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Das Smartphone: Wie konnte ein kleines Gerät so schnell derart lebensbestimmend werden – und kann man das ändern, ohne auf allzu viel verzichten zu müssen? Ja, sagt Christoph Koch. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den Themen Internetabstinenz und Onlinesucht und erklärt wissenschaftlich fundiert, was dahinter steckt. Warum machen Apps so süchtig? Was passiert da in unserem Gehirn? Wieso ist so gut wie niemand dagegen gefeit? Welche Geschäftsmodelle basieren darauf? Und was sagen Experten dazu? Kochs 30-Tage-Challenge zeigt, warum es sich lohnt, den eigenen Online-Konsum zu reduzieren und was man durch einen bewussteren Umgang körperlich wie seelisch gewinnt. Motivierend, unterhaltsam, leicht umsetzbar – eine Anleitung für digitale Balance statt Digital Detox.
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Seitenzahl: 180
Weniger Smartphone – mehr Leben
Das Smartphone: Wie konnte ein kleines Gerät so schnell derart lebensbestimmend werden – und kann man das ändern, ohne auf allzu viel verzichten zu müssen? Ja, sagt Christoph Koch. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den Themen Internetabstinenz und Onlinesucht und erklärt wissenschaftlich fundiert, was dahintersteckt. Warum machen Apps so süchtig? Was passiert da in unserem Gehirn? Wieso ist so gut wie niemand dagegen gefeit? Welche Geschäftsmodelle basieren darauf? Und was sagen Experten dazu? Kochs 30-Tage-Challenge zeigt, warum es sich lohnt, den eigenen Online-Konsum zu reduzieren, und was man durch einen bewussteren Umgang körperlich wie seelisch gewinnt.
Motivierend, unterhaltsam, leicht umsetzbar – eine Anleitung für digitale Balance statt Digital Detox.
Christoph Koch
DIGITALEBALANCE
Mit smarter Handynutzungleichter leben
WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN
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Originalausgabe 04/2021
Copyright © Christoph Koch 2021. Dieses Werkwurde vermittelt durch die Literarische Agentur Michael Gaeb.
Copyright © 2021 by Wilhelm Heyne Verlag, München,in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,Neumarkter Straße 28, 81673 München
Redaktion: lüra – Klemt & Mues GbR
Umschlaggestaltung:Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich
Satz: Schaber Datentechnik, Austria
ISBN: 978-3-641-27334-7V001
www.heyne.de
Kennen Sie eine der folgenden Situationen?
•Die Akkuanzeige Ihres Smartphones zeigt an, dass Sie nur noch über fünf Prozent Akkuleistung verfügen. Obwohl Sie gerade noch ruhig und guter Dinge waren, fühlen Sie sich plötzlich gestresst.
•Sie sitzen am Steuer Ihres Autos, Ihr Smartphone liegt in der Mittelkonsole, und eine SMS-Nachricht geht ein. Obwohl Sie wissen, dass es gefährlich ist, sich ablenken zu lassen, lesen Sie die Nachricht und antworten kurz – ein Auge auf den Bildschirm, eines auf den Straßenverkehr vor Ihnen gerichtet.
•Sie essen in einem Restaurant zu Abend. Als Ihre Begleitung aufsteht und zur Toilette geht, zücken Sie sofort Ihr Smartphone. Oder: Sie sind diese Begleitung und suchen die Toilette nur auf, um dort in Ihr Smartphone zu schauen.
•Sie gehen aus dem Haus und merken erst in der U- oder Straßenbahn, dass Sie Ihr Smartphone zu Hause vergessen haben. Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, steigen Sie an der nächsten Haltestelle aus und fahren zurück, um es zu holen.
•Sie haben seit Ihrem letzten Urlaub kein Buch mehr gelesen.
•Sie holen Ihr Smartphone aus der Tasche, um etwas nachzusehen, beispielsweise den Wetterbericht oder die Uhrzeit. Als Sie jedoch diverse Benachrichtigungen auf dem Display sehen, schauen Sie in Ihr Facebook- oder Instagram-Konto, beantworten schnell zwei WhatsApp-Nachrichten und packen nach einer Viertelstunde das Smartphone wieder weg. In diesem Moment fällt Ihnen ein, dass Sie doch eigentlich den Wetterbericht abrufen wollten – und Sie holen Ihr Smartphone wieder hervor.
