DJOUDJOU - Blut-Organe - Dantse Dantse - E-Book

DJOUDJOU - Blut-Organe E-Book

Dantse Dantse

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Beschreibung

"Wer bist du?" "Ich bin Djoudjou, der Nfeu-Men, ich bin der Tote, der in dir lebt. Ich musste sterben, damit du lebst. Jetzt musst du sterben, damit ich meine Ruhe finde." Das tragische Ende eines Familienfluches eines ruhmreichen Clans Dies ist die Geschichte der wohlhabendsten und einflussreichsten Familie Darmstadts, deren Oberhaupt sich das Leben nahm. Es ist die Geschichte seines erfolgreichen, aber unglücklichen Sohnes Johnny, der seit seiner Kindheit ein fremdes Organ, ein Herz, in sich trägt und dessen Frau ihn mit einem uncharmanten, türkischen Opa betrügt. Seit dem Betrug seiner Frau ist Johnny der Meinung, dass er die klagende und weinende Stimme eines kleinen Kindes in sich hört, und das macht ihn verrückt. Er ist sich sicher, dass er nicht halluziniert. Ist er psychisch krank, oder hört er wirklich die Stimme eines Kindes? Seine Suche nach dem Ursprung dieser Stimme führt ihn zu einem Psychotherapeuten und schließlich bis nach Kamerun. Auf dieser Reise stößt er auf unheimliche, tragische Wahrheiten über das fremde Herz, das er in sich trägt, und über ein angeblich ermordetes Kind, dem das Herz und andere Organe entwendet wurden. Ist es dieses Kind, das mit ihm spricht? Das Ende der Geschichte, die auf wahren Begebenheiten beruht, tut einfach weh... Dieser erschütternde Roman zeigt, wie das Streben der Menschen in den Industrieländern nach einem langen und gesunden Leben die Kriminalität und den brutalen Tod von Kindern in Afrika fördert. Der Organhandel hat in Afrika schlimmere Folgen als der Krieg. Der Organhandel fordert in Afrika mehrere Tausend Tote pro Jahr, somit vielleicht mehr als Terrorismus und Hungersnöte. Mit dieser Geschichte gelingt es dem Autor, dem Leser auf bewegende Weise einen Teil der Wahrheit über den illegalen Organhandel aufzuzeigen. "Vor 6 Jahren traf ich zufällig eine tieftraurige Frau in Kamerun, die mir ihre schmerzhafte Geschichte erzählte.

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DJOUDJOU - Blut-Organe

„Ich bin Djoudjou, der Nfeu-Men, ich bin der Tote, der in dir lebt. Ich musste sterben, damit du lebst.“

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

DJOUDJOU BLUTORGANE

Frankfurt 2013

Der Selbstmord des Vaters

Seine Frau betrügt ihn

Johnny muss zum Psychologen, er hört eine Stimme in sich – Das Unglück nimmt seinen Lauf

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Liebe Mama, liebe Lisa,

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Nachwort

Fakten und Auszüge aus Berichten

Über den Autor

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Impressum neobooks

DJOUDJOU BLUTORGANE

„Wer bist du?“

„Ich bin Djoudjou, der Nfeu-Men, ich bin der Tote, der in dir lebt. Ich musste sterben, damit du lebst. Jetzt musst du sterben, damit ich meine Ruhe finde.“

Das tragische Ende des Familienfluches einer ruhmreichen Familie aus Darmstadt

Roman

Die Geschichte beruht zum Teil auf wahren Begebenheiten und Erzählungen. Sie ist aber in einer fiktiven Rahmenhandlung erzählt.

Wahr ist die Geschichte des kleinen Kindes, das in Afrika umgebracht wurde und dem seine inneren Organe weggenommen wurden. Oft erzählt man bei solchen Verbrechen den Menschen vor Ort, um sie zu täuschen, dass es Schwarze Magie wäre. Tatsächlich geht es aber um Mord wegen der Organe, die in den westlichen Ländern teurer als Drogen gehandelt werden.

