Different kinds of Love - Svenja Bartsch - E-Book

Different kinds of Love E-Book

Svenja Bartsch

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Beschreibung

Mara liebt Matt, aber liebt Matt auch Mara? Bis zum Start des neuen Schuljahres und des gemeinsamen Projektes, scheint er sich nicht sonderlich für sie zu interessieren. Doch dann sucht er auf einmal immer wieder ihre Nähe. Alles nur ein Spiel oder empfindet er tatsächlich etwas für sie? Und was ist mit seiner Freundin Julia? Mara weiß gar nicht mehr, was sie glauben soll. Und zu allem Überfluss scheint es auch noch einige Familienprobleme zu geben, denn ihre Eltern sind kaum noch zu Hause und auch ihr Bruder verhält sich komisch.

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Über die Autorin:

Svenja Bartsch hat schon früh mit dem Schreiben angefangen. Ihre ersten Geschichten schrieb sie im Altervon 13 Jahren.

Seinen Anfang nahm alles mit dem Schreiben von Märchen und Kurzgeschichten im Deutschunterricht. Darüber hinaus fand sie schnell Gefallen daran ihre eigenen Geschichten zu schreiben, da sie einen Verlauf und ein Ende nach ihren Vorstellungen bekommen konnten.

Bis zum ersten veröffentlichungsreifen Buch dauerte es allerdings noch einige Zeit. Mittlerweile ist die Autorin 22 Jahre alt und schreibt nach wie vor gerne.

Ihr erster Roman erschien im April 2020.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Welch Glück, geliebt zu werden, und lieben, Götter, welch ein Glück!

Johann Wolfgang von Goethe

Kapitel 1

„Hey, Mara“, ruft Luka mir zu. Mara, das bin ich, braune lockige Haare, ebenfalls braune Augen, ein hoffentlich gewinnendes Lächeln, aktive Musikerin in unserem Verein hier in der Stadt. Eben total durchschnittlich und Luka, das ist mein bester Freund. Er ist einen Kopf größer als ich und hat braune Haare. Er ist eben der Typ Normalo. Seit ich denken kann, holt er mich morgens zur Schule ab und begleitet mich abends nach Hause. Er ist wie ein großer Bruder. Deswegen könnte ich mir nie vorstellen, mit ihm auszugehen, sehr zum Gefallen meiner besten Freundin Amie. Amie, rot gefärbte Haare und auch sonst ziemlich crazy, trotzdem weiß ich nicht, was ich ohne sie täte. Wie dem auch sei, jetzt umarme ich erst mal Luka. „Hey.“

Ich schaue an ihm vorbei.

„Schon wieder?“ Er weiß immer, wo ich hinschaue und woran ich gerade denke. Jetzt denke ich an Matt. Er ist soeben in unsere Straße eingebogen.

Matt ist mit uns in einer Klasse, hat blonde Haare, eine echt tolle Brille und ist DER Traumtyp. Wir waren früher mal beste Freunde, aber seit er eine Freundin hat, rede ich nicht mehr mit ihm. „Mara, das reicht. Das geht doch jetzt schon seit über zwei Jahren so und er wird nicht gleich über die Straße kommen und dir sagen, dass er mit Julia Schluss gemacht hat.“

„Das weiß ich, aber irgendwie schaltet mein Hirn auf Durchzug und ich kann nicht klar denken oder wegsehen.“

„Ja, das weiß ich, aber vielleicht gehen wir ab morgen ein paar Minuten früher, dann kannst du ihn nicht ansehen.“

„Noch früher? Heute ist gerade mal der erste Tag und ich kann jetzt schon kaum stehen bleiben, weil ich so müde bin, und du schlägst mir vor, noch früher zu gehen?“

„Ja, das wäre sicher gut für dich.“

„Ich werde versuchen, nicht mehr hinzusehen.“

„Das versuchst du schon seit zwei Jahren, und außerdem wären wir dann auch deine Schwester Lotte los.“ Lotte, heißt Charlotte, aber so will sie nicht genannt werden. Sie ist meine jüngere Schwester, hat ebenso lockige braune Haare, aber die hat sie abgeschnitten. Was meiner Meinung nach nicht der beste Look ist. Sie ist eine Klasse unter mir, aber da aus ihrer Klasse keiner in unserer Umgebung wohnt, zieht sie es vor, mit uns zur Schule zu gehen, was ich am Anfang nicht so schlimm fand. Am Anfang. Jetzt, wo ich weiß, dass sie morgens nur am Reden ist, würde ich am liebsten schon zwei Stunden früher gehen, nur um ihr nicht zu begegnen, aber das kann ich leider nicht. Ich will ihr nicht wehtun und ich weiß, dass viele aus ihrer Klasse sie beneiden, weil sie mit Luka zur Schule kommt. Zu viele Mädchen, für meinen Geschmack, stehen auf ihn.

„Wir können Lotte doch nicht allein lassen.“

„Warum nicht? Wir hätten morgens endlich mal wieder Ruhe.“

„Ja, aber sie wäre traurig und wahrscheinlich sauer auf mich.“

„Das legt sich dann schon wieder.“

„Nein. Sie ist meine Schwester, das kann ich nicht machen.“

„Ach, und falls Timo fragen würde, würdest du ihn auch mitnehmen, oder was?“

„Timo ist okay und außerdem ist er schon in der Zwölften, er würde nie fragen, es sei denn, er wollte vor seinen Kumpels angeben und das würde er nur machen, wenn wir mit Amie zur Schule gehen würden.“

„Bist du sicher?“, meint Luka.

„Hat er dich schon gefragt, ob er mitgehen darf?“, kontere ich.

„Nein, hat er nicht. Lass uns jetzt nicht streiten, außerdem kommt da vorne Lotte.“

„Hey, Luka. Mara. Danke fürs Warten. Ich weiß, ich bin spät dran.“

„Jetzt lass uns nicht labern, sonst kommen wir wirklich zu spät, und das am ersten Schultag.“

„Ja, okay, aber ich finde es nicht so schlimm, zu spät zu kommen, immerhin ist es nur Schule.“

„Ja, das fand ich letztes Jahr auch, aber ich bin ein Jahr älter als du, sie verteilen gleich die Kurse.“

„Was?“

„Es gibt doch so ein paar neue Kurse, die sie gleich verteilen werden, und wenn wir zu spät eintreffen, dann komme ich in so einen übergebliebenen Kurs, mit den ganzen Nerds.“

„Da gibt es schlimmeres.“

„Das glaube ich kaum, aber wir werden ja nächstes Jahr sehen, wie du darüber denkst.“

„Du wirst sehen, mir wird das überhaupt nichts ausmachen.“

„Ja sicher, es ist dir bestimmt egal, wenn du zwischen Jungs sitzt, die dich nur angaffen und alle mal mit dir ausgehen und knutschen wollen.“

„Ja, das ist es mir. Ich bin nicht so voreingenommen, dass ich nur mit Jungs ausgehe, die gut aussehen und am besten noch zu hundert Prozent Matt sind.“

„Das stimmt gar nicht. Lotte, du kapierst mal wieder gar nichts.“

„Was soll ich denn nicht kapieren? Dass du dich total in Matt verrannt hast und so oder so nie eine Chance bei ihm haben wirst. Da hätte ich ja noch größere Chancen.“

„Das stimmt nicht und das weißt du. Er geht nicht mit mir, weil er Julia liebt.“

„Das glaubst du doch selber nicht. Wenn er nicht mit Julia, die mega heiß ist, nebenbei bemerkt, zusammen wäre, dann würde er mit wem ausgehen, die mega heiß ist und die ihn schnell ranlässt. Er hätte Julia schon längst fallen gelassen, wenn sie ihn nicht ab und an ranlassen würde.“

„Das ist nicht wahr und das weißt du. Außerdem muss der Junge, der mit dir ausgeht, erst erfunden werden.“ Ich sehe, wie Lotte zusammenzuckt.

Damit hat sie nicht gerechnet. Aber ich finde es unfair von ihr, dass sie so tut, als wäre sie etwas Besonderes und hätte eine bessere Chance bei Matt als ich. Das tut sie nur, um mich zu ärgern. Sie findet ihn nicht mal toll.