Wenn Ihnen keine einzige dieser Situationen bekannt vorkommt: Herzlichen Glückwunsch! Dann haben Sie ein sehr gesundes und entspanntes Verhältnis zu Ihrem Smartphone und der digitalen Welt – und vermutlich gerade das falsche Buch in der Hand. Schenken Sie es einfach jemand anderem, der es dringender braucht als Sie. Ich wette, Sie kennen jemanden. Falls Sie jedoch alle oder zumindest einige der oben beschriebenen Situationen kennen, dann sind Sie hier genau richtig. Mit diesem Buch und mit meiner 30-Tage-Challenge möchte ich Ihnen helfen, sich aus der Diktatur des Smartphones zu befreien. Ihr Leben wieder selbstbestimmter, freier und entspannter zu führen. Ohne die Angst, etwas zu verpassen. Ohne den Stress, permanent online und erreichbar sein zu müssen. Aber auch ohne das Gefühl, sich permanent zu verzetteln und wertvolle Zeit zu verplempern.
Warum aber sollten Sie ausgerechnet mir vertrauen, wenn es um Ihr digitales Leben geht? Was befähigt ausgerechnet mich, Ihnen Ratschläge zu geben? Ich bin weder ausgebildeter Psychologe noch Suchtexperte, sondern Journalist und Buchautor. Doch als solcher befasse ich mich schon sehr lange mit den Schnittstellen zwischen digitalen Technologien und unserer Gesellschaft und unserem Leben als Individuen. Die Frage, wie Technologie uns beeinflusst, wie wir von ihr am besten profitieren können, aber auch welche negativen Auswirkungen sie auf uns haben kann, begleitet mich seit Jahren, und ich habe dazu zahlreiche Erfahrungen gesammelt und mir eine gewisse Expertise erarbeitet.
Dabei komme ich von einem durchaus optimistischen Standpunkt. Ich habe mich immer schon begeistert auf alles Digitale gestürzt: Ich jubelte, als ich meine ersten Zeitungsartikel nicht mehr auf einer alten Schreibmaschine tippen und mit Tipp-Ex korrigieren musste, sondern auf dem ausrangierten PC meiner Tante schreiben konnte. Ich war begeistert, als ich meine erste E-Mail verschickte – an ein Mädchen, das ich nach dem Abitur bei einer USA-Reise kennengelernt hatte. Als ich das erste Mal ein Lied aus dem Internet herunterladen und auf einem für damalige Verhältnisse winzig kleinen iPod abspielen konnte. Und ich war fasziniert, als ich feststellte, wie umfangreich das Wissen ist, welches das Internet bereithält. Wie viele interessante Menschen man dort treffen kann, wie viele spannende Debatten dort geführt werden.
Nach einer Weile bekam meine Begeisterung jedoch einen Dämpfer: Die Debatten wurden durch Social Media immer schriller und aggressiver. Das wertvolle Wissen verbarg sich zunehmend unter Spam und irreführenden, klickheischenden Schlagzeilen. Statt einer Bereicherung fühlte sich das Internet nach und nach an wie eine Last. Wie eine Erfindung, die etwas von meinem Leben abhaben wollte, anstatt dieses zu bereichern. Die digitale Welt und ich, wir hatten uns entfremdet. Um herauszufinden, wie sehr, wagte ich vor etwa zehn Jahren ein Experiment: Vierzig Tage lang verzichtete ich auf Internet und Mobiltelefon, auf Google und Facebook, E-Mail und Twitter, auf »nur schnell mal was nachschauen« und endloses Scrollen durch die diversen Newsfeeds.
»Ich bin dann mal offline«, das Buch, das aus diesem Selbstversuch entstand, wurde zu einem Bestseller und stand mehrere Wochen auf der SPIEGEL-Liste der meistverkauften Bücher. Mit meinem Experiment war ich früh dran. Seither wagten sich noch etliche andere Offline-Willige an die digitale Abstinenz, und das Thema ist nach wie vor regelmäßig in den Medien präsent. Es entstanden Entwöhnungscamps, in denen Menschen für ein Wochenende auf das Internet verzichten und stattdessen ums Lagerfeuer sitzen. Eine amerikanische Firma meldete den Begriff Digital Detox sogar als Marke an.
