: Jede Religion wurde im Licht okkulter Kenntnisse betrachtet, sowohl in Beziehung auf ihre Geschichte, als auf ihre Lehren. Ohne die Ergebnisse der geduldigen und bewunderungswürdigen Forschungen und Schlussfolgerungen europäischer Gelehrten zu verachten, habe ich sie doch ohne Zögern unberücksichtigt gelassen, wo sie wichtigen Tatsachen widersprechen, die uns in der okkulten Geschichte erhalten sind, sei es in jener unzerstörbaren Chronik,1 in der die ganze Vergangenheit in lebenden Bildern zu finden ist, sei es in alten Dokumenten, die von Initiierten sorgfältig aufbewahrt werden und deshalb nicht ganz unzugänglich sind. In erster Linie ist dies bei dem Hinduismus und Zoroastertum der Fall, welche die modernen Gelehrten merkwürdig unrichtig beurteilen. Diese Gelehrtenwelt wird natürlich die okkulte Ansicht als ihrerseits vollständig falsch bezeichnen. Dagegen lässt sich nichts machen: der Okkultismus kann warten, bis er durch Entdeckungen gerechtfertigt wird, wie es mit so manchen viel belachten Behauptungen in Bezug auf das hohe Alter schon geschehen ist. Die Erde ist ein treuer Wächter, und wenn der Archäologe die in ihrem Schoß begrabenen Städte wieder aufdeckt, wird er manches unerwartete Zeugnis finden, welches das in Anspruch genommene hohe Alter bestätigt.
Zweitens gehe ich von dem Standpunkt aus, dass alle Religionen den Menschen von einer großen Brüderschaft gegeben wurden, die den spirituellen Erkenntnisschatz verwaltet und bewacht. Jede Religion behandelte ich als eine Kundgebung ewiger spiritueller Wahrheiten, die von Sendboten oder Mitgliedern dieser Brüderschaft überbracht wurde, eine Kundgebung, wie sie nötig war für ihre Zeit, und für die dämmernde Zivilisation, die entstehen sollte und die diese Kundgebung zu gestalten und in ihrer Entwicklung zu leiten hatte. Jede Religion hat ihre eigene Mission in der Welt, jede ist den Nationen angepasst, denen sie gegeben ist, und dem Typus der Zivilisation, die sie durchdringen soll und die sie in Übereinstimmung zu bringen hat mit der allgemeinen Entwicklung der menschlichen Familie. Wenn man dies übersieht, wird man leicht ungerecht urteilen, denn eine ideale, vollkommene Religion würde für unvollkommene und nur teilweise entwickelte Menschen nicht passen; der Boden muss von den Weisen immer in Betracht gezogen werden, wenn sie ein neues Reis des alten Baumes der Weisheit pflanzen wollen.
Drittens ist der Versuch gemacht, in jeder Religion das Wesentliche von dem Unwesentlichen zu unterscheiden und hauptsächlich das erstere zu behandeln. Denn jede Religion leidet im Laufe der Zeit an Auswüchsen, die von der Unwissenheit nicht von der Weisheit, die von der Blindheit – nicht vom Schauen herstammen. Innerhalb des engen Rahmens dieser Vorträge war es nicht möglich, alle die zahlreichen Nebendinge im Einzelnen auseinanderzusetzen, oder hervorzuheben. Aber am folgenden Erkennungszeichen kann jeder, der den Wunsch hegt, praktisch die unvergänglichen von den vergänglichen Bestandteilen einer Religion unterscheiden lernen. Sind sie alt, und in den alten Schriften zu finden? Tritt die Autorität des Gründers der Religion oder der Weisen, denen man die Gestaltung der besonderen Religion verdankt, dafür ein? Sind sie universell und findet man sie unter irgendeiner Form in allen Religionen? Was die spirituellen Wahrheiten betrifft, genügt irgendeins dieser Erkennungsmittel. In Bezug auf geringere Dinge, Gegenstände des Ritus, der Zeremonien, Gebräuche und Sitten, der Ausführung oder Nichtausführung irgendeiner bestimmten Übung, fragt es sich: Sind sie vom Gründer oder seinen unmittelbaren Schülern festgestellt oder empfohlen worden? Kann ihr Nutzen von denen erklärt oder nachgewiesen werden, bei welchen durch okkulte Schulung die inneren Fähigkeiten sich entwickelt haben, infolge deren sie die unsichtbare Welt aus eigener Erfahrung kennen? Wenn Gebräuche neueren Datums sind, nur ein Jahrhundert alt oder zwei oder drei, wenn sie nur eine beschränkte Verbreitung gefunden haben, wenn sie sich nicht in einer der ältesten Schriften finden, durch okkultes Wissen nicht bestätigt werden, dann sollten sie – wenn sie auch von irgendjemand in seinem spirituellen Leben als hilfreich erfunden worden sind – doch nicht irgendeinem Mitglied dieser besonderen Religion als bindend auferlegt werden, noch sollte man es jemandem verargen, wenn er die Gebräuche nicht mitmachen will.