„Weißt du, wir werden ja sehen, wer recht hatte. Ich wette, wenn ich Matt angrabe und ihm signalisiere, dass ich mit ihm schlafen würde, lässt er Julia sofort stehen.“

„Weißt du was, Lotte, du bist echt das Letzte. Und ich weiß, was aus dir werden wird. So eine kleine Tussi, mit der die Männer nur schlafen, weil sie ihre Frau satthaben oder gerade kein anderer mit ihnen schlafen will.“ Der hat gesessen. Ich beschleunige meine Schritte. Die kann mir mal gestohlen bleiben. Luka folgt mir direkt. „War das nicht ein bisschen heftig?“

„Wieso denn? Ich wollte sie loswerden. Außerdem weiß sie, wie viel mir Matt bedeutet. Da so ein Ding draus zu machen und zu behaupten, dass er sie eher wollte als mich, das finde ich unfair.“

„Ja, da hast du recht, aber sie ist kein schlechter Mensch und das, was du gesagt hast, dass sie keinen abbekommt, der sie liebt, das ist auch mega mies.“

„Ja, das weiß ich, aber sie hat es nicht besser verdient. Ich sage dir, wenn sie die Nummer mit Matt durchzieht, dann ist sie nicht mehr meine Schwester.“

„Das wird sie nicht. Es tut ihr bestimmt schon leid.“

„Da wäre ich mir nicht so sicher.“

„Hallo.“

„Hey Amie.“

„Mara, du siehst aus, als wäre dir der Schulanfang nicht gut bekommen.“

„Wieso? Mir ging es nie besser, zum Glück sind wir noch rechtzeitig gekommen.“

„Was?“

„Die Kurseinteilung der Zehner ist gleich, ich will nicht mit irgendwelchen Nerds in einen Kurs kommen.“

„Das kann ich verstehen, aber wieso seid ihr denn so spät?“

„Weil wir auf Lotte gewartet haben.“

„Lotte? Wieso musstet ihr denn warten?“

„Was weiß ich denn? Scheinbar musste sie sich fünftausend Mal umziehen, bevor sie sich sicher war, dass den Jungs die Augen aus dem Kopf fallen werden.“

„Das glaube ich nicht, so ist Lotte nicht.“

„So verhält sie sich aber. Können wir bitte das Thema wechseln?“

„Was ist dir denn für eine Laus über die Leber gelaufen?“

„Sie hat Stress mit ihrer Schwester.“, mischt Luka sich ein.

„Den hatte sie doch schon öfter.“

„Ja, aber diesmal war sie ganz schön fies.“

„Jetzt sag mir nicht gleich noch, dass Mara nicht gekontert hat und es allein Lotte war.“

„Nein, das nicht, aber sie hat Mara provoziert. Das steht außer Frage.“

„Hallo? Könntet ihr mal aufhören, über mich zu reden, als wäre ich nicht da?“

„Sorry, Süße. Ich will nur wissen, was los ist, und mit mir sprichst du scheinbar nicht darüber.“

„Ich rede mit niemandem darüber. Können wir dann jetzt, die Stunde fängt gleich an.“

„Ja, wenn du meinst.“

Unterricht. Es gibt nichts Langweiligeres, das sage ich euch. Aber ich bin heute froh darüber, da so keiner mit mir reden kann. Zwar höre ich nicht richtig zu, aber ich muss mich nicht mit Amie und Luka unterhalten und mir anhören, dass ich meiner Schwester doch verzeihen soll. Nachdem wir den Stundenplan haben, werden wir in die Kurse aufgeteilt. Ich bekomme den Buchbesprechungskurs. Dann passiert ja wenigstens etwas Gutes an diesem Tag. Herr Meisen liest vor, wer außer mir noch in dem Kurs ist.

„Im Buch-Kurs sind: Luka, Simon, Sarah, Mara, Mira, Susan, Sam, Dave, Jo, Amie und Matt.“

Ich stöhne innerlich auf. Ausgerechnet Matt. Kann der nicht wenigstens für drei Stunden in der Woche nicht in meinem Kurs sein?

Nach der zweiten Stunde haben wir vor dem Buchbesprechungskurs wenigstens Pause.

„Mara, jetzt mach nicht so ein Gesicht. Wir sind doch auch noch da.“, versucht Luka, mich aufzubauen. Das schafft er eigentlich immer, nur heute nicht.

„Ja, zum Glück. Aber ich habe nicht mitbekommen, dass einer von euch in letzter Zeit in einem Wissenschaftskurs war und jetzt einen Laser erfunden hat, mit dem man Leute wegbeamen kann.“

„Komm schon, er sitzt nur mit in diesem Kurs, so wie in jedem anderen Kurs auch.“

„Ja, das weiß ich, nur trotzdem hatte ich gehofft, dass ich mal zwei, drei Stunden in der Woche ohne ihn Unterricht haben kann. Er fehlt mir als unser Freund. Und jetzt sag nicht, dass er dir sowieso auf die Nerven ging.

Denn ich weiß, dass du nur lügst. Er war auch dein Freund. Du redest nur meinetwegen nicht mehr mit ihm.“

„Ja, das kann sein, aber er ging mir wirklich ein wenig auf die Nerven. Ich habe mich einmal mit ihm getroffen, am Anfang als er mit Julia zusammengekommen ist. Er hat nur von ihr geredet und geschwärmt. Das ging mir voll auf den Wecker. Ich brauche keinen, der nur von seiner Freundin schwärmt und jede Minute des Tages mit ihr verbringen will. Dann soll er das doch machen. Aber wenn er mit mir rumhängt, dann braucht er nicht nur von ihr reden.“

„Okay, okay, ich habe es verstanden, aber das löst mein Problem nicht.“

„Nächstes Jahr kommen wir in die Elfte, dann geht er vielleicht auf das Gymnasium in der Stadt. Dort geht Julia hin, habe ich gehört. Dann sind wir ihn los. Wer weiß.“

„Ja, das hoffe ich doch.“

Nach der Pause haben wir Buch-Kurs, kurz BK. Am Anfang kann ich mich schwer konzentrieren, aber je mehr Herr Knollenberg mit uns bespricht, was wir in diesem Fach machen werden, desto interessierter bin ich.

„Also schön, Leute, ich werde euch jetzt in Zweier-Gruppen einteilen. Den Partner, den ihr bekommt, werdet ihr für ein ganzes Jahr behalten. Und ein Tausch untereinander ist gleichzusetzen mit einer Sechs für jedes Referat und jede Arbeit. Überlegt euch das gut. Simon arbeitet mit Sarah, Mira mit Sam, Susan mit Dave, Luka mit Amie, Matt mit Mara, Jo mit Malika, Jens mit ...“ Ich höre ihm weiter gar nicht zu. Das kann doch nicht sein. So viel Pech kann kein einzelner Mensch haben. Ich meine, gut, viele Menschen haben mal einen schlechten Tag oder eine schlechte Woche, aber das hier, das ist doch schon eine Bestrafung. Nur wofür denn? Dafür dass ich mich mit Lotte gestritten habe oder dafür, dass ich seit fünf, sechs Monaten nicht mehr mit Matt geredet habe? Ja, gut, ich könnte netter sein oder mal ein bisschen hilfsbereiter, ab und an könnte ich mal Timo in Ruhe lassen, aber ich bin kein schlechter Mensch. Das ist einfach nur mies. Vielleicht will das Schicksal mir aber auch zeigen, dass Matt und ich dazu bestimmt sind, Freunde zu sein. Andererseits halte ich das für ausgeschlossen. Das Universum will mich einfach bestrafen.

„Mara?“

„Ja, bitte?“

„Ich fragte Sie, was sie von diesem Kurs, in Bezug auf meine inhaltliche Erläuterung, erwarten?“

„Nein, tut mir leid. Ich habe wohl nicht aufgepasst. Entschuldigen Sie bitte, Herr Knollenberg.“

„Dann pass jetzt bitte auf. Ich sagte, dass wir mehrere Bücher besprechen werden. Jede Gruppe bekommt ein Buch von mir und ihr habt dann ein paar Wochen Zeit, euch mit der Lektüre auseinanderzusetzen. Ihr sollt euch darüber klar werden, was das Buch vermitteln will, wie es geschrieben ist, was das Hauptthema ist. Das werden wir alles in den nächsten Stunden erarbeiten und zu Hause erarbeitet ihr in Partnerarbeit das entsprechende Buch, worüber ihr einen Bericht verfassen und anschließend abgeben müsst. Ich werde jetzt verschiedene Lektüren austeilen und dann könnt ihr direkt mal mit eurem Partner besprechen, was für wichtige Punkte ihr beim Lesen beachten müsst.“ Er fängt an, die Bücher auszuteilen. Dass jede Gruppe einen Roman bekommt, der dicker oder dünner ist als der vorherige, ist ihm dabei offensichtlich egal.

„Ihr denkt vielleicht, dass es unfair ist, wenn manche ein Buch mit nur dreihundert Seiten erhalten und andere mit neunhundert Seiten. Aber das ist der Kernpunkt. Ihr könnt euch nicht untereinander absprechen und werdet im Laufe des Schuljahres auch noch die Romane der jeweils anderen Gruppen bekommen.“ Er legt mir ein Buch auf den Tisch, das fünfmal so dick ist wie der Tisch.

„Was soll das denn sein, ein Baumstamm?“

„Nein, Mara, das ist ein Buch und ich möchte dir raten, es mit mehr Aufmerksamkeit zu lesen, als du meinem Unterricht folgst. Andernfalls sehen wir uns nächstes Schuljahr wieder. Vergesst bitte nicht, dass dieses Fach versetzungswirksam ist. Wer hier keine oder eine zu niedrige Leistung erbringt, wird dementsprechend, was in den anderen Fächern geleistet wurde, das Jahr wiederholen müssen.“ Während er weitergeht, schaue ich mir an, was er da auf den Tisch gelegt hat. Seelen. Klasse, von dem Buch habe ich schon gehört. Das wollte ich schon lesen. Es ist mir aber immer ein anderer Roman dazwischengekommen. Das mit Matt zu lesen, wird sicher supertoll.