Ich habe seit der Veröffentlichung von »Ich bin dann mal offline« Dutzende Vorträge zu meinem Experiment und zum Thema Internetabstinenz und Onlinesucht gehalten und weit über hundert Interviews in Zeitungen, Radio und Fernsehen gegeben. Bei Lesungen, Konferenzen und bei Podiumsdiskussionen komme ich seither immer wieder mit Menschen in Kontakt, die sich eine gezielte Anleitung wünschen, ihre Smartphone-Nutzung zu reduzieren. Sie können sich nicht erklären, wie solch ein kleines Gerät so schnell derart bestimmend über ihr Leben werden konnte. Ähnlich wie bei mir, ist bei diesen Menschen die ursprüngliche Begeisterung in Sachen Internet zunehmend Skepsis und Sorge gewichen. Bei manchen sorgt das Smartphone für Konflikte in der Partnerschaft und Familie. Oder sie würden einfach gern seltener auf ihre diversen Bildschirme starren, um wieder mehr Zeit für andere Dinge zu haben. Aus dem Gespräch mit diesen Menschen und der wiederholt gehörten Bitte um Tipps und Methoden für einen bewussteren, selbstbestimmteren Umgang mit dem Smartphone entsprang die Idee für dieses Buch.
Mir ist klar, dass eine sechswöchige, komplette Internetauszeit, wie ich sie damals bei meinem Selbstversuch unternommen habe, für die meisten Menschen vollkommen unrealistisch ist. Keine Angst: Sie ist auch nicht nötig. Sie dürfen Ihr Smartphone während der 30-Tage-Challenge weiterhin benutzen. Sie werden erreichbar sein und Ihren beruflichen und sozialen Verpflichtungen nachkommen können. Die gedankenlose Nutzung, das Zeit-Totschlagen, das zwanghafte Checken von Nachrichten und Newsfeeds werden Sie jedoch nach und nach abstellen. Dieses Buch zeigt Ihnen, wie das am besten geht. Es hilft Ihnen dabei und motiviert Sie, die 30 Tage durchzuhalten.
Im Verlauf der Challenge zeige ich Ihnen Wege, wie Sie die Vorteile, die Ihr Smartphone zweifellos mit sich bringt, weiterhin nutzen können – ohne dabei unter den Nachteilen zu leiden. Denken Sie im Vergleich an das Thema Ernährung: Egal, wie viel Übergewicht jemand hat oder wie schlecht er sich ernährt – die Lösung wird nie sein, dieser Person zu verbieten, jemals wieder etwas zu essen. Auch eine vierzigtägige Nulldiät zu machen wie ich bei meinem Offline-Experiment ist nicht ratsam. Totalentzug ist beim Essen ebenso wenig sinnvoll wie bei digitaler Kommunikation. Stattdessen geht es um maßvollen und bewussten Konsum. Qualität schlägt Quantität!
Nachhaltige Veränderungen entstehen nur durch bessere Gewohnheiten und kleine Kniffe im Alltag: Wer einer Tüte Kartoffelchips beim abendlichen Fernsehen nicht widerstehen kann, kauft sinnvollerweise gar nicht erst welche, sondern bringt eine gesündere Alternative vom Supermarkt mit nach Hause. Wer auf Facebook nicht komplett verzichten will – beispielsweise, weil es beruflich nötig ist –, kann zumindest die Smartphone-App löschen, um nicht permanent in Versuchung zu geraten. Im Notfall lässt sich immer noch per Browser darauf zurückgreifen. So wie eine bessere Ernährung sich positiv auf Ihr Wohlbefinden auswirkt, wird dies auch ein bewussterer Umgang mit dem Smartphone tun. Wenn Sie den Tipps in diesem Buch folgen, kann Sie das zufriedener und ausgeglichener machen. Sie werden höchstwahrscheinlich besser schlafen und sich weniger oft gestresst fühlen. Sie werden vermutlich wieder stärkere Emotionen spüren. Freude, aber manchmal auch Trauer – denn oft greifen wir genau dann zum Smartphone, wenn es darum geht, solche Emotionen zu unterdrücken oder uns von ihnen abzulenken. Auf Sie warten mehr Zeit und ein Gefühl der Unabhängigkeit. Am Ende werden Sie stolz darauf sein, es gewagt zu haben und dabeigeblieben zu sein. Aber ich verspreche Ihnen, dass sich die Erfahrung auch schon während der Challenge gut anfühlen wird.
