Dorian Hunter 91 - Ernst Vlcek - E-Book

Dorian Hunter 91 E-Book

Ernst Vlcek

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Beschreibung

»Ist sie nicht lecker? Sieht sie nicht zum Anbeißen aus, Bruder Möbius?«
»Sie ist wirklich allerliebst, Bruder Spindel.«
»Ich muss sie haben!«
»Dann nimm sie dir doch ...«
Helen zuckte beim Klang dieser Stimmen unwillkürlich zusammen. Als sie sich jedoch umdrehte, sah sie niemanden. Sie war allein in dem schmalen Gässchen. Sie blickte an den zweistöckigen Häusern hoch und über die Häuserfront. Die Fenster waren alle verschlossen. Die untergehende Sonne spiegelte sich in den Glasvierecken.
Helen wurde plötzlich ein wenig bang. Versuchte da jemand, sie zu narren? Sie presste die Lippen fest zusammen. Sie würde sich von niemandem Angst einjagen lassen. Dennoch wünschte sie sich, dass Pierre bald zurückkäme. Er war vor wenigen Minuten in dem Fotogeschäft verschwunden, um ein paar Bilder abzuholen, die sie hatte nachmachen lassen.
Wo blieb er nur so lange ...?


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Inhalt

Cover

Was bisher geschah

DAS DREIGESTIRN DER HÖLLE

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

mystery-press

Vorschau

Impressum

Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen gewidmet, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor. Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es dem »Dämonenkiller«, ihnen die Maske herunterzureißen.

Bald kommt Dorian seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit dem Teufel, der ihm die Unsterblichkeit sicherte. Um für seine Sünden zu büßen, verfasste de Conde den »Hexenhammer« – jenes Buch, das im 16. Jahrhundert zur Grundlage für die Hexenverfolgung wurde. Doch der Inquisition fielen meist Unschuldige zum Opfer; die Dämonen blieben ungeschoren. Als de Conde selbst der Ketzerei angeklagt und verbrannt wurde, ging seine Seele in den nächsten Körper über. So ging es fort bis in die Gegenwart. Dorian Hunter begreift, dass es seine Aufgabe ist, de Condes Verfehlungen zu sühnen und die Dämonen zu vernichten.

In der Folge beginnt Dorian die Dämonen zu jagen – doch diese schlagen zurück und zersetzen die »Inquisitionsabteilung« des Secret Service, der Dorian vorübergehend unterstützt hat. Der ehemalige Leiter der Inquisitionsabteilung, Trevor Sullivan, gründet die Agentur Mystery Press, die Nachrichten über dämonische Aktivitäten aus aller Welt sammelt. Hunter bleibt nur sein engstes Umfeld in der Jugendstilvilla in der Londoner Baring Road: die Hexe Coco Zamis, die selbst ein Mitglied der Schwarzen Familie war, bis sie wegen ihrer Liebe zu Dorian den Großteil ihrer magischen Fähigkeiten verlor; der Hermaphrodit Phillip, dessen Fähigkeiten ihn zu einem lebenden Orakel machen, sowie ein Ex-Mitarbeiter des Secret Service namens Donald Chapman, der bei einer dämonischen Attacke auf Zwergengröße geschrumpft wurde.

Beinahe wird die schwangere Coco Zamis ein Opfer der Machtkämpfe innerhalb der Schwarzen Familie, doch nach einer Flucht um den halben Erdball bringt Coco ihr Kind in London sicher zur Welt – und versteckt es an einem Ort, den sie selbst vor Dorian geheimhält. Cocos Vorsicht ist berechtigt, da bald eine neue, »alte« Gegnerin auftaucht: Hekate, die Fürstin der Finsternis, wurde von Dorian einst in seinem vierten Leben als Michele da Mosto verraten, sodass ihre frühere Liebe sich in glühenden Hass verwandelt hat.