„So. Da alle ihre Lektüre haben, schlage ich vor, dass ihr euch zusammensetzt und besprecht, worauf ihr beim Lesen achten solltet. Diejenigen, die jetzt ein Buch mit nur zweihundert bis dreihundert Seiten erhalten haben, werden drei Wochen Zeit haben, den Roman zu bearbeiten, die anderen bekommen dementsprechend mehr Zeit. Das macht gar nichts aus, denn während ihr noch eure Lektüre lest, bekommen die anderen schon das nächste Buch und ihr am Ende die Bücher der anderen. Ihr werdet bitte etwas zu dem Buch schreiben, was genau drin stehen wird, werden wir in den nächsten Stunden besprechen. Am Ende der Stunde werden wir zusammentragen, was ihr glaubt, alles über das Buch schreiben zu müssen.

Dann werde ich euch das in der darauffolgenden Stunde, am Mittwoch, als Handout geben und ihr könnt anfangen. Diejenigen, die nur drei Wochen Zeit haben, das Buch zu lesen, bekommen in drei Wochen ein neues von mir, aber ihr habt bis zu den Herbstferien Zeit, euren Bericht auszuarbeiten, damit ihr auch alle Infos habt, die die andern erhalten.“ Ein Schüler aus meiner Parallelklasse hebt die Hand.

„Ja, Dennis?“

„Meine Schwester hatte den Kurs letztes Jahr auch bei Ihnen. Ich dachte, wir lesen die Bücher zusammen imUnterricht.“

„Ja, das habe ich letztes Jahr gemacht, aber ich habe festgestellt, dass die Schüler sich nicht wirklich auf das Buch konzentrieren. Sie lesen nur, sofern sie keine andere Wahl haben, vor und sollten sie nicht dran sein, dann passen sie nicht auf. Deswegen hätte die Hälfte hier im Kurs die Note vier oder fünf wenn ich das Punktesystem nicht abgesenkt hätte. Und damit die Schüler sehen, dass sie hier auch etwas leisten müssen, habe ich beschlossen, dass sie dieses Jahr die Werke zu Hause lesen. Was euch die Arbeit erleichtern dürfte, wäre, wenn ihr das Buch gemeinsam auslest. Das heißt, ihr trefft euch, wenn ihr lest. Dann könnt ihr wichtige Punkte besprechen und sofort interpretieren. Das kann nützlich sein und ihr könnt diskutieren, ob es jetzt eine hilfreiche Stelle ist oder nicht. Kurz zu den Arbeiten. Ihr braucht nicht versuchen, abzuschreiben. Wenn ihr das wollt, könnt ihr das machen. Aber wir sind vierzehn Schüler, geteilt durch zwei macht sieben Gruppen, und ich habe zu jedem Buch eine Arbeit ausgearbeitet, das heißt, abschreiben ist so oder so die falsche Lösung. Ja, Dennis?“

„Aber wie soll das denn funktionieren? Müssen wir jetzt sieben Klassenarbeiten schreiben, oder was?“

„Nein, ihr schreibt lediglich vier Klausuren wie in jedem anderen Hauptfach auch, das Entscheidende ist, dass ich sehen werde, welche Bücher jene Gruppe ausgelesen hat und somit die Klausur aus etlichen verschiedenen zusammenstellen kann. Dann haben wir mehr als eine Lektüre pro Arbeit.

Und sie ist individuell. Weil eine Gruppe vielleicht Seelen und Die Welle gelesen hat und die andere Gruppe Die Welle, Tschick und Die Bettler von Cartagena. Somit kann man nicht abschreiben, also ist es mir egal, ob ihr auf die Klausur von eurem Nachbarn schaut. Jetzt aber bitte in eure Gruppen.“ Ich kann nicht glauben, dass der Typ so viel Freizeit hat, dass er für einen Kurs sieben Klassenarbeiten erstellen kann, der benutzt doch bestimmt zwei, drei Arbeiten aus dem letzten Schuljahr.

„Hey Mara.“

„Matt.“ Ich versuche, so ruhig zu sprechen, wie es eben nur geht.

„Wollen wir anfangen?“

„Sicher. Wieso nicht?“

„Gut, zunächst sollten wir eine Sache klären. Was ist dein Problem?“

„Nichts ist mein Problem. Wir sollten das nicht weiter vertiefen, denn es geht dich einen Scheißdreck an.“

„Gut, scheinbar bist du immer noch so nett wie früher. Ich hoffe, das beeinträchtigt unsere Arbeit nicht.“

„Wird es nicht, keine Sorge. Lass uns anfangen. Was wichtig ist, ist, dass man die Moral des Buches erkennt.“

„Übersetzung?“

„Wenn du nicht weißt, was ich sage, dann bist du hier im falschen Kurs.“

„Nein, das glaube ich nicht, was meinst du?“

„In einem Kinderbuch beispielsweise ist die Wertvorstellung oft, nicht lügen, keine Gewalt. Krieg ist schlecht. Was auch immer. Und jedes Buch hat so eine Moral. Des Öfteren, dass die Liebe siegt und manchmal, dass der Kerl, den man liebt, das letzte Arschloch ist, und man lernen sollte, das zu lieben, was einem guttut. Und dass man alles erreichen kann, wenn man nur daran glaubt.“

„Okay, aber nicht jede Lektüre hat so eine Moral.“

„Doch schon, aber manche Bücher können sie eben besser verstecken als andere.“

„Gut. Ich bin dafür, dass man eine kurze Inhaltsangabe schreiben sollte, damit der Leser des Berichtes weiß, worum es geht.“

„Ja, das ist gut. Man sollte bedeutsame Stellen interpretieren. So nach dem Motto, was will der Autor hiermit sagen. Oder warum hat er den Helden in so eine Situation gebracht? Was bezweckt er damit?“

„Wichtig ist, dass wir schreiben, ob uns das Buch gefallen hat, ob wir es weiterempfehlen würden und was wir so über die Lektüre und den Autor denken.“

„Mara, Matt, wie weit seid ihr?“

„Wir haben schon einiges.“

„Dann lasst mal hören.“

„Moral der Geschichte, Inhalt zusammenfassen, bestimmte Stellen erwähnen und interpretieren. So in die Richtung, was will der Erzähler damit sagen und warum lässt er das geschehen? Ob uns das Buch gefallen hat, ob wir es weiterempfehlen. Was wir über das Buch und den Autor denken.“

„Ja, das ist gut. Wir stellen die Ergebnisse gleich vor. Wartet kurz, dann könnt ihr anfangen.“ Herr Knollenberg geht weiter.

„Soll ich heute Nachmittag vorbeischauen?“, fragt Matt.

„Nein, ich werde vorbeikommen.“

„Warum? Wir haben uns früher oft bei dir getroffen.“

„Früher ist früher und heute ist heute, außerdem habe ich keinen Bock auf einen Kommentar von meiner Schwester.“

„Was soll das denn genau heißen?“

„Das geht dich gar nichts an. Mein Leben geht dich nichts an. Du bist nicht mehr Teil davon, verstanden?“

„Dass ich nicht mehr Teil davon bin, das habe ich verstanden. Aber warum, das habe ich nicht mitbekommen. Außerdem macht meine kleine Schwester heute ihre Kindergeburtstagsparty. Wenn ich nicht vorbeikommen kann, dann müssen wir das mit dem Lesen verschieben und ich denke, wir sollten jede Minute nutzen, die wir haben.“

„Ja, gut. Dann komm eben vorbei.“

„Super. Ich bin gegen 15 Uhr da.“

Nach der Doppelstunde, die kein Ende zu nehmen schien, haben wir endlich Pause.

„Kann man eine Ausbildung anfangen, ohne dass man die zehnte Klasse angefangen hat?“, frage ich Luka.

„Nein, ich muss dich enttäuschen, aber du kannst versuchen, dein Abschlusszeugnis zu fälschen, dann hast du vielleicht Glück.“

„Ja, toll, das bringt mich weiter.“

„So schlimm kann es nicht sein, dass du mit Matt zusammenarbeitest.“

„Doch, ich könnte kotzen. Es tut so weh. Ich weiß, dass du keine Vorstellung hast, wovon ich spreche, aber es ist so.“

„Oh doch, ich habe mehr Ahnung davon, als du denkst.“

„Was soll das denn heißen?“

„Siehst du den Typen?“

„Ja, das ist einer aus Timos Klasse, wieso?“

„Pass auf, es ist jede zweite Pause dasselbe. Warte ab, das war das letzte Schuljahr so, aber das hast du, glaube ich, nicht mitbekommen. Gleich kommt sie.“ Ich schaue mit Luka zu dem Typen herüber. Einen Augenblick später kommt ... Amie. Was will sie denn da? Sie geht zu dem Typen rüber und er küsst sie. Ich glaube, ich sehe nicht richtig.