Diese Tatsache muss in Indien besonders eingeprägt werden, wo Gebräuche, die sehr modern oder nur lokaler Natur sind, von den Anhängern leicht mit dem Hinduismus identifiziert werden und wo man auf jeden Hindu, der sie nicht mitmacht, herabblickt, oder ihn als unorthodox ansieht. Solche Gebräuche, selbst wenn die, welche sie ausüben, sie für sehr wertvoll und nützlich halten, sollte man nicht für allgemein bindend ansehen, sondern sie zur Klasse der nichtwesentlichen Dinge rechnen. Man hat mit Recht gesagt, dass in wesentlichen Dingen Einheit, in unwesentlichen Freiheit, in allen Dingen aber Liebe herrschen solle. Würde jeder dieser weisen Regel folgen, so würden wir weniger von religiöser Feindschaft und sektiererischen Streitigkeiten hören, die dem Wort Religion schon Schande bereiten. Das, was vereinigen sollte, ist die Quelle ewiger Spaltung geworden, bis schließlich viele ungeduldig alle Religion abgeworfen haben, als des Menschen schlimmster Feind, als den allseitigen Anstifter von Streit und Hass.
Möge dieses kleine Buch, dass ich jetzt in Hochachtung für alle Religionen hinaussende, die das Leben des Menschen reinigen, seine Empfindungen erheben, und ihn im Leid trösten, möge es ein Bote des Friedens sein und nicht ein Anstifter des Streites; denn ich habe mich bemüht, jede Religion in ihrer besten, ihrer reinsten, ihrer okkultesten Form zu skizzieren, und jede, als gehörte ich zu ihr und verkündete sie als die meinige. Dem Theosophen ist nichts Menschliches fremd und er hat nur achtungsvolle Sympathie für jeden Ausdruck menschlichen Sehnens nach Gott. Er versucht, alle zu verstehen, keinen zu bekehren; er sucht die Kenntnisse, die ihm geworden sind, anderen mitzuteilen und hofft dadurch den Glauben eines jeden zu vertiefen, dass er dem Glauben das Verstehen beigesellt und die Grundlage aufdeckt, die allen Religionen gemeinsam ist.
Annie Besant
Aus Mangel an Zeit hatte ich Zitate, die zur Begründung der vorgebrachten Behauptungen bestimmt waren, zusammengezogen oder in den gesprochenen Vorträgen fortgelassen. Ich habe sie an ihren betreffenden Plätzen eingefügt; ebenso einige Bemerkungen, die ursprünglich mit notiert waren, die ich aber auch wegen zu knapper Zeit fortgelassen hatte.
Adyar, den 3. Januar 1897.
