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"Ich stehe auf, breite die Arme aus. Sie läuft direkt in die Aura meines Körpers. Ihr Körper ist warm. So warm, dass alle Einsamkeitsspuren in mir verwischen. Ich bin wieder ganz. "Ich freue mich, dich zu sehen", bringe ich hervor. Es klingt lapidar für die lange Zeit. "Und ich erst!", erwidert sie. Bevor ich zum Studieren ging, trafen sich Doris und ich noch regelmäßig in den Sommerferien, um uns gegenseitig die Neuigkeiten unserer jungen Leben zu erzählen. Drei Sommer lang, dann brach der Kontakt ab."
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Seitenzahl: 20
Veröffentlichungsjahr: 2023
Alexander Graeff, geboren 1976, lebt und arbeitet in Berlin. „Diese bessere Hälfte“ ist seine erste Veröffentlichung im Herzstückverlag.
„It was only the old hag in the corner mumbling on and on and on as she fried a herring in a pan over a fire.“
Virginia Woolf
Der Hund unserer Nachbarn hieß Toto.
Toto war ein kleiner schwarzer Affenpinscher und total neugierig. Seine liebste Beschäftigung bestand darin, seine freche Schnauze zwischen zwei Bretter am Holzzaun zu stecken. Eins der Bretter war lose, und das klappte jedes Mal, wenn Toto ein Geräusch im Nachbargarten hörte, hoch. Dann kläffte er mich an. Am liebsten hätte ich meinen Basketball draufgeknallt, aber dafür fehlte mir der Mut. Toto machte mich wütend. Nicht nur erschreckte er mich jedes Mal fast zu Tode, wenn er kläffte. Ich mochte im Allgemeinen Hunde nicht sehr. Dass ich Angst vor ihnen hatte, wollte ich mir nicht eingestehen. Wenn man in unserem Dorf als Mädchen lebte und Angst vor Hunden hatte, war das keine Besonderheit. Niemand sagte irgendetwas. Viele Mädchen hatten Angst vor den Bestien. Wenn du aber als Junge Angst vor Hunden hattest, warst du verloren. Jungs, die Angst vor Hunden hatten, ja, die konnten sich auf was gefasst machen. „Das geht doch nicht“, polterte mein Vater, „du kannst doch keine Angst vor Hunden haben“. Ich schob es weg. Machte große Bögen um die Viecher und spielte den Mutigen, obgleich ich nicht einmal einen Ball nach Toto werfen konnte. Ich verklebte meine Angst mit Ekel und Wut. „Die sabbern mir zu viel, komm mir mit der Töle nicht zu nah“, verkündete ich.
Doris wiegte Toto in ihren Armen und schüttelte den Kopf. Sie hatte natürlich keine Angst vor Hunden. „So hast du keine Zukunft“, murmelte sie.
Doris war im selben Alter wie ich. Sie lebte mit ihrer Familie in der Schachtel neben uns. Auch wir lebten in einer Schachtel. Doris mit Mutter und Vater rechts, ich mit Mutter und Vater links. Unsere Eltern verstanden sich gut, immerhin teilten sie sich einen Garten. Damit es in die Schachteln nicht reinregnete, spannte sich ein großes graues Dach über die beiden Doppelhaushälften. Das gesamte Neubaugebiet des Dorfes, in dem wir aufgewachsen waren, bestand aus Doppelhaushälften.