„Was ist das denn?“

„Ich glaube Amie, die mit einem Typen aus der Zwölften Speichelaustausch betreibt.“

„Das glaub ich nicht, wie lange geht das schon?“

„Ich würde sagen, die zweite Hälfte des letztens Jahres.“

„Aber dann wüsste ich davon.“

„Wohl doch nicht. Wollen wir weiter?“

„Warte, willst du mir sagen, du weißt, wie ich mich fühle, weil Amie mit einem aus der Zwölften zusammen ist? Nur weil es einer aus der Zwölf ist?“

„Nein. Nur weil ich es nicht bin.“

„Was? Du stehst auf Amie?“

„Ja, schon komisch, oder? Ich dachte, sie würde das bemerken, aber nein, scheinbar nicht. Und du bist meine beste Freundin und hast auch nichts gemerkt.“

„Ich weiß nicht. Ich hatte nie den Eindruck, dass du auf Amie stehst, und war immer nur froh, dass ich nicht auf dich stehe.“

„Was? Bin ich so schrecklich?“

„Nein, gar nicht. Aber dann hätte ich den Kontakt abbrechen müssen, Freundinnen-Kodex. Aber der wird dann ja nicht mehr nötig sein.“

„Wie meinst du das?“

„Amie ist ja offensichtlich beschäftigt.“

„Ich verstehe nur Bahnhof.“

„Ist nicht schlimm. Das ist eine Sache zwischen Amie und mir. Schau mal, da kommt Lotte, scheinbar will sie sich entschuldigen.“

„Mara, können wir reden?“

„Nein, ich habe im Augenblick größere Probleme.“

„Ich wollte mich für heute Morgen entschuldigen.“

„Ah, das fällt dir ja früh ein.“

„Es tut mir leid. Ich wollte das mit Matt wirklich durchziehen. Aber dann habe ich mich dagegen entschieden, das kann ich nicht tun. Ich habe ihn beobachtet.“

„Was?“

„Ja, dann kam Nicole und hat ihn an gegraben. Sie hat angedeutet, dass ihr Freund Schluss gemacht hat oder so etwas. Aber er hat sich nicht beeindrucken lassen. Er wollte nicht mit Nicole ausgehen. Deswegen hörte ich, wie er sagte, dass er mit Julia glücklich ist. Du hattest recht. Es tut mir so leid.

Ich weiß, wie sehr dich das mitnimmt und dass es dich schon aufregt, wenn er durch unsere Straße spaziert.“

„Ja, das stimmt, aber ich habe mich auch nicht fair verhalten. Das tut mir leid.“

„Wir sollten zu Hause darüber reden.“

„Schön wäre es, aber ich muss leider aufräumen.“

„Weil?“

„Weil Matt gleich kommt.“

„Was? Was will der denn bei uns?“

„Wahrscheinlich das Projekt für den BK besprechen.“

„Den was?“

„Den Buch-Kurs. Wir sind dieses Jahr Partner.“

„Wie? Ich dachte, man muss nur im Kurs rumsitzen.“

„Letztes Schuljahr war das so, aber die Schüler haben sich nicht für den Unterricht interessiert und jetzt hat er alles geändert. Man muss zu Hause Bücher lesen und die bearbeiten. Und hat für ein Jahr einen Arbeitspartner.“

„Und deiner ist Matt?“

„Ja.“

„Wie schrecklich ist es?“

„Verdammt schlimm. Ich wundere mich immer noch darüber, dass wir es geschafft haben, im Unterricht etwas zu erarbeiten. Aber ich war auch fies.“

„Was hast du gemacht?“

„Ich habe ihn angemotzt, dass ihn mein Leben nichts anginge und dass ich ihm nicht sagen würde warum.“

„Das ist echt fies. Ich hoffe, dass ihr das Projekt trotzdem hinbekommen werdet.“

„Das wird, ist ja nur ein Buch lesen.“

„Na dann. Es tut mir leid, dass ich dich so angeschrien habe heute Morgen.“

„Das macht nichts, ich habe auch meinen Teil dazu beigetragen.“

„Okay, dann würde ich sagen, ich gehe mal wieder und wir sehen uns nach der Schule.“

„Ja, bis dann.“ Luka und ich machen uns auf den Weg ins Gebäude.

„Ich muss euch Mädchen nicht durchschauen, oder doch?“

„Nein. Wir verstehen uns manchmal selbst nicht. Wo steckt Amie nur?“

„Wahrscheinlich bei ihrem Freund.“ Wie er das sagt. Da merkt man, wie ihn das verletzt, aber ich hatte recht. Jungs zeigen so etwas nicht so doll.

„Ich werde mit ihr reden. Ich will unbedingt wissen, seit wann sie mit dem zusammen ist.“

„Du hast ja am Wochenende Zeit, es sei denn, Matt kommt wieder vorbei, um mit dir das Buch zu besprechen.“

„Das befürchte ich, aber vielleicht kann ich ihm verklickern, dass ich am Wochenende schon etwas vorhabe.“

„Viel Glück. Was wird das sein, wenn ich fragen darf?“

„Das weiß ich nicht, aber vielleicht hast du ja Zeit, dann können wir etwas machen. Ich habe keine Lust, mein Wochenende mit Matt zu verbringen.“

„Ja, das klingt nicht schlecht.“

In den letzten beiden Stunden haben wir Mathe und Deutsch. Wir wiederholen nur das, was wir zuletzt gemacht haben, nichts, worauf ich mich konzentrieren müsste. Danach haben wir endlich frei.

„Wenn wir heute länger gehabt hätten, dann hätte ich garantiert geschwänzt.“

„Als ob du schwänzen kannst.“

„Doch, das kann ich, aber bisher hatte ich mit meinen Freunden immer zu viel Spaß, um nicht zur Schule zu gehen.“

„Du musst es ja wissen, da kommt deine Schwester.“

„Hey Lotte.“

„Hallo, ihr beiden. Können wir?“

„Ja, wir können.“ Auf dem ganzen Weg nach Hause hören wir uns einen Vortrag an, wie viele Stunden Lotte an welchem Tag hat und was sie in den einzelnen Fächern macht.

„Ich finde Informatik ja nicht uninteressant. Ihr müsst wissen, dass man viele Sachen lernt, die man später brauchen kann. Aber was ich nicht begreife, sind so Leute wie Bryan, die sitzen bleiben, weil sie keinen Bock haben. Ich kann nicht verstehen, wie man so viel an der Schule riskieren kann, nur um mal einen Witz loszuwerden. Ich meine, wenn die so weitermachen, dann fliegen die von der Schule deswegen. Man kann sicher Spaß im Unterricht haben, aber dem Lehrer den Computer abzuschalten, das ist nicht mehr wirklich lustig.“

„Lotte, jetzt reg dich mal ab. Das haben wir dauernd gemacht. Wir haben solche Witze gemacht, das gehört dazu und die, die es übertreiben, die haben so schlechte Noten, dass sie nicht mitkommen, sonst wäre Bryan ja kaum in deiner Klasse.“

„Ja, das stimmt. Aber ich finde das trotzdem verschenkt. Ich habe gesehen, was Bryan am Computer gemacht hat. Er hat echt Talent, das sollte man nicht wegwerfen.“

„Das tut er ja nicht. Er ist eben nicht so engagiert in der Schule wie du.“

Mittlerweile stehen wir bei uns vor dem Haus.

„Wir sehen uns Montag. Ich rufe dich an, Mara.“ Luka umarmt mich kurz und ist schon um die nächste Ecke verschwunden.

„Du weißt gar nicht, wie gut du es hast, Luka zu haben.“

„Was soll das denn heißen?“

„Er ist supertoll. Du müsstest nur etwas sagen und er würde sicher mit dir ausgehen.“

„Erstens ist er wie ein Bruder für mich. Zweitens hat Amie mir den Schwur abgenommen und drittens steht er auf sie.“

„Wenn du das sagst. Aber ich verstehe nicht, warum du nicht mal mit ihm ausgehst.“

„Weil ich immer noch auf Matt stehe.“

„Ach, komm endlich über ihn hinweg. Der liebt Julia und damit Ende.“

„Ja, das kann sein, aber ich liebe ihn. Du weißt, dass man so etwas nicht ändern und kontrollieren kann.“

„Auch wieder wahr.“

„Was ist mit los mit dir, Lotte? So wie du heute Morgen drauf warst, habe ich dich nie erlebt. Irgendetwas muss vorgefallen sein.“

„Na ja, du kennst doch Robbie.“

„Ja, und?“

„Wir haben in den Ferien gechattet, fast jeden Tag.“

„Wie kommt es dazu, dass Robbie mit dir chattet?“

„Ich hatte mein Profilbild bei Facebook erneuert und dann hat er mich angeschrieben. Ich fand das supertoll, weil ich Robbie toll finde.“

„Das ist doch toll.“

„Ja, das habe ich auch gedacht. Wir haben seit zwei Wochen gechattet und am Mittwoch habe ich all meinen Mut, den ich gesammelt hatte, zusammengenommen und ihn gefragt, ob wir nicht mal ausgehen.“

„Ja, und? Hat er dich abblitzen lassen?“

„Nein, er hat ja gesagt. Er meinte, sicher, wir können uns morgen treffen.

