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Dieses eBook: "Die wilde Jagd" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. "Am graden Rande einer halbrunden Steinebene stehen die blanken Maschinen; die Steinebene ist schwarz und ganz glatt wie ein Eismeer ohne Schnee. Und entsetzlich groß ist die halbrunde glatte Steinebene; um ihren krummen Rand hat sich ein hellgrauer Wolkenkranz gelegt; die Wolken sind stilisierte hellgraue Riesenrosen, die zu maßlos hohen Gebirgen wurden. Weiß ist der Himmel – wie Milch." (Die wilde Jagd) Paul Scheerbart (1863-1915), auch unter seinen Pseudonymen Kuno Küfer und Bruno Küfer bekannt, war ein deutscher Schriftsteller phantastischer Literatur und Zeichner.
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Seitenzahl: 82
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Die schwarzen Diener gossen Öl in die vielen Maschinen.
Die schwarzen Diener krochen in unglaublich großen Scharen wie schwarze Salamander an den Maschinen hinauf und hinunter.
Die Öltonnen ragten übereinanderstehend zwischen den Maschinen wie stilisierte Berge in die Luft.
Die schwarzen Diener gossen auch die letzten Öltonnen vorsichtig in die starken Räderwerke hinein und atmeten dann erleichtert auf; sie hatten eine schwere Arbeit hinter sich.
»Jetzt«, flüsterten sie sich zu, »müssen die Geister gleich kommen.«
Andre jedoch sagten:
»Das Gewürm muß gleich kommen.«
Die Schwarzen warteten auf die Geister, die sich von ihren Sternen trennen wollten.
Diese Sterne waren sämtlich Kugelsterne.
Und die Geister, die oberhalb oder innerhalb dieser Kugelsterne lebten, wurden Wurmgeister genannt.
Die Wurmgeister, die sich von ihren Sternen trennen wollten, ließen jetzt auf sich warten.
Und die schwarzen Diener riefen empört: »Dieses Gewürm!«
Auf den Maschinen flackerte der Glanz schlafloser Nächte.
Am graden Rande einer halbrunden Steinebene stehen die blanken Maschinen; die Steinebene ist schwarz und ganz glatt wie ein Eismeer ohne Schnee.
Und entsetzlich groß ist die halbrunde glatte Steinebene; um ihren krummen Rand hat sich ein hellgrauer Wolkenkranz gelegt; die Wolken sind stilisierte hellgraue Riesenrosen, die zu maßlos hohen Gebirgen wurden.
Weiß ist der Himmel – wie Milch.
Und auf der schwarzen glatten Steinplatte spiegeln sich die Wolken und zwischen den Öltonnen die Maschinen, die mit der Kopfseite nach außen gerichtet sind und den ganzen graden Rand des Halbrunds bedecken.
Vor dem graden Rande versperren zarte, sich leicht bewegende Nebelschleier alle Aussicht.
Obwohl nun die Zahl der Maschinen eine ganz ungeheure ist, nehmen diese doch eben nur den graden Rand des Halbrunds in Anspruch. Wird die Maschinenreihe verglichen mit der ganz leeren halbrunden Steinebene, so werden die Maschinen so klein wie Kinderspielzeugund – und sie sind doch so groß.
Es sind eiserne Fahrzeuge am schwarzen schnurgraden Plattenrande – und sie haben ein abenteuerliches Aussehen – da gibt's Riesenkanonen, deren Stahlröhren so lang sind, daß man sagen möchte, sie seien viel länger als ein Jahrhundert – da gibt's Bahnzüge, die tausendmal länger sind, und Lokomotiven vorgespannt haben, deren Schornsteine Kirchtürmen ähneln.
Da gibt's schlanke Schlitten mit weiten Flügeln, die wie Wolken aufragen – da gibt's Stelzmaschinen, die auf hundert meilenlangen Stelzen stehen – da gibt's himmelhohe räderartige Maschinen, in deren Speichen lauter Körbe hängen – da gibt's geflügelte Riesenräder – da gibt's Korbketten, die an hohen Eisensäulen befestigt wurden und an beiden Enden Raketenapparate besitzen – da gibt's Luftschiffe mit Kanonen, die gefesselte Kugeln abschießen können; durch ihre Kugeln können sich die Luftschiffe sehr schnell fortreißen lassen; die Kugeln dür fen sich nur nicht losreißen.
Da gibt's – viel zu sehen!
Das ist ein gewaltiges Maschinenreich!
Und alle diese Maschinen sind bloß für das große Wettrennen gebaut, das jetzt gleich beginnen soll.