Die Erinnerung an seine Existenz als da Mosto veranlasst Dorian, sich mit Alchemie zu beschäftigen und nach der Mumie des Dreimalgrößten Hermes Trismegistos zu suchen, der sich mit seinem Wissen möglicherweise als große Hilfe im Kampf gegen die Schwarze Familie und insbesondere Hekate entpuppen könnte. Doch statt auf die Mumie stößt Dorian in der Gruft des Dreimalgrößten auf den Cro-Magnon-Menschen Unga aus der Steinzeit – und auf einen faustgroßen Stein, der offenbar eine Landkarte darstellt. Ein Hinweis auf die versunkene Stadt Ys ...?

DAS DREIGESTIRN DER HÖLLE

von Ernst Vlcek

»Ist sie nicht lecker? Sieht sie nicht zum Anbeißen aus, Bruder M‍ö‍b‍i‍u‍s?«

»Sie ist wirklich allerliebst, Bruder Spindel.«

»Ich muss sie haben!«

»Dann nimm sie dir doch ...«

Helen zuckte beim Klang dieser Stimmen unwillkürlich zusammen. Als sie sich jedoch umdrehte, sah sie niemanden. Sie war allein in dem schmalen Gässchen. Niemand war zu sehen. Sie blickte an den zweistöckigen Häusern hoch und über die Häuserfront. Die Fenster waren alle verschlossen. Die untergehende Sonne spiegelte sich in den Glasvierecken.

Helen wurde plötzlich ein wenig bang. Versuchte da jemand, sie zu narren? Sie presste die Lippen fest zusammen. Sie würde sich von niemandem Angst einjagen lassen. Dennoch wünschte sie sich, dass Pierre bald zurückkäme. Er war vor wenigen Minuten in dem Fotogeschäft verschwunden, um ein paar Bilder abzuholen, die sie hatte nachmachen lassen.

1. Kapitel

Wo blieb er denn nur so lange?

Als in ihrem Rücken Schritte erklangen, zuckte sie unwillkürlich zusammen. Sie wagte es nicht, sich umzusehen. Dann verstummten die Schritte.

Stille.

Helen zwang sich, den Kopf zu wenden. Dort stand ein grobschlächtig wirkender junger Mann. Er blickte sie unverwandt an, während er bereits die Hand nach der Tür der Weinstube ausgestreckt hatte. Als er Helens Blick begegnete, senkte er den Kopf, drückte entschlossen die Klinke nieder und betrat unter dem Gebimmel der Türglocke die Weinstube.

Helen war wieder allein. Sie wandte sich erneut dem Fotogeschäft zu, in dem Pierre verschwunden war, und sie starrte so intensiv darauf, als könne sie allein mit ihren Blicken bewirken, dass Pierre wieder erschien.

Was für ein hässliches, unheimliches Haus!, dachte sie. Sie fragte sich, warum ihr die Front des Hauses so hässlich und unheimlich erschien. Es unterschied sich kaum von den anderen in dieser Straße. Oder doch? War da nicht hinter einem der Fenster jemand, der sie beobachtete? Sie bildete sich ein, ein Gesicht mit Spitzohren gesehen zu haben. Der Mund war v-förmig, die Zähne waren gefletscht ...

Das musste sie sich eingebildet haben. Denn in dem Fensterglas spiegelte sich das Sonnenlicht, sodass nicht zu erkennen war, was sich dahinter befand. Dennoch hatte sie den Eindruck gehabt, dass sie von dort aus belauert wurde. Und auf einmal war sie sicher, dass die Stimmen von dort gekommen waren ...

»Spinne nur deine Fäden, Bruder Spindel.«

Plötzlich sah Helen im Licht der Abendsonne die Fäden von Altweibersommer glitzern. Sie beobachtete fasziniert den Flug der Spinnweben, die langsam auf sie zutrieben. Ja, sie senkten sich auf sie nieder, als würden sie von ihr magisch angezogen. Helen machte noch eine Abwehrbewegung, um die Spinnweben in der Luft abzufangen. Doch sie griff ins Leere und spürte gleich darauf, dass sich die Spinnweben auf ihr Gesicht legten und ihre Haut kitzelten.

