Die Wölfe von Virginia City - Alfred Wallon - E-Book

Die Wölfe von Virginia City E-Book

Alfred Wallon

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Beschreibung

Chad Donovan ist auf dem Weg nach Virginia City. In der Alder Gulch ist Gold gefunden worden. Abenteurer und Halunken kommen aus allen Himmelsrichtungen in die Stadt, und schon bald verbreiten sich Angst und Schrecken. Denn eine geheimnisvolle und brutale Bande überfällt Goldtransporte und geht dabei über Leichen. In Virginia City trifft Donovan auf einen Mann, den er vor vielen Monaten vor dem Strick gerettet hat. Johnny Kane ist jetzt einer der Deputys von Sheriff Henry Plummer, aber er scheint immer noch der gleiche Hitzkopf wie früher zu sein. Als Kane erfährt, dass Donovan nun für das Transportunternehmen arbeitet, mit dem das Gold aus der Alder Gulch geschafft wird, werden aus einstigen Freunden erbitterte Gegner.

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Die Wölfe von Virginia City

ONLY eBook - Western

Buch 22

Alfred Wallon

In dieser Reihe bisher erschienen

e101 Alfred Wallon Die letzten Tage von Stonewall Jacksone102 Alfred Wallon Das Gewissen eines Killerse103 Alfred Wallon Stahlspur nach Leadvillee104 Alfred Wallon Die Pioniere von Kentuckye105 Alfred Wallon Tod am little big Horne106 Alfred Wallon Geistertanze107 Alfred Wallon Die Expeditionen des Jedediah Smithe108 Alfred Wallon Die Expeditionen des Meriwether Lewis und William Clarke109 Alfred Wallon John Calhouns Geheimnis - Die Calhouns - Eine Texas-Dynastie - Band 1e110 Alfred Wallon Revolver-Rachee111 Alfred Wallon Blutige Grenzee112 Alfred Wallon Der rote Generale113 Alfred Wallon Fehderecht im Pleasant Valleye114 Alfred Wallon Piano-Krieg in Dodge-Citye115 Alfred Wallon Auf der Spur des Mörderse116 Alfred Wallon Wettlauf mit dem Tode117 Alfred Wallon Corrigan Jagt die Walker-Bandee118 Alfred Wallon Wenn Hass regierte119 Alfred Wallon Das Massaker von Santa Ritae120 Alfred Wallon Terror in San Franciscoe121 Alfred Wallon Alaska Höllee122 Alfred Wallon Die Wölfe von Virginia Citye123 Alfred Wallon Von Comanchen umzingelt

© 2024 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a,  51570 Windeck

Redaktion: Alfred Wallon

Titelbild: Mario Heyer unter Verwendung der KI Software Midjourney

Umschlaggestaltung: Mario Heyer

Satz: Gero Reimer

Alle Rechte vorbehalten

ISBN: 978-3-7579-9723-6

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Inhalt

Die Wölfe von Virginia City

Über den Autor

Die Wölfe von Virginia City

„Gleich baumelst du, verdammter Viehdieb!“, erklingt eine zornige Stimme unterhalb der Hügelkuppe, die sich nun vor Chad Donovans Augen ausbreitet. Was er sonst noch sieht, lässt ihn zusammenzucken. Drei Kerle zerren gerade einen sich heftig wehrenden Mann aufs Pferd, fesseln ihm die Hände auf den Rücken und legen ihm dann eine Schlinge aus grobem Hanf um den Hals, die sie Augenblicke zuvor über den starken Ast einer Sycomore-Eiche geworfen haben.

Er weiß, dass auf der anderen Seite des Hügels Dinge geschehen, denen er besser fernbleiben sollte. Aber als dann ein lauter, durchdringender Hilferuf zu hören ist, da weiß Chad Donovan, dass er nicht so einfach weiterreiten kann. Nein, jenseits der Büsche ist ein Mensch in Not, einer, dessen Leben nur noch Sekunden währen mag, falls ihm niemand zu Hilfe kommt.

