Dorian Hunter 25 - Horror-Serie - Ernst Vlcek - E-Book

Dorian Hunter 25 - Horror-Serie E-Book

Ernst Vlcek

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Beschreibung

Die Rattenkönigin
von Ernst Vlcek

Du hörst die Frau deiner Träume rufen: "Carl, Carl, Carl - mein Körper sehnt sich so nach dir!"
Du richtest dich im Bett auf und folgst dem Ruf - "Carl, Carl, Carl!" - in den Garten und weiter, obwohl eine Stimme in dir flüstert: Tu es nicht. Geh nicht in den Tod!
Doch da umringen sie dich bereits: graue, glitschige und struppige Körper. Es quiekt, raschelt, faucht und quirlt um dich herum. Du rutschst auf etwas Nassem, Glitschigem aus, verlierst fast den Halt.
Ich lasse meine Jenny nicht warten, denkst du trotzdem.
Und die Rattenkönigin Jenny lacht - und stachelt die Horden mit ihren Pfiffen zu mörderischer Wildheit an!

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Seitenzahl: 140

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Inhalt

Cover

Impressum

DIE RATTENKÖNIGIN

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

mystery-press

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Mark Freier

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-8399-7

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Auf Schloss Lethian an der österreichisch-slowenischen Grenze gerät der Reporter Dorian Hunter in ein Abenteuer, das seinen Verstand übersteigt. Die acht Männer, die seine Frau Lilian und ihn begleiten, sind seine Brüder – gezeugt in einer einzigen Nacht, als die Gräfin von Lethian, selbst eine Hexe, sich mit dem Teufel Asmodi vereinigte! Dorians Brüder nehmen die Offenbarung euphorisch auf. Nur Dorian will sein Schicksal nicht akzeptieren. Er tötet seine Mutter und eröffnet die Jagd auf seine Brüder. Danach steckt er das Schloss in Brand und flieht mit seiner Frau. Aber Lilian hat bei der Begegnung mit den Dämonen den Verstand verloren. Übergangsweise bringt Dorian sie in einer Wiener Privat­klinik unter, die auf die Behandlung psychischer Störungen spezialisiert ist – und begegnet kurz darauf der jungen Hexe Coco Zamis, die von ihrer Familie den Auftrag erhalten hat, Dorian zu töten. Doch Coco verliebt sich in den Dämonenkiller und wechselt die Seiten, wodurch sie nicht nur ihre magischen Fähigkeiten verliert, sondern da­rüber hinaus aus der Schwarzen Familie ausgestoßen wird.

Coco wie auch Dorian sind nun gleichzeitig Jäger und Gejagte, denn Dorian hat sich geschworen, seine Brüder, die das Feuer auf Schloss Lethian offenbar allesamt überlebt haben, zur Strecke zu bringen. In London tötet er Roberto Copello, nachdem dieser den Secret-Service-Agenten Donald Chapman auf Puppengröße geschrumpft hat. Mit Hilfe des Secret Service gründet Dorian die »Inquisitionsabteilung«, der nicht nur er selbst, sondern auch Coco und der Puppenmann Chapman fortan angehören. Ein weiteres »inoffizielles« Mitglied ist der geheimnisvolle Hermaphrodit Phillip, dessen Adoptiv­eltern von Dämonen getötet wurden. Zum Hauptquartier der Inquisi­tions­abtei­lung wird die Jugendstilvilla in der Baring Road, in der Phillip aufgewachsen ist, doch gleichzeitig stöbert Dorian Hunter weiter in der Bibliothek seines alten Reihenhauses in der Abraham Road nach Hinweisen auf dämonische Umtriebe – und stößt auf das Tagebuch des Barons Nicolas de Conde, der auf dem Eulenberg nahe Nancy im Jahr 1484 seine Seele dem Teufel verkaufte. De Conde bereute, wurde zum Hexenjäger und Mit­autor des »Hexenhammers« und starb als angeblicher Ketzer. Der Fluch erfüllte sich. Seither wird de Condes Seele nach jedem Tod in einem neuen Körper wiedergeboren – und tatsächlich gelingt es ihm als Dorian Hunter, Asmodi zu vernichten!

Aber schon droht neue Gefahr – durch die sogenannten Dämonen-Drillinge, deren Geburt Dorian in seinem zweiten Leben als Juan Garcia de Tabera beiwohnte. Angeblich gibt es nur ein Mittel, die Drillinge zu vernichten: den goldenen Drudenfuß. Von dem unheimlichen doppelköpfigen Vampir Thören Rosqvana hat Dorian erfahren, dass die Ratten von Borvedam über den Drudenfuß wachen – und mit ihnen die Rattenkönigin!