1 Vgl. u. a. „Akashic Records“. Lucifer XX. S. 311. C. W. Leadbeater. Der Übersetzer.
Meine Brüder! Niemals, seitdem ich von der Rednertribüne aus mich über Religion und Philosophie ausgesprochen habe, fühlte ich so die Schwierigkeit der Aufgabe, die ich übernommen, als heute. Der Plan selbst, vier große Religionen zu behandeln, und jede in einem einzigen Vortrag zusammenzudrängen, genügt, um den mutigsten Redner zurückzuschrecken, und wenn Sie bedenken, dass diese religiösen Dinge die innersten Gefühle der Hörer berühren, dass man damit bis zum Grund des Herzens der Menschen hinabsteigt, andererseits, dass, wenn man ein Glaubenssystem nach dem anderen vornimmt, man von solchen Dingen redet, die die Menschen hätten einigen sollen, sie aber in Wirklichkeit weit getrennt haben, dann mögen Sie mir die zögernde Besorgnis nachfühlen, die ich bei dem Versuch empfinde, einer so großen Aufgabe gerecht zu werden.
Nur durch Sympathie kann man eine Religion verstehen; der Redner kann nur dann eine Religion erklären, wenn er sich für den Augenblick ganz in die Seele dieser Religion hinein denkt und sie ausdeutet, wie sie dem ergebensten und verständnisvollsten Anhänger erscheint; und dies will ich mit vier solcher großen Religionen versuchen, die die Zivilisation der Menschen gestaltet und die dem größten Teil der Menschheit die Gedanken erhellt und die Herzen erwärmt haben!
Die erste der großen Religionen, mit denen ich mich zu befassen gedenke, ist die, welche manchmal mit dem Namen Hinduismus, manchmal mit dem Namen Brahmanismus bezeichnet wird; sie ist die Religion der Majorität in diesem Land und hat ihre Wiege im Norden dieses Reiches.
Lassen Sie mich zunächst daran erinnern, dass diese Rasse, die arische Rasse, die fünfte im Lauf der menschlichen Entwicklung ist, und dass sowohl bei dieser, wie bei der ihr vorhergehenden ein bestimmter Plan bei ihrer Heranbildung, wie bei ihrer Schulung verfolgt wurde. Aus der Blüte der vierten Rasse wurde zu einer so fernen Zeit, dass die moderne Wissenschaft nur spotten würde, wenn ich sie genau angeben wollte, vom Manu Familien ausgesucht, um die neue Rasse zu bilden; sie wurden von der anderen Menschheit abgesondert, fortgeführt und für sich angesiedelt und eine unglaublich lange Zeitperiode hindurch angeleitet, geschult, erzogen unter der unmittelbaren Leitung des Manu und der großen Initiierten, die ihn umgaben, um ihm in seiner gewaltigen Aufgabe zu helfen.
So wurden die charakteristischen Eigenschaften der neuen Rasse der Blüte der vorigen, eingepflanzt. Als diese erste Aufgabe gelöst war, wurde die Rasse nach dem Land ihrer Wiege verpflanzt, wie wir es nennen können. Auf diese Weise entstand die arische Rasse, so wurde sie geschult, so bildeten sich ihre charakteristischen Merkmale heraus. Die erste Familie dieses Stammes, (von dem später noch mehrere ausgehen sollten) – die wir in moderner Zeit Hindus nennen, die früher aber immer als Arier bezeichnet wurden, – siedelte sich im Norden von Indien an, in dem als Aryavarta bekannten Distrikt, und wurde dort in bestimmter, für sie von ihrem Manu und den ihm helfenden Initiierten angeordneten Richtung allmählich entwickelt.
In diesem Fall finden wir, dass in ihrer ersten Familie das Modell der ganzen Rasse ausgeführt war: das, was später vollständig durchgeführt werden sollte, war hier vollkommen dargestellt, und die Vollkommenheit der Darstellung war nur bei diesem sich bietenden Material möglich, denn, leuchten wir mit dem Licht okkulten Schauens bis in die Zeit der Anfänge zurück, so finden wir, dass die Seelen, die in dieser ersten Zeit der arischen Rasse, verkörpert wurden, von sehr verschiedenem Typus waren. Der Manu an der Spitze von allen, als Herrscher und Gesetzgeber; dann die Initiierten um ihn her; die Lehrer und Führer des Volkes – die Rishis von Alt-Indien; weiter kam eine große Zahl Seelen zur Verkörperung, die auf früheren Stufen der Entwicklung und selbst in früheren Welten eine hohe Stufe der moralischen, mentalen und spirituellen Entwicklung erreicht hatten: dann jüngere Seelen, die aber auch schon eine beträchtliche Entwicklung hinter sich hatten, und schließlich eine Anzahl solcher, die, vergleichsweise gesprochen, nur eine kurz Zeit des Wachstums erlebt, die die vierte Rasse als die erfolgreichsten Mitglieder dieser großen Abteilung der Menschheit durchgemacht hatten. Eine sehr verschiedenartige Menge; es waren Menschen, die die allumfassende Religion, Philosophie, Wissenschaft und Politik wohl, auf sich wirken lassen konnten, ein Modell, das ihren weniger geschulten Nachfolgern zeigte, was ein Arier, ein Mann der fünften Rasse sein sollte. Diese Menschen waren geeignet, die Politik, die Philosophie, die Wissenschaft, die exoterische Religion zu hüten und zu bewahren und so ein für alle Mal den Typus aufzustellen und die Richtung vorzuzeichnen, in welcher sich die arische Rasse entwickeln sollte.