Vor 6 Jahren traf ich zufällig eine tieftraurige Frau in Kamerun, die mir ihre schmerzhafte Geschichte erzählte. Ihr fünfjähriger Sohn war entführt worden, und später hatte man seine Leiche in einem Gebüsch gefunden – ohne Augen, Herz, Lungen und Nieren. Die Polizei konnte den oder die Täter nicht ermitteln, aber man erzählte ihr, dass die Organe ihres Sohnes entnommen wurden, um in Europa verkauft zu werden. Ihr Kind musste sterben, damit ein anderes in Europa gerettet wurde. Sie führte daraufhin bestimmte magische Rituale durch und schwor dabei, dass die Personen, die diese Organe trugen, niemals in Ruhe und lang leben würden. Diese Organe würden ihr Unglück sein. Ich fragte sie, wie sie sich das vorstellte? Basierend auf ihrer Erzählung habe ich dann diesen Roman geschrieben. Der Roman ist somit eine fiktive Vision von den Wünschen dieser Frau.

Die Geschichte zeigt, wie das Streben der Menschen in den Industrieländern nach einem langen und gesunden Leben die Kriminalität und den schnellen Tod von Kindern in Afrika fördert. Der Organhandel hat in Afrika schlimmere Folgen als der Krieg. Der Organhandel fordert in Afrika mehrere Tausend Tote pro Jahr, somit mehr als der Terrorismus. Die Namen aller Personen sind frei erfunden.

Frankfurt 2013

Der Therapeut machte die Tür auf, Johnny M. Walker trat ein und setzte sich auf die Couch im Patientenzimmer.

„Guten Tag, Herr Mackebrandt.“

„Ich mag den Namen Mackebrandt nicht. Nennen Sie mich Walker“, griff Johnny sofort an.

„Guten Tag, Herr Walker.“

„Guten Tag, Dr. Camara.“

„Wie geht es Ihnen heute?“, fragte Doktor Camara.

„Ich weiß es nicht, Herr Doktor. Es ist so komisch mit mir. Aber seit Monaten eigentlich nichts Unnormales für mich. Ich weiß, dass Sie, wie ihre Kollegen, sagen werden, dass ich nur müde bin und Ruhe brauche. Deswegen frage ich mich wirklich, warum ich eigentlich hier bin.“

„Warum sind Sie dann heute hier?“, fragte der Therapeut.

„Ich glaube nicht, dass ich wirklich verrückt bin, wie Dr. Helling bereits gesagt hat. Ich höre Stimmen in mir, das heißt, ich höre eine bestimmte Stimme in mir. Die Stimme eines Kindes, das mich auffordert, es zu befreien. Das Kind weint und weint und sagt, dass ich sterben soll. Ja, es sagt, ich soll mich umbringen, damit es endlich seine Ruhe findet, aber ich weiß nicht, wer es ist und was es will“, erklärte Johnny M. Walker.

„Warum fragen Sie es nicht direkt, wer es ist? Es redet doch und Sie können es hören. Vielleicht kann es Sie auch hören?“, fragte der Therapeut ein bisschen ironisch.

„Ich weigere mich, Herr Doktor, zu glauben, dass ich verrückt bin. Mit ihm zu reden würde heißen, ich bin verrückt. Mit ihm zu reden würde bedeuten, dass ich multiple Persönlichkeiten habe, aber das stimmt nicht. Ich bin nicht viele“, gab Johnny zurück.

„Und was wollen Sie dann bei mir, wenn Sie nicht krank sind?“

„Ich weiß, dass ich nicht krank bin. Ich kann alles sonst normal machen, aber es wird von Tag zu Tag immer schwerer. Früher hat diese Person nur nachts mit mir geredet, wenn alles ruhig und ich allein war. Nun redet sie auch, wenn ich unter Leuten bin oder auch während eines Vortrages, überall. Ah ja, wie jetzt! Es redet, Doktor. Das ist die Stimme, da ist sie!“, sagte Johnny.

„Wie ist die Stimme? Ist es die Stimme eines Jungen oder eines Mädchens?“, wollte Dr. Camara wissen.

„Es ist die Stimme eines Jungen“, antwortete Johnny M. Walker.

„Was sagt das Kind?“

„Das Kind ist nicht von hier. Es hat einen total anderen Akzent. Es hat nur einmal Französisch geredet, als es mir sagte, dass ich sterben muss, sonst redet es in einer fremden Sprache, die ich nicht kenne“, erklärte Johnny.

„Können Sie beschreiben, was es auf Französisch gesagt hat?“, bat der Therapeut.