Ihr erster Impuls war, sich das Gesicht abzuwischen. Doch es blieb bei der Absicht – sie tat es nicht. Ihre Hand erstarrte mitten in der Bewegung. Die Spinnweben verursachten auf ihrem Gesicht ein angenehmes Kribbeln. Seltsame Empfindungen nahmen von ihr Besitz. Das Haus erschien ihr nun nicht mehr düster und unheimlich, sondern übte einen unerklärlichen Reiz auf sie aus.

Bevor sie sich dessen bewusst wurde, setzte sie sich in Bewegung. Ihre Beine trugen sie ohne ihr Zutun auf das kleine, geduckte Haustor zu, brachten sie in den dahinter liegenden Korridor und führten sie eine gewundene Treppe ins Obergeschoss hinauf. Ihr war noch, als hörte sie Pierres vertraute Stimme aus dem Fotogeschäft zu ihr dringen ...

»Sie müssen die Bilder vertauscht haben!«, hörte sie ihn verärgert rufen – dann stand sie vor einer Tür. Sie streckte die Hand danach aus, um sie zu öffnen ...

Einen Stock tiefer starrte Pierre auf den Film, den er aus der Tüte hervorgeholt hatte. Es verwunderte ihn, dass er keine fertigen Bilder in Händen hielt, sondern einen altmodischen Filmstreifen.

Doch nicht nur das. Noch viel ungewöhnlicher war, dass man die Filmenden zusammengeklebt hatte. Und zwar indem man den Filmstreifen um 180 Grad gewendet hatte, sodass die gegenüberliegenden Seiten aufeinanderlagen.

Er hielt die Filmschleife mit einem Finger hoch und betrachtete sie missfällig.

»Was hat das zu bedeuten?«, fragte er den kleinen Mann mit dem verkniffenen Gesicht und dem lauernden Blick. Die eingefallenen Lippen erweckten den Eindruck, als habe er keine Zähne. Und so sprach er auch. »Überzeugen Sie sich erst einmal davon, dass die Bilder was geworden sind«, sagte der Mann und rieb sich die knochigen Hände.

Pierre gehorchte widerstrebend und hielt den Film gegen das Tageslicht. Dabei war ihm, als erhielten seine Fingerkuppen elektrische Schläge. Er betrachtete die Aufnahmen. Wie zu erwarten zeigten sie nicht Helen, sondern ein ganz anderes Motiv. Auf jedem der kleinen Bilder waren drei Männer in verschiedenen Stellungen zu sehen. In einem von ihnen erkannte er den gnomenhaften Fotohändler.

»Sie müssen die Bilder vertauscht haben«, sagte Pierre ärgerlich.

»So, so, meinen Sie?«, sagte der Mann, den Pierre hier noch nie gesehen hatte. »Aber Sie sind im Irrtum, wenn Sie glauben, dieser Möbiusstreifen sei nicht für Sie bestimmt. Spüren Sie denn noch nichts?«

Pierre ließ den Film langsam zwischen seinen Fingern hindurchgleiten. Dabei strichen seine Kuppen über die beiden Flächen. Ja, er spürte etwas. Es war, als ob der Streifen Signale aussende. Eine Botschaft, die für ihn bestimmt war.

Langsam begriff er auch, welche Bedeutung es hatte, dass der Film zusammengeklebt worden war. Es handelte sich um einen Möbiusstreifen, bei dem es nicht zwei Flächen gab, sondern nur eine, die zu einer Achter-Schleife geformt war.

Pierre wurde von einem Schwindelgefühl erfasst. Alles begann sich um ihn zu drehen. Und ihm war auf einmal, als befände er sich auf der Fläche dieses Möbiusstreifens, über den er flüchtete, ohne je an ein Ende zu kommen.

Der unheimliche Mann, der zusammen mit zwei anderen auf den Bildern des Films abgebildet war, verließ das Geschäft. Pierre folgte ihm. Es ging eine gewundene Treppe in den ersten Stock hinauf und durch eine Tür in ein altmodisch eingerichtetes Zimmer. Pierre konnte keine Einzelheiten erkennen.