Ich habe mich gestern mit Robbie getroffen. Wir waren erst im Kino und dann wollte er, dass ich mit zu ihm komme, und das habe ich dann auch getan. Wir haben heftig rumgeknutscht und ich war wie im siebten Himmel. Aber dann fing er an, meine Bluse aufzuknöpfen und wollte mehr und ich habe ihm gesagt, dass mir das zu schnell ginge. Weißt du, was er darauf geantwortet hat?“

„Nein.“

„Wenn ich im Sandkasten spielen wollte, dann sollte ich mit den Nerds aus dem Computerkurs ausgehen. Er würde eine richtige Frau wollen und sei nur mit mir ausgegangen, weil er dachte, dass ich mit ihm schlafen wollte, ansonsten hätte er kein Interesse an mir.“

„Das ist krass, was denkt dieser Arsch sich?“

„Das weiß ich doch nicht. Es ist ja nicht so, dass ich mir das nicht vorstellen könnte, aber ich bin eben noch nicht bereit dafür.“

„Ja, das weiß ich doch. Ich auch nicht. Das kommt schon, wenn du dem richtigen Typen begegnest und dieser wird warten und dir die Zeit geben, die du benötigst.“

„Meinst du das wirklich?“

„Ja, wenn ein Typ dich tatsächlich liebt, dann wartet er auf dich.“

„Dann hatte ich wohl nie den richtigen Typen.“

„Was?“

„Ben im Sommercamp. Er wollte auch und hat mit mir Schluss gemacht, weil ich nicht wollte. Anderthalb Jahre Beziehung dahin, nur weil er nicht warten konnte.“

„Männer sind eben Schweine, deswegen bin ich Single. Ich muss jetzt aufräumen.“ Aufräumen, das ist das Schlimmste, was ich mir vorstellen kann.

„Warte, ich helfe dir.“

„Danke, Lotte.“ Nachdem wir mein Zimmer aufgeräumt haben, bleiben mir knapp fünf Minuten, bis Matt kommt. Ich bin so nervös.

„Lass dich nicht von ihm unterkriegen. Du schaffst das.“

„Bist du sicher, Lotte?“

„Ja, das bin ich. Komm, Kopf hoch, er darf nur nicht sehen, wie sehr dich das mitnimmt.“

„Kannst du das nicht für mich machen?“

„Nein, kann ich nicht, denn ich bin nicht in dem Kurs und auch nicht in der Zehnten. Du machst das, jetzt komm.“

„Okay, ich glaube, da kommt er.“ Eine Minute später höre ich die Klingel.

Das ist für Lotte das Zeichen, sich in ihr Zimmer zu verziehen und mich machen zu lassen. Warum nur? Ich gehe in Ruhe die Treppe herunter und öffne die Tür.

„Hey Mara.“

„Hey, komm rein.“ Ich sage das so ruhig und neutral wie nur möglich.

Keine Gefühle zeigen. Nicht durchblicken lassen, dass du ihn hasst und nicht, dass du dich freust, dass er hier ist. Einfach nur atmen, er ist nur ein Mensch. Einer von vielen, von Milliarden. Wir gehen hoch in mein Zimmer.

„Ich würde sagen, wir haben das, was wir aufgeschrieben haben, und das beachten wir einfach beim Lesen. Dann können wir jeder für sich lesen und wenn wir etwas Interessantes finden, was wir besprechen sollten, unterbrechen wir den anderen.“, schlägt Matt vor.

„Ja, das ist eine gute Idee.“, antworte ich. Wir fangen an zu arbeiten. Ich kann mich aber nicht auf das Buch konzentrieren. Meine Gedanken wandern ständig zu Matt, der in meinem Sessel sitzt. Das ist mies. Ich hätte vorhin nach einem anderen Partner fragen sollen, aber nein, ich war zu feige.

„Wie weit bist du?“

„Was?“

„Wo du bist?“

„Auf einer Seite. Hier, siehst du?“

„Das bringt mich nicht weiter. Hast du überhaupt gelesen?“

„Und du hast nur auf dein Handy geschaut, fast die ganze Zeit, das ist auch nicht besser.“

„Kann sein, aber ich musste etwas klären. Sekunde.“ Jetzt fängt er auch noch an zu telefonieren. Das glaube ich nicht. Nach 20 Minuten kommt er wieder.

„Wie weit bist du?“

„Keine Ahnung.“

„Na gut, dann sollten wir jetzt weitermachen.“ Kaum hat er das gesagt, geht sein Handy schon wieder los. Natürlich kann er den Anrufer nicht auf die Mailbox sprechen lassen, sondern geht ran. So langsam werde ich echt sauer. Nach einer weiteren Viertelstunde, in der ich nicht lesen konnte, kommt er wieder.

„Sag mal, wer ist denn da immer dran? Die Bundeskanzlerin, der Präsident oder die Queen?“

„Wie kommst du denn darauf?“

„Du beeilst dich, dran zu gehen, und kannst nicht wegdrücken.“

„Nein, das ist nur meine Freundin, die das Bedürfnis hat, mir Vorwürfe zu machen, und ich denke, wenn ich nicht dran gehe, erklärt sie mir den Rosenkrieg und den will ich nicht erleben.“

„Das kann ich gut verstehen. Oh, da muss ich jetzt ran gehen, Sekunde.“ Ich gehe ran und lasse mir alle Zeit der Welt.

„Hallo?“

„Mara, ich bin’s Luka, aber das hast du doch sicher auf dem Display gesehen.“

„Nein, habe ich nicht. Die Nummer muss unterdrückt gewesen sein, Baby.“

„Was soll das?“

„Später. Ja, ich habe dich auch vermisst.“

„Kannst du mal aufhören, so einen Scheiß in dein Handy zu labern oder hast du was geraucht?“

„Nein, nein. Du bist ja so witzig. Was ist denn jetzt mit morgen?“

„Ja, sicher, wir können uns treffen, ich komme vorbei.“

„Super, das finde ich echt toll, bis dann. Love U.“

„Wer war das am Telefon?“

„Nur mein Freund. Nicht weiter wichtig. Wo waren wir?“

„Dabei, dass wir beide nicht viel gelesen haben. Wir haben schon sechs, dann können wir fast zum Orchester gehen.“

„Ja, sicher. Ich muss nur mal kurz mit Amie telefonieren, komme gleich wieder.“ Draußen im Garten drücke ich auf Wahlwiederholung.

„Mara. Kannst du mir jetzt mal sagen, was das sollte?“

„Das war wegen Matt. Er hat ständig mit seiner Freundin telefoniert und ich wollte unbedingt einen draufsetzen und da habe ich so getan, als ob mein Freund anruft.“

„Gut. Aber als dein Freund sollte ich dich gleich vom Orchester abholen.“

„Nein, das ist keine gute Idee.“

„Doch, damit Matt sehen kann, wer die heißen Ladys abbekommt und was er verpasst. Außerdem hat er so die Chance zu sehen, wie ein echter Zungenkuss geht.“

„Das ist doch Schwachsinn.“

„Nein, ich meine das ernst. Ich kann dich mit meinem Motorrad abholen, so cool wäre Matt gerne, was?“

„Ich weiß nicht. Er scheint Julia ernsthaft zu lieben und das bedeutet, dass ihm alles andere egal ist.“

„Na, dann können wir es ja auf jeden Fall machen, denn dann wird er sicher nicht sauer.“

„Wenn du meinst, dass es das Richtige ist.“

„Ja, das denke ich. Vielleicht kommst du so über ihn hinweg.“

„Das glaube ich zwar nicht, aber ich bin gerne dabei.“

„Gut, dann komme ich um 9 vorbei. Ich habe eine Lederjacke, dann sehe ich cool aus.“

„Das klingt gut, dann weiß man nicht sicher, dass du das bist, dann muss ich mir weniger Sorgen machen.“

„Das kümmert dich doch nicht, ob ich das bin oder wer anders.“

„Eigentlich nicht, aber immerhin kennt Matt dich und ...“

„Das weiß ich. Hast du mit Amie gesprochen?“

„Nein, das mache ich später, weißt du, Matt kam ja kurz nach der Schule.

Ich hatte kaum Zeit zum Aufräumen.“

„Okay, dann bis später.“

„Ja, bis nachher.“ Ich lege auf und will wieder reingehen, aber dann fällt mir ein, dass ich nicht wieder mit Matt reden will. Also rufe ich Amie an.

„Hallo?“

„Amie, sag mal, was war das in der Schule?“

„Was meinst du?“

„Jetzt tu doch nicht so, du weißt, dass Luka und ich dich gesehen haben, mit dem Typen.“

„Du meinst Marco. Ja, das kann sein, ich habe nicht so doll auf Zuschauer geachtet.“

„Das glaube ich dir nicht.“

„Doch, das war so.“

„Ich weiß, dass du auf Luka stehst. Ich weiß nur nicht, wieso du mit Marco ausgehst.“

„Das ist ja wohl meine Sache, oder?“

„Ja, das ist es, aber da du mit Marco ausgehst, kann ich ja mit Luka ausgehen.“, kontere ich.

„Ich gehe auch nicht mit deinem Traumtypen aus.“

„Aber wenn du mit Marco ausgehst, kann Luka doch nicht dein Traumtyp sein.“

„Das weißt du gar nicht, aber du kannst nicht mit Luka ausgehen. Ende.

