Die Welt zerreißt - Ben B. Black - E-Book

Die Welt zerreißt E-Book

Ben B. Black

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Beschreibung

Während auf Babylon das Schicksal der freien Menschheit auf dem Spiel steht, hat Ren Dhark das Zentrum der Probleme in der Galaxis der Mysterious erreicht. Doch sein Leben ist in allerhöchster Gefahr, denn die Welt zerreißt...

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Seitenzahl: 362

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Ren Dhark

Weg ins Weltall

 

Band 36

Die Welt zerreißt

 

von

 

Uwe Helmut Grave

(Kapitel 1 bis 6)

 

Jan Gardemann

(Kapitel 7 bis 10)

 

Ben B. Black

(Kapitel 11 bis 16)

 

und

 

Hajo F. Breuer

(Exposé)

Inhalt

Titelseite

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

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Impressum

Prolog

Ende des Jahres 2065 steht die Menschheit am Scheideweg: Obwohl die Erde wieder auftaut, wurden 36 Milliarden Menschen nach Babylon umgesiedelt und richten sich dort unter der Regierung Henner Trawisheims neu ein. Doch der entwickelt sich in eine Richtung, die gerade den Gutwilligen überhaupt nicht paßt…

Auf der nur noch von ein paar Millionen Menschen bewohnten Erde hat der Wächter Simon drei Personen für das neue Wächterprogramm rekrutiert: Svante Steinsvig, Arlo Guthrie und – Doris Doorn! Die INSTANZ von ARKAN-12 schickt sie nach erfolgter Umwandlung in die Milchstraße. Ihre Aufgabe: Reparatur der defekten Station ERRON-2 und Überwindung der Schranke um Orn, die Heimatgalaxis der Mysterious oder Worgun…

Genau in dieser Sterneninsel machen der ehemalige Rebell Gisol und seine Kampfgefährtin Juanita auf Epoy, dem Ursprungsplaneten der Worgun, eine erschreckende Entdeckung: Eine geheimnisvolle Macht jagt alle Mutanten und versucht, das Volk der Hohen zu einer Gemeinschaft der Dummen hinabzuzüchten. Ihr Bericht bewegt Margun und Sola dazu, einen Notruf abzustrahlen…

Zur gleichen Zeit muß Ren Dhark erkennen, daß sich vieles verändert hat in seiner Heimat: Terence Wallis macht ihm und wenigen Auserwählten das Angebot der relativen Unsterblichkeit! Und auf Babylon hat Henner Trawisheim eine Diktatur errichtet. Er läßt Ren Dhark und seine Getreuen verhaften. Als ihnen die Flucht zurück in die POINT OF gelingt, bleibt auch Dan Riker und seiner gesamten Flotte nur noch die Desertion. Von Trawisheim zu Vogelfreien erklärt, will sich das kleine Rebellenhäufchen auf Echri Ezbals neuer Forschungswelt Wischnu treffen. Doch als er den Notruf von Orn erhält, ist Ren Dhark nicht mehr zu bremsen…

Mit Hilfe des geheimnisvollen goldenen Planeten überwindet er die Schranke um Orn – und erfährt vom vergeblichen Versuch der großen Worgun Margun und Sola, den Frieden in der Galaxis mit Hilfe eines gigantischen Parakraftverstärkers wiederherzustellen. Als man das Gerät ans Laufen bringt, kommt es zu einem unvorhersehbaren Rückkopplungseffekt. Es explodiert – und mit ihm die Gigantstation ARKAN-54.

Ren Dhark findet Beweise dafür, daß die Worgun sämtliche Zyzzkt ausrotten wollen. Um diesen Massenmord zu verhindern, fliegt er Epoy an, den Zentralplaneten der Gestaltwandler. Aber er muß erkennen, daß er die Worgun nur an ihrem Tun hindern kann, wenn er Orn aus der Isolation durch die undurchdringliche Schranke rings um die Galaxis befreit. Er folgt einem vagen Hinweis und erreicht einen eigentlich unmöglichen Planeten im Neutrinojet eines Schwarzen Loches. Und endlich stößt er auf die Quelle der Schranke um Orn – nur um zu erkennen, daß die Quelle von einer unbekannten fremden Macht übernommen und ferngesteuert wird. Eine Spur durch den Hyperraum führt ihn nach Fatboy, dem Planeten der Schnecken – und zur DANROL, einem gigantischen Ringraumer mit 3,6 Kilometer Durchmesser…

In der Milchstraße verliert die Regierung von Babylon jedes Maß, als sie den Planeten Mediter mit weit mehr als 100 Millio-nen intelligenten Bewohnern vernichten läßt. Selbst für treue Flottenoffiziere wie Roy Vegas ist das Maß voll. Es kommt zur Gründung einer Koalition derjenigen, die sich nicht länger von Henner Trawisheim herumschubsen lassen wollen.

Zu ihnen gehört auch Bernd Eylers, der zusammen mit dem Brahmanen Echri Ezbal den Drahtzieher der Verschwörung, Staatssekretär Layton, zur Rede stellen will. Doch der hat einen Cyborg als Leibwächter – einen Cyborg ohne Moral und ohne Gewissen…

1.

»Sie sind weg!«

Tino Grappa, der mailändische Ortungsspezialist der POINT OF, sagte nur diese drei Worte – doch sie genügten bereits, um in der Zentrale und in den angeschlossenen Abteilungen blankes Entsetzen auszulösen.

Der Erste Offizier Hen Falluta hatte inzwischen das Kommando an Bord übernommen. Er fand als erster seine Sprache wieder.

»Alle fünf?« fragte der Mittvierziger.

»Es blieb keiner zurück«, antwortete Grappa, während er konzentriert auf seine Kontrollanzeigen schaute. »Erst erloschen zwei Bioimpulse und kurz darauf die drei übrigen.«

Alle fünf. Gemeint waren Ren Dhark, der achtunddreißigjährige Commander der POINT OF, Judd Farell, der aus Wales stammende breitschultrige Chef der militärischen Abteilung, sowie seine beiden Untergebenen Sergeant Briks und der dreiundzwanzigjährige Amerikaner Steve Hawker.

Steve war ein desertierter Fähnrich der Babylonischen Flotte, ohne Aussicht, jemals zum Offizier befördert zu werden, denn die POINT OF war ein privat geführtes Forschungsschiff. An Bord des unitallblauen Ringraumers existierten genaugenommen keine militärischen Dienstgrade mehr, man behielt sie lediglich aus alter Gewohnheit bei (und weil sowieso niemand zu wissen schien, wie Briks mit Vornamen hieß).

Nummer fünf im Bunde der aus der goldenen Pyramide verschwundenen Personen war der Worgunmutant Arc Doorn, weit über 2500 Jahre alt, ein Geheimnis, in das nur seine engsten Vertrauten eingeweiht waren.

Offiziell stammte der rothaarige, mitunter etwas grobschlächtig wirkende Allroundwissenschaftler aus Sibirien, doch tatsächlich war er vor langer Zeit auf Epoy geboren worden.

Fünf erloschene Bioimpulse waren meistens gleichbedeutend mit fünf ausgelöschten Leben.