DIE RATTENKÖNIGIN

von Ernst Vlcek

Du hörst die Frau deiner Träume rufen: Carl, Carl, Carl – mein Körper sehnt sich so nach dir! Es ist Nacht. Du liegst bereits im Bett. Aber du schläfst nicht, und du bist auch nicht wach. Du befindest dich in einem Zustand zwischen Traum und Wirklichkeit. Wie schon in den vergangenen Nächten erscheint dir auch diesmal wieder das wunderschöne Mädchen. Es ist jung, grazil – und verführerisch. Sein wohl­proportionierter Körper wird von langem blondem Haar umweht, das die Blößen verdeckt und doch erahnen lässt; wie ein raffiniertes, durchsichtiges Negligé. Diesmal ruft das Mädchen dich. Es braucht dich. Carl, komm!

Und du richtest dich im Bett auf, langsam und vorsichtig, weil du Angst hast, du könntest das Bild verscheuchen. Das Verlangen wächst in dir, je länger du die Erscheinung betrachtest. Das Rufen wird drängender, sehnsüchtiger.

Carl, Carl, Carl!

Noch nie hast du sie so deutlich gesehen, noch nie war sie dir so nahe.

1. Kapitel

Und zum ersten Mal hörst du ihre lautlose Stimme, ihren drängenden Lockruf. Du kannst nicht anders, du musst ihr folgen.

Nun stehst du im Zimmer. Das Fenster ist offen. Das fahle Mondlicht der Novembernacht fällt herein, webt ein Muster auf den Boden und das Bett. Schatten bewegen sich, als hätten sie ein eigenes Leben. Dich fröstelt unter dem dünnen Nachtgewand.

Ich werde dich wärmen, Geliebter, verspricht die verführerische Stimme in deinem Geist.

Du ziehst einen Morgenrock über, ohne die Fremde aus den Augen zu lassen, die jetzt durch das Fenster schwebt. Du willst nach ihr greifen, doch deine Hand gleitet durch sie hindurch. Du eilst ihr nach, doch mit jedem Schritt, den du auf sie zumachst, weicht sie vor dir zurück. Nein, sie darf nicht entschwinden! Du möchtest sie umarmen, fest an dich drücken, ihr Herz an deinem schlagen spüren, ihren warmen, festen Körper mit der Pfirsichblütenhaut kosen.

Du bist am Fenster, kletterst hinaus und springst die zwei Meter in den Garten hinunter. Irgendwo schlägt eine Turmuhr zwölf. Der Klang der Glocken schreckt dich aus deinem Wachtraum. Kälte! Du zitterst, aber gleich ist dir wieder warm. Die Bäume und Sträucher des Gartens erscheinen dir wie mahnende Finger des Schicksals. Carl, geh nicht in den Tod!

Zu deinen Füßen wimmeln schemenhafte Körper, grau, glitschig und struppig. Es quiekt, raschelt, faucht und quirlt um dich herum. Ein kalter Nachtwind fährt dir in die Glieder, rüttelt dich auf. Verweht ist das Bildnis des überirdisch schönen Mädchens.

Du willst umdrehen, möchtest zurückkehren in die Geborgenheit deines Zimmers. Doch kaum machst du einen Schritt zurück, tritt dein Fuß auf weiche, pelzige Körper. Scharfe Zähne traktieren deinen Rist, die Zehen und Fußballen. Du rutschst auf etwas Nassem, Glitschigem aus, verlierst fast den Halt.

Carl, komm! Lass deine Jenny nicht warten!

Ihre Lockrufe schlagen dich wieder in ihren Bann. Du siehst sie wieder – die Frau deiner Träume. Sie erwartet dich hinter dem Gartenzaun. Und sie strahlt Wärme aus. Sie hat die Arme wie zur Umarmung ausgebreitet, den Kopf tief in den Nacken gelegt, die Augen geschlossen, der Mund ist wie in Erwartung eines Kusses halb geöffnet. Durch die herabfallenden Haare schimmern die rosa Warzen ihrer Brüste.

Carl, Carl, Carl!, fleht sie.

Ihre Lockrufe berauschen deinen Geist. In dir hat sich eine Spannung aufgestaut, die du nur durch körperliche Vereinigung mit diesem betörenden Wesen abschütteln kannst. Du meinst, vergehen zu müssen vor Sehnsucht nach ihr.

Die kleinen, huschenden sehenden Schatten zu deinen Füßen schrecken dich nicht mehr, denn auf einmal weißt du, dass sie die Boten deiner Traumfrau sind. Sie führen dich zu ihr. Folge ihnen durch Nacht, Nebel und Novemberkälte, und du wirst in ihren Armen die Erfüllung all deiner Wünsche finden.