Wenn wir die dem alten indischen Volk gegebene Religion untersuchen, so finden wir, dass sie eine Schulung der ganzen menschlichen Natur auf seinen verschiedenen Stufen der Entwicklung enthält, und dass sie ihn nicht nur in seinem spirituellen und intellektuellen Leben leitet, sondern in allen seinen Beziehungen zum Mitmenschen im nationalen und Familienleben. Die ganze Zivilisation ist religiös und nichts wird im menschlichen Leben als weltlich oder profan betrachtet. Diejenigen Dinge, die von anderen Völkern als nicht zur Religion gehörig angesehen werden, sind grade die, für welche der Hinduismus stets eine strenge Orthodoxie beansprucht hat. Es geschah viel, um den Vorstand zu schärfen, wie die philosophischen Schulen bezeugen, die alle unter die Bezeichnung Hinduismus fallen; andererseits wurde richtiges Verhalten, soweit es mit dem sozialen Leben in Zusammenhang stand, ernstlich eingeprägt; Freiheit in den Ansichten, Orthodoxie im Leben, das sind die Hauptmerkmale des Hinduismus, solange er existiert; daher die Verschiedenheit und das weite Auseinandergehen ihrer Philosophien und die Beständigkeit ihrer sozialen Verhältnisse und ihres Familienlebens. Aus demselben Grund wird es für die mühsamste Religion gehalten, denn die meisten Leute halten viel von der Freiheit im Tun, und wenig (ausgenommen theoretisch) von der Freiheit im Denken. Ein Hindu mag von Gott denken, wie er will – als eins mit dem Weltall, getrennt vom Weltall, oder mag ihn ganz ausschließen – und doch bleibt er – orthodox; nur muss er nicht – aus einer andern Kaste heiraten, noch unreine Nahrung zu sich nehmen. –
Unser Gegenstand zerfällt in drei Teile:
Erstens. Die spirituellen Wahrheiten mit ihren späteren verstandesmäßigen Darstellungen: diese finden sich in den Veden und in den Upanischaden, die einen Teil von ihnen bilden. Wir haben in den Veden eine vollständige Darstellung der spirituellen Wahrheit; nicht vollständig ausgeführt, aber darin enthalten, sodass es geschrieben stellt: Brahman ist in den Upanischaden verborgen, wie die Upanischaden in den Veden verborgen sind. Im Laufe der Entwicklung sollte dies Alles gegeben werden; im Laufe der Zeit sollte sich ein Ganzes entfalten. Dieses war der höhere Vidya1 (die Erkenntnis), die Kenntnis vom Brahman; der niedere Vidya war dagegen in den Vedangas (wörtlich, den Gliedern der Veden) enthalten, die 64 Wissenschaften, die die Kenntnis der Natur zusammenfassen und die Methoden lehrten, um Kenntnis zu erlangen; – eine Goldmine, von welcher es noch wissenschaftliche Wahrheiten auszugraben gibt, die die moderne Welt jetzt in Staunen versetzen würde.