„Es sagte: libérez moi, libérez moi, je suis mort pour que tu vives, maintenant tu dois mourir pour que je trouve ma paix.“

„Ja, es sagte, es ist gestorben, damit Sie leben, und Sie müssen nun sterben, damit es seine Ruhe findet. Und die andere Sprache?“, fragte Dr. Camara.

„Ich habe sie noch nie gehört und kann sie gar nicht wiedergeben. Es klingt so fremd und die Stimme wird immer bedrohlicher“ sagte Johnny.

* * *

Johnny M. Walker war 32 Jahre alt, Rechtsanwalt, verheiratet, Chef und Teilhaber der Kanzlei Mackebrandt und Mackebrandt, seine Mutter war die andere Teilhaberin.

Er wohnte am Woog in Darmstadt und war der Sohn des Bauunternehmers Walker Mackebrandt und der Rechtsanwältin Margot Mackebrandt.

Das Leben von Johnny war bzw. besser gesagt sollte eigentlich ein Musterleben sein. Von außen schien es auch so.

Vor 34 Jahren hatten sich seine Eltern Walker und Margot Mackebrandt kennengelernt. Damals arbeitete W. Mackebrandt in der kleinen Baufirma seines Vaters.

Er war gerade mit dem Studium fertig gewesen und hatte sich bei verschiedenen Firmen beworben. Während er auf eine positive Antwort wartete, half er in der Firma seines Vaters, die ständig gegen die Pleite kämpfen musste.

Er hatte nicht vor, in dieser kleinen Stadt und in der Nähe seiner Eltern zu bleiben, und deswegen bewarb er sich nur bei Firmen, die in großen Städten saßen.

Der frühe Tod seines Vaters, der sich aus bis heute ungeklärten Gründen das Leben nahm, änderte seine Zukunft. Er blieb doch in Darmstadt. Die Firma seines Vaters zu retten wurde für ihn eine persönliche Sache, eine Ehrensache, und bald wurde die Firma Mackebrandt Bau die größte Baufirma der Region und der Name Mackebrandt eine Institution in Darmstadt.

Er machte die Bekanntschaft mit Margot, als er Baumaterial bei ihren Eltern abliefern musste. Sie war allein zu Hause und lernte für ihr Abitur.

Eine Woche später trafen sie sich zufällig in der Straßenbahn nach Eberstadt wieder, und seitdem waren sie nicht mehr zu trennen.

Margot studierte nach ihrem Abi Jura in Frankfurt, und zwei Jahre später heirateten sie. Sehr schnell, noch als Studentin, wurde sie schwanger, und 9 Monate später, vor exakt 32 Jahren, wurde Johnny W. Mackebrandt geboren.

Der kleine Johnny war für die Familie Mackebrandt das Zentrum des Lebens. Als einziges Enkelkind auf beiden Elternseiten wurde er entsprechend verwöhnt und bekam alles, was er wollte und auch alles, was er nicht wollte und gar nicht brauchte.

Er wuchs in einem sehr behüteten Umfeld auf, wo man sich über Geld keine Gedanken machen musste, es aber ein wichtiges Statussymbol war. Es wurde nicht nur luxuriös gelebt, es wurde auch gezeigt und präsentiert, wie reich man war und in welchem Luxus man lebte.

Als Johnny 7 war zogen seine Eltern aus dem Darmstädter Vorort Eberstadt direkt nach Darmstadt, in das noble Steinbergviertel, wo sie zu dritt in einer riesigen, dreistöckigen Villa wohnten.

Margot war mit dem Studium fertig und arbeitete nun als Rechtsanwältin in einer Kanzlei in Frankfurt.

Die Firma Mackebrandt erhielt sogar Aufträge aus dem Ausland und wuchs sehr schnell. Beide Elternteile waren beruflich erfolgreich und gesellschaftlich anerkannt, aber privat unglücklich.

Der kleine Johnny liebte es Fußball zu spielen, und nach einigem Zögern stimmte die Familie zu, dass er doch in einer Mannschaft spielen durfte. Häufig musste seine Oma ihn ins Training und auch zu den Spielen fahren. Seine Mama schaffte es, am Wochenende Zeit zu haben, aber der Papa selten. Er hatte immer etwas zu tun, war ständig auf Veranstaltungen, und wenn er zu Hause war, wurden Gäste eingeladen.