„Ich muss verrückt sein,“ murmelte der dunkelhaarige, indianerhaft wirkende Chad Donovan, als er seinen 44er Navy Colt aus dem Halfter zieht und ganz langsam durch die Büsche schleicht. Bis er eine Stelle erreicht hat, von der er einen guten Überblick über die windgeschützte Senke hat, die sich nun vor seinen Augen ausbreitet.

„Willst du noch was sagen, Kane?“, erklingt dieselbe zornige Stimme von vorhin. „Dann mach es gleich, du hast nicht mehr viel Zeit!“

Der Sprecher ist ein großer und hünenhafter Bursche mit einem struppigen Vollbart und breiten Schultern. Er hat hier offenbar das Sagen, denn seine beiden Kumpane gehorchen ihm aufs Wort, führen seine Befehle sofort aus.

„Fahrt alle zur Hölle!“, kommt es mühsam über die Lippen des blonden Mannes, um dessen Hals sich der raue Strick immer enger zieht. Das Pferd unter ihm beginnt bereits unruhig zu tänzeln, und der arme Teufel im Sattel gerät deswegen umso mehr ins Schwitzen. „Auch ihr werdet irgendwann einmal über die Klinge springen.“

„Große Worte!“, grinst der Bärtige unter dem Gelächter seiner Kumpane. „Aber ein dreckiger Rustler, dessen letzte Stunde geschlagen hat, kann wohl nicht anders, als seine Mitmenschen zu verfluchen. Du bist doch selbst schuld, Johnny Kane. Hättest du deine Finger von Thorntons Herde gelassen, wäre es wohl anders gekommen. Aber wir haben dich zum Glück noch rechtzeitig erwischt, Bursche, und deswegen wirst du jetzt hängen!“

„Warum überlässt du das nicht einem ordentlichen Gericht, Shark?“, stöhnt der Todeskandidat, „Du weißt doch genau, dass es ungesetzlich ist, was ihr tut ...“

„Halt den Mund, Kane!“, schneidet ihm die kalte Stimme des bärtigen Shark das Wort ab. „Hier draußen gilt Vance Thorntons Gesetz, und das hat jeder zu befolgen. Nun, es gab auch solche, die das nicht getan haben. Du wirst ihnen gleich begegnen, Kane - nämlich in der Hölle!“ Er spuckt verächtlich aus. „Schluss jetzt mit dem unnötigen Geschwafel. Reece, fang endlich an! Ich will es hinter mir haben.“

Die letzten Worte gelten dem hageren Kerl, der sich in der Zwischenzeit hinter Kane aufgebaut hat und ein Lassoende in der Hand hat, mit dem er das Pferd antreiben will. Er hat bereits die Hand erhoben und wartet nur noch auf Sharks Zeichen. Als das Johnny Kane sieht, beginnt er noch mehr zu schwitzen, denn er weiß, dass jetzt der Moment gekommen ist, wo er zwischen Leben und Tod steht.

„Einen Augenblick!“, ruft Chad Donovan und tritt mit vorgehaltener Waffe aus dem Gebüsch und richtet den 44er Navy Colt auf den Mann namens Reece, der gerade auf das Pferd einschlagen will. „Lass es lieber bleiben!“

Reece wird eine Spur bleicher um die Nase und tritt sofort einen Schritt zurück, als er die auf sich gerichtete Waffe sieht. Aber vor allen Dingen der bärtige Shark ist es, den Chad Donovan nicht aus den Augen lässt. Denn er spürt instinktiv, dass von diesem Mann die größte Gefahr ausgeht. Er erkennt es an den funkelnden Augen des Mannes, der sich nun ganz langsam umdreht und Chad von Kopf bis Fuß wütend mustert.