Dann kommt zweitens der esoterische Kultus, bis ins Einzelne ausgeführt und wunderbar genau in der Schilderung der Natur und der Beziehungen des Menschen zu ihr; er findet sich in den Puränas populär dargestellt, ebenso in den vorgeschriebenen Gebräuchen: diese besonders in Bezug auf das äußere soziale Verhalten und auf das Familienleben.
Später finden wir noch in vielen Büchern im Ramayana, im Mahabharata, in viel späterer Zeit auch in manchen Dramen wie z. B. im Kalidasa, neue Darstellungen von Wahrheiten. Hier sind, für das Volk im Großen, für die Masse der Bevölkerung, die äußeren Lehren dargestellt, die sie allmählich dazu schulen sollten, später die verborgenen spirituellen Wahrheiten zu erfassen. Sie werden nie den Hinduismus verstehen lernen, wenn Sie nicht festhalten, dass das System von Okkultisten ausgestaltet ist, von Rishis, für die die unsichtbare Welt ein Gegenstand des Wissens war; dass es ein System ist, das sich auf übersinnliche Tatsachen stützt und dazu bestimmt war, das Volk allmählich zu einer Kenntnis derselben zu erziehen. Erst wenn Sie diese Grundlage der Religion ganz erkannt haben, können Sie sie in allen ihren verschiedenen Teilen sich klar machen. Dann werden Sie verstehen, weshalb, wie schon, gesagt, dem Denker stets Freiheit gelassen wurde; er war nur an die Vedas gebunden: aber frei, aus den Vedas zu entnehmen, was immer er logisch aus ihrer vielgestaltigen und tiefen Weisheit ableiten mochte, während das äußere Benehmen sehr streng gebunden war. Durch seine Gedanken entwickelt sich der Mensch, und die Gedanken anderer sind wirkungsvolle Faktoren in der Entwicklung eines jeden; je verschiedener sie sind, desto mehr Öffnungen bieten sie dar, durch welche die Sonne der Weisheit hindurchscheinen kann. Eine Verschiedenheit in der Ansicht von Gott ist vorteilhaft, nicht schädlich, denn jede Ansicht bietet in sich nur einen so sehr kleinen Bruchteil der mächtigen Wahrheit dar, während die Summe der Ansichten ein vollständigeres, sonst nicht zu gewinnendes Bild gibt.
Die Lebensführung aber steht nach allen Richtungen in Beziehung zur äußeren Natur, der sichtbaren und unsichtbaren, und je nach seinem Benehmen sind diese Beziehungen harmonisch oder nicht. Der äußere Kultus war bestimmt, einen harmonischen Zusammenklang zwischen dem Menschen und seiner Umgebung hervorzurufen, und war auf Autorität hin vorgeschrieben, weit das Volk nicht fähig war, das Wissen sich anzueignen, auf das sich dieser Kultus stützt. In der späteren Entwicklung, wenn das Wissen durch Yoga erlangt ist, fielen die äußeren Verpflichtungen fort, denn es bedurfte nicht mehr der Autorität, um die Harmonie hervorzurufen; der Mensch, der ganz im Gesetz aufging, machte sich selbst seine Gesetze.
Hierdurch kommen wir dann drittens zur Wissenschaft von Yoga (Vereinigung, mit dem höheren Selbst) durch welche man allein vollständig zur Wahrheit gelangen kann; durch sie werden die inneren Fähigkeiten allmählich entfaltet, die den Menschen in den Stand setzen, selbst die unsichtbare Welt zu erforschen, durch die Ausdehnung seines Bewusstseins weitere und ätherische Sphären des Daseins zu erfassen. Die Wahrheiten, die in den Veden gegeben werden, mussten durch Yoga errungen werden, seine Methoden jedoch sind nirgends vollständig festgestellt: zu diesem Zweck war der Guru, der Führer bestellt, der dem dazu reifen Schüler lehrte, diesen schwierigen Pfad zu begehen, – so scharf wie die Schneide eines Rasiermessers!