– – Auf der schwarzen Plattform entstanden jetzt viele runde Löcher und aus diesen runden Löchern stiegen jetzt langsam, steif und gespensterhaft viele Billionen Geister heraus.
Die Geister staken in perlgrauen unbestimmten Gewändern, und ihre Köpfe waren weiß wie Lilien; wie Standbilder stiegen sie empor.
Und die Löcher schlossen sich wieder.
Und die Geister schwebten langsam dicht über den schwarzen Fliesenboden zu den Maschinen hin.
Und die schwarzen Diener machen den Geistern Platz.
Die schwarzen Diener haben viele Schlangenbeine und viele dicke Köpfe, die Molchköpfen ähneln. Und ihr Rumpf ist wie ein schwarzer Sack, in dem sich durchscheinende rote Würfel balgen. Und ihre schwarzen Kopfhaare steher immer hoch empor wie Besen und steife Pinsel.
»Es ist alles vortrefflich eingeölt!« sagen die Diener unter devoten Bücklingen.
Und die Geister prüfen die Ölung und bewundern ihre Maschinen; die haben sie selbst in vielen schlaflosen Nächten unter dem schwarzen Fliesenboden erfunden und oben mit Hilfe der molchköpfigen Diener aufgebaut.
Nun verabschieden sich die Geister voneinander und steigen in ihre Bahnzüge und in ihre Maschinen hinein, denn es soll gar bald losgehen.
»Als Götter sehen wir uns wieder!«
Das rufen sie sich in vielen Sprachen lachend zu.
»Ist es wahr«, fragen da die Diener, »daß bloß die erste Million zu Göttern wird?«
»Gewiß«, erwidern die grauen Geister mit den lilienweißen Köpfen, »sonst wäre doch das ganze Wettrennen überflüssig. Wir sind ja zu Billionen hier. Nur die erste Million, die durch die Allee zuerst durchkommt, wird zu einer Million von Göttern.«
»Und ist es wahr«, fragen die Diener weiter, »daß Euch alle Mittel beim Weiterkommen erlaubt sind? Ist es wahr, daß Ihr unterwegs um die Plätze kämpfen dürft?«
»Ja, das haben wir schriftlich!« antworten die Geister in Chören, »sogar jede Gemeinheit und jede Niedertracht ist uns erlaubt.«
Das Stimmengewirr wird zum reinen Meergebrause, denn die Billionen Geister sprechen alle noch miteinander in unsäglich vielen Sprachen und nehmen auch freundlich von den Schwarzen Abschied, deren Zahl auch ins Billionenhafte steigt.
»Das Gewürm«, flüstern sich die Schwarzen zu, »ist so siegesgewiß, daß man beinahe neidisch werden könnte. Wenn sie früh genug durch die Sternallee durchkommen, werden diese Würmer selber zu Sternen – zu Kugelsternen. Und als Kugelsterne sind sie Götter. Dann gibt's wieder eine Million Götter mehr. Das muß herrlich sein, so als Gott weiterzuleben.«
Aber die Diener, die selbstredend ebenfalls ganz waschechte Geister sind, lächeln dabei – ihnen liegt eigentlich sehr wenig daran, zu Göttern zu werden; die Wurmgeister aber, die jetzt Götter werden wollen, sind sehr entwickelte Geister, die eine lange, lange Vergangenheit hinter sich haben – ein vielfaches Leben auf und in der Kugelsternen, die jetzt gleich zu sehen sein werden.
Die Nebelschleier, die vor dem graden Rande der halbrunden, von grauen Rosenwolken umrahmten Plattform alle Aussicht bislang versperrten – diese Nebelschleie zerfließen jetzt und gehen zur Seite.
Und eine Sternallee wird sichtbar.
Breit ist die Allee – rechts gehen Kugelsterne wie eine Perlenschnur in die Unendlichkeit – und links ist ebenfalls eine solche Sternperlenschnur. Die beiden Sternketten der Allee scheinen in der Ferne eine Spitze zu bilden.
»Die Allee ist natürlich keineswegs unendlich!« sagen die Geister in ihren Maschinen und in ihren Bahnzügen.
Zwischen den Kugelsternketten liegen die vielen Schienen, doch ist die Mitte der Allee ohne Schienen – in der Mitte befindet sich nur spiegelglatter schwarzer Steinboden – wie auf der Plattform, die als Ausgangspunkt des Rennens mit ihrem Wolkenrahmen sehr stattlich wirkt; die vielen grauen Riesenrosen sind noch größer geworden.
Aber die Kugelsterne überragen die Rosen um ein Beträchtliches; die Kugelsterne sind nur so weit ab, daß ihre Größe nicht so drückend empfunden wird.