Der kleine Johnny hatte seinen Vater selten für sich allein und das machte ihn sehr traurig. Er hatte alles, was andere Kinder nicht hatten, er konnte sich alles kaufen und bestellen lassen, aber das, was die anderen Jungs in seinem Alter hatten, vermissten er sehr: seinen Papa und eine normale Familie. Er träumte davon, im Sommer nachmittags nach der Arbeit oder am Wochenende mit seinem Papa auf den Fußballplatz zu gehen und Fußball zu spielen. Er träumte davon, mit Papa und Mama einfach zu spielen, auf seinen Vater zu hüpfen, mit ihm Quatsch zu machen. Aber dieser Traum wurde selten Wirklichkeit. Wenn er sich beklagte, sagte die Oma nur: „Deine Eltern müssen so viel arbeiten, damit es dir gut geht.“ Johnny verstand das nie richtig und war sehr traurig darüber. Er fing an, an seinen Fingernägeln zu kauen, und seinen Frust verarbeitete er mit Sport: mit Schwimmen und Fitness im Sportkeller der Villa.

Fußball spielte er sehr gern, und er wurde bei den Spielen seiner Mannschaft fast immer aufgestellt. Er war zielstrebig, fleißig und zuverlässig, genau die Werte, die man ihm zu Hause mitgab. Wenn er etwas machte, machte er es voll. Er gab alles, hatte keine Angst vor Verletzungen und Verlusten, war sehr kämpferisch. Das gefiel seinem Trainer sehr, und obwohl er nicht so talentiert war, war er dennoch immer dabei.

Dann kam dieser Tag, der Tag des Schreckens. Es war im Mai 1990. Obwohl er die letzten Tage eine schwere Erkältung gehabt hatte und Antibiotika einnehmen musste, hatte er sich entschieden, das nächste Spiel zu spielen.

Er erinnerte sich noch, wie er mitten beim Spiel der TSG 1846 gegen den SV Darmstadt 98 plötzlich da auf dem Boden lag und alles vor seinen Augen verschwamm.

Er erinnerte sich noch, wie er wie im Traum etwas hörte: „Schnell, schnell einen Krankenwagen! Ruf einen Krankenwagen!“, und auf einmal war der Blackout da. Er war gerade 9 Jahre alt.

* * *

Johnny war mittlerweile 32 Jahre alt und verheiratet. Seine Tochter Melanie war 4, sein Sohn Jonas 7 Jahre alt, und er vergötterte die beiden über alles. Die schlechten Erfahrungen aus seiner Kindheit hatten ihn dazu gebracht, mehr für sie da zu sein. Er kümmerte sich sehr um sie und nahm sich viel Zeit für die Familie. Er begleitete seinen Sohn mindestens einmal pro Woche ins Training. Am Wochenende hatte er nichts anderes zu tun, als für seine Familie da zu sein. Genau das Gegenteil von dem, was sein Vater getan hatte. Vielleicht auch wegen der schlechten Erfahrung mit seiner Eltern, hatte er sich als Frau keine Karrieristin ausgesucht, sondern eine Frau, die der Familie ebenfalls viel Zeit geben konnte und wollte. Seine Frau Lisa, ebenfalls 32, war Grundschullehrerin an der Elly-Heuss-Knapp Schule in Darmstadt und hatte so genug Zeit für die Kinder und musste nicht, wie seine Mama, nur auf Kindermädchen zählen.

Obwohl er sich alles leisten konnte, hatte er es vorgezogen, in einem normalen Haus zu wohnen. Er hatte bis heute noch Angst, wenn er riesige Häuser mit sehr vielen Räumen sah. Das erinnerte ihn immer an seine leere und kalte Kindheit zu Hause. Damals hatten sie in der dreistöckigen Villa mit mehr als 10 Zimmern, 5 Bädern, einem Schwimmbad im Freien und einem im Keller gewohnt, obwohl sie nur zu dritt gewesen waren. Zu groß hatte er sein Zuhause immer gefunden und ohne Wärme. Meistens war er mit dem Dienstmädchen allein zu Hause gewesen und war dann aus Langweile immer von Zimmer zu Zimmer gegangen, damit die Zeit schneller verging.

Er hatte sich lieber ein beschauliches Haus in der Heinrich- Fuhr-Straße gekauft, wo jedes Kind sein Zimmer hatte, er seines und seine Frau ihres. Nichts war überflüssig, er hatte den Eindruck, dass es viel Wärme im Haus gab, und er konnte die Familie sofort im Blick haben.