Wir werden diese drei Teile einen nach dem andern vornehmen. Zuerst werden wir die spirituellen Wahrheiten betrachten, die in den Vedas niedergelegt sind. Soweit sie für den Verstand greifbar, sind sie in den philosophischen Systemen auseinandergesetzt, die sich jedoch nicht feindlich einander gegenüberstehen, sondern sich ergänzen; nicht eines derselben gibt die ganze Wahrheit vollständig, aber jedes so viel von ihr, dass der Verstand sie logisch zu einem System zusammenfügen kann: – dann werden wir den exoterischen Kultus seinen Grundideen und seinen Einzelheiten nach studieren, sowie sein Verhältnis zum sozialen und Familien-Leben zeigen: – schließlich werden wir verstehen lernen, dass eine wahre Erkenntnis der spirituellen Wahrheiten nur durch Yoga zu erlangen ist, dass es eine Wissenschaft der Seele gibt, die von Guru gelehrt wird und die den Menschen befähigt, Schritt für Schritt sich zur höchsten spirituellen Weisheit zu erheben.
Sie sehen, welch weites Feld zu durchforschen ist, Sie sehen, wie viel wir in einer so kurzen Zeit, in einem Vortrag zu betrachten haben; Sie werden deshalb entschuldigen, wenn ich, in raschem Gang von Punkt zu Punkt eile und manche Einzelheit gar nicht erwähne; denn ich spreche mit der Zunge, nicht von Geist zu Geist, und bin durch die Illusion der Zeit beschränkt, welcher alle unsere Denkprozesse, sich zu unterwerfen haben.
Ich gebe zunächst eine kurze Darstellung der grundlegenden, spirituellen und philosophischen Wahrheiten, auf welchen der ganze Hinduismus beruht; hat der Mensch diese vollkommen erkannt, dann hat er sein Ziel erreicht.
Am Anfang des Weltalls, zum Beginn der Manifestation, offenbarte sich das Brahman, das Selbst des Weltalls, damit das Weltall existiere. Es steht geschrieben: Wenn Er offenbar ist, so ist infolgedessen alles offenbar; durch seine Offenbarung offenbart sich dies alles.2 Wie er in Manifestation tritt, wissen wir nicht, aber es wird uns gesagt, dass es durch einen Akt des Opfers geschieht: „Om! Die Morgenröte wahr lieh ist des Opferrosses Haupt.3 Die okkulte Weisheit lehrt uns, dass dieser Akt des Opfers Brahmans Selbstbeschränkung ist, sein Sichumgeben mit Maya, d. h. mit Avidya.4 Ohne diese könnte kein Universum zum Dasein kommen, da Beschränkung für die Verschiedenheit notwendig ist; jedes Ding ist in Avidya gehüllt, das heißt, jedes Ding ist begrenzt, es ist dies Ding und kein anderes; vollständiges Wissen ist nicht in ihm.
Mit dem Brahman beginnt das geoffenbarte Universum. Es ist der Ursprung, der Urquell des einen Selbst und der eine Atem des Weltalls: außer ihm gibt es nichts Offenbartes, außer ihm ist kein Leben, kein Gedanke, keine Vernunft; er offenbart sich in seinen dreifachen Eigenschaften, er ist Sat, Tschit und Ananda,5 und von ihm gehen alle Eigenschaften aus. Er entfaltet diese in dem Einen, dem Ersten, der Grundursache von Allem. Dieses Brahman, dieses mächtige Sein, das Selbst des Weltalls, ist an einer Stelle in dem Shvetâshvatara Upanishad in wundervoller, erhabener Schönheit geschildert und ich wähle diese, weil in einer Shloka6 gleich hinter dieser Stelle eine Andeutung von noch etwas Höherem als selbst dem geoffenbarten Brahman gegeben wird. Sie werden sich der Stelle erinnern; ich muss sie jedoch in die weniger poetische, weniger schöne und weniger vollkommene Sprache übersetzen, in der ich hier reden muss: aber selbst in dieser modernen Ausdrucksweise leuchtet noch die wunderbare Schönheit des Originals hindurch: Da wo keine