Eine Götterallee ist diese Sternenallee, denn jeder Kugelstern ist wie gesagt ein Gott.
Und die Wurmgeister, die durch diese Allee durchkommen, werden wie gesagt selber Götter als selbständige Kugelsterne.
Aber es kann wie gesagt nur eine Million der Wurmgeister den Götterpreis erringen – daher das große Wettrennen, das jetzt sofort beginnen soll.
Der Himmel ist weiß wie Milch. Und die Kugelsterne sind grau wie die Wurmgeister.
Und es gibt einen furchtbaren Knall!
Und die Maschinen gehen alle los – im selben Augenblick!
Und ein einziger Jubelschrei durchgellt die Welt.
»Als Götter sehen wir uns wieder!«
Das haben die Wurmgeister auch den molchköpfigen Dienern zum Abschied zugerufen.
Die molchköpfigen Diener stehen jetzt ruhig auf dem graden Rande der Plattform zwischen den Öltonnen.
Die Maschinen sind schon weit fort.
Nur die großen Kanonen und ein paar hohe Eisensäulen sind zurückgeblieben. –
Und die Maschinen jagten dahin.
Das war ein Geknatter, als würde mit Billionen Peitschen geknallt.
Und die Geister machten einen Lärm – es hörte sich an, als würden Billionen Hunde geprügelt.
Wie ein heulender Sturmwind jagte das Geisterheer durch die Sternallee. Die Schienen bebten und zitterten, und alles rasselte, als sollten ganze Höllen zerrissen werden.
Ungeheure Dampfmassen blieben hinter einzelnen Maschinen zurück.
Der furchtbare Knall, der das Signal zum Losfahren bildete, war von den Kugelsternen erzeugt worden; auf den Kopfplatten der Kugelsterne hatte zu gleicher Zeit ein Vulkanausbruch stattgefunden.
Und nun lag oben auf jedem Kugelstern ein kleiner weißer Wolkenkranz – wie eine Krone aus weißen Perlen.
In der Mitte der Allee, wo der schwarze Steinboden spiegelglatt und geölt war, flogen die geflügelten Schlitten wie die Pfeile dahin; jeder Flügelschlag wurde mit stürmischem Halloh begrüßt.
Auf den Schienensträngen, die der Mitte am nächsten lagen, rollten die großen Kanonenkugeln – haushohe Bälle – viele durchsichtige Schalen drehten sich auf diesen Kugeln umeinander und bildeten eine sehr komplizierte Kugeloberfläche, so daß sehr viele Geister im Innern der Kugeln ruhig sitzen und hinausgucken konnten, trotzdem die Kugeln rasend rasch dahinrollten.
Die Lokomotiven mit den langen Bahnzügen machten einen mörderlichen Spektakel.
Auf der linken Seite der Allee hatte der Boden in beträchtlicher Breite ganz unebene Formation – da stolzierten die Stelzmaschinen neben den geflügelten Riesenrädern, die ihre Passagiere seitwärts an der verlängerten Achse trugen. Da stolperten auch höhere Radmaschinen herum, die ihre Geister in Speichenkörben trugen.
Und oben sausten fortwährend knallend die Kanonenluftschiffe durch die Luft – immer wieder schossen sie ihre Fesselkugeln ab und ließen sich von denen ruckweise vorwärts reißen, daß es beängstigend schien, dem zuzusehen.
Jedoch zwischen den Luftschiffen arbeiteten sich noch die großen Korbketten durch, die an beiden Enden Raketenapparate besaßen und sich immerzu in großen Bogen überschlugen; kaum hatten sie sich mit dem vorderen Ende in dem unebenen Bahnboden festgebohrt, so ging das hintere Ende los und flog im großen Bogen weiter wie ein geschleudertes Tau; die Raketenapparate, die gegen das Anprallen am unebenen Steinboden musterhaft geschützt waren, funktionierten tadellos.
Die Lokomotiven, die rechts und links am äußersten Rande der Rennbahn mit den längsten Wagenzügen dahinrasten, schossen öfters eine Harpune in die Kugelsterne und gewannen durch das Ziehen an der Harpune, wenn diese festsaß im Stern, einen erheblichen Vorsprung; losgemacht wurde die Harpune durch elektrisch entzündbare Platzapparate.
Die Rennbahn dröhnte wie ein Meer im Frühlingssturm.
Die geflügelten Schlitten und die Korbketten mit den Raketenapparaten hatten die Führung.
Und darob begann ein wildes Gefluche, denn nun wollte jeder mit diesen schnellsten Fahrzeugen fahren.
Viele verließen ihre sicheren Plätze, um auf einem Flügelschlitten schneller weiterzukommen.