Sie glauben nicht, dass Sie Ihre digitalen Gewohnheiten ändern müssen? Ihre Abhängigkeit von Ihrem Smartphone ist gar nicht so schlimm, denken Sie? Wie die Lage tatsächlich ist, können Sie sich inzwischen genau anzeigen lassen. Vorher möchte ich Sie aber um zwei Schätzungen bitten. Nehmen Sie ein Blatt Papier, und schreiben Sie auf, wie oft Sie am Tag zum Smartphone zu greifen glauben. Nehmen Sie sich einen Moment Zeit nachzudenken und geben Sie bitte eine konkrete Zahl an. Danach schätzen Sie bitte die Zeit, die Sie durchschnittlich pro Tag auf Ihr Smartphone schauen. Auch hier legen Sie sich bitte auf eine exakte Angabe in Stunden oder Minuten fest. Was haben Sie geschätzt? 10, 20, 30 Mal pro Tag? Eine Stunde – oder mehr? Nun ist es Zeit für die Wahrheit: Wenn Sie ein iPhone besitzen, schauen Sie dort bitte bei den Einstellungen unter »Bildschirmzeit« nach. Bei Android heißt der Punkt »Digital Wellbeing« oder »digitales Wohlbefinden« und findet sich ebenfalls in den Einstellungen. Dort wird angezeigt, wie lange Sie Ihr Smartphone heute benutzt haben sowie Ihre durchschnittliche Nutzung während der letzten sieben Tage. Da der heutige Tag ja noch nicht vorbei ist, nehmen Sie bitte den Sieben-Tages-Durchschnitt und vergleichen ihn mit Ihrer Schätzung. Na, überrascht? Die allermeisten Menschen unterschätzen deutlich, wie viel sie ihr Smartphone täglich nutzen. Ärgern Sie sich also nicht, falls auch Sie sich vertan haben. Aber nehmen Sie diese Diskrepanz zwischen Selbstwahrnehmung und Realität ernst.
Ein kleiner Hinweis am Rande: Manche älteren Smartphone-Modelle haben diese Funktionen, mit denen Sie Ihre persönliche Bildschirmzeit nachvollziehen können, noch nicht. In diesem Fall laden Sie sich bitte eine sogenannte Tracker-App herunter, die Ihre Smartphone-Nutzung misst. Für Android können Sie die Digital-Wellbeing-App eventuell auch im Google Playstore herunterladen – oder alternativ Apps wie Social Fever oder StayFree. Für iPhones gibt es zum Beispiel RealizD. Die Apps Offtime oder Space funktionieren auf beiden Betriebssystemen. Solche Dinge können sich jedoch ändern. Falls die Apps also nicht mehr erhältlich sind, suchen Sie einfach selbst nach dem Stichwort »Smartphone-Nutzung« im jeweiligen App-Store.
Wenn Sie in der Wochenansicht Ihrer Smartphone-Nutzung nach unten scrollen, sehen Sie, was für diese Nutzung – und vielleicht auch für Ihre eventuelle Fehleinschätzung – verantwortlich ist: Dort steht, mit welchen Apps Sie die meiste Zeit verbracht haben. Noch ein Stückchen weiter unten können Sie lesen, wie oft Sie Ihr Smartphone heute oder durchschnittlich in den letzten sieben Tagen »aktiviert«, also in die Hand genommen haben. Wie lautet Ihr Tagesdurchschnitt? Und wie gut haben Sie geschätzt? Wenn Sie Ihr Smartphone weniger als 88 Mal pro Tag in die Hand nehmen, liegen Sie übrigens unter dem bundesweiten Durchschnitt. Denn so oft holt laut einer Studie des Mental-Balance-Projekts der Durchschnittsbürger täglich sein Telefon aus der Tasche.1 Wenn man von 16 wachen Stunden am Tag ausgeht, ist das also alle elf Minuten. Die durchschnittliche Nutzungsdauer wiederum liegt inzwischen bei rund 3,5 Stunden pro Tag und steigt Jahr für Jahr weiter an. Für die allermeisten Menschen ist es also durchaus angebracht, ihr Leben einmal digital zu entrümpeln. Sie kennen sicherlich das herrliche Gefühl, wenn man – zum Beispiel vor einem Umzug oder einfach, um wieder mehr Platz zu haben – den Kleiderschrank ausgemistet hat oder diese zwei Schreibtischschubladen, in denen sich auf rätselhafte Weise immer der unnötigste Krimskrams ansammelt. Das digitale Entrümpeln, das Aufräumen in unserem digitalen Leben, fühlt sich mindestens genauso gut an – wenn nicht noch besser und befreiender.