Dunkelheit ist, weder Tag noch Nacht, weder Dasein, noch Nichtdasein, da ist nur Shiva, allein. Unvergänglich, ist er. Er ist anzubeten mit dem heiligen Savitri. Von ihm allein geht die Alte Weisheit aus. Nicht oben, nicht unten, nicht in der Mitte ist er vorstellbar, noch hat er seines Gleichen, dessen Name ewige Herrlichkeit und Glorie ist. Nicht durch die Sinne ist er wahrnehmbar, noch kann das Auge seine Gestalt erkennen. Die, welche ihn im Herzen und im Geiste, der im Herzen wohnt, wahrnehmen, werden unsterblich.7 – So wird Brahman beschrieben, das Geoffenbarte, die Ursache des Universums. Zwei Shlokas folgen und dann wird das folgende Kapitel mit der Erklärung eröffnet, dass, in Parabrahman, dem höchsten Brahman, Vidyâ und Avidyâ ungeoffenbart existieren.8 Wir können auch übersetzen Ishwara und Maya ungeoffenbart existieren.9
Was dies heißt, wissen wir nicht, was das bezeichnen soll, können wir nicht sagen. Keine menschliche Auffassungskraft kann das Unbedingte sich vorstellen, keine menschliche Zunge kann Tat „Das” beschreiben, was über allem diesen erhaben ist. Wir wissen nur, dass alles aus dem Tat hervortritt; jedes Ding ist Tat, obgleich kein Wort, das eine Verschiedenartigkeit ausdrückt, – und alle Worte drücken eine Verschiedenartigkeit aus – Tat zu beschreiben imstande ist; im Tat haben Sat, Tschit und Ananda, das Dasein, das Bewusstsein und die Seligkeit ihre eine Wurzel, das Eine ohne ein Zweites; in Tat ist unerkannt und unerkennbar alles enthalten, aber in welcher Weise können wir uns nicht vorsteilen. Denn für uns heißt Dasein – Verschiedenheit, und in Tat ist alle Verschiedenheit verschwunden.
Kommen wir jetzt zum manifestierten Weltall, von dem es uns möglich ist, einige Kenntnisse zu erlangen, so erfahren wir, dass die Betätigung, die Manifestation des Brahman allmählich geschieht, nicht plötzlich, dass alles nach, und nach aus ihm hervortritt, nicht auf einmal; aus dem Verborgenen tritt es allmählich in Erscheinung, das Verschleierte wird nach und nach entschleiert. In den verschiedensten Ausdrucksweisen wird stets dasselbe gelehrt, – dass alle Dinge aus ihm hervorkommen und dass alles er selbst ist, aber dass er hinter der Erscheinung verborgen ist, hinter „Namen und Form". Wie Salz und Wasser, in dem es gelöst enthalten ist,10 wie das Feuer im Holz, vordem die Hölzer aneinander gerieben werden, wie die Butter in der Milch vor dem Buttern,11 so ist Brahman verborgen in jedem Geschöpf als dessen Selbst.
Wunder nach Wunder auf jeder Stufe der Manifestation, auf jeder Stufe die Macht seiner Entfaltung! Seine Eigenschaft des Sat, des Daseins selbst kommt in der unbeweglichen Schöpfung, in dem Mineralreich, wie wir es nennen, zur Erscheinung, hier kann nur das Dasein konstatiert werden; Tschit und Ananda sind verborgen und nur Sat ist geoffenbart. Dann im Pflanzenleben zeigt uns das sich entfaltende Leben die ersten Spuren von Freude und Leid, den Keim der sich auf den höheren Stufen der Entwicklung zu Ananda entfaltet; im Tierreich zeigt sich auch der Keim von Tschit (Bewusstsein), der seine vollere Entwicklung später erleben wird, im Menschen sind die Keime von allen Dreien, von Sat, Tschit und Ananda teilweise offenbar, und werden am Ende seiner Laufbahn vollständig entwickelt sein. Dann ist er Brahman, er ist zur Einheit gelangt. –
All dieses hat sich im langsamen Gang der Entwicklung herausgearbeitet, in dem langen Lauf und der immer wiederholten Drehung des Rades von Geburt und Tod in den drei Welten.