Die Spätfolgen seiner unglücklichen Kindheit verfolgten ihn immer noch. Der frühe Tod des Vaters beschäftige ihn nach wie vor. Er hatte diesen Tod damals als persönlichen Angriff gegen sich selbst empfunden. Und er machte sich viele Vorwürfe. Hatte es daran gelegen, dass er seinem Vater die Liebe verweigerte und kaum Bindung zu ihm hatte? Hatte es daran gelegen, dass er unglücklich war und sein Vater es bemerkte? Hatte es daran gelegen, dass er seinem Vater einmal gesagt hatte, er sollte sich mehr um seine Familie kümmern, statt um den Ruhm bei falschen Freunden? Hatte es daran gelegen, dass er kein Interesse gehabt hatte, den Ingenieurberuf zu erlernen wie sein Vater? Dass er immer das Gegenteil machte und wollte als sein Vater? Tatsache war, dass ihn dieser Selbstmord, genau wie der seines Großvaters, sehr erschütterte und er das Gefühl hatte, dass es ihn als Versager und böses Kind darstellte.

* * *

Der Selbstmord des Vaters

Er erinnerte sich an den besagten Tag, als er gegen 14 Uhr nach Hause kam und den Krankenwagen und das Polizeiauto im Hof des Hauses sah. Er hatte sofort gespürt, dass etwas nicht in Ordnung war, und dass es um seinen Vater gehen musste, da dessen Auto im Hof stand. Normalerweise war er nie um diese Uhrzeit zu Hause. Ein Polizist kam auf ihn zu gerannt und brachte ihn sofort ins Wohnzimmer. Der Weg in den Keller war gesperrt, sonst war alles ruhig. Das Dienstmädchen war nicht zu sehen.

Der Polizist blieb bei ihm und hatte offensichtlich Schwierigkeiten, eine Erklärung abzugeben. Er schaffte es nicht, ihm in die Augen zu schauen und sagte ihm nur, er müsse noch ein bisschen warten. Bald kam eine Polizistin und fragte ihn, ob er wisse, wie man seine Mutter erreichen könne? Er war wie in Trance und ahnte was passiert war. Er tat alles, was von ihm gefordert wurde, ohne ein Wort zu sagen. Leider war die Mutter zuerst nicht zu erreichen, sie war zu einem Kongress in Mailand. Aber 10 Minuten später rief sie an und sagte, dass ihr Flug schon gelandet sei und sie fast schon in Darmstadt wäre. Er redete nicht mit ihr. Sie telefonierte mit der Polizistin, die ihr nicht direkt sagte, was los war, sie aber bat, schnell nach Hause zu kommen.

Er spürte nur noch Wut. Auch in diesem harten Moment war seine Mutter nicht da, um ihm zu erklären, was los war und ihn zu trösten.

Er wollte die Wahrheit nicht aus dem Mund der fremden Leute hören. Er stand auf und rannte schreiend aus dem Haus und war weg.

Er kam 20 Minuten später zurück, seine Mama war schon da und weinte. Dann erfuhr er, was er geahnt hatte. Sein Vater hatte sich ohne einen Abschiedsbrief zu hinterlassen das Leben genommen. Er hatte sich erhängt. Der schlimmste Tod und ein Fluch, dem man seiner Familie hinterlässt. So hatte sein Vater auch immer über den Tod seines eigenen Vaters geredet, und jetzt hatte er das gleiche getan. War gegangen, ohne etwas zu erklären, damit jeder sich Vorwürfe machen konnte. Das ärgerte Johnny so sehr, dass er nicht einmal um seinen Vater weinte.

Er entschied sich weiterzuleben und niemals so zu werden, wie sein Vater. Er hasste seine Familie. Er wollte niemals so viel Geld haben. Er wollte keine Frau haben, die Karriere machen wollte. Er wollte in keinem großen Haus wohnen. Er wollte nichts von seinem Vater haben.

* * *

Seine Frau betrügt ihn

Er hatte in seinem Leben mehrere Therapien gemacht, die mal mehr, mal weniger halfen. Auf jeden Fall hatte er einen Weg gefunden, mit seiner Vergangenheit zu leben. Er war nicht immer glücklich, aber zufrieden war er schon. Er war zufrieden, dass er eine eigene Familie hatte, die sich verstand, die zusammenhielt und in der das Geld und der Ruhm nicht im Vordergrund standen.