In diesem Fall gab es allerdings noch eine zweite Möglichkeit: Ren Dhark und seine Begleiter hatten sehr wahrscheinlich jenen Transmitter betreten, durch den die Yggsidral fortwährend Verstärkung in die Pyramide geholt hatten. Anmessen konnte man das abgeschirmte große Gerät zwar nicht, doch Kegelroboter hatten Aufnahmen davon in die POINT OF gefunkt – kurz bevor sie selbst durch den Transmitter geschwebt waren, gemeinsam mit dem Nomadenführer Pakk Raff und dessen Kriegern sowie Artus und Jimmy.

Letztere waren ebenfalls Roboter, jedoch zwei ganz besondere.

Die verschwundenen Roboter, Nomaden und Menschen waren nicht die einzigen Besatzungsmitglieder, die in die Pyramide gegangen waren, um dem schändlichen Treiben der Yggsidral ein Ende zu setzen. Im Inneren des circa ein Kilometer hohen Gebäudes befanden sich jetzt noch die vier Wächter Simon, Arlo, Doris und Svante sowie die Cyborgs.

Die menschlichen Körper der Wächter lagerten an einem sicheren Ort, während ihr Bewußtsein in veränderbaren, nahezu unzerstörbaren Hüllen aus einer Tofiritlegierung steckte. Cyborgs waren ausgewählte Männer und Frauen, die man mittels bionischer Implantate aufgerüstet hatte.

Hen Falluta setzte sich mit dieser ungewöhnlichen Kampftruppe in Verbindung, übermittelte ihnen die Koordinaten der Transmitterhalle und wies sie an, sich unverzüglich dorthin zu begeben. Jimmy hatte das Gerät von Empfangen auf Senden umgestellt, so daß keine Yggsidral mehr nachrücken konnten. Durchgänge waren momentan nur in umgekehrter Richtung möglich. Die zehnköpfige Truppe sollte sicherstellen, daß niemand an den Kontrollen herummanipulierte.

Wächter Simon mußte passen. Er bat darum, ihm einen Flash zu schicken, damit er ins Schiff zurückkehren konnte. Seine Transition aus dem Stand und der »monatelange« Aufenthalt in der Rakete aus HyGol hatten ihn so stark geschwächt, daß er sich nicht mehr hundertprozentig einsatzbereit fühlte. Er brauchte zuerst einmal frische Energie.

Das angeforderte Beiboot wurde losgeschickt und verließ kurz darauf mit seinem einzigen Passagier die goldene Pyramide.

Währenddessen begaben sich die drei verbliebenen Wächter und die Cyborgs in die Transmitterhalle. Niemand stellte sich ihnen in den Weg, denn es kamen ihnen wie erwartet keine weiteren Yggsidral mehr entgegen. Demnach hatte sich noch keiner am Transmitter zu schaffen gemacht.

Diese Annahme stellte sich schon bald als Trugschluß heraus.

»Der Transmitter wurde von der Gegenseite aus abgeschaltet«, bemerkte Wächter Svante nach kurzer Inaugenscheinnahme, »und er läßt sich auch nicht so ohne weiteres wieder einschalten.«

Gemeinsam machten sich Cyborgs und Wächter daran, die Kontrollen zu analysieren, um die Koordinaten der Gegenstelle zu ermitteln. Nur wenn sie herausfanden, wo sich der Ausstieg befand, hatten sie eine Chance, Ren Dhark und all die anderen zurückzuholen. Ansonsten waren die Verschwundenen auf sich allein gestellt – wo auch immer sie sich gerade aufhielten.

Die Stimme des Ersten Funkers der POINT OF, Glenn Morris, beendete die Arbeiten an den Transmitterkontrollen abrupt.

»Ich befürchte, ihr müßt sofort weg«, sagte Morris. »Tino hat in einem anderen Teil der Pyramide bedenkliche Energiewerte angemessen.«

»In welchem Teil?« fragte Wächterin Doris, die Noch-Ehefrau von Arc Doorn. »Kann er seine Angaben konkretisieren?«

»Wir haben jetzt keine Zeit, um eine Diskussionsrunde zu eröffnen!« schaltete sich Tino Grappa aufgeregt ein. »Macht schleunigst, daß ihr da wegkommt! Raus aus der Pyramide, und zwar pronto!«

»Wir stehen aber kurz davor…« setzte einer der Cyborgs zu einem Widerspruch an.

Grappa fuhr fast aus der Haut. »Seid ihr taub oder blöd? Haut ab, verdammt noch mal!«

Seine eindringlichen Worte verfehlten ihre Wirkung nicht. Cyborgs und Wächter ließen alles stehen und liegen und rannten – in einem Hypertempo, das nur von außergewöhnlichen Wesen wie ihnen erreicht werden konnte – auf den nächstliegenden Ausgang zu, wobei ihre eingebauten Geräte/Implantate als Navigatoren fungierten, so daß sich keiner in den Gängen verlief.

*

Fatboy nannte man in der POINT OF den massereichen Planeten mit der hohen goldenen Pyramide, dessen Schwerkraft bei etwa drei Gravo lag. Für die Bewohner, die Lomochs, hieß er Gradegg.

Ihre knochenlosen Körper waren geformt wie die abgeschnittene Scheibe eines Kreiszylinders: 50 Zentimeter hoch, bei einem Durchmesser von einem Meter. An der Körperseite verteilten sich in gleichmäßigen Abständen vier kurze Arme, die in jeweils vier dicken Muskelfingern endeten. Oben befand sich ein ausfahrbares Stielaugenpaar.

Die Schnecken, so wurden die Lomochs von den Menschen bezeichnet, verfügten über enorm starkes Muskelgewebe. Sie bewegten sich kriechend fort, auf einem muskulösen Saum, der sich rings um ihre untere Körperfläche zog. Im Alltag waren sie lediglich mit kurzen Tüchern bekleidet, die sie sich überwarfen und locker an ihren Körpern befestigten.

Obwohl die Yggsidral die Pyramidenspitze weggesprengt hatten, in der Hoffnung, auf diesem Weg mit ihrer goldenen Rakete flüchten zu können, war das Gebäude noch immer höher als das höchste Gebirge auf Fatboy. Zu Füßen der Pyramide erstreckte sich die Hauptstadt des dicht besiedelten Planeten: Bogoa, die größte Stadt am Äquator. Hier befand sich auch der Regierungssitz.

Regiert wurde Gradegg von dem gleichberechtigten Zweierteam Lank und Temp – einem männlichen und einem weiblichen Lomoch. Die beiden bildeten die höchste Macht im Staate, der in mehrere Verwaltungsregionen aufgeteilt war, die von zahlreichen Ministern, Räten, Bürgermeistern und sonstigen Regierungsmitarbeitern betreut wurden. Natürlich vertrat jede Region vor allem ihre eigenen Interessen, weshalb nie wirklich Einigkeit auf dieser Welt herrschte – wie auf den meisten anderen Planeten im Universum auch.

Erst die bleichen Götterboten hatten für völlige Eintracht unter den Lomochs gesorgt. Plötzlich hatten alle ein gemeinsames Ziel verfolgt: ihren unheimlichen Verbündeten aus dem All, mit denen sie zehn Jahre zuvor einen Kooperationsvertrag abgeschlossen hatten, ohne Wenn und Aber dienen zu dürfen.