Wir haben mal gesagt, kein Typ der Welt ist es wert, dass man dafür eine Freundin stehen lässt.“

„Das stimmt immer noch. Du kamst nur so rüber, als wolltest du nur Marco und ich wusste nicht, ob das gelogen ist und wollte es herausfinden. Jetzt weiß ich, dass du Luka liebst.“

„Ja, genau, aber du gehst nicht mit ihm aus, oder?“

„Nein. Er holt mich nur von der Probe ab, weil ich Matt ärgern will, aber ich bin mir gar nicht sicher, ob das geht. Er scheint Julia zu lieben.“

„Dann vergiss ihn endlich und such dir jemanden, der deine Gegenwart verdient.“

„Das sollte ich. Ich melde mich später.“, antworte ich und lege auf. Matt fragt sich bestimmt schon, wo ich bin. Das tut er tatsächlich, er wartet auf mich.

„Wie kann man nur so lange telefonieren?“

„Das kann ich dir nicht sagen. Hat halt ein wenig gedauert. Aber das hat man ja bei dir vorhin gemerkt. Wollen wir?“

„Ja.“ Gemeinsam machen wir uns auf den Weg zum Orchester. Es ist ein langer, stiller Weg. Ich weiß nicht, aber es ist nicht mehr so wie früher. Ich hätte doch allein hingehen sollen. Unterwegs klingelt schon wieder Matts Handy. Er lässt es einfach klingeln.

„Willst du nicht ran gehen?“

„Ne. Ist nur Julia, die nervt nur wieder.“

„Stress?“

„Ja, so etwas Ähnliches. Sie regt sich über alles auf. Sie findet es nicht gut, dass ich bei dir bin und nicht bei ihr, weil wir uns freitagnachmittags eigentlich immer treffen.“

„Ihr könntet das doch auf einen anderen Tag verlegen.“

„Nein, das geht nicht, Julia muss das Basketball-Team ihres Bruder anfeuern.“ Er klingt nicht happy.

„Jeden Tag?“

„Samstags und sonntags haben die Spiele und in der Woche Training. Ich habe das Gefühl, dass sie mit einem anderen aus dem Team was am Laufen hat, aber das kann ich ihr nicht nachweisen.“

„Hast du sie gefragt?“

„Ja, sicher. Du glaubst doch nicht, dass sie das zugeben würde, wenn es so wäre.“

„Stimmt schon.“

„Ich hätte sie nie fragen sollen, ob wir zu dem Ball gehen.“

„Wieso?“

„Ich habe nie an diese Sache mit dem Ball und dem ewig-zusammen-bleiben geglaubt, aber ich bin im Moment der Meinung, dass ich besser jemand anderen gefragt hätte. Jemanden, der nicht so kompliziert ist und nicht immer nur shoppen will und mich wahrscheinlich hintergeht. Jemanden wie dich.“

„Mich?“

„Ja, warum nicht? Du bist wesentlich unkomplizierter als Julia. Du siehst vielleicht nicht so gut aus, aber du würdest keinen Stress machen, wenn ich bei jemandem zum Lernen wäre.“

„Nein, sicher nicht.“

„Siehst du, mit dir wäre es leichter.“

„Aber?“

„Aber ich liebe dich eben nicht. Weißt du, du bist eben so anders als Julia.“

„Aber wenn ich wie sie wäre, wäre ich perfekt, oder was?“

„Ja, das wäre wunderbar. Ich werde doch mal an mein Handy gehen.“

Während er an sein Handy geht, gehe ich schon weiter. Ich nehme überhaupt keine Rücksicht auf ihn. Was bildet der sich eigentlich ein? Ich habe nie so sehr gehofft, dass die Probe schnell vorübergehen möge. Ich liebe es, Klarinette zu spielen, aber heute ist eindeutig nicht der richtige Tag dafür.

Ich bin so sauer auf Matt, dass ich nicht mit ihm geredet habe. Die letzten Wochen ist mir das unglaublich schwergefallen, aber jetzt, wo ich wieder mit ihm reden muss, würde ich mich lieber wieder in Schweigen hüllen.

Das war so viel einfacher. Während der Probe lege ich all meine Gefühle in mein Spiel. Ich spiele, als ginge es um mein Leben. Ich werde von der wunderbaren Musik, die wir erschaffen, fortgetragen. An einen Ort ohne Schmerz. Nur die einzelnen Töne der Trompete hinter mir bringen mich hin und wieder ein bisschen aus dem Konzept. Nach der Probe freue ich mich schon fast, dass Luka auf mich wartet, denn so kann ich Matt zeigen, dass mich das, was er mit mir macht, nicht im Geringsten beeindruckt. Koffer zu und raus. Da steht er, so wie er es gesagt hat, und er lehnt lässig in Lederjacke und mit Sonnenbrille an seinem Motorrad. Das sieht schon sexy aus.

Alle gucken zu ihm rüber. Es weiß ja keiner, dass er wegen mir hier ist. Ich verabschiede mich gelassen von den anderen und gehe zu ihm rüber.

„Hey, du.“

„Hey, Süße.“, murmelt er gerade so laut, dass es alle hören können, die direkt neben dem Motorrad stehen, was unter anderem auf Matt zutrifft.

Dann küsst er mich. Das ist nicht irgendein Kuss, sondern so ein -„ich zeige allen, dass meine Freundin die beste und schönste ist“- Kuss. Ich muss sagen, dass er wirklich gut küssen kann, aber trotzdem bekomme ich keine weichen Knie oder ein Kribbeln im Bauch, so wie damals mit Toni. Danach steige ich zu ihm aufs Motorrad und wir fahren los. Er setzt mich vor meiner Haustür ab.

„So. Hat doch super geklappt.“, meint er trocken.

„Ja, das stimmt. Ich habe mich echt gut gefühlt. Ich hatte das Gefühl, als würde Matt mich wirklich ansehen und wirklich wahrnehmen.“

„Das kann ja sein, aber er hat trotzdem eine Freundin.“

„Das weiß ich, aber er scheint Probleme mit ihr zu haben.“

„Fragezeichen?“

„Er hat es mir auf dem Weg erzählt, willst du mit reinkommen?“

„Immer.“ Ich gehe mit Luka nach oben.

„Hast du denn schon mit Amie gesprochen?“

„Ja, habe ich.“

„Und?“

„Nichts. Sie hat gesagt, dass der Typ Marco heißt und warum sie mit ihm zusammen ist, weiß ich nicht, aber vielleicht solltest du ihr mal sagen, was du fühlst.“

„Bin ich ein Mädchen, oder was? Nur weil ich ständig mit welchen abhänge, bin ich das noch lange nicht.“

„Das habe ich nicht gesagt. Aber ich glaube, dass Amie nicht mit Marco glücklich ist und wenn du ihr nicht sagst, was du fühlst, wie soll sie es da wissen?“

„Das stimmt ja alles, aber ich kann so etwas nicht. Kannst du ihr das nicht sagen?“

„Nein. Das mach mal schön selber.“

„Außerdem bringt das eh nichts, ich meine, sie würde nicht mit Marco ausgehen, wenn sie an mir interessiert wäre, oder?“

„Das weiß man nie. Wir Mädchen sind so kompliziert, wir verstehen uns manchmal selbst nicht.“

„Okay, na schön. Ich werde morgen hinfahren.“

„Okay, gut. Ich werde versuchen, die Kapitel von heute zu lesen. Das habe ich nicht so hinbekommen. Melde dich mal, wenn du mit ihr gesprochen hast.“

„Mache ich und du lass dich von ihm nicht so vereinnahmen.“

„Sicher nicht. Er hat dieses Wochenende, glaube ich, eh keine Zeit. Seine Oma wollte ihn besuchen.“

„Na dann.“ Nachdem Luka weg ist, lasse ich mich auf mein Bett fallen.

Manchmal ist es doch komisch, dass man genau das Gegenteil sagt von dem, was ist oder der Wahrheit entspricht. Ich habe behauptet, dass Matt keine Zeit hat, dabei habe ich keine Zeit, weil ich etwas machen wollte.

Aber das ist ja jetzt nicht mehr so sicher, wenn Amie Luka sagt, dass sie ihn liebt, dann werden die beiden morgen sicher den Tag miteinander verbringen wollen und dann kann und werde ich mich nicht dazwischen quetschen. Mein Handy reißt mich aus meinen Gedanken. Ohne weiter drauf zu schauen, gehe ich ran.

„Hallo?“

„Hallo, Mara, ich bin‘s.“

„Was gibt es denn, Matt?“, frage ich so nüchtern wie möglich.

„Ich wollte ... ich will ... na ja, weißt du ...“

„Was denn?“

„Ich ...na ja, wegen ...“

„Kannst du auch in einem ganzen Satz reden?“

„Ja, ich wollte mich wegen vorhin entschuldigen.“

„Was?“

„Als ich gesagt habe, dass es keine bessere als Julia gibt und dass sie besser aussieht als du. Das hat dich verletzt, das habe ich gesehen und das tut mir leid.“

„Ach ja?“

„Ja. Ich wollte dir nicht wehtun. Ich kann so etwas nur nicht so gut. Ich habe in den letzten paar Tagen oft an dich gedacht, weil ich mit dir normal reden konnte. Nicht nur über Klamotten und Make-up, und das vermisse ich.