Aber seit 7 Monaten schien ihn die Vergangenheit nun wieder einzuholen und war dabei, ihn und seine Familie ganz langsam, aber stetig zu zerstören.

So viel Streit hatte er nie mit seiner Frau gehabt, wie in dieser Zeit. Er war antrieblos, er versuchte zwar immer noch für die Kinder der starke Mann zu sein und immer für sie da zu sein, aber er war längst nicht mehr dieser Mann. Er sah seine Familie kaputtgehen. Er sah zu, wie das Glück nicht bei ihm bleiben wollte. Er spürte wieder dieses Leere, diese Einsamkeit, diese Wut, wie damals in seiner Kindheit bei seinen Eltern.

Alles fing an, als er zufällig aufdeckte, dass seine Frau, seine Liebste der Liebsten, ihn mit dem Opa der Garten-Spielfreundin seiner Tochter Melanie betrug. Er hätte das nie für wahr gehalten, hätte er es nicht selbst gesehen.

Er hatte einfach auf einmal das Gefühl gehabt, dass seine Frau sich verändert hatte, aber auch positiv ihm gegenüber. Sie war noch aufmerksamer, noch freundlicher, aber machte sie sich auch noch hübscher, noch schöner als früher. Sie nahm schnell ab, begann Sport zu treiben und kaufte sich immer neue Sachen, unter anderem neue Unterwäsche.

Jeden Morgen freute sich so bei der Verabschiedung, als ob es gut wäre, dass er aus dem Haus ging, und wenn er nachmittags zurückkam, war die Wohnung picobello sauber. Er war zuerst sehr froh darüber, dass es seiner Frau so gut ging und da sie abgenommen hatte, wollte er ihr einen schönen Rock für ihre schönen Beine schenken. Er wusste aber nicht genau, welche Größe er nehmen sollte und fragen wollte er nicht, sonst wäre es keine Überraschung mehr gewesen. An diesem Tag entschied er, den besten Moment abzuwarten, bis sie aus ihrem Zimmer ging, damit er auf einem neuen Kleidungsstück die neue Größe nachschauen konnte.

Als sie dann irgendwann ins Bad ging, war die beste Gelegenheit, um sich anzuschleichen und die Größe zu erfahren. Er schaute in eine Hose und wollte sich noch versichern, ob die Röcke die gleiche Größe hatten. Deswegen suchte er im Schrank nach einem Rock, und als er einen herausnehmen wollte, fiel ein Kondom, das dazwischen gelegen hatte, auf den Boden. Seine Frau Lisa nahm seit Jahren keine Pille mehr, deswegen benutzten sie auch manchmal Kondome, aber nie diese Marke. Außerdem waren die Kondome doch immer in seinem Zimmer und nicht in ihrem, da Lisa meinte, die Kinder durchwühlten oft ihr Zimmer und sie wolle nicht, dass sie dabei die Kondome zu Gesicht bekämen.

Er war nun stutzig geworden, sagte aber zuerst nichts dazu. Er hoffte, dass alles nur ein Missverständnis war, dennoch wurde er sehr aufmerksam.

Früher hatte Lisa ihr Handy überall herumliegen lassen, aber jetzt tat sie es nicht mehr. Das Handy war nun ständig in ihrer Jeanshose und nur noch auf Vibration eingestellt. Genauso war es mit dem Laptop. Sie hatte früher immer alles offen stehen lassen, nun hatte sie den Laptop mit einem Passwort geschützt, und nachdem sie daran gearbeitet hatte, war immer alles aus, bzw. alle Fenster geschlossen. Eines Tages fragte er sie, warum sie nun so heimlich geworden sei mit ihren Sachen, da griff Lisa ihn an und tobte: „Was willst du damit sagen? Was willst du mir unterstellen? Sag doch, rück es raus!“

„He, sag doch, was vermutest du? Darf ich mit meinem Handy oder Laptop nicht mehr tun, was ich will?“, griff sie weiter an, obwohl er gar nichts mehr sagte.

Erschrocken über ihre Reaktion, und da er keine Beweise hatte, entschuldigte er sich und versuchte zu glauben, dass es wirklich nichts gab.

Anscheinend hatte Lisa nach dem Streit die Gefahr erkannt und änderte daraufhin ihre Strategie. Sie ließ wieder ihr Handy herumliegen und ihren Laptop an, nur ihr Email-Konto war immer abgemeldet. Lange Zeit passierte nichts Verdächtiges, und er fing, an sich selbst Vorwürfe zu machen, wegen seiner ungerechtfertigten Eifersucht. Es tat ihm leid, dass er seine Frau verdächtigt hatte. Er war wieder sehr lieb zu ihr und tat alles, damit die Sache vergessen wurde. Und dann…

Es kam, wie es kommen sollte. Eines Tages suchte er ein bestimmtes Stück Papier, ohne es in seinem Zimmer zu finden. Er dachte, er hätte es vielleicht aus Versehen in den Müll geworfen. Er ging zur Papier-Mülltonne und durchsuchte sie. Plötzlich sah er dort etwas, das er sicher nicht erwartet hatte. Sein Herz schlug so schnell und so stark, dass er das Gleichgewicht verlor und er nur noch schwarz sah. Alles war auf einmal schwarz, obwohl es heller Tag war. Was er da sah war wie ein Messer in seinem Herz. Soweit ist Lisa gegangen? fragte er sich. In seinem Kopf drehten sich die Ereignisse wie ein Strudel. Ab diesem Moment fing er an, diese Stimme zu hören.

* * *

Johnny muss zum Psychologen, er hört eine Stimme in sich – Das Unglück nimmt seinen Lauf

Es war am Anfang nur das Weinen eines Kindes. Es weinte unregelmäßig. Und dann irgendwann war das Kind fast ohne Pause da, so dass er kaum noch schlafen konnte. Das, zusammen mit der Affäre seiner Frau, machte ihn depressiv und fertig. Zum ersten Mal seit Jahren nachdem er das Haus der Eltern verlassen hatte, musste er sich wieder psychologisch helfen lassen.

Sein Psychologe versuchte, die Sache so sachlich und rational wie möglich zu erklären. Das Kind, das weinte, wäre er selbst, der einfach den Betrug seiner Frau und den Tod des Vaters nicht verkraften konnte.

Mehrere Psychologen wiederholten fast die gleiche Erklärung. Es wurde aber nicht besser. Er sammelte indessen immer mehr Beweise, dass seine Frau ihn betrog, aber es fehlte ihm der Mut sie zur Rede zu stellen. Er hatte Angst, dass sie ihn deswegen verlassen könnte, um zu ihrem Liebhaber zu gehen. Die Vorstellung, wieder eine wichtige Person in seinem Leben zu verlieren, machte ihm richtig Angst.

Als er dann entdeckte, mit wem seine Frau ihn betrog, wurde ihm alles zu viel. Er hatte einen Nervenzusammenbruch und musste stationär behandelt werden. Seine Ängste von früher kamen wieder, der Kampf gegen den Tod, damals auf dem Fußballplatz, der Tod seines Vaters, die Einsamkeit in der Kindheit, alle waren wieder da, und die harte Arbeit, die er über 15 Jahre an sich geleistet hatte, war wieder futsch. Und diese Stimme?

Diese Stimme in ihm war nicht still. Das Kind hatte aufgehört zu weinen, aber jetzt redete es ständig. Es redete in zwei Sprachen. Die eine kannte er gut und verstand sie, weil er selbst gut Französisch sprach, aber die zweite Sprache war ihm unbekannt.

Diese Stimmte übernahm langsam, aber stetig die Macht über ihn, und er wusste nicht, was er tun konnte. Er besuchte die besten Psychologen, sogar in Amerika, aber die Stimme war nicht zu stoppen. Alle Leute meinten, er sei psychisch krank, und hätte Wahnvorstellungen wegen seiner schwierigen Lebenssituation, und die Affäre seiner Frau wäre der Auslöser.

Aber er war sich sicher, dass es keine Einbildung war, es war keine Wahnvorstellung, keine Halluzination, er selbst war nicht krank, nicht verrückt. Diese Stimme existiert wirklich, sagte er immer.

Irgendwann fing das Kind wieder an zu weinen und erstmals drohte es richtig. Die meiste Zeit hatte es bis dahin in der unbekannten Sprache geredet, die er gar nicht so einfach wiedergeben konnte, aber nun sprach es häufiger Französisch: „Libérez moi, libérez moi“ oder „vous devez mourir, pour que je sois libérez“ und dann redete es wieder in der unverständlichen Sprache.