Die bis dahin friedfertigen Lomochs waren sogar voller Begeisterung in den Kampf gegen ein ihnen unbekanntes Weltraumvolk gezogen, das mit einem riesigen Ringraumer in ihrer Umlaufbahn eingetroffen war – weil die Götterboten es ihnen befohlen hatten. Weil sie ihnen gesagt hatten, die Fremden seien ihre Feinde…

»Welche Dämonen sind nur in uns gefahren?« fragte sich Lank, der sich im Regierungspalast allein in seiner geräumigen Unterkunft aufhielt. »Wieso haben Temp und ich zugelassen, daß das ganze Volk dem Wahnsinn anheimfällt?«

In der Geschichte der Lomochs hatte es so manchen unnötigen Krieg gegeben, ausgelöst von einzelnen Personen oder Gruppierungen, die unter dem Deckmantel der Sorge für gemeinschaftliche Interessen nur eines im Sinn gehabt hatten: das Stillen ihrer eigensüchtigen Gier nach Macht und Reichtum. Seit Einführung der Weltregierung gehörten diese dunklen Kapitel in der Historie der Lomochs der Vergangenheit an – zumindest hatte Lank das bisher geglaubt.

Doch dann war alles ganz anders gekommen. Sämtliche Planetenbewohner hatten sich geschlossen gegen einen angeblichen Feind formiert, der ihnen nichts angetan hatte, von dem sie nicht das geringste wußten.

Bevor die Götterboten mit ihrer goldenen Rakete auf Gradegg gelandet waren, hatten die meisten Lomochs zwar fest daran geglaubt, im Universum nicht allein zu sein, doch einen wirklichen Beweis für die Existenz anderer Lebewesen hatten selbst ihre fähigsten Wissenschaftler nicht erbringen können. Der Anblick der hageren, kalkweißen Gestalten mit ihren spitzen Zähnen und kräftigen Fingerkrallen hatte die Bewohner von Bogoa zunächst erschreckt, dennoch waren sie ihnen friedlich gegenübergetreten. Beide Völker hatten über ein Jahrzehnt lang voneinander gelernt.

Mit den quaddeligen Wesen, die von ihrem Riesenraumschiff aus zwei Botschafter des Friedens nach Gradegg geschickt hatten, hätte es genauso harmonisch ablaufen können. Aber die Bleichen hatten die Unförmigen sofort zu Staatsfeinden erklärt – und alle Lomochs hatten ihnen zugestimmt.

»Warum nur, warum?« murmelte Lank, der keine Erklärung für dieses seltsame Verhalten fand, obwohl er sich das Hirn regelrecht zermarterte.

Temp betrat sein Wohnbüro. Ihr eigenes Domizil lag direkt gegenüber, nur ein paar Kriecheinheiten über den niedrigen Flur.

Lank erinnerte sich, wie Temp und er fast ausgerastet waren, weil ihnen die Götterboten verboten hatten, sich mit den anderen kampfwütigen Lomochs in den Weltraum schießen zu lassen. Zu gern hätten sie Seite an Seite mit ihrem Volk in dem mächtigen Ringraumer gegen die Unförmigen gekämpft, doch der oberste Götterbote Pekato hatte ihnen befohlen, im Palast zu bleiben.

»Ihr beide seid die Oberhäupter dieser Welt«, hatte er gesagt. »Vielleicht könnt ihr mir irgendwann nützlich sein, deshalb ist es besser, wenn ich euch nicht der tödlichen Strahlung im All aussetze.«

Daraufhin hatten sie sich gehorsam in ihren Regierungssitz zurückgezogen.

Lank begriff nicht, weshalb er die Dinge jetzt plötzlich klarer sah. Ohne Pekatos Anweisung hätte er sich wie all die übrigen Fanatiker in eine schlecht abgeschirmte Raumkapsel begeben und sich mit einer Trägerrakete in den sicheren Tod befördern lassen. Ob inzwischen noch weitere Lomochs zu Verstand gekommen waren? Oder war er der einzige Wiedererwachte auf Gradegg?

Skeptisch musterte er seine Regierungspartnerin, die seit ihrem Eintreten keinen Ton gesagt hatte. Täuschte er sich, oder war das fanatische Flackern in ihren Stielaugen tatsächlich erloschen?

»Also gut, ich riskiere es«, sagte sie mit entschlossener Stimme. »Ich bin wieder normal. Und du?«

Lank atmete erleichtert aus. »Auch ich blicke wieder durch – glaube ich jedenfalls.«

»Heißt das, du weißt es nicht genau?«

»Hast du jemals von einem Lomoch mit getrübtem Verstand gehört, der wußte, daß er einen solchen hatte?«

Temp verzog ihren Atemschlitz zu etwas, das einem menschlichen Lächeln ziemlich nahe kam. »Wenn du zu derlei Spitzfindigkeiten fähig bist, habe ich keinen Zweifel mehr an der Ungetrübtheit deines Verstandes. Nun gilt es herauszufinden, ob es noch mehr ›Durchblicker‹ in Bogoa gibt.«

Beide verließen den Palast und traten ins Freie.

*

Die Explosion war eher enttäuschend.

Der Knall erfolgte, kaum daß die drei Wächter und die sechs Cyborgs die Pyramide verlassen hatten.

Noch einmal erhöhten sie ihr Lauftempo, um den Abstand zu dem goldenen Gebäude zu vergrößern. Erst in sicherer Entfernung blieben sie stehen.

»Irgendwo da drinnen hat es ordentlich gekracht«, kommentierte der dreißigjährige japanische Cyborg Lati Oshuta den Vorgang.

»Ordentlich?« bemerkte Wächter Arlo abfällig. »Dieser Ausdruck trifft wohl eher auf die Explosionen zu, mit denen die Yggsidral den Startschacht für die Rakete freigesprengt haben. Damit verglichen war dies hier nur ein harmloses ›Puff!‹. Es ist mir unbegreiflich, warum Tino deshalb so einen Aufriß macht.«

»Warten wir doch erst einmal ab, was genau in der Pyramide hochgegangen ist«, meinte Doris. »Vielleicht können wir die Bedeutsamkeit der Detonation noch nicht wirklich abschätz…«

Sie kam nicht mehr dazu, den Satz zu beenden. Von einem Augenblick auf den anderen verdunkelte sich der ansonsten bunt leuchtende Himmel über der Pyramide und der angrenzenden Stadt der Schnecken.

»Da oben braut sich ein Unwetter zusammen«, murmelte Arlo.

»Kein Unwetter«, erwiderte Svante tonlos. »Das sieht mir eher nach dem Weltuntergang aus.«

*

Gradegg war der sechzehnte Planet von 40, die um eine hellleuchtende blaue Riesensonne kreisten. Theoretisch hätte die hohe Strahlung des galaktischen Zentrums und des mächtigen Sterns jedwedem Leben ein Ende bereiten müssen. Doch der rund 16 000 Kilometer durchmessende Planet besaß ein unglaublich starkes schützendes Magnetfeld, ungefähr 30mal stärker als das Terras.

Sichtbar wurde dieses Phänomen durch die grell leuchtenden ›Nordlichter‹, die den Eindruck erweckten, ganz Gradegg sei in bunte Farben gehüllt – ein schillerndes optisches Wunder, das man von der Planetenoberfläche aus täglich am Himmel beobachten konnte.

Lank und Temp bewunderten das prächtige Farbenspiel, nachdem sie aus dem Haupteingang des Regierungspalastes getreten waren, vor dem sich ein großer freier Platz erstreckte. Normalerweise war dieser Platz recht belebt, doch weil sich die meisten Stadtbewohner im All beziehungsweise auf dem Ringschiff der Unförmigen aufhielten oder offenbar daheim den Fortgang der Ereignisse abwarteten, sah man keinen einzigen Spaziergänger. Nicht einmal Regierungsangehörige ließen sich blicken.