Das nächtliche Borvedam versinkt um dich. Vereinzelte Lichter zeigen dir Momentaufnahmen von verlassenen Straßen. Du setzt schnell einen Fuß vor den anderen, durcheilst die Straßen in wilder Hast – aber du kommst der Frau deiner Träume nicht näher. Und trotzdem weißt du nun ganz bestimmt, dass sie nicht unerreichbar für dich ist. Du musst nur zum Horizont gelangen; dort ist ein Regenbogen, und in diesem Regenbogen wartet sie auf dich – die Frau deiner Träume. Deine Jenny.

Und wenngleich dir irgendwie bewusst wird, dass der Weg in die Tiefe führt, du durch einen Kanal und dann einen Schacht hinunterkletterst, so weißt du doch ganz bestimmt, dass dieser Weg auch geradewegs in den siebten Himmel führt. Die kleinen, quiekenden Schemen zu deinen Füßen huschen vor dir her, halten ein, putzen sich, hasten weiter. Kleine, tanzende Irrlichter spenden ein angenehmes Licht. Sie spiegeln sich in knöcheltiefem Wasser. Und dann ist der Boden des Stollens so mit den kleinen, pelzigen Tieren übersät, dass du Angst hast, auf eines von ihnen zu treten, aber wie durch ein Wunder wird immer wieder genügend Platz frei, wo du deinen nackten Fuß hinsetzen kannst.

Carl, Carl, Carl!

Das Rufen wird eindringlicher, drängender, ist voll unterschwelliger Leidenschaft. Und plötzlich weicht sie nicht mehr vor dir zurück. Du kommst ihr näher. Und dann bist du bei ihr. Bei der Frau deiner Träume.

Wie benommen fällst du ihr in die Arme. Ihr heißer, keuchender Atem umfächelt dein Gesicht. Dein Morgenrock fällt von dir ab. Dein Nachtgewand wird zerfetzt und entblößt deinen bebenden Körper. Es kommt zur ersten scheuen Berührung. Zart und ängstlich tanzen deine Fingerspitzen über ihren Körper. Ein wohliger Schauer durchrieselt dich, dann durchrast dich siedend heiß die Leidenschaft. Es ist eine Explosion deiner aufgestauten Begierden.

»Carl, Carl – nicht so stürmisch! Du musst zärtlich zu deiner Jenny sein. Ganz, ganz zärtlich. Ja, so.«

Zum ersten Mal hörst du ihre wirkliche Stimme. Sie klingt irgendwie fremd, so ganz anders als die lautlosen Lockrufe; aber das dringt nicht bis in dein Bewusstsein. Du bist wie berauscht. Du willst ganz und gar diesem überirdisch schönen Wesen gehören, das dir ganz gehören will.

»Wie lange habe ich auf diesen Augenblick gewartet, Carl! Nun habe ich endlich den Mut gefunden, dich zu mir zu rufen. Ich will deine Geliebte für diese eine Nacht sein. Deine letzte Nacht.«

Was sind das für Worte? Egal, sie sind Schall und Rauch. Die Wirklichkeit ist der junge, bebende Körper deiner Jenny. Und selbst wenn es deine letzte Nacht wäre, du würdest nicht tauschen wollen. Dafür, dass du diese köstlichen Augenblicke erleben darfst, willst du jeden Preis bezahlen. Gern willst du dein Leben für dieses kurze Glück hergeben.

Wirklich? Hast du wirklich eben so gefühlt, so verblendet gedacht, Carl? Deine eigenen Gedanken sind dir plötzlich fremd. Der Leidenschaft, dem blinden Wahn folgt die Ernüchterung auf den Fuß. Du siehst auf einmal alles mit ganz anderen Augen. Auch die Frau deiner Träume. Der Traum ist verflogen. Die Wirklichkeit stürzt über dich herein – mit all ihren Schrecken.

Du bist in einer Höhle. Giftspritzende Irrlichter umschwärmen dich, traktieren dich mit ihren Stichen. Zu deinen Füßen quirlen Unmengen von Ratten. Der Boden scheint zu leben. Sie gebärden sich wie in Ekstase. Du weichst vor etwas Abscheulichem, unsagbar Schrecklichem zurück, für das du keine Worte finden kannst. Jenny entschwindet endgültig, taucht im dunklen Winkel der Höhle unter. Und im Schutz der Dunkelheit beginnt sie zu lachen. Was für ein ordinäres, animalisches Lachen das ist!