Die niedrigste Welt, die Welt unseres wachen Bewusstseins, ist Bhurloka; dort wird der Mensch in seinem physischen Körper geboren, dort kommt er mit den materiellen Dingen in Berührung und sammelt dabei Erfahrungen. Dann gelangt er durch das Tor des Todes in die nächste Welt, Bhuwarloka, und in einem Körper, welcher der dortigen Welt an-gepasst ist, verarbeitet er einen Teil seiner Erfahrungen, die er auf Erden gemacht hat; dann ein dritter Körper und ein Aufstieg nach Svargaloka, wo er das Resultat anderer irdischer Erfahrungen zieht.12 Von Svargaloka kehrt er durch Bhuwarloka und das Tor der Geburt nach Bhurloka zurück, um dort das Lernen wieder aufzunehmen, deren Früchte er in den anderen Welten in sich hineingearbeitet, assimiliert hat. Dies die gewöhnliche menschliche Entwicklung in den drei Welten, – wie uns beständig gelehrt wird.
An dies Rad ist der Mensch durch das Verlangen gebunden, durch den Durst nach empfindendem Dasein, welches er in seiner Unwissenheit zuerst mit dem Leben des Körpers identifiziert. Dieser Puruscha (der innere Mensch) ist ganz und gar gebildet aus Begierde (Kâma), je nachdem seine Begierde ist, danach ist seine Einsicht, je nachdem seine Einsicht ist, danach tut er das Werk (Karma), je nachdem er das Werk tut, danach ergeht es ihm. – Dem hängt er nach, dem strebt er zu mit Taten, wonach sein innerer Mensch und sein Begehr (als Ursache) steht.
Wer angelangt zum Endziel (der Wirkung in Svarga)
Der Werke, die er hier begeht,
Der kommt aus jener Welt wieder
Zu dieser Welt des Werks zurück. (Infolge seiner früheren Werke.)
So geht es mit dem Verlangenden (er wandert von Erdenleben zu Erdenleben)
Wenn alle Leidenschaft schwindest,
Die nistet in des Menschenherz,
Dann wird, wer sterblich, unsterblich:
Schon hier erlangt das Brahman er.13
Hört der Mensch auf, sich mit seinem Körper zu identifizieren, dann identifiziert er sich mit seinem Verstand und lebt dann längere Zeit in Svarga, noch immer gebunden durch Verlangen. Die Freiheit vom Wiedergeborenwerden erlangt der Mensch erst, wenn er tot ist, für alles, was die drei Welten zu geben haben.
Sodann geht diese Entwicklung unter dem Kausalgesetz vor sich, wonach jede Ursache ihre bestimmte Wirkung hat. Dies ist das Gesetz vom Karma, das jedem Menschen genau den Ertrag seiner Aussaat sichert. Er säet sein Karma in der Welt der Materie, der psychischen Materie, er eintet es zum Teil in den beiden anderen Welten und assimiliert dort die Folgen seines Denkens; dann kehrt er zur Erde zurück, als das Geschöpf seines eigenen Wirkens, um das Karma auszuarbeiten, das zu dieser Erde gehört. So wächst er heran, Leben nach Leben, ein Geschöpf des Nachdenkens; was er in diesem Leben denkt, das wird er später.14 Bis dahin klimmt der Mensch aufwärts von Stufe zu Stufe mit immer erweitertem Bewusstsein, Hülle nach Hülle entwickelt sich in ihm, jede ein Vehikel des Bewusstseins. In dem Maße, wie er sich entwickelt, umfasst sein Bewusstsein eine Welt nach der anderen, denn die Stufen des Bewusstseins entsprechen diesen drei Welten, dem Zustand vom Jagrat, Svapna und Sushupti.15
Das Bewusstsein dehnt sich aus, umfasst eine Welt nach der anderen, bis das frühere Kind und der spätere Schüler zum Meister und Herrscher wird. Steigt er höher, dann entflieht er dem Rade von Geburt und Tod, er geht vom Mondkörper,16 wie er technisch bezeichnet wird, zum Sonnenkörper17 über, und wenn dies vollständig durchgeführt ist, kommt er nie mehr zurück, er wird nicht mehr zur Geburt gezwungen. Er erhebt sich in den Turiyazustand und erreicht sein Selbst, nur mit dem Anandamayakosha18