„Mister, ich weiß nicht, wer du bist“, kommt es dann in unterdrücktem Zorn über seine Lippen. „Aber das hier geht dich nichts an. Verschwinde am besten so schnell, wie du gekommen bist!“

„Um Himmels willen!“, ruft nun Johnny Kane, der immer noch mit dem Strick um den Hals auf dem Pferd sitzt und in Schweiß gebadet ist. „Helfen Sie mir, die wollen mich lynchen!“

„Das sehe ich, mein Freund“, erwidert Chad und richtet den Lauf der Waffe nun auf den bärtigen Shark. „Los, sag deinem Kumpan, dass er dem Mann den Strick abnehmen soll! Wird’s bald?“ Um seinen Worten zusätzliche Härte zu verleihen, spannt er den Hahn der Waffe.

„Das wirst du bereuen, Mann!“, keucht Shark und blickt dann Reece an. „Los, Leute, tut, was er sagt. Nun macht schon!“

Reece zögert zunächst noch, befolgt aber dann Sharks Befehl. Er tritt neben das Pferd, steigt dann auf einen Felsen und löst den Strick, den er über den Ast geworfen hat. Der Druck um Kanes Hals lässt allmählich nach, als Reece ihm den todbringenden Hanf wieder entfernt. Erst da wagt er aufzuatmen. Obwohl die Lage immer noch gefährlich genug ist. Erst recht für Chad Donovan, der nun damit rechnen muss, dass jeden Augenblick der Funke entsteht, der das ganze Pulverfass zum Explodieren bringt. Denn ein Mann wie Shark wird alles tun, um Kane und seinen unbekannten Retter daran zu hindern, von hier zu verschwinden.

„Die Fesseln auch noch!“, verlangt Chad von Reece. Der begreift sofort und schneidet Kane die auf den Rücken gefesselten Hände durch.

Das ist der Moment, wo der dritte Halunke seine Chance erkennt. Er steht etwas hinter Shark und kann deswegen seine Waffe aus dem Halfter ziehen, bevor es Chad erkennen kann. Aber ein Mann wie Chad Donovan hat in all den unruhigen Jahren eine Menge an Erfahrungen gesammelt und schafft es deshalb auch, die Waffe noch abzudrücken, bevor sein Gegner dazu kommt. Chads Kugel erwischt ihn an der Hüfte und schleudert ihn zur Seite. Der Mann schreit schmerzerfüllt auf und wälzt sich am Boden.

Der bullige Shark hat diese Sekunden natürlich genutzt und greift nun ebenfalls zur Waffe. Gleichzeitig wirft sich Johnny Kane aus dem Sattel des Pferdes auf Reece, der ihn gerade losgeschnitten hat. Aber das kann Chad nicht sehen, denn er muss sich ducken, als Sharks Kugel dicht an seinem Kopf vorbeipfeift.

„Ich bringe dich um, du Hund!“, brüllt der wütende Shark und drückt ein zweites Mal ab. Aber er macht einen Fehler, der ihm schon Sekunden später zum Verhängnis wird. Er ist viel zu wütend und drückt deshalb auch zu schnell ab. Selbst in solch gefährlichen Situationen muss man die Ruhe bewahren, wenn man überleben will, und das ist ein Grundsatz, den Chad Donovan immer befolgt hat.

Deshalb hechtet er zur Seite, stützt sich dann ab und zielt kurz auf Shark. Einen Atemzug später bellt der Schuss auf. Die Kugel erwischt den bärtigen Shark in der Schulter. Die Waffe entgleitet seinen kraftlosen Fingern, während er ungläubig auf die blutende Wunde starrt, die höllisch zu schmerzen beginnt.

Er ist fassungslos, dass ihn ein anderer besiegt hat. Ihn, Ben Shark, der sich bisher für den Größten gehalten hat. Umso bitterer trifft ihn nun die Niederlage.

Erst jetzt sieht Chad Donovan aus den Augenwinkeln, wie sich Johnny Kane und Reece am Boden wälzen und verzweifelt um die Waffe kämpfen, die Reece verloren hat. Aber Kane bekommt in diesen Sekunden die Oberhand, entreißt Reece das Eisen und richtet es dann auf ihren Besitzer.

Bevor Chad Kane etwas zurufen kann, hat dieser auch schon abgedrückt. Die Kugel trifft Reece aus nächster Nähe in den Kopf, tötet ihn sofort.