»Gäbe es dort oben nicht die vielen bunten Lichter, könnte man fast annehmen, wir befinden uns auf einem leeren, toten Planeten«, sagte Lank.

»Die Bürger zeigen sich nicht«, stellte Temp sachlich fest, »was ich als gutes Zeichen werte.«

»Als gutes Zeichen?« wunderte sich Lank.

»Ja. Denk doch nur daran, wie es hier überall aussah, bevor wir beide uns auf Befehl der Bleichen in unseren Palast zurückzogen. Die ganze Stadt spielte verrückt. Alle wollten unbedingt den Götterboten dienen und konnten es kaum erwarten, von ihnen in den sicheren Tod geschickt zu werden.«

»Und wir waren mittendrin – zwei Irrsinnige unter Tausenden und Abertausenden von weiteren Irrsinnigen.«

»Momentan geht es hier gespenstisch ruhig zu«, erwiderte Temp. »Daraus schließe ich, daß wir nicht die einzigen sind, die wieder klar denken können. Die Bewohner von Bogoa können sich ihr irrationales Benehmen nicht erklären. Vermutlich sind sie verwirrt und verkriechen sich vorerst in ihren Häusern, um daheim in Ruhe nachzudenken.«

»Du bist nicht nur schön, sondern auch klug«, machte Lank ihr ein Kompliment. »Warum ist aus uns beiden eigentlich nie ein Paar geworden?«

Temp blieb ihm die Antwort nicht schuldig. »Weil wir uns keine fünf Minuten vertragen. Eben deshalb wurden wir an die Regierungsspitze gewählt. Das Volk braucht keine Staatsoberhäupter, die sich in allem sofort einig sind. Politik lebt von ständiger Kontroverse. Wenn wir beide uns vor laufenden Kameras ein Rededuell liefern, sitzt mehr als die Hälfte der Bürger zu Hause vor dem Sehquader.«

»Weil es denen gefällt, zuzusehen, wie wir verbal aufeinander losgehen. Ein Bekannter von mir kommentierte unsere ständigen Auseinandersetzungen folgendermaßen: ›Solange sich Politiker streiten, regieren sie wenigstens nicht, und das ist auch gut so‹.«

»Dann enttäuscht es ihn sicherlich, daß wir letztlich stets einen gesunden Kompromiß finden«, entgegnete Temp.

»Aber nur, weil ich irgendwann nachgebe«, meinte Lank. »Du bist mitunter so zankhaft, daß du sogar in einem leeren Zimmer mit jemandem Streit anfangen würdest. Ist es sehr anstrengend, so zu sein wie du?«

Damit brachte er seine Regierungspartnerin auf etwas, das es auf Gradegg überhaupt nicht gab: die Palme. In Gedanken formulierte sie eine bissige Retourkutsche…

… als sich plötzlich der Himmel verdunkelte. Schwarze Wolken ballten sich zu einer bedrohlich wirkenden Masse zusammen und ließen nur noch wenige Lichtstrahlen durch. Obwohl es hellichter Tag war, schien die Nacht hereinzubrechen.

Schlagartig brach die Wolkenformation auf, ohne daß es wesentlich heller wurde.

Die Welt zerreißt! schoß es Lank in Todesangst durchs Gehirn.

Aus dem Riß in den Wolken senkte sich etwas Bedrohliches auf die Stadt herab, das aus lebender Energie zu bestehen schien und wie ein überdimensionaler Rüssel aussah…

*

»Was in Dreiteufelsnamen ist das?« fluchte der Cyborg Kai Nunaat ganz gegen seine Gewohnheit.

»Es ähnelt dem Schlauch eines Tornados«, entgegnete Jes Yello, der von dem Anblick total fasziniert war.

»Das sehe ich selbst«, erwiderte Kai. »Ich möchte wissen, was es ist.«

Darauf hatte selbst Tino Grappa keine wirkliche Antwort, doch immerhin lieferte er per Funk eine wichtige Information.

»Ich messe massive Hyperraumenergie an. Ihr solltet schleunigst von dort verschwinden und an Bord kommen – und diesmal bitte ohne Diskussionen!«

»Ein Rüssel aus Hyperraumenergie«, sagte Wächter Svante nachdenklich und deutete auf das goldene Gebäude, das sie fluchtartig verlassen hatten. »Seht doch, das Teil senkt sich auf die Pyramide herab.«

»Kommt an Bord!« ermahnte Grappa die Gruppe erneut. »Selbst mit euren besonderen Körpern könnt ihr der Hyperraumstrahlung höchstens ein paar Minuten standhalten, dann ist es aus mit euch.«

»Und die Schnecken?« fragte Doris.

Als Tino mit der Erwiderung zögerte, übernahm es der außergewöhnliche Bordrechner der POINT OF, der Checkmaster, ihre Frage zu beantworten.

»Meinen Berechnungen nach wird kein Stadtbewohner den Kontakt mit der Strahlung überleben. In zehn Sekunden werden alle Lomochs sterben.«

*

Vor der Pyramide breitete sich ein großer Platz aus. Obwohl sich der Raumhafen nur ein paar Steinwürfe davon entfernt befand, hatte es Ren Dhark vorgezogen, seinen unitallblauen Ringraumer direkt auf dem Platz zu landen, schließlich war das Schiff vom Raumhafen aus angegriffen worden.

Während sich nun der Hyperraumrüssel auf die Pyramide herabsenkte, leitete Hen Falluta einen Alarmstart ein, wobei er gleichzeitig alle Schleusen schloß. Sein Ziel war es, die Schnecken zu retten.

»Schutzschirm einschalten!« befahl er, als sich die POINT OF erhob. Rasch fügte er hinzu: »Nicht die Intervallfelder – sondern den KFS!«

Bei Aktivierung des doppelten Intervallfeldes wurde der Ringraumer jedesmal in ein eigenes Kontinuum versetzt. Die gefährliche Hyperraumenergie würde die Intervallfelder somit durchdringen, ohne am oder im Schiff den geringsten Schaden anzurichten. Die Schnecken aber wären der Strahlung nach wie vor ungehindert ausgeliefert.

Um das zu verhindern, ließ Falluta statt dessen den Kompaktfeldschirm aktivieren, einen energetisch dicht gestaffelten Schutzschirm, der es mit der Abwehrleistung eines Intervalls durchaus aufnehmen konnte. Den KFS würde die vom Hyperraumrüssel ausgehende tödliche Strahlenenergie nicht durchdringen – das hoffte Falluta zumindest.

Der energetische Rüssel hatte die Pyramide inzwischen erreicht und hüllte sie vollständig ein. Falluta ordnete an, die vom KFS geschützte POINT OF oberhalb der Pyramidenspitze direkt in den »Tornadoschlauch« zu lenken.

Eine Sekunde später riß die Verbindung zwischen der Pyramide und dem Hyperraum ab, so als habe jemand den unteren Rüsselteil mit einem riesigen Rasiermesser abgetrennt. Der Kompaktfeldschirm reflektierte die Strahlung.