Aber ich liebe Julia, nur habe ich es vorhin nicht hinbekommen, das vernünftig auszudrücken.“

„Okay.“

„Okay?“

„Ja, okay. Ich kann das ein wenig verstehen. Nicht ganz, aber doch ein wenig.“

„Okay, weißt du, alles, was ich will, ist, dass wir wieder Freunde sind.“

„Ich weiß nicht. Ich muss erst drüber nachdenken.“

„Worüber musst du nachdenken? Was habe ich denn bitte schlimmes gemacht?“

„Das ist so ein Mädchending, ist kompliziert. Ich verstehe das selbst nicht.“

„Wollen wir morgen an dem Buch arbeiten?“

„Ich weiß nicht genau, ob ich morgen Zeit habe. Ich melde mich gleich noch mal, ja?“

„Ja, ist gut.“ Und schon hat er aufgelegt. Was soll ich denn jetzt machen? Ich kann nicht einfach so wieder mit ihm befreundet sein. Ich will mehr und ich bin letztes Mal verrückt geworden, wenn ich mit ihm sprechen wollte. Ich weiß ja gar nicht, ob er das ernst meint, mit dem Freunde sein. Vielleicht will er das ja nur, damit die Projektarbeit leichter wird, und ich bin ihm egal. Ich muss darüber unbedingt mit einer Freundin sprechen. Vielleicht kann Amie mir ja helfen. Aber bei Amie geht nur die Mailbox ran. „Amie, ich bin‘s. Ich habe gerade echt eine Krise. Ruf mich doch bitte zurück, wenn du das hörst.“

Kurz darauf schellt mein Handy. SMS von Luka. Du bist die beste Freundin, die man sich nur wünschen kann. Wenn ich je wieder etwas gegen deine Ratschläge sagen sollte, kannst du mich auf den Mond schießen. Versprochen. Ach, und können wir das morgen verschieben, ich will den Tag mit Amie verbringen. Schnell tippe ich Okay, hab auch noch was vor und schalte mein Handy aus. Dann gehe ich rüber und klopfe bei Lotte an.

„Ja?“

„Lotte, was machst du?“

„Nichts Besonderes. War nur ein wenig online. Alles okay?“

„Nein, nicht wirklich. Ich komm mit der Situation schlecht klar.“

„Das heißt?“

„Auf dem Weg zur Musik hat Matt gesagt, wie sehr er Julia liebe und dass sie aber so kompliziert wäre. Mit mir wäre das einfacher und dann fing er an Sachen zu sagen, wie, sie ist aber wiederum hübscher als du, weswegen ich nicht mit dir ausgehen würde und all so etwas.“

„Er ist und bleibt ein mieses Schwein.“

„Das kann sein, aber er hat angerufen und sich entschuldigt und dann meinte er, dass er Julia wirklich lieben würde und dass er wieder mit mir befreundet sein wollte, nur nicht gewusst hätte, wie er das sagen sollte.“

„Okay, das ist verwirrend.“

„Ja, und ich kann Amie nicht erreichen, vermutlich weil Luka bei ihr ist.“

„Was hat Luka denn damit zu tun, dass Amie nicht an ihr Handy geht?“

„Luka wollte zu ihr fahren und ihr sagen, dass er sie liebt.“

„Das ist doch toll.“

„Ja, das finde ich auch, besonders weil es scheinbar geklappt hat, er macht morgen etwas mit Amie. Dafür hat er keine Zeit für mich und ich weiß jetzt nicht, ob ich Matt für morgen zum Lernen zusagen soll.“

„Das kann ich dir nicht sagen. Das kannst nur du entscheiden, aber wenn du mit dem Projekt weiter-kommen willst, solltest du das tun. Wir könnten uns Sonntag einen schönen Tag machen. Wir beide gehen ins Kino und anschließend kochen wir was zusammen oder so.“

„Das klingt gut. Was ist passiert, dass du was mit mir machen willst?“

„Nichts. Darf ich nicht wie früher Zeit mit dir verbringen wollen? Weißt du, wie wir hier hergezogen sind und keiner uns kannte? Wir haben alles zusammen gemacht.“

„Ja, weil wir nur ein Jahr auseinander sind, haben wir uns weniger gestritten als manch anderer. Das stimmt, aber was ist wirklich los?“

„Ich habe mich mit Kim gestritten.“

„Warum?“

„Sie hat es nie erwähnt, keiner weiß es, aber sie ist die Zwillingsschwester von Robbie und da ich ihn angeblich abserviert habe, ist sie jetzt mega sauer auf mich.“

„Das ist scheiße, was hast du vor?“

„Ich habe ihr einen Brief geschrieben, dass ich Robbie nur verlassen habe, weil er mit mir schlafen wollte und als ich nicht wollte, hat er mich abserviert. Ich werde ihn morgen einwerfen und dann mal sehen, was so passiert.“

„Okay. Ich werde mal Matt für morgen Bescheid sagen und dann gehe ich schlafen. Aber das mit Sonntag klingt gut, ich bin dabei. Du kannst ja morgen mal gucken, was für Filme im Kino laufen.“

„Ja, mache ich, gute Nacht.“ Ich gehe rüber in mein Zimmer, als Timo die Treppe raufkommt.

„Na, Schwesterherz, schönen Freitag gehabt?“

„Ja, war okay. Wo warst du so lange?“

„Nirgendwo und überall.“

„Erzähl.“

„Ich war bei Johnny auf der Party, nichts besonders.“

„Seit wann lädt Johnny dich denn zu seinen Partys ein?“

„Das geht dich nichts an, kannst ja froh sein, dass ich nicht mit meinen Gamer-Freunden in meinem Zimmer hocke und Online-Spiele zocke. Es hat dich doch immer gestört, dass meine Kumpels nur virtuell da waren.“

„Ich fand das komisch, aber ich habe mich nie darum gekümmert, was du tust. Ich habe nie gesagt, dass es mir nicht gefällt, ist das klar? Ich finde, jeder Mensch sollte das Recht haben, das zu tun, was ihm Spaß macht und wenn dir das Spaß macht, dann lass dich nicht davon abhalten.“

„Jetzt bin ich so cool wie die anderen in der Schule. So wie Matt und so.

Jetzt kannst du mit mir zufrieden sein.“

„Erstens ist Matt in der Schule nicht beliebter als du. Die Menschen respektieren ihn und das war‘s schon wieder und zweitens hast du immer gesagt, dass du nie das tust, was andere wollen, nur damit sie mit dir reden.“

„Ich habe schon so viel in meinem Leben gesagt, aber du hast keine Ahnung, wie es ist, wenn du zu Leuten gehören willst, die dich verachten.

Jetzt gehöre ich dazu, verdammt. Sogar die Mädels stehen auf mich.“

„Wenn es das ist, was du willst. Du hast immer gesagt, dass du eine willst, die dich will, nicht eine die dich will, weil du zu einer Clique, gehörst.“

„Ja, und jetzt bin ich eben anders, was dagegen?“

„Nein.“ Ich drehe mich um und gehe ins Bett. Was ist bloß mit allen los?

Erst muss Matt mich so verwirren und dann erkenne ich Timo nicht wieder.

Ich rufe Matt an.

„Hallo?“

„Hi Matt, ich bin‘s. Ich konnte meine Zeit morgen doch für dich erübrigen.

Dann kommen wir in dem Buch weiter.“

„Das ist toll. Ich komme gegen 14 Uhr vorbei.“

„Alles klar. Bis dann.“ Mehr nicht. Ich kann einfach nicht sagen, ich freue mich oder so etwas in der Art.

Kapitel 2

„Guten Morgen, Mara, aufstehen.“

„Lass mich schlafen.“

„Nein, wir haben halb elf, du solltest langsam mal das Bett verlassen. Ich weiß ja nicht, wann Matt kommt. Du hast ihn doch angerufen, oder?“

„Ja, sicher habe ich das. Wie lange bist du schon wach?“

„Ein paar Stunden. Ich habe ein paar Sachen erledigen müssen, also habe ich mir einen Wecker gestellt.“

„Das ist nicht mal so unschlau. Sind Mum und Dad wieder hier?“

„Nein, sie kommen heute Nachmittag wieder, glaube ich. Wann sind sie gefahren?“, fragt Lotte.

„Am Dienstag.“

„Ja, dann kommen sie heute wieder. Es sei denn, Tante Dora geht es wieder schlechter.“

„Okay, dann kann ich ja in aller Ruhe aufstehen und mich fertig machen. Ist Timo schon wach?“

„Nein, wieso?“

„Weil er gestern Abend sauer war. Wir haben uns ein bisschen gestritten.

Jetzt finde ich es nicht mehr gut, was ich gesagt habe.“

„Dann sag ihm halt, wenn er aufsteht, dass es dir leidtut.“

„Das habe ich vor. Deswegen wollte ich ja wissen, ob er schon wach ist.“

„Nein. Aber ich sage dir Bescheid, wenn ich etwas mitbekomme.“

„Danke.“ Lotte geht wieder rüber in ihr Zimmer und ich stehe langsam auf.