„War das wirklich notwendig?“, fragt Chad Donovan den blonden Kane, der sich nun erhebt und den Toten keines Blickes mehr würdigt. „Er hätte doch auch so aufgegeben, oder?“

„Wenn man schon einmal den Strick um den Hals gespürt hat, denkt man über sowas nicht mehr nach, Mann“, bekommt Chad darauf zu hören. „Er oder ich, Mister, nur das zählt.“

Für Sekunden flackert es in Johnny Kanes Augen unruhig. Es ist ein Ausdruck, der Chad an einen wilden Wolf erinnert, den man in die Enge getrieben hat, und der sich nun zu wehren beginnt. Es wird noch viele Tage geben, an denen sich Chad an dieses Funkeln erinnern wird, aber das kann er noch nicht ahnen.

„Wir sollten besser von hier verschwinden!“, ruft Johnny Kane nun seinem Lebensretter zu. „Bestimmt hat man die Schüsse gehört, und die Nordweide von Vance Thornton ist nur wenige Meilen entfernt. Oder willst du vielleicht warten, bis sie uns wieder einfangen? Dann bist du aber mit dran.“

Chad Donovan gefällt die Kaltblütigkeit gar nicht, die nun von Johnny Kane Besitz ergriffen hat. Nur Minuten zuvor war er ein einziges Nervenbündel - ein Mann, der jämmerliche Angst hatte, weil es ihm an den Kragen ging. Aber jetzt benimmt er sich so, als kenne er gar keine Schwächen. Vor allen Dingen nicht die eigenen.

„Wir werden euch jagen!“, ruft Shark und beißt die Zähne zusammen, als er das Pochen in der Wunde spürt. „Und wenn wir euch erst haben, dann wird es hart, verdammt hart.“

„Große Worte sind das, Shark!“ Johnny Kane grinst und steigt dann in den Sattel des Pferdes, das ihn noch Minuten zuvor vom Leben in den Tod befördern sollte. „Aber ihr werdet uns nicht erwischen. Versucht doch, uns zu folgen, wenn ihr das unbedingt wollt, ihr holt euch nur eine weitere Niederlage!“

Chad Donovan denkt sich seinen Teil, als er Kanes Worte vernimmt. Er sagt gar nichts, sondern stößt nur einen kurzen Pfiff aus. Der gilt dem treuen Morgan-Hengst, der nun aus dem Gebüsch auf seinen Herrn zutrabt. Schließlich sitzt auch er auf, wartet aber ab, bis Johnny Kane neben ihm ist.

„Du hast einen Killer aus der Schlinge gerettet, Mister!“, ruft ihm Shark nach, als Chad schon dem Pferd die Zügel freigegeben hat. „Johnny Kane ist ein Lump und wird es immer bleiben. Du wirst es noch bereuen, was du heute getan hast!“

Johnny Kane lacht nur, als er Sharks Worte hört und reitet los, ohne sich noch einmal umzudrehen. Auch Chad drückt dem Pferd nun die Hacken in die Weichen und steckt seine Waffe erst ins Halfter, als er ganz sicher ist, dass ihm und Kane keine Gefahr mehr droht. Aber Shark und sein Kumpan denken nicht mehr an Gegenwehr. Sie wissen beide, dass sie dieses Spiel verloren haben, und Reece hat das sogar mit dem Leben bezahlen müssen.

Chad dreht sich noch ein letztes Mal im Sattel um, bevor auch er die Hügelkuppe erreicht. Das letzte, was er sieht, ist die bullige Gestalt des bärtigen Shark, der sich nun über den verletzten Kumpan beugt und nach ihm sieht. Den davonreitenden Männern blickt er nicht mehr nach. Aber in Chads Ohren hallen noch immer die letzten Worte Sharks nach. Worte, die ihn nachdenklich stimmen. Zumal sich Chad jetzt wieder an das Flackern in Johnny Kanes Augen erinnert.