Svante meldete, daß am Boden keine Hyperraumenergie mehr anzumessen war. »Die Schnecken sind gerettet!«

»Wie schön für die Schnecken«, entgegnete Falluta, der mit ungutem Gefühl auf seine Kontrollanzeigen blickte. »Leider können wir das gleiche nicht von uns behaupten. Der KFS wird soeben über 98 Prozent belastet. Im Alternativmodus würde er jetzt zusammenbrechen.«

Der erwähnte Modus betraf eine Modifizierung des KFS, die Arc Doorn und sein Freund Chris Shanton einst vorgenommen hatten. Seither war es möglich, außerhalb des Schiffes befindliche Lebewesen und Objekte in den Schirm einzuschließen und zu schützen, ohne daß diese bei der Aktivierung zu Schaden kamen. Zu diesem Zweck wurde die Innenseite des Schirms erst in einigem Abstand zur Schiffswand aufgebaut. Der Nachteil: Im Alternativmodus war die Abwehrstärke nicht mehr ganz so hoch wie bei der unmodifizierten Version.

»Knapp 99 Prozent«, meldete der Checkmaster, hatte aber auch Gutes zu verkünden: »Bis hierhin und nicht weiter. Die Belastung steigt nicht mehr.«

Die abgestrahlte Hyperraumenergie war offensichtlich am Ende ihrer Leistungsstärke angelangt. In der Zentrale brach Jubel aus, allerdings nur verhalten, denn für die erfahrenen Männer an den Kontrollen gehörten unliebsame Überraschungen zum Arbeitsalltag. Sie wußten, daß sich das Blatt jederzeit wieder wenden konnte.

Allen Befürchtungen zum Trotz hielt der KFS jedoch stand.

Im Gegensatz zur Pyramide. Seit sie abrupt vom Hyperraumrüssel abgeschnitten worden war, entwickelte sich in ihrem Inneren massive Hitze.

Grappa informierte die Bodentruppe über seine Meßergebnisse, die von den skeptischen Wächtern sogleich überprüft wurden, denn sie spürten absolut nichts von der angeblichen Hitzeentwicklung.

Erstaunlicherweise deckte sich das Resultat ihrer Prüfung hundertprozentig mit Grappas Messungen. Aus irgendeinem Grund strahlte die Pyramide keine Hitze nach außen ab, wofür niemand eine plausible Erklärung fand.

»Was passiert jetzt mit der Pyramide?« erkundigte sich Amy Stewart besorgt. »Fliegt sie uns gleich um die Ohren?«

»Davor hätte ich euch längst eindringlich gewarnt«, antwortete Grappa. »Obwohl ich in letzter Zeit den Eindruck habe, ihr nehmt meine Warnungen nicht ernst genug.« Diese Bemerkung konnte er sich einfach nicht verkneifen.

»Ist doch gar nicht wahr«, protestierte Val Brack. »Wir sind aus der Pyramide gerannt wie die Weltmeister. Nun sag schon: Wie schätzt der Checkmaster die Lage ein?«

»Er teilte mir soeben mit, daß die Pyramide allmählich zu schmelzen beginnt. Sie fällt langsam, aber sicher in sich zusammen wie eine Eistorte in der Tropensonne – unser Bordrechner drückte sich natürlich sachlicher aus.«

»Die Pyramide schmilzt?« hakte Amy erstaunt nach. »Das ist kaum zu glauben… aber wahr.«

Wie die anderen aus der Gruppe schaute sie voller Faszination zu, wie sich die Ankündigung des Checkmasters erfüllte. Das mächtige goldene Gebäude ging nach unten hin immer mehr in die Breite, während von oben geschmolzenes Metall nachrutschte.

Das Ganze ging nicht in rasantem Tempo, aber trotzdem verhältnismäßig schnell vonstatten, wenn man die immense Größe der Pyramide berücksichtigte.

*

Während die Pyramide stetig kleiner wurde, diskutierten die Cyborgs und die Wächter über das exorbitante Ereignis, das sich direkt vor ihren Augen und Optiken abspielte. Sie fanden keine logische, wissenschaftlich gestützte Erklärung dafür, allerdings fiel Amy eine unwissenschaftliche Bemerkung ein, die vor einiger Zeit in Bezug auf die Schranke um Orn gefallen war.

»Irgendwo hockt da einer an seiner Tankstelle, steckt illegal seinen verdammten Hyperraumzapfschlauch in unsere Wandlungsanlage, und wir können nichts gegen diese unverschämte Manipulation unternehmen«, sagte sie und legte eine Kunstpause ein.

Nachdem sie die Aufmerksamkeit aller Diskussionsteilnehmer auf sich gezogen hatte, fuhr sie fort: »Das war ein Zitat aus einem aufgezeichneten Bericht von 1E-2K. Ihr wißt ja, was dann geschah: Er und seine 28 Wissenschaftlerkollegen entwickelten ruck, zuck ein spezielles Peilgerät, bauten es in die DANROL ein und folgten der vagen Spur einer Hyperenergiesignatur – die sie und uns in dieses Sonnensystem führte.«

»Ich ahne, worauf du hinauswillst«, entgegnete Bram Sass. »Dieses rüsselförmige Ding, das dort oben am Himmel gerade die POINT OF attackiert, hat Ähnlichkeit mit einem Schlauch, woraus du die Schlußfolgerung ableitest, es könnte sich bei der Pyramide um die besagte ›Tankstelle‹ handeln. Dir ist aber schon bewußt, daß 1E-2K lediglich eine Metapher verwendet hat, oder?«

»Selbstverständlich ist mir das bewußt«, erwiderte Dharks Lebensgefährtin. »Dennoch halte ich es durchaus für möglich, daß die Yggsidral für die Veränderungen an der Schranke verantwortlich sind. Immerhin sind sie befähigt, auf uns bisher noch unbekannte Weise HyGol aus dem Hyperraum zu holen und damit ihre kugelförmigen Raumschiffe auszustatten. Sogar ihre Rakete bestand überwiegend aus diesem Material, und auch sie war mit einem Zeitbeschleuniger versehen.«

HyGol war die Abkürzung für Hyperraumgold, ein Begriff, den Arc Doorn ersonnen hatte, weil er überzeugt war, daß es sich bei dem goldenen Material, aus dem die Hüllen der Yggsidral-Raumschiffe bestanden, um eine Art Hyperraumkondensat handelte.

»Mittlerweile haben sie ihre Selbstvernichtungstechnik sogar noch verfeinert«, ergänzte Jes Yello. »Beim Kampf gegen den goldenen Kugelraumer im Dendu-System blieb, nachdem sich das HyGol verflüchtigt hatte, ein mehrstöckiges würfelförmiges, mit Holz beplanktes Aluminiumgerüst übrig. Die Überlebenden zerstörten den Würfel mit einer chemischen Bombe, damit ihre technischen Einrichtungen nicht in unsere Hände fallen. Die goldene Rakete hingegen löste sich rückstandslos auf.«

Wächterin Doris äußerte Zweifel an dieser Feststellung. »Wir können nicht total ausschließen, daß von der Rakete etwas zurückblieb, das für uns eventuell von Bedeutung gewesen wäre. Allerdings waren wir nach dem erschreckenden Erlebnis so sehr mit uns selbst beschäftigt, daß wir gar nicht auf den Gedanken kamen, beispielsweise nach Überresten des Zeitbeschleunigers zu suchen.«

Sie deutete auf die dahinschmelzende Pyramide.

»Und jetzt ist es dafür zu spät.«

»Es war absolut nichts mehr übrig«, erwiderte Val Brack. »Sogar die Leichen der Yggsidral hatten sich mitsamt dem Raketenschiff aufgelöst.«

Ganz sicher, ob sie nicht doch etwas übersehen hatten, war er sich allerdings nicht.