Und dann sah er Helen. Er wunderte sich nicht darüber, dass sie hierher gekommen war. Sein erster Impuls war, zu ihr zu eilen, um sie zu umarmen. Aber er konnte sie nicht erreichen. Es war, als sei er im Möbiusstreifen gefangen – als trete er auf der Stelle oder liefe im Kreise.

»Was für ein schönes Paar!«, sagte eine Stimme in Pierres Kopf.

Er sah, dass sich vor den Fenstern zwei weitere Gestalten abhoben. Die eine war beleibt und mittelgroß, die andere lang und spindeldürr. Der Statur nach hätten es die beiden Männer sein können, die zusammen mit dem Gnom auf den Bildern zu sehen waren.

»Lasst uns doch diesen Augenblick gemeinsam genießen, Brüder«, sagte eine andere Stimme.

»Dann beeile dich, Bruder Mark, dir ein Opfer zu beschaffen. Lange können wir unsere Gier nicht mehr zügeln«, flüsterte eine dritte Stimme.

Paul zögerte, die Weinstube zu betreten. Sein Blick ruhte auf dem Mädchen, das mitten auf der Fahrbahn stand. Er hatte das Gefühl, dass mit ihr irgendetwas nicht stimmte. Als sie sich jedoch herumdrehte und ihn unverwandt anstarrte, da senkte er den Blick. Er wollte nicht aufdringlich erscheinen. Schnell betrat er das Lokal.

Er setzte sich an den Stammtisch, um auf seine Freunde zu warten. Der Wirt brachte ihm ohne Aufforderung eine Flasche Rotwein. Paul leerte das erste Glas in einem Zug und spürte sofort die wohlige Wirkung des Alkohols. Rotwein geht sofort ins Blut über, dachte er, und stärkt Mark und Knochen.

Er schenkte sich das Glas zum zweiten Mal voll und hob es vor die Augen. Wie sah doch die Welt gleich ganz anders aus, wenn man sie durch ein Glas Rotwein betrachtete! Die verwahrloste Schankstube erschien gleich viel freundlicher. Und der Wirt verzerrte sich zu einer grotesken Gestalt.

Aber nein, das war nicht der Wirt, der neben der Theke aufgetaucht war. Es war ein Fremder. Paul hatte ihn noch nie gesehen. Er betrachtete ihn weiterhin durch das Weinglas.

Er war mittelgroß und dick. Ein richtiger Fettsack. In seinem feisten Gesicht leuchtete eine rote Knollennase, die Schweinsäuglein verschwanden fast zwischen Fettpolstern, die fleischigen Lippen öffneten sich halb, und ein Pfeifen kam aus seinem Mund. Es hörte sich an, als würde ein Asthmatiker Luft holen. Dabei zitterte sein Doppelkinn.

Paul wollte seinen Augen nicht trauen, als er sah, dass der Hals des Fettsacks auf einmal wie bei einem Frosch anschwoll. Er bekam einen richtigen Blähhals, der sich immer weiter ausdehnte, bis sich unterhalb seines Kinns eine gewaltige Blase gebildet hatte.

Paul stellte das Glas weg. Er hatte so etwas noch nicht gesehen. Jetzt setzte sich der Dicke in Bewegung. Dabei gab er ein seltsames Geräusch von sich. Die Luftblase an seinem Hals begann zu schrumpfen, während die Luft seinen Ohren und Nasenlöchern entströmte.

Paul konnte nicht an sich halten. Er musste einfach lachen. Der Fettsack machte eine komische Figur, als er mit tänzelnden Schritten näher kam und dabei mit Ohren und Nasenlöchern eine Melodie erzeugte. Es hörte sich wie Froschgequake an.

Der Dicke kam an Paul vorbei, drehte sich mit kurzen Schritten um seine Achse und tänzelte dem Ausgang zu.

Paul folgte ihm. Er lachte nicht mehr. Die Musik hatte ihn in ihren Bann geschlