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Bernd stolperte durch Sträucher, stürzte und stützte sich mit den Händen an einem Stein ab. Es war ein Grabstein. Der Name, der hineingemeißelt war, brannte ihm förmlich in den Augen. Bernd Haider stand dort. Er raffte sich verzweifelt auf und stürzte weiter. Plötzlich hatte er den Strand erreicht. Von fern vernahm er Ruderschlag. Hinter ihm war plötzlich das Gerassel einer Kette. Er wollte herumwirbeln, doch da legte sich die Kette um seinen Oberkörper und wurde zusammengezogen.
Der Ruderschlag kam näher. Stimmen sprachen verhalten miteinander.
»Hoffentlich haben wir bald eine komplette Mannschaft.«
»Dann stechen wir in See.«
»Name?«
»Bernd Haider«, antwortete Bernd automatisch.
Er fühlte sich emporgehoben und gleich darauf in die Knie gezwungen. Unter seinem Sitzfleisch spürte er ein feuchtes Brett.
»Willkommen an Bord ...!«
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Seitenzahl: 132
Cover
Was bisher geschah
ZITADELLE DER VERDAMMTEN
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
mystery-press
Vorschau
Impressum
Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen gewidmet, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor. Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es dem »Dämonenkiller«, ihnen die Maske herunterzureißen.
Bald kommt Dorian seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit dem Teufel, der ihm die Unsterblichkeit sicherte. Um für seine Sünden zu büßen, verfasste de Conde den »Hexenhammer« – jenes Buch, das im 16. Jahrhundert zur Grundlage für die Hexenverfolgung wurde. Doch der Inquisition fielen meist Unschuldige zum Opfer; die Dämonen blieben ungeschoren. Als de Conde selbst der Ketzerei angeklagt und verbrannt wurde, ging seine Seele in den nächsten Körper über. So ging es fort bis in die Gegenwart. Dorian Hunter begreift, dass es seine Aufgabe ist, de Condes Verfehlungen zu sühnen und die Dämonen zu vernichten.
Als Rückzugsort in seinem Kampf bleibt Dorian neben der Jugendstilvilla in der Baring Road in London noch das Castillo Basajaun in Andorra, in dem er seine Mitstreiter um sich sammelt – darunter die ehemalige Hexe Coco Zamis, die aus Liebe zu Dorian die Seiten gewechselt hat. Nach der Geburt ihres gemeinsamen Sohnes Martin hat Coco diesen zum Schutz vor den Dämonen an einem Ort versteckt, den sie selbst vor Dorian geheimhält.
Auf der Suche nach der Mumie des Hermes Trismegistos findet Dorian den Steinzeitmenschen Unga, der Hermon gedient hat und der sich nach seinem Erwachen schnell den Gegebenheiten der Gegenwart anpasst. Auf Island gewinnt Dorian den Kampf um das Erbe des Hermes Trismegistos.
Die Invasion der Janusköpfe von der Parallelwelt Malkuth wird von den Padmas abgewehrt – mit Dorians Hilfe. Dem Padmasambhawa, der niemand anderes als Hermes Trismegistos ist, wird klar, dass er für das Entstehen der fürchterlichen Psychos auf Malkuth verantwortlich ist. Um zu büßen, geht Hermon durch eins der letzten Tore nach Malkuth. Auf der Erde sind zehn Janusköpfe gestrandet. Olivaro, das ehemalige Oberhaupt der Schwarzen Familie und selbst ein Januskopf, beschließt, seine Artgenossen zu jagen. Wenig später verursacht der Erzdämon Luguri die Zerstörung des Tempels des Hermes Trismegistos in Island. Unmittelbar vor der Vernichtung zeigt der magische Tisch sieben düstere Prophezeiungen. Vier davon haben sich bereits bewahrheitet, darunter auch jene über Martin Zamis: Der Sohn des Dämonenkillers wird von Luguri und dem Kinddämon Baphomet, der Reinkarnation des Dämonenanwalts Skarabäus Toth, entführt. Auf Sizilien kommt es zu einem magielosen Zustand. Dorian und Coco spüren Martin in der Kapuzinergruft von Palermo auf, aber während des Kampfes gegen die Dämonen zeigt sich das Srasham-Stigma auf Dorians Gesicht. Der verängstigte Martin flieht mit Baphomet durch ein magisches Tor.
ZITADELLE DER VERDAMMTEN
von Ernst Vlcek
Es war eine milde, klare Märznacht. Die Sterne strahlten so hell vom Himmel, dass man die ganze Ria von Vigo übersehen konnte. Sie tauchten das ruhige Meer und die umliegenden Hügel in sanftes Licht. Deutlich hoben sich die hell-dunklen Parzellen der Minifundien, mit Mais und Kohl bebaut, wie das Muster eines großen Schachbrettes voneinander ab.
Dort lag Vigo und in der anderen Richtung, direkt am Strand, der steinerne Hórreo seines Vaters. Maria erwartete ihn in der Scheune. Knapp davor gabelte sich der Weg, und dort stand das hohe Calvario, die Betsäule.
Darauf hielt Fernando zu.
Plötzlich wurde es unverhofft neblig. Der Nebel wurde immer dichter, bis Fernando kaum noch die Hand vor den Augen sehen konnte. Geräusche störten die Stille der Nacht. Schritte, Stimmen und Säbelgerassel waren zu hören. Fernando drehte sich im Kreise. Die Geräusche schienen von überall her zu kommen. Ein herrisches Kommando war zu hören, Geräusche, wie von exerzierenden Soldaten folgten.
Dann verstummten die militärischen Schritte schlagartig.
»Name?«, fragte eine befehlsgewohnte Stimme in gepflegtem Katalanisch.
Fernando zuckte zusammen. Er wich vor der Stimme des Unsichtbaren zurück. Eine furchtbare Angst befiel ihn. Er wusste auf einmal, was das zu bedeuten hatte. Sie kamen, um ihn zu holen.
»Name!«, forderte die Stimme wieder, nur diesmal ungeduldiger.
»Ich ...«, begann Fernando. Es versagte ihm die Stimme. Mit einem unartikulierten Aufschrei wirbelte er herum und rannte davon.
»Ein Deserteur! Ausschwärmen!«
Fernando begann schneller zu laufen. Er konnte überhaupt nichts sehen. Ein paarmal stolperte er über Steine und Sträucher, und auf einmal erkannte er, dass er vom Weg abgekommen war und querfeldein lief.
»Fangt ihn! Er darf nicht entkommen!«
Fernando wusste überhaupt nicht mehr, wo er war. In welcher Richtung lag das Meer, wo Vigo und die Scheune seines Vaters? Er musste unbedingt den Hórreo erreichen, bevor ihn seine Verfolger einholten. Maria wartete. Er musste sie unbedingt noch einmal sehen, und wenn es das letzte Mal war. Er bereute es bereits, sich auf diese Sache eingelassen zu haben, aber es schien kein Zurück mehr zu geben.
»Da ist er! Auf ihn!«
Die Verfolger schienen ihn trotz des dichten Nebels sehen zu können. Das Getrampel der Stiefel kam rasch näher. Fernando veränderte wieder die Richtung.
Plötzlich schälten sich aus dem Nebel die schemenhaften Umrisse eines Gebäudes, das trutzig wirkte wie eine Burg. In einem der beiden Fronttürme war ein Fenster erleuchtet. Es roch intensiv nach Seetang. War er bereits am Meer?
Fernando prallte zurück, als sei er gegen eine unsichtbare Barriere gerannt. Vor ihm erhob sich tatsächlich das Gemäuer einer Burg, obwohl er wusste, dass es hier weit und breit keine solche geben konnte. Da fielen ihm die Geschichten über die versunkene Zitadelle ein, die zu gewissen Zeiten aus dem Meer auftauchen sollte. Hier sollten angeblich die unruhigen Seelen der Matrosen herumspuken, die mit ihren Schiffen und unermesslichen Schätzen in der Ria von Vigo versunken waren.
Fernando hatte auf einmal einen unheimlichen Verdacht, der ihm die Haare zu Berge stehen ließ. Er rannte von der Zitadelle fort, bis der Nebel sie wieder verschluckt hatte.
»Lasst ihn nicht entkommen!«
Fernando bahnte sich einen Weg durch dichtes Gesträuch. Auch hier stank es nach Seetang. Zwischen den Sträuchern tauchten immer wieder verwahrloste Grabsteine auf.
Aber wieso? Hier gab es keinen Friedhof! Nur die Legenden wussten von einem solchen zu berichten. Es sollte ein verfluchter Ort sein, den niemand verlassen konnte, wenn er ihn einmal betreten hatte.
Fernando strauchelte und fiel mit dem Kopf hart gegen einen der Grabsteine. Für einen Moment war er wie benommen.
Als er die Augen aufschlug, blickte er genau auf die ungelenke Inschrift des Grabsteins. Dort stand: Fernando Vergara.
Aber das war sein Name!
Mit einem Aufschrei sprang er hoch und lief wie von Furien gehetzt weiter. Endlich ließ er den Friedhof hinter sich und erreichte das freie Feld. Hinter sich vernahm er immer noch die Schritte und die wütenden Stimmen seiner Verfolger.
Da tauchte erneut ein Schemen im Nebel auf. Es war ein schlankes, hoch aufragendes Gebilde. Erleichtert stellte Fernando fest, dass es sich um die Betsäule am Kreuzweg handelte.
Er ließ sich erschöpft dagegen fallen, umarmte die steinerne Säule und betete.
Der Nebel riss schlagartig auf, verflüchtigte sich, und auf einmal war wieder sternklare Nacht. Fernando blickte sich ängstlich um. Niemand war zu sehen. Es fanden sich auch keine Hinweise auf die Existenz eines Friedhofs oder einer Zitadelle.
Nachdem er wieder einigermaßen zu Atem gekommen war, lief er, so schnell er konnte, zu dem steinernen Speicher seines Vaters. Die beiden Kreuze an den Dachgiebeln vermittelten den Eindruck von einer kleinen Kapelle. Für Fernando war es ein Zufluchtsort, wo er Asyl vor den Schrecken der Nacht finden konnte.
»Maria!«, rief er, während er durch die Öffnung in die Scheune stürzte. »Maria, bist du da?«
Er hörte ihren raschen Atem, spürte, wie sich sanfte Haut gegen sein Gesicht schmiegte und sich schlanke Arme zärtlich um ihn schlangen, und er klammerte sich an die zierliche Gestalt, als befürchtete er, sonst in einen unendlich tiefen Abgrund zu fallen.
»Fernando, was ist denn nur passiert?«
Er gab keine Antwort, hielt die Geliebte nur fest im Arm, küsste ihr Gesicht und ihren Körper. Die Erinnerung an die schreckliche Wirklichkeit ließ ihn zu einem zitternden Nervenbündel werden.
Er bettete sein Gesicht schluchzend in ihren Schoß.
»Fernando ...« Sie ließ ihm Zeit, bis er sich von seinem Schock erholt hatte. Es dauerte eine geraume Weile, bis sein Körper zu zittern aufhörte.
Er hob den Kopf. »Maria, ich bin gekommen, um von dir Abschied zu nehmen. Ich gehe fort.«
Sie blickte ihn nicht an, streichelte seine Hand, starrte ins Leere. »Warum?«, fragte sie tonlos. Und: »Wohin?«
»Ich ertrage die Armut nicht mehr«, schrie er fast. »Ich möchte nicht wie mein Vater ein Leben lang schuften und trotzdem ein armes Schwein bleiben. Ich werde meinen Weg machen. Ich habe auf einem Schiff angeheuert. Wenn ich zurückkomme, werde ich reich sein.«
Sie kannte das. Schon viele tatendurstige junge Männer hatten Galicien verlassen, um in der Fremde reich zu werden. Irgendwann kamen sie zurück, gebrochen, enttäuscht, verbittert. Man fand sie überall in Galicien auf ihren zweirädrigen Ochsenkarren sitzend, auf ihren winzigen Minifundien Mais einholend, in den Straßen vor den Cafés herumlungernd – noch immer träumend von den verpassten Gelegenheiten in der Vergangenheit.
»Ich weiß, was du denkst, Maria«, sagte Fernando. »Aber mir wird es nicht so ergehen wie diesen gescheiterten Existenzen. Ich werde mein Glück machen.«
»Auf einem Schmugglerschiff?«
»Ich gehe auf Schatzsuche.«
»Fernando!«
»Nicht, Maria!« Er legte ihr eine Hand auf den Mund. »Ich habe mich entschieden. Du kannst mich nicht mehr umstimmen. Ich könnte auch nicht mehr zurück, denn ich habe mich mit meinem Blut verpflichtet.«
Jetzt war es an ihr, zu weinen. Sie hatte sich nicht viel vom Leben erwartet; nur ein kleines Glück. Aber selbst das entriss ihr das Meer.
Sie spürte, wie er wieder zu zittern begann, und das ließ sie doch noch hoffen. »Wovor fürchtest du dich eigentlich, Fernando?«
»Ich habe keine Angst.«
»Bist du zu stolz, um mir zu sagen, was eigentlich passiert ist? Vertraue dich mir an!«
Er ballte die Hände zu Fäusten, um das Zittern zu verbergen. »Ich kann es nicht recht erklären. Ich weiß selbst nicht mehr genau, wie alles gekommen ist. Da war ein Mann. Ich habe ihn eines Nachts getroffen. Wir haben über die Schätze geredet, die in der Bucht von Vigo verborgen liegen, Schätze, die nur darauf warten, gehoben zu werden.«
Sie lächelte. Alle jungen Männer träumten davon, die Schätze der versunkenen Galeonen zu heben. Viele hatten ihr Leben und ihre Träume im Meer gelassen. »Aber dann brauchst du nicht fortzugehen«, sagte sie. »Die Bucht breitet sich direkt vor uns aus. Wenn du ihre Schätze heben willst, dann wirst du mir nicht fern sein.«
»Es ist etwas anderes«, sagte er. »Ich kann es dir nicht erklären. Ich weiß selbst nicht genau – aber ich werde für eine Weile fort sein. Wirst du auf mich warten?«
Sie schüttelte verständnislos den Kopf, versuchte seinem Blick zu begegnen, aber er wich ihr aus.
Plötzlich drückte er sie wieder an sich. »Wartest du auf mich, Maria? Ich muss fort. Wenn ich nicht freiwillig gehe, werden sie mich holen.«
»Wer?«
Er gab keine Antwort. Wieder spürte sie, dass er zitterte. Sie verstand nicht, warum er auf seiner Entscheidung beharrte, wenn er Angst hatte.
Sein Kopf ruckte hoch. »Hörst du den Ruderschlag?«
»Nein.«
»Sie kommen, um mich zu holen. Ich muss gehen.«
»Wer kommt, dich zu holen, Fernando?«
»Sie rufen mich.«
Er erhob sich. Sie versuchte, ihn zurückzuhalten, aber entschlossen entzog er sich ihrem Griff und lief aus dem Speicher. Sie raffte ihr Kleid hoch und folgte ihm ins Freie. Er drehte sich um. »Bleib zurück, Maria! Sie sollen dich nicht sehen.«
Der Strand lag in dichtem Nebel.
Fernando lächelte ihr noch einmal zu, dann war er im Nebel verschwunden.
Sie rief seinen Namen, aber er antwortete nicht. Verzweifelt lief sie den Strand entlang, in der Hoffnung, die Anlegestelle zu finden; sie schlug seine Warnung einfach in den Wind.
Jetzt konnte auch sie den Ruderschlag eines Bootes hören. Die Geräusche näherten sich dem Ufer. Gedämpfte Stimmen unterhielten sich. Sie bildete sich ein, dass von holländischen und englischen Flotten gesprochen wurde und von einer Seeblockade.
»Wenn wir komplett sind, stechen wir in See.«
»Hoffentlich haben wir bald eine vollzählige Mannschaft.«
Sie konnte das Geräusch der gegen den Bootsrumpf schlagenden Wellen deutlich hören. Kies knirschte, als der Kiel sich in den Ufersand bohrte.