Lati Oshuta vertrat die Ansicht, die Yggsidral würden fremde Hilfe in Anspruch nehmen.

»Sie sind beileibe keine Dummköpfe, doch ihre allgemeine technische Entwicklung reicht meiner Meinung nach nicht aus, um derart komplizierte Geräte wie einen Zeitbeschleuniger zu bauen oder HyGol aus dem Hyperraum zu zapfen und zu verarbeiten.«

»Apropos zapfen«, meldete sich erneut Bram Sass zu Wort. »Ich möchte gern noch einmal auf Amys Tankstellentheorie zurückkommen. Du sagtest vorhin, die Spur der Hyperraumsignatur würde in dieses Sonnensystem führen. Bisher haben wir aber noch gar nicht überprüft, ob das tatsächlich zutrifft.«

»Die DANROL folgte der Fährte bis hierher, die POINT OF ebenfalls«, zählte Amy Stewart auf. »Beide Schiffe sind mit hochwertigen speziellen Peilgeräten ausgestattet. Daher denke ich, wir sind am Ziel unserer Suche angelangt.«

»Die Bezeichnung ›hochwertig‹ trifft nur auf den Peilsender zu, mit dem 1E-2K die POINT OF ausrüstete«, widersprach ihr Sass. »Tino hat das Gerät sofort begeistert in seine Anlage integriert. Für den klobigen Apparat, mit dem die Worgunwissenschaftler loszogen, mußte in der DANROL extra ein Lagerraum leergeräumt werden. 1E-2K sprach auf Hellhole abfällig von einem ›Schrottblock‹, und auch Kommandant Subbeck räumte ein, daß das auf die Schnelle konstruierte Gerät eine ziemliche Schluderarbeit war, eigentlich unwürdig für ein Team hochkarätiger Wissenschaftler – aber wenn man es so eilig hat wie er…«

»Subbeck erzählte, sie mußten das Peilgerät unterwegs fortwährend reparieren und neu justieren«, erinnerte sich nun auch Amy. »Du meinst also, es könnte die DANROL durch Zufall in dieses System verschlagen haben?«

»Mehr oder weniger«, antwortete Sass. »Die 28 Wissenschaftler folgten dem vom Hyperraum ausgehenden Signal und stießen auf diesen bewohnten Planeten. Für sie als Forscher kam es natürlich nicht in Frage, daran vorbeizufliegen, daher nahmen sie Kontakt zu den Bewohnern auf – mit den bereits bekannten schlimmen Folgen. Die POINT OF folgte ebenfalls der Hyperenergiesignatur und fing schließlich den Notruf der DANROL auf. Auf diese Weise kamen wir alle hierher. Eventuell haben wir aufgrund des ›kleinen Schlenkers‹ die ursprüngliche Fährte verloren.«

»Oder wir sind nach wie vor auf der richtigen Spur, und die Yggsidral sind die Schuldigen«, hielt Amy weiterhin an ihrer These fest. »Ich kann mir sehr gut vorstellen, daß sie – aus bisher unbekannten Motiven – bei der Manipulation an der Schranke um Orn ihre Krallenfinger mit im Spiel hatten. Vielleicht hat Lati ja recht, und sie haben mächtige Komplizen.«

»Möglicherweise ist der Commander gerade dabei, dieses Rätsel zu lösen«, warf Kai Nunaat ein. »Schade, daß wir ihm jetzt nicht mehr folgen können, doch der Transmitter geht soeben den Weg alles Irdischen.«

Amy schaute zur bereits halbgeschmolzenen Pyramide und dachte an Ren. Wo mochte er sich jetzt aufhalten?

Hoffentlich ist ihm nichts zugestoßen.

2.

Bald war die Pyramide vollständig geschmolzen. Wie ein gigantischer goldener Pfannkuchen breitete sie sich über den gesamten weitläufigen Platz aus, auf dem sie sich jahrelang imposant und furchteinflößend in die Höhe gereckt hatte.

Die Wächter und die Cyborgs konnten mit ihren integrierten Geräten keine Aktivität mehr anmessen. Dafür tat sich nun am Himmel so einiges: Der Hyperraumrüssel wurde energetisch schwächer und zog sich langsam nach oben hin in die dunklen Wolken zurück.

Zeitgleich sank die Belastung des KFS kontinuierlich.

Kaum war der »Tornadoschlauch« vollständig verschwunden, wurden die schwarzen Wolken durchlässiger und lösten sich allmählich auf.

Als die POINT OF auf dem Planeten landete, präsentierte sich der Himmel wieder so bunt wie eh und je.

Der Ringraumer schwebte über dem, was einstmals eine stolze Pyramide gewesen war, und fuhr die Landestützen aus. Demonstrativ ließ Hen Falluta das Schiff auf der goldenen Fläche aufsetzen – wie ein Großwildjäger, der voller Stolz seinen Fuß auf die erlegte Beute stellte.

Wächter und Cyborgs gingen endlich an Bord.

Von der Stadt und vom Raumhafen her näherten sich zaghaft die ersten Schnecken.

Sie wirkten verwirrt und ängstlich.

Fast zeitgleich fragten Rochard und Clifton aus den Waffensteuerungsabteilungen nach, ob sie das Feuer mit Strich-Punkt eröffnen und die Schnecken betäuben sollten.

»Das dürfte nicht nötig sein«, lautete Fallutas Antwort. »Die Planetenbewohner sind von ihrem Virus befreit.«

Humorig fügte er eine abgewandelte religiöse Redewendung hinzu: »Lasset die Schnecklein zu mir kommen, ich will zu ihnen sprechen.«

*

Um die Schnecken nicht zu erschrecken, stieg Falluta zunächst allein aus. Nun ja, nicht ganz allein – die sechs Cyborgs bestanden darauf, ihn zu begleiten. Noch bis vor kurzem hatten sich Menschen und Lomochs harte Kämpfe geliefert, deshalb wollte man auf alle Eventualitäten vorbereitet sein.

Die Schnecken hatten Angst, doch ihre Neugier war stärker. Mit gebotener Vorsicht näherten sie sich dem goldenen Platz von mehreren Seiten, wobei sie respektvoll Abstand zum Ringraumer und den sieben Personen hielten, die sich nicht vom Fleck rührten.

Nach einer Weile betätigte Falluta sein Armbandvipho und gab den Bordtechnikern Anweisung, die Übersetzungsgeräte zu installieren. Daraufhin verließen mehrere Männer das Schiff und bauten auf der goldenen Fläche schweigend eine Anlage auf, die es den Lomochs ermöglichen sollte, Fallutas bevorstehende Rede in ihrer eigenen Sprache zu verfolgen.

Die Techniker stiegen nicht wieder ein. Statt dessen kamen weitere Männer und Frauen aus dem Schiff, alle mit Antigravgürteln versehen. Sie postierten sich an verschiedenen Stellen, mit Blickrichtung zu mehreren Seiten hin. Jeder einzelne bewegte sich ruhig und entspannt, um niemanden durch hektische Aktivitäten zu verschrecken.

Manch einer setzte sich gar auf den Boden, wie bei einem gemütlichen Beisammensein.

Bald befand sich die halbe Besatzung draußen. Keiner trug eine Waffe, wenn man einmal davon absah, daß jeder Cyborg eine lebende Einmannarmee war.