* * *

Wie lange sie reiten, weiß Chad Donovan nicht. Auf jeden Fall ist die Sonne schon ein gutes Stück nach Westen gewandert, als er und Johnny Kane ihre Pferde zum ersten Mal zügeln. Trotzdem müssen sie bis zum Einbruch der Dämmerung noch etliche Meilen zwischen sich und Vance Thorntons Land bringen, wenn sie ganz sicher sein wollen.

„Ich habe dich noch gar nicht nach deinem Namen gefragt“, sagt Johnny Kane mit einem fragenden Blick zu Chad. „War gar nicht so einfach, was du riskiert hast. Ich schulde dir Dank.“

„Ich konnte doch nicht einfach zusehen, wie sie dich aufhängen“, erwidert Chad und nennt dann seinen Namen. „Drei gegen einen, das war doch ziemlich unfair. Auf jeden Fall schienen die Kerle eine Mordswut zu haben. Nun sag schon, was hast du angestellt?“

„Lass uns darüber reden, wenn wir die Felsen erreicht haben“, antwortet Johnny Kane und zeigt auf die Ausläufer der Berge am Horizont. „In dem Gelände können wir Verfolger besser abschütteln. Du kennst Thornton nicht, der gibt so schnell keine Ruhe.“

„Dann muss er einen guten Grund dafür haben“, meint Chad achselzuckend. „Und ich finde, dass du mir nach allem zumindest eine Erklärung schuldig bist.“

„Die bekommst du auch, Chad“, sagt Johnny. „Und nun lass uns weiterreiten. Wenn es dunkel wird, will ich die Ebene hinter mir haben.“

Auch wenn Chad jetzt vor Neugier brennt, so gibt er sich doch mit Johnnys Antwort vorerst zufrieden. Der blonde Mann scheint sich im Übrigen in dieser Gegend recht gut auszukennen, denn er reitet zielstrebig voran. Chad bleibt nichts anderes übrig, als ihm zu folgen, denn er hat keine Lust, Thorntons Männern zu begegnen und denen dann zu erklären, weshalb er Johnny geholfen hat.

Eine Stunde später befinden sich die beiden Männer inmitten der Felsenwildnis. Roter Sandstein säumt den schmalen Weg, der weiter hinaufführt. Chad und Johnny kommen natürlich nicht mehr so schnell voran, weil der Weg ansteigt. Und als schließlich die Abenddämmerung hereinbricht, beschließen die beiden, an einer geeigneten Stelle ihr Camp aufzuschlagen. Johnny hat eine Stelle ausgewählt, wo man ein kleines Feuer entzünden kann, das trotzdem von weiter unten nicht auszumachen ist. Somit ist das ein idealer Unterschlupf für Reiter, die von anderen nicht gesehen werden wollen.

Mit wenigen Handgriffen schafft es Chad, ein rauchloses Feuer zu entzünden und sorgt auch dafür, dass die Flammen gerade groß genug sind, um eine Blechkanne voll Arbuckle-Kaffee zu erhitzen. Minuten später trinken Chad und Johnny das heiße Gebräu. Jetzt legt sich auch bei Chad die Anspannung der letzten Stunden. Seine Blicke richten sich fragend auf Johnny, und der begreift sofort, was Chad ihm damit andeuten will.

„Weißt du, manchmal spielt einem das Leben wirklich seltsame Streiche, Chad“, beginnt Johnny und setzt den Kaffeebecher ab. „Thorntons Leute nennen mich einen Rustler, und vielleicht bin ich das auch in deren Augen. Aber was würdest du denn tun, wenn eine Pechsträhne dich einfach nicht mehr loslassen will?“ Er macht eine vielsagende Geste, bevor er fortfährt. „Nun ja, ich dachte, dass es mir gelingen würde, diesen aalglatten Kerl beim Pokern zu überrumpeln. Ich weiß nicht, wie es der Kerl angestellt hat, aber er hatte die besseren Karten, und ich hatte alles aufs Spiel gesetzt, was ich besaß — zweihundert Dollar.“

„Und die gehören jetzt wohl dem Spieler?“, schlussfolgert Chad.