»Da ist der Neue!«
»Name?«
»Fernando Vergara.«
Maria lief den Stimmen nach. Doch sie schienen jedes Mal aus einer anderen Richtung zu kommen, und je näher sie ihnen zu kommen glaubte, desto weiter entfernten sie sich. Maria war verzweifelt. Wieder rief sie den Namen ihres Geliebten. »Los, fort von hier!« Erst jetzt fiel ihr auf, dass die Unbekannten nicht das Gallego der Einheimischen sprachen. Es war deutlich zu hören, wie das Boot wieder ins Wasser gezogen wurde. Der Ruderschlag entfernte sich rasch, wurde immer leiser, verhallte schließlich ganz.
Nur noch einmal wurde die Stille der Nacht unterbrochen, als fernes Kettenrasseln zu hören war, dem ein lang gezogener Schrei folgte. Dann erst war es endgültig still.
Der Nebel verflüchtigte sich.
Die Sterne strahlten wieder hell vom Himmel, spiegelten sich tausendfach in der glatten See. Nirgends war ein Boot zu sehen. Auch von Fernando fehlte jede Spur.
Maria stand allein am Strand. Sie krümmte sich und glitt langsam zu Boden, wobei ihr Körper von heftigem Schluchzen geschüttelt wurde. Sie wusste, dass sie Fernando nie mehr wiedersehen würde.
Auf dem Tragflügelboot herrschte dichtes Gedränge. Es war nicht leicht gewesen, einen Platz auf der Fähre zu ergattern. Alle Leute wollten auf einmal aus Palermo fliehen. Doch irgendwie hatten es Coco Zamis und Dorian Hunter doch noch geschafft, einen Platz auf der Fähre zu bekommen. Nun lag Sizilien zehn Seemeilen hinter ihnen. Die Fähre steuerte Ustica an.
»Was auf Sizilien passiert ist, kann sich jederzeit und an jedem Ort der Welt wiederholen«, sagte Dorian und versuchte, sich in dem Gedränge etwas Platz zu machen. Das Geschnatter aufgeregter Menschen rund um ihn zerrte an seinen Nerven.
Er legte Coco einen Arm um die Schultern und drückte sie an sich. »Ich stelle mir vor, was passiert, wenn dieses Phänomen in einer Großstadt auftritt.«
Coco blickte zu ihm auf. »Du hast im Tempel des Hermes Trismegistos auf Island die Vision einer Großstadt in Panik gehabt. Glaubst du, dies könnte eine Parallele zu den Geschehnissen auf Sizilien sein?«
»Möglich. Aber ich kann mir darüber noch kein Urteil bilden«, erwiderte Dorian schulterzuckend. Er schob Coco durch die Menge und sagte grollend: »Irgendwo muss man auf dieser Fähre doch etwas zu trinken bekommen.«
Er drängte einen kleinen Sizilianer beiseite, der wild gestikulierend auf eine Gruppe alter Frauen einsprach.
Dorian fuhr fort: »Bisher haben sich schon drei Prophezeiungen bewahrheitet: die Invasion der Riesenkraken, der zum Leben erwachte Kreuzritter und die Bedrohung aus dem ägyptischen Sarg. Und schließlich wurde auch die vierte der insgesamt sieben Prophezeiungen wahr, die unseren Sohn betraf.« Dorian ballte die Hände zu Fäusten. »Martin ist in höchster Gefahr. Ich habe es von Anfang an gespürt. In Palermo war er mir zum Greifen nahe. Coco, weißt du, was für ein schreckliches Gefühl das ist, wenn man so knapp vor dem Ziel versagt? Es ist alles meine Schuld. Wenn ich in diesem entscheidenden Augenblick nicht die Nerven verloren hätte, wäre meine Gesichtstätowierung nicht sichtbar geworden. Aber ich hatte mich nicht unter Kontrolle, und als Martin mein Stigma sah, floh er vor mir. Mein eigener Sohn fürchtete mich mehr als den Dämon, der ihn bedroht. Ich werde mir ewig Vorwürfe machen.«
»Du sollst dich nicht so quälen, Dorian«, redete ihm Coco zu. »Es wird dadurch nichts besser.«
»Aber Martin befindet sich in der Gewalt des Kinddämons, ohne zu wissen, in welcher Gefahr er schwebt.«
»Das ist besser so.«
»Ja, vielleicht. Was für ein schwacher Trost! Martin ist mit Baphomet durch ein Dämonentor verschwunden. Wo sollen wir nach ihm suchen?«