Das vertrauenerweckende Benehmen der Fremden lockte immer mehr Neugierige an, wie Falluta es geplant hatte. Als er fast die halbe Stadt um sich herum versammelt hatte – einige Schnecken wagten es inzwischen sogar, die Ränder der dicken goldenen Scheibe zu erklimmen –, aktivierte er die Translatoranlage und sprach zu »seinen Fans«.

Zunächst stellte er sich und die menschliche Spezies kurz vor. Anschließend schilderte er den Schnecken mit ruhiger Stimme, auf welche Weise sie von den Yggsidral ausgenutzt worden waren, wobei er auch deren bisherige üble Machenschaften kurz erwähnte. Allmählich begriffen die Lomochs, daß die Bleichen alles andere waren als Götterboten.

Nachdem Falluta seinen Vortrag beendet hatte, krochen zwei Schnecken auf ihn zu. Sie stellten sich als die Regierungsoberhäupter Lank und Temp vor und bedankten sich bei ihm und seinem Volk für die Befreiung aus den Klauen der Bleichen.

»Die Ützdraal« (mit der korrekten Aussprache hatte Lank noch seine Schwierigkeiten) »haben sich viele unserer speziellen Fähigkeiten im Bereich der Biotechnologie angeeignet, um diese dann gezielt gegen uns anzuwenden. Dadurch machten sie uns zu Mördern – das vergeben wir denen nie! Aber wie habt ihr es geschafft, uns so schnell und gründlich vom Gehorsamsvirus zu befreien? Von einer planetenweiten Impfaktion ist mir nichts bekannt; eine solche Maßnahme hätte zudem etliche Monate gedauert.«

»Wir haben Freßviren eingesetzt«, erklärte Falluta, »eine Idee unseres Mitarbeiters Artus.«

»Ein Biowissenschaftler?« fragte Temp.

»Ein Roboter«, antwortete der Erste Offizier.

»Oh, also eine Maschine.«

»Nein, ein Mitarbeiter, wie ich bereits sagte. Aber es würde zu weit führen, euch das näher zu erläutern. Artus ist ein Kapitel für sich.«

Lank ergriff wieder das Wort. »Viel mehr als euer Robotermitarbeiter interessieren mich Details zu den Freßviren. Wenn ich recht verstehe, handelt es sich dabei um ein spezielles Virus, das in der Lage ist, anderen Viren den Garaus zu machen. Demnach besitzt ein Volk, das über ein Freßvirus verfügt, das Allheilmittel gegen jede nur erdenkliche Virenerkrankung.«

»Ganz so simpel ist das nicht«, erwiderte Hen Falluta. »Jede Freßvirenart muß direkt auf das Virus, das es zu bekämpfen gilt, ausgerichtet werden. Dafür benötigt man unter anderem Gewebe- und Blutproben der erkrankten Spezies. Beides entnahmen wir einem sterbenden Lomoch namens Kumb. Unseren Forschern kam zugute, daß es sich bei dem zu vernichtenden Virus um eine ziemlich dilettantische Laborzucht handelte, dadurch konnte das Gegenmittel rasch entwickelt werden.«

»Dilettantisch?« wunderte sich Temp. »Immerhin haben die Bleichen mit Hilfe ihres Laborvirus zwei Völker unterjocht. Habt ihr einem der Unförmigen ebenfalls Gewebe und Blut abgenommen?«

»Selbstverständlich. Leider starb uns auch dieser Kandidat unter den Händen weg. Auf die Worgun, so heißen die Unförmigen, hatte das Gehorsamsvirus nämlich noch eine zusätzliche Wirkung: Sie erkrankten daran.«

»Demnach mußtet ihr zwei verschiedene Freßviren herstellen?« hakte Lank nach.

»Zum Glück nicht«, antwortete Hen. »Wir entwickelten eine kombinierte Freßvirenart für beide Völker. Daß dies überhaupt möglich war, haben wir zum einen der Stümperarbeit der Yggsidral zu verdanken und zum anderen natürlich unseren tüchtigen Bordwissenschaftlern. Die Herstellung von Freßviren ist ein weites Feld, das man nicht so einfach mit ein paar Worten beschreiben kann.«

»Freßviren werden unser nächstes Forschungsprojekt«, entschied Lank, und Temp war ausnahmsweise einmal einer Meinung mit ihm.

Das Gespräch zwischen den beiden Staatschefs und dem Anführer der Menschen wurde unmittelbar für die Zuschauer übersetzt. Auch Temps nachfolgende Bitte bekamen alle Anwesenden mit.

»Bevor die Bleichen auf Gradegg landeten, hatten wir keinen Kontakt zu fremden Weltraumvölkern. Zweifelsohne seid ihr uns haushoch überlegen, was euer Wissen betrifft. Deshalb möchte ich euch bitten, uns bei dem Virenforschungsprojekt zu helfen und uns auch sonst zu fördern und zu unterstützen. Wir möchten von euch lernen, um unsere technische Entwicklung voranzutreiben.«

Wie jeder Politiker verstand auch sie sich perfekt darauf, bei der breiten Volksmasse um Applaus zu buhlen. Die Lomochs gaben seltsame Zischlaute von sich – vermutlich das Äquivalent zum menschlichen Klatschen, wozu die zu kurz geratenen Arme der Schnecken nicht ausgereicht hätten.

Das zustimmende Zischen wandelte sich in ein ungehaltenes Grummeln, als Hen Falluta das Ansinnen der Regentin klipp und klar zurückwies.

»Selbst wenn wir wollten, könnten wir nicht hierbleiben. Ein Teil unserer Besatzung verschwand während der Kämpfe spurlos. Wir müssen nach ihnen suchen. Im übrigen mischen wir uns nie in die Belange anderer Völker ein und überlassen es jeder Spezies, eigene Wege der Weiterentwicklung zu begehen.«

»Wann hattet ihr Menschen eure erste Begegnung mit Außermenschlichen?« fragte ihn Temp provozierend. »Haben euch die Fremden damals ebenfalls im Stich gelassen?«

Falluta war klug genug, nicht in ihre Falle zu tappen. Anstelle einer Rechtfertigung deutete er auf die POINT OF.

»Wir befanden uns bereits auf einem technischen Wissensstand, der dem eurigen um ein paar Jahrzehnte voraus war, als wir durch Zufall dieses Raumschiff entdeckten. Nachdem wir es gründlich erforscht hatten, machte unsere technische Evolution einen gehörigen Sprung nach vorn. Und was haben wir heute davon? Wir reisen durchs Weltall und mischen uns in kriegerische Konflikte fremder Völker ein, die uns im Grunde genommen gar nichts angehen.

Ohne diese bahnbrechende Entdeckung, die unser Leben total veränderte, hätten wir noch sehr lange Zeit ein friedliches, beschauliches Dasein geführt und uns langsam aber stetig weiterentwickelt, wie es im Schöpfungsplan des Universums vorgesehen war. Statt dessen ging alles viel zu schnell vonstatten. Glaubt mir, es ist immer ein Fehler, etwas erzwingen zu wollen, weil man dann plötzlich Aufgaben zu bewältigen hat, denen man eigentlich nicht gewachsen ist.«

Daß die Erde noch vor der Entdeckung der POINT OF von den Giants erobert worden war, die man mit Hilfe des Ringraumers vertrieben hatte, verschwieg Falluta wohlweislich.