Denn das Problem sind nicht unsere Smartphones und Tablets, also die Geräte an sich. Es ergibt keinen Sinn, diese zu verteufeln oder ihre Abschaffung zu fordern. Das Problem ist unser Verhältnis zu ihnen. Diese Kategorie von Geräten – die Dinge, die sie können, und die Apps, die darauf laufen – sind alle so neu, dass uns jegliche Erfahrung fehlt, wie wir vernünftig und gesund damit umgehen. Die Bundeskanzlerin Angela Merkel hat einmal gesagt, das Internet sei »Neuland« für uns alle – und wurde für diesen Spruch von einigen mit Hohn und Spott bedacht. Wie peinlich! Wie gestrig! Aber sie hatte vollkommen recht. All diese Dinge – Geburtstagsgrüße per WhatsApp, Partnersuche per Tinder, Jobempfehlungen per LinkedIn – sind erst wenige Jahre alt. Wir als Gesellschaft und als Individuen haben keinerlei wirkliche Erfahrung damit. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben, dass wir nicht im Geringsten wissen, was das alles mit uns macht. Trotzdem haben wir das kollektive Gefühl, es ginge nicht mehr ohne. Nach nur rund zehn Jahren Smartphone-Gesellschaft fragen wir uns, wie wir früher ohne WhatsApp, Google Maps oder den Bundesliga-Ticker in der Hosentasche überleben konnten.
Das liegt zum einen an den riesigen Komfort- und Effizienzgewinnen, die das Smartphone mit sich gebracht hat. Wir haben einerseits das Gefühl, durch die Apps und die vielfältigen Funktionen unserer Smartphones mehr erledigen zu können als jemals zu vor. Wie einfach ist es geworden, ein Zugticket zu buchen! Wie mühelos, in einer fremden Stadt den Weg zu finden oder herauszubekommen, was »Guten Tag« auf Indonesisch heißt! Wir können im Stau berufliche Mails abarbeiten und in der Badewanne nach einer neuen Wohnung suchen. Gleichzeitig fühlen wir uns so ineffektiv wie nie. Wir scheinen ständig im Rückstand zu sein, klagen über »digitale Erschöpfung« und wünschen uns, dass dieses kleine Gerät uns einfach mal eine Pause gönnt und uns in Ruhe lässt. Dabei gönnen wir selbst uns diese Pause nicht. Denn schon an der nächsten roten Ampel holen wir das Gerät wieder hervor, ohne Not und ohne Zwang. Sei es, weil wir uns einsam fühlen und uns nach digitaler Gesellschaft sehnen oder zumindest nach ein paar Herzchen unter unserem letzten Instagram-Post. Oder weil uns einfach langweilig ist und wir uns mit einem Spiel die Zeit vertreiben wollen, bei dem wir gleichfarbige Diamanten oder Früchte in eine Reihe schieben müssen. Vielleicht treibt uns auch die Angst, nicht schnell genug auf eine berufliche Anfrage zu reagieren.
Es ist verrückt, wie dieselbe Technologie, die uns so viele Freiheiten schenkt, uns gleichzeitig derart an der kurzen Leine hält. Wir können zwar an jeder Straßenecke mit einem einzigen Fingertipp ein Auto mit Fahrer herbeizitieren, wir haben auf Wunsch eine ganze Videothek und sieben Plattenläden in unserer Tasche und können, auf der Toilette sitzend, Pizza bestellen. Was für eine großartige Welt! Aber wenn wir unser kleines Zaubergerät einmal nicht bei uns haben, fühlen wir uns gleichzeitig unvollständig und beinahe so, als hätte man uns etwas amputiert. Lässt uns der Akku im Stich, oder haben wir zwischen Göttingen und Kassel-Wilhelmshöhe mal wieder kein Netz, kommt es uns vor wie fünf vor Weltuntergang.
Unser Ziel sollte sein, die positiven Errungenschaften der digitalen Technologien, die uns umgeben, bestmöglich zu nutzen und gleichzeitig nicht Opfer ihrer negativen Seiten zu werden. Es geht darum, die Freiheiten maximal auszukosten und parallel gegen die Versklavung anzukämpfen. Dieses Ziel zu erreichen – dabei möchte ich Ihnen mit diesem Buch helfen. Es ist in drei große Teile gegliedert.