»Du bist ein Versager, Carl!«, schleudert sie dir entgegen. Und dazwischen gibt sie Pfeiflaute von sich, und die Ratten bewegen sich im Rhythmus dieser Töne. »Du bist nicht der rechte Liebhaber, Carl. Wie ich dich verachte! Du bist meiner Liebe nicht wert. Gerade gut genug als Rattenfutter.«

Und sie lacht kreischend, schrill und in höchsten Tönen. Und dazwischen stößt sie immer wieder diese merkwürdigen Pfeiflaute aus. Das bringt die Ratten zur Raserei. Sie stürzen sich auf dich. Reißen mit ihren scharfen Zähnen Fleischfetzen aus deinem Körper. Sie kratzen dir die Augen aus. Du taumelst blind davon. Stolperst über Hindernisse, rutschst auf den glitschigen Körpern aus. Fällst der Länge nach hin – und dann sind sie über dir – die Ratten von Borvedam.

Und Jenny lacht – und stachelt die Rattenhorden mit ihren Pfiffen zu mörderischer Wildheit an. Und du hast noch einen letzten Gedanken, bevor der Tod dich von den furchtbaren Qualen erlöst. Du denkst: Es hat sich nicht gelohnt, Jennys Geliebter gewesen zu sein.

»Hier sind wir richtig«, erklärte Dorian und stellte den Motor des Leihwagens ab.

Am Ufer der Amstel drängte sich eine dichte Menschenmenge. Einsatzfahrzeuge der Polizei standen herum, blockierten den Verkehr. Polizisten scheuchten die Autofahrer weiter, die sich hinter den Lenkrädern die Hälse verrenkten, um einen Blick auf das Geschehen werfen zu können; aber die Menschenmenge verstellte ihnen den Blick.

»Du kannst doch den Wagen nicht einfach hier abstellen«, sagte Coco, aber Dorian hörte sie nicht mehr; er war bereits aus dem Wagen gestiegen. Sie hob die Schultern und folgte ihm.

Ein uniformierter Polizist eilte herbei und versuchte, ihnen wild gestikulierend klarzumachen, dass es hier nichts zu sehen gäbe und sie weiterfahren müssten.

»Ich muss zu Kommissar Rejnbrink«, unterbrach ihn Dorian in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. »Es ist dringend. Im Polizeipräsidium hat man mir gesagt, dass ich ihn hier finden würde.« Er hatte englisch gesprochen. Das verunsicherte den Polizisten noch mehr.

»Haben Sie eine Aussage zu machen?«, wollte er ebenfalls auf Englisch wissen. Er sprach es recht flüssig, wenn auch mit zu vielen Kehllauten. »Haben Sie etwas beobachtet, das uns …«

Dorian überreichte ihm wortlos das Schreiben, das man ihm im Polizeipräsidium gegeben hatte.

»Ah, Secret Service!«, sagte der Polizist, obwohl er sich wohl kaum denken konnte, was ein Beamter vom britischen Geheimdienst hier zu suchen hatte. »Ich verstehe.«

»So?«, meinte Dorian spöttisch. »Dann seien Sie bitte so freundlich und bringen Sie mich zu Kommissar Rejnbrink.«

»Ich kann meinen Posten leider nicht verlassen, aber gehen Sie nur zum Ufer hinunter. Die Beamten dort werden Sie zu ihm bringen.«

Dorian nahm den Passierschein an sich und bahnte sich, Hand in Hand mit Coco, einen Weg durch die gaffende Menschenmenge. Schließlich nahm sich ihrer ein Polizist in Zivil an. Er brachte sie zum Ufer hinunter und deutete zu dem Polizeiboot hinaus, das in der Mitte der Amstel gegen die Strömung kämpfte.

»Der kleine Dicke mit dem roten Hängebackengesicht, der sich am Bug über die Reling beugt und mit dem einen Taucher spricht – das ist der Kommissar«, erklärte er.

»Wie komme ich zu ihm?«, wollte Dorian wissen.

»Am besten, Sie warten, bis er seinen Fang gemacht hat und an Land kommt.«

»Was sucht er denn?«

»Einen Kopf«, antwortete der Beamte. »Die Passagiere eines der Aussichtsboote haben übereinstimmend ausgesagt, dass im Kielwasser plötzlich ein menschlicher Kopf aufgewirbelt wurde. Nun suchen wir schon fast den ganzen Tag danach. Wenn nicht … Da, sehen Sie! Der eine Taucher hält etwas in der Hand!«

Ein Raunen ging durch die Menge. Eine ältere Frau, die das Geschehen auf dem Polizeiboot mit einem Feldstecher beobachtet hatte, gab einen spitzen Schrei von sich und fiel in Ohnmacht.