Als er das Dr. Helling, seinem Psychologen erzählte, entschied dieser sich, Dr. Camara zu Hilfe zu ziehen. Dr. Camara war Facharzt für Psychotherapie, ein bekannter Spezialist der Region und seine Praxis war in Frankfurt.

So kamen Johnny und Dr. Camara in Kontakt. Nach einem Telefonat vereinbarten sie einen Termin in seiner Praxis in Frankfurt.

Dr. Camara hatte ihm dabei gesagt, dass er die Sache mit seiner Frau auf den Tisch bringen sollte, um eine Belastung weniger zu haben, und danach würde man sehen, wie sich die Stimme veränderte. Er riet ihm auch, einen langen Sparziergang zu machen und sich Gedanken über seine Kindheit bis heute zu machen, damit sie beim nächsten Termin darüber reden könnten.

Obwohl er sehr darunter litt, hatte er seiner Frau bis dahin nichts gesagt und hatte den Psychologen verboten, ihr etwas davon zu erzählen. Jetzt ging kein Weg mehr daran vorbei. Er hatte gespürt, dass Dr. Camara ihm helfen könnte, er war der Einzig, der ihm das Gefühl gab, dass er verstanden wurde, dass er nicht verrückt sei.

Er spazierte schon seit fast einer Stunde durch den Wald hinter dem Vivarium von Darmstadt und erinnerte sich an alles, wie es der Therapeut geraten hatte. Er sollte eine Passé Revue machen, bevor sie sich am nächsten Tag wieder trafen.

Er ging sein Leben durch, von dem Moment, als er anfing als Kind Sachen bewusst wahrzunehmen bis zu dem Tag, als er den Schwangerschaftstest in seiner Mülltonne gefunden hatte. Der Tag, an dem die Stimme geboren wurde. Jetzt wollte er mit Lisa darüber reden, und er wollte nun wissen, wer der Liebhaber war.

Als er wieder zu Hause ankam, war Lisa da und wunderte sich, dass Johnny schon so früh nach Hause gekommen war.

„Ich habe dein Auto gesehen, aber du warst nicht da, wo warst du denn?“

„Du hättest mich anrufen können, wenn es dir so wichtig gewesen wäre, wo ich bin“, antwortete er.

„Das habe ich auch getan, aber dein Handy ist aus“, sagte sie.

Johnny nahm sein Handy aus der Tasche, und tatsächlich war es ausgeschaltet.

„Ich habe mir Sorgen gemacht.“

„Sorgen um mich oder um dich?“, fragte er leicht zornig.

„Was soll das, Jo?“

Sie liebte es, ihn Jo zu nennen, wie man ihn in seinem Freundeskreis nannte.

„Wie lange geht das schon, Lisa?“

Lisa war richtig überrascht. „Was, wie lange?“, fragte sie.

„Wer ist er?“

„Von was und wem sprichst du gerade, Jo?“

„Tu nicht so, als ob du nicht verstehst, was ich meine. Seit wann betrügst du mich?“, insistierte Johnny.

„Jo, ich weiß nicht, was mit dir los ist. Ich weiß, dass es dir nicht gut geht, aber mich als untreue Frau darzustellen ist respektlos. Du kennst meine Werte und meine Meinung zum Fremdgehen.“

Lisa war sich ihrer Sache sicher. Sie war sich sicher, dass Johnny sie nicht gesehen haben konnte. Sie hatte tolle Vorkehrungen getroffen und war kein offenes Risiko eingegangen. Als er das erste Mal misstrauisch geworden war, hatte sie sofort reagiert. Sie schrieben sich kaum noch SMS, und sie hatte ein anderes Mailkonto angemeldet, über das ihre Korrespondenz lief. Sie hatte sich nie bei Erkan aufgehalten, ohne dass die Mutter der kleinen Luna dabei gewesen wäre. Deswegen versuchte sie in die Offensive zu gehen, davon ausgehend, dass Jo wieder nur misstrauisch war und überhaupt keine Beweise in der Hand hatte.

„Jo, ich finde sehr beleidigend, was du hier über mich sagst. Ich verstehe, dass es dir nicht gutgeht. Ich verstehe, dass du überfordert bist. Dr. Helling sprach von Einbildungen und Wahnvorstellungen. Ich sage nicht, dass du welche hast, aber vielleicht…“