Nicht durchdrehen, Mara. Ja gut, dann kommt Matt eben vorbei, und was macht das schon aus? Ich kann normal den Schularbeiten nachgehen und alles wird gut. Unten mache ich mir eine Schüssel mit Cornflakes und setze mich in den Garten. Es ist ein herrlich warmer Tag. Man könnte gut ins Freibad gehen oder andere Sachen machen. Vielleicht kann ich ja morgen mit Lotte schwimmen gehen und wir gehen dann etwas später ins Kino. Mal sehen. Ich lasse meinen Blick durch den Garten wandern. Es ist wunderschön hier. Das ist mir nie so aufgefallen. Der Garten ist besonders. Er ist groß, so großflächig, dass man super darin Fußball spielen könnte. Man kann so viele Sachen machen, das Beste ist, dass man sich mal zurückziehen kann und niemand einen findet, wenn man nicht gefunden werden will.

Hinter unserem Teich in der Mitte des Gartens ist eine Hecke und wenn ich durch das Tor gehe, komme ich in meinen Teil des Gartens. Mum und Dad haben ihn für uns angelegt. Wir können am Teich sitzen oder auf der Wiese spielen, aber dies ist der Teil, wo wir uns ungestört hinsetzen können. Hier hören wir Papas Radio nicht und sehen die beiden nicht. Wir haben rings um uns herum Sträucher, Büsche und Hecken, sodass uns von den anderen Häusern aus niemand sehen kann. Mittendrin stehen drei Liegen und ein Tisch. Das ist wunderbar hier. Am besten gefällt mir die Schaukel in der Hecke. Es ist ein Heckenbogen und mittendrin ist eine Schaukel. Aber genug vom Garten. Jetzt habe ich eh keine Zeit, mich gemütlich in die Ecke zu setzen. Mit meiner inzwischen leeren Müslischale gehe ich wieder rein.

Ich bin dabei, ein wenig den Abwasch zu erledigen, als meine Eltern wiederkommen.

„Hallo Mama, hallo Papa.“

„Hallo Mara. Alles gut?“

„Ja, hier ist alles gut. Geht es Tante Dora wieder besser?“

„Ja, es geht ihr wieder besser. Wir haben uns überlegt, ob wir sie nicht für ein paar Wochen bei uns wohnen lassen.“

„Wo denn?“

„Es geht ihr besser, aber allein kommt sie schwer zurecht und eine Hilfe im Haus wäre doch sehr teuer. Wenn Lotte zu dir ins Zimmer zieht, kann Tante Dora ein paar Wochen in Lottes Zimmer wohnen.“

„Wir könnten sie anrufen, dann könnte sie heute Abend hier sein. Ihr hättet den ganzen Nachmittag Zeit, Lottes Sachen mit rüber zu nehmen.“

„Nein, das ist definitiv zu schnell.“

„Aber wir können sie nicht allein lassen.“

„Das habe ich ja soweit verstanden, aber wir können hier nicht mal eben alles auf den Kopf stellen. Matt kommt gleich, da habe ich keine Zeit, mit Lotte ihre Sachen in mein Zimmer zu verfrachten.“

„Seit wann redest du denn wieder mit Matt?“

„Mal sehen, seit wir gestern im BK zu Partnern geworden sind, für ein ganzes Jahr und jetzt gezwungen sind, gemeinsam Bücher zu besprechen und Ausarbeitungen abzugeben?“

„Warum das denn?“

„Vielleicht weil Herr Knollenberg uns nicht kennt und die Gruppen einfach eingeteilt hat.“

„Das heißt, Matt kommt jetzt immer vorbei?“

„Immer öfter, ja, und er wird in einer Stunde hier sein, also habe ich jetzt keine Zeit, Lottes Sachen in mein Zimmer zu verfrachten.“

„Du kannst doch mit Lotte sprechen und dann könnt ihr schon anfangen und den Rest macht ihr heute Abend. Dann kann Tante Dora morgen einziehen.“

„Ich werde mal mit Lotte reden, ob sie Zeit hat.“

„Nicht ob, sie wird die Zeit erübrigen, denn sonst braucht sie nirgendwo hinzugehen.“

„Ich sage es ihr.“ Oben auf der Treppe bleibe ich stehen, um nicht wieder runter zu rennen und meinen Eltern an die Gurgel zu gehen. Dass sie das alles vorhaben, finde ich ja nicht schlecht, aber ich denke, dass sie ein bisschen zu schnell agieren. Sie könnten uns wenigstens bis morgen Abend Zeit geben. Ich gehe rüber zu Lotte und klopfe an.

„Herein, wenn's kein Schneider ist?“ Ich mache die Tür auf.

„Ich bin‘s nur.“

„Was kann ich für dich tun, Mara?“

„So schnell wie möglich alle deine Sachen zusammenpacken.“

„Weil?“

„Weil Matt in einer Stunde kommt und unsere Mutter die grandiose Idee hatte, dass du zu mir ziehst, damit Tante Dora für ein paar Wochen einziehen kann.“

„Wieso das denn?“

„Weil sie allein nicht klarkommt und sich keine Hilfe leisten kann. Wir sollen mit dem umräumen anfangen und so viel wie möglich machen, bis Matt kommt, den Rest sollen wir dann heute Abend erledigen.“

„Supertoll. Die werden was von mir zu hören kriegen. Ich wollte gleich Kim den Brief von mir geben, vielleicht verzeiht sie mir.“

„Ich hoffe es für dich, aber du darfst erst gehen, wenn wir fertig sind. Beziehungsweise wenn wir angefangen haben und Matt dann kommt.“

„Das ist mies. Na gut, fangen wir an. Dann schaffe ich es noch zu Kim.“ Wir legen mit Lottes Schulsachen los. Sie nimmt sich einen Rucksack aus dem Schrank und steckt alle Sachen hinein. Dann kommt er vor die Tür. Als Nächstes packen wir ein paar ihrer Klamotten in einen Sack.

„Ich kann den Sack doch hinter die Wand bei dir stellen. Du weißt schon, unser Geheimversteck im Zimmer, dann nimmt es nicht so viel Platz weg.“

„Ja, das ist keine schlechte Idee. Was brauchst du noch?“

„Make-up habe ich im Bad und alles Weitere findet sich schon. Ich meine, was sollte ich sonst benötigen? Ein paar Bücher, aber das meiste kann ich mir holen, wenn ich es brauche, ich denke, dass Tante Dora nichts dagegen hat.“

„Ja, das sehe ich auch so und Platz für ein paar ihrer Sachen haben wir ja im Schrank gemacht. Den Rest soll sie woanders unterbringen, denn mein Zimmer ist kein Lagerhaus.“

„Gut, dann würde ich sagen, lassen wir es dabei, denn Matt kommt in fünf Minuten und ich bin sicher, dass du einen Blick in den Spiegel werfen willst.“

„Ja, das kann nicht schaden, auch wenn ich nicht so hübsch bin wie Julia.“

Trotz alledem bin ich mit meinem Aussehen zufrieden, als ich mich kurze Zeit später im Badezimmerspiegel betrachte.

Einen Augenblick später schellt es und ich gehe die Treppe herunter. Unten vor der Tür steht Matt.

„Hey.“

„Hey, Matt. Komm rein.“

„Mara?“

„Was denn, Mama?“

„Habt ihr beiden angefangen?“

„Ja, wir sind sogar der Meinung, dass wir fertig sind. Wir haben den Schrank leer geräumt und ein paar andere Sachen mit rüber genommen.

Der Rest muss da drin bleiben, ich bin ja kein Lagerhaus.“

„Wenn du meinst. Ich werde mir das später ansehen.“

„Mach das, wir müssen jetzt hoch.“ Ich gehe schnell mit Matt die Treppe hoch, bevor ihr noch etwas einfällt, mit dem sie mich nerven kann.

„Was hat denn deine Mutter?“

„Sie ist gerade von meiner Tante wiedergekommen und die kann im Moment nicht allein leben, weil, ich weiß nicht mal genau wieso, und deswegen will meine Mutter, dass sie ein paar Wochen hier wohnt, bis es wieder in Ordnung ist.“

„Und deswegen musst du alles umräumen?“

„Ja, wir haben kein Gästezimmer und Tante Dora soll in Lottes Zimmer wohnen. Jetzt mussten wir ihren ganzen Kram in mein Zimmer verfrachten.

Ich finde den Raum so schon nicht groß genug. Ich bin so oder so der Meinung, dass er renoviert werden sollte. Aber nein, meine Mutter kann ja nicht mal ein bisschen auf uns eingehen und das Zimmer ein bisschen wohnlicher machen. Das könnte ja Arbeit machen.“

„Gut, das ist nicht einfach, aber sieh es doch mal so, deine Eltern arbeiten hart, um sich das Geld für das Haus zu verdienen.“

„Dann könnten sie doch mal ein wenig in Farbe investieren, oder? Ich meine, ich könnte es ja selbst machen, aber nein.“

„Rede mit deinen Eltern.“