•Im ersten Teil wird analysiert, was sich zwischen uns und unserem Smartphone abspielt. Welche psychologischen Mechanismen ablaufen, wenn wir es aus der Tasche ziehen. Warum viele dieser Mechanismen ganz gezielt eingesetzt werden, um unsere Bindung an die kleinen Geräte zu erhöhen. Welche Geschäftsmodelle auf unserer Smartphone-Sucht basieren und welche Ausprägungen diese annehmen kann. Die Beschreibungen stützen sich auf meine jahrelange Recherche zu diesen Themen: auf meine Gespräche mit und die Lektüre der Artikel und Bücher von Psychologen und Suchtexperten sowie Fachleuten für Interfacedesign und User Experience – also genau den Menschen, die unsere Smartphones und die dazugehörigen Apps so entworfen haben, dass wir nicht mehr davon lassen können.
•Der zweite Teil wird Sie ganz persönlich herausfordern. Er ist die 30-Tage-Challenge, bei der Sie – durchaus schmerzhaft – erkennen werden, wie groß die Rolle schon geworden ist, die das Smartphone in Ihrem Leben spielt. Sie werden aber auch die wunderbare Erfahrung machen, dass diese Entwicklung umkehrbar ist und Sie sich Ihr Leben Stück für Stück zurückholen können. Sie müssen Ihr Smartphone dafür nicht komplett auf- oder abgeben. Aber Ihr Konsum wird sich stark einschränken und verändern. Was Ihnen dabei helfen wird: eine fundierte Anleitung sowie Alternativen für alles, was durch die reduzierte Smartphone-Nutzung wegfällt. Sie werden überrascht sein, wie viel Zeit Sie plötzlich zur freien Verfügung haben.
Ein klarer und einfacher Plan führt Sie durch jeden einzelnen Tag der Challenge. Mit Aufgaben und Tipps finden Sie zu einem unbeschwerteren und gesünderen Verhältnis zu Ihrem Smartphone – zu einer digitalen Balance. Der Plan wird Ihnen auch mit Ideen zur Seite stehen, wenn es einmal schwerfallen sollte durchzuhalten. Am Ende der Challenge steht übrigens nicht: »Und jetzt wieder alles wie vorher.« Es handelt sich dabei schließlich nicht um eine Crash-Diät. Wir alle wissen, dass so etwas nutzlos, wenn nicht sogar schädlich ist. Es folgt vielmehr eine Anleitung, wie Sie die Zeit nach der Challenge gestalten können. Sie entscheiden am Ende selbst, welche dauerhaften Konsequenzen Sie daraus ziehen wollen.
•Im dritten Teil erfahren Sie, warum ein Leben mit einem bewussteren, reduzierten Smartphone-Konsum ein besseres Leben ist. Sie können und sollen diesen Teil bereits während der 30-Tage-Challenge lesen. Er ist eine hervorragende Motivation, da er Ihnen den Wert dessen vor Augen führt, was Sie sich Tag für Tag erarbeiten. So werde ich Ihnen darin zum Beispiel Studien vorstellen, die zeigen, dass ein Zusammenhang besteht zwischen intensiver Smartphone-Nutzung und Dingen wie Neurotizismus, niedrigem Selbstwertgefühl, Stress, schlechtem Schlaf und mangelndem Einfühlungsvermögen. Unter anderem könnte dies nämlich mit dem immer aggressiveren und radikaleren Tonfall gerade in den sozialen Medien zu tun haben, mit Hass und Einschüchterung, Mobbing und öffentlicher Beschämung. Ich werde Ihnen darlegen, wie eine eingeschränkte Smartphone-Nutzung auch Ihrer Privatsphäre dient, denn diese wird sowohl durch große Internet-Konzerne als auch durch dunkle Gestalten in den muffigeren Gassen der Onlinewelt permanent verletzt. Im dritten Teil gibt es auch einen speziellen Abschnitt, der sich an Familien, Kinder und Jugendliche richtet. Grundsätzlich eignet sich die 30-Tage-Challenge für Leserinnen und Leser jeden Alters – jeder, der alt genug ist, ein Smartphone zu benutzen, ist auch alt genug, diese Challenge anzunehmen und von ihr zu profitieren.
Begeben Sie sich nun gemeinsam mit mir und anderen Gleichgesinnten auf die Reise in eine selbstbestimmte Zukunft. In eine Zukunft, die nicht rückständig und technologiefeindlich ist, sondern in der Sie sich sorgfältig und bewusst das Beste herauspicken, was das Smartphone und die digitale Welt zu bieten haben – und gleichzeitig den ganzen Ballast, das Gerümpel und den Dreck außen vor lässt, die damit einhergehen und nur scheinbar nicht davon zu trennen sind.
Machen Sie sich bereit für die Challenge – in einem Monat werden Sie es sich selbst danken.