„Genau. Was blieb mir also anderes übrig, als auf andere Weise wieder an Geld zu kommen? Weißt du, Hills Town ist eine lausige Stadt. Arbeit wollte mir keiner geben, erst recht nicht dieser großspurige Vance Thornton, als ich hinausritt auf seine Ranch, um ihn zu fragen. Also musste ich was tun, wenn ich nicht bis zum Ende meines Lebens in diesem miesen County bleiben wollte. Vance Thornton hat genug Rinder, Chad. Dem hätte das gewiss nicht weh getan, wenn er zehn oder zwanzig Rinder weniger gehabt hätte.“

„Er hatte aber was dagegen, Johnny“, sagt Chad nach einer Weile. „Mensch, das hätte schlimm ausgehen können. Spielst du immer mit dem Feuer, Mann?“

„Manchmal schon.“ Johnny grinst und wirkt in diesem Moment wie ein unbekümmerter Junge, der ganz vergessen hat, dass er vor etwa mehr als zwei Stunden einen Menschen erschossen hat. Und je länger Chad darüber nachdenkt, umso mehr kommt er zu dem Schluss, dass Johnny Kane wirklich etwas von einem Wolf an sich hat. Denn Wölfe sind unberechenbar, wenn man sie in die Enge treibt.

„He, was zerbrichst du dir denn eigentlich den Kopf darüber?“, will Johnny von Chad wissen. „Du brauchst mir nicht ins Gewissen zu reden, ich komme schon klar damit, und außerdem ...“

Er will noch mehr sagen, aber in diesem Moment gibt ihm Chad ein Zeichen, zu schweigen. Er ignoriert Johnnys fragende Blicke und erhebt sich stattdessen rasch, greift nach dem Gewehr, das noch im Scabbard am Sattel steckt.

„Ich glaube, wir kriegen Besuch“, sagt er zu Johnny und erkennt, wie dieser leicht zusammenzuckt. „Das waren Hufschläge, die ich gerade gehört habe. Und zwar aus der Richtung, aus der wir gekommen sind.“

„Verdammt, du hast recht“, murmelt Johnny Kane krächzend, als er für einige Sekunden in die Nacht lauscht und dann auch die Hufschläge vernimmt, die an Intensität zunehmen. „Sieht aus, als wenn es aus und vorbei ist mit der Ruhe.“

„Deinen Optimismus möchte ich haben“, erwidert Chad kopfschüttelnd und geht rasch zurück zum Feuer, um die Flammen zu ersticken. „Es scheint, als wenn Vance Thornton eine gewaltige Streitmacht aufgeboten hat. Johnny, ich möchte wetten, dass das mindestens zwanzig Reiter sind.“

Er spürt, wie ihn auf einmal Ärger packt, weil er sich in dieses Spiel eingekauft hat.

„Jetzt hör mir mal gut zu, Amigo“, sagt er dann in eindringlichem Ton zu dem blonden Mann. „Wir erledigen die Sache jetzt auf meine Weise, hast du das begriffen? Ich möchte mit heiler Haut aus dieser Sache herauskommen. Also wirst du tun, was ich sage. Nimm dein Gewehr und klettere weiter nach oben! Siehst du die Felsnadel da drüben am Abhang? Da beziehst du Posten und unternimmst vorerst gar nichts. Überlass mir den Rest und schieß auf keinen Fall früher. Ist das klar?“

In Johnny kommt Trotz auf, weil er sich normalerweise von keinem vorschreiben lassen will, wie er sich in so einer Situation zu verhalten hat. Aber dann erinnert er sich wieder an den rauen Hanfstrick, der die Haut an seinem Hals aufgescheuert hat. Augenblicke, die jetzt wieder gegenwärtig werden. Deshalb schluckt er hinunter, was er sagen wollte, und nickt nur. Er hastet nach oben zu der Stelle, die Chad gemeint hat.

„Alles klar hier oben!“, ruft er Chad dann zu. „Ich bin bereit!“