Ohne eine Erwiderung abzuwarten verabschiedete er sich freundlich von allen Lomochs, versäumte es aber nicht, ihnen ein Geschenk dazulassen, das er Lank überreichte: ein kugelförmiger kleiner Apparat, gespickt mit winzigen Antennen.

»Dies ist ein einfach zu bedienender Translator, kein Gerät der Spitzenklasse, jedoch völlig ausreichend, um sich mit anderen Spezies zu verständigen – für den Fall, daß ihr erneut Besuch aus dem All bekommt.«

»Ein einziges Übersetzungsgerät für den ganzen Planeten?« murrte Temp. »Ist das nicht ein bißchen wenig?« Dankbarkeit gehörte offenbar nicht zu ihren Tugenden.

»Es steht euch frei, den Translator in Serie nachzubauen«, entgegnete Falluta gelassen.

»Aber dazu müßten wir ihn auseinandernehmen«, sagte Lank. »Hinterher bekommen wir ihn vielleicht nie wieder zusammen.«

Falluta grinste. »Seht ihr? Das habe ich gemeint, als ich davor warnte, die technische Entwicklung eines Volkes zu schnell voranzutreiben. Ihr solltet nichts übereilen. Nur Geduld, eure Zeit wird schon noch kommen.«

Auf sein Geheiß hin wurde die Anlage abgebaut und verladen. Die Besatzung kehrte an Bord zurück. Falluta begab sich als letzter ins Schiff, nahm auf dem Kommandantensessel Platz und erteilte den Startbefehl.

Die Schnecken schauten der POINT OF so lange hinterher, bis sie am Himmel immer kleiner wurde und nicht mehr zu erkennen war.

*

Hen Falluta hatte nicht vor, die Besatzung mit einem eigenen Führungsstil zu konfrontieren. Wie man es von Ren Dhark gewohnt war, bezog er alle an Bord in seine Überlegungen mit ein und sorgte dafür, daß vom Ober- bis zum Unterdeck keine Informationslücke entstand.

Über Bordsprech brachte er das gesamte Personal auf den aktuellen Stand der Dinge.

»Wir fliegen jetzt zur DANROL, wo bereits ebenfalls die Freßviren eingesetzt wurden. Von den 28 Worgun an Bord ist einer verstorben, die übrigen befinden sich auf dem Weg der Genesung, obwohl es manch einem noch ziemlich mies geht.

Zahlreiche der ins Schiff eingedrungenen Schnecken sind der Strahlenkrankheit erlegen. Ihre Leichen mußten im All entsorgt werden. Die Überlebenden, die inzwischen wieder genauso klar denken können wie ihre Artgenossen auf Fatboy, wurden in der medizinischen Abteilung der DANROL behandelt und werden gerade von Kommandant Subbeck in einer Large auf ihren Heimatplaneten gebracht.

Die Raumkapseln, mit denen einige Schleusen des Ringraumers blockiert wurden, werden von Robotern entfernt, so daß sich der Luftdruck im Schiff bald wieder auf normale Werte einpendeln dürfte.

All diese Informationen erhielten wir über Funk. Gleich werden wir uns vor Ort ein Bild von den Geschehnissen machen. Noch ein paar Worte zu unserer eigenen Situation:

Die Astroabteilung hat die Spur durch den Hyperraum verloren. Zwar führte uns die Hyperenergiesignatur in dieses Sonnensystem, dennoch sind wir noch längst nicht am Ausgangspunkt der Signatur angelangt. Die Yggsidral sind nicht zwangsläufig diejenigen, die verhindern, daß die Schranke um Orn von Hellhole aus abgeschaltet werden kann…«

Siehste, Amy, dachte Bram Sass, der sich in seiner Kabine aufhielt.

»…sie könnten es aber sein«, ergänzte Falluta.

Siehste, Bram, dachte Amy, die sich in ihrer und Rens gemeinsamen Unterkunft befand.

»Die Hyperraumfährte führt uns also entweder zu einem Planetenversteck der Yggsidral oder an einen gänzlich anderen, weit entfernten Ort«, fuhr der I.O. fort. »Ich wünsche mir natürlich, ersteres träfe zu, weil wir dort vermutlich den Commander, Pakk Raff und die übrigen Vermißten wiederfinden werden – hoffentlich in Freiheit und nicht in Gefangenschaft.«

Und hoffentlich gesund und lebendig, fügte er in Gedanken hinzu. Er sprach den Satz nicht laut aus, konnte sich aber ausmalen, daß alle an Bord gerade das gleiche dachten.

»Die Chance, wieder mit unseren Freunden zusammenzutreffen, indem wir stur der Hyperenergiesignatur folgen, liegt bei fünfzig zu fünfzig. Ebensogut ist es möglich, daß wir uns dabei immer mehr von ihnen entfernen. Leider haben wir keine Alternative. Der Transmitter der Yggsidral wurde mitsamt der Pyramide zerstört.

Die wichtigste Frage, die es jetzt zu lösen gilt: Wie schaffen wir es, die verlorene Spur wieder aufzunehmen? Spence Claus Bentheim hatte inzwischen Funkkontakt mit einem der vier Nichtinfizierten, die sich in der autarken Zentrale der DANROL verschanzt hatten. Der Mann heißt Meska und ist Ingenieur – und er behauptet, mit der Anlage in dem Riesenschiff könne man die Signatur weiterhin orten.

Ehrlich gesagt, ich habe daran so meine Zweifel, wenn ich an den Bericht von 1E-2K und seine ›Schrottblock‹-Bemerkung denke. Aber was haben wir schon groß zu verlieren? Meska hat darum gebeten, an Bord der POINT OF kommen zu dürfen, um die Sache persönlich mit unserem Ortungschef zu besprechen. Sobald wir bei der DANROL eintreffen, schicke ich ihm einen Flash, der ihn abholt.«

*

Dharks POINT OF war ein Ringraumer von 180 Metern Durchmesser. Die DANROL hatte ursprünglich zehnmal so groß werden sollen, doch das war den 28 Worgunwissenschaftlern auf Hellhole »zu klein« erschienen – weshalb sie in ihrer Werft ein 3600 Meter durchmessendes Raumschiff gebaut hatten, mit einer Ringstärke von 700 Metern. 1E-2K, der Roboter mit den drei Worgunbewußtseinen, hatte sie tatkräftig unterstützt. Mitgeflogen war er allerdings noch nie.

Beide Ringraumer schwebten nun nebeneinander im Weltall, was den Vergleich mit David und Goliath geradezu herausforderte.

Falluta fragte in der Zentrale der DANROL an, ob Hilfe benötigt wurde, doch die im Schiff verbliebenen nichtinfizierten Wissenschaftler bekundeten, alles im Griff zu haben.

»Augenblicklich gleicht unser Ringraumer einem reparaturbedürftigen Krankentransporter, das solltest du dir lieber nicht antun«, meinte der Biologe Glenga.

»Wir laden dich aber gern zu einer Besichtigung ein«, sagte der Chemiker Frebus, »sobald es unseren erkrankten Kollegen wieder besser geht und die Arbeitsroboter die gröbsten Beschädigungen beseitigt haben.«

Dann eben nicht, dachte Hen Falluta leicht pikiert. Was habe ich eigentlich erwartet? Daß sie mich zu Kaffee und Kuchen einladen?

»Der Kela, der Meska abholen wird, ist unterwegs«, teilte er seinen Gesprächspartnern mit.

»Danke, Falluta«, antwortete Frebus.