Dorian nahm ihr den Feldstecher einfach ab und blickte hindurch. Er sah gerade noch, wie der Taucher einen Kopf an den Haaren ins Boot gab. Einzelheiten waren nicht zu erkennen, denn das Gesicht war total entstellt. Dorian vermutete, dass der Kopf bereits mehrere Tage im Wasser getrieben haben musste.

Das Polizeiboot näherte sich der Anlegestelle, an der Dorian und Coco warteten. Plötzlich tauchten überall Reporter mit schussbereiten Kameras auf.

»Hat man die Leiche, zu der der Kopf gehören könnte?«, wollte Dorian wissen.

»Wir haben einige Leichenteile, zu der der Kopf passen könnte«, antwortete der Beamte ungehalten.

Dorian packte ihn am Arm. »Kennt man den Namen des Opfers?«

»Wir vermuten, dass es sich um Carl de Groot handelt.«

»Wie ist er gestorben?«

»Was wir fanden, wies Spuren von Rattenzähnen auf. Sie müssen ihn förmlich in Stücke gerissen haben.«

»Die Ratten von Borvedam«, sagte Coco tonlos.

»Was wissen denn Sie davon?«, sagte der Beamte ärgerlich, riss sich aus Dorians Griff und eilte zum Boot hinunter, das gerade anlegte.

Einige der umstehenden Leute hatten Cocos Worte aufgegriffen, und ein Gemurre erhob sich. Man beschimpfte die Stadtväter, die nicht imstande waren, etwas gegen die ständig steigende Rattenplage zu unternehmen. Stimmen wurden laut, dass bald ganz Amsterdam von diesen Biestern heimgesucht würde. Man verlangte, dass Borvedam, dieses Rattennest, endlich gesäubert werden sollte.

»Komm!«, sagte Dorian zu Coco, als er sah, wie die Reporter zum Boot hinunterdrängten und den an Land steigenden Kommissar bestürmten. »Hier kommen wir doch nicht zum Zug.«

Er stieg mit Coco die Uferböschung hinauf und steuerte auf den Polizisten zu, dessen Bekanntschaft sie bereits gemacht hatten.

»Welcher ist der Wagen des Kommissars?«

Der Uniformierte deutete auf das nächststehende Einsatzfahrzeug.

Dorian ging hin, hielt dem Fahrer, der lässig gegen den Kofferraum lehnte, als ginge ihn das alles nichts an, seinen Passierschein unter die Nase und sagte auf Englisch: »Wir arbeiten mit Rejnbrink zusammen. Er hat uns aufgetragen, schon vorauszugehen und im Wagen auf ihn zu warten.«

Der überrumpelte Fahrer salutierte und war Coco sogar beim Einsteigen behilflich. »Frechheit siegt«, meinte sie schmunzelnd auf Deutsch; sie verfiel immer wieder in ihre Muttersprache.

»Anders wären wir an Rejnbrink wohl kaum herangekommen«, sagte Dorian, ebenfalls grinsend.

Sie sahen, wie der Kommissar mit einem wahren Rattenschwanz von Reportern in seinem Schlepptau auf den Wagen zukam. Er sagte immer wieder: »Kein Kommentar!«

Dorian konnte aus den ablehnenden und verneinenden Gesten des Kommissars den richtigen Schluss ziehen.

Die Tür ging auf. Rejnbrink ließ sich schnaufend auf den Beifahrersitz sinken. Die ausgesperrten Reporter hämmerten wütend gegen das Seitenfenster. Dem Kommissar blieb für einen Moment vor Staunen der Mund offen, als er seine beiden Fahrgäste erblickte.

»Das ist Coco Zamis«, stellte Dorian seine Begleiterin vor. »Mein Name ist Dorian Hunter. Ich nehme an, Trevor Sullivan hat sich von London aus bereits mit Ihnen in Verbindung gesetzt und Sie von unserem Kommen unterrichtet.«

Der Kommissar gab einen unartikulierten Laut von sich, als würde er seinen Ärger durch ein Ventil ablassen.

»Einen ungünstigeren Zeitpunkt haben Sie sich nicht aussuchen können, was?«, schimpfte er. »Es wäre besser …«

»Fahren wir doch erst einmal los, bevor die Reporter Ihren Dienstwagen demolieren«, unterbrach Dorian ihn, und Coco schenkte dem Kommissar ihr bezauberndstes Lächeln.

Rejnbrink forderte den Fahrer mit einem Wink und einem Grunzlaut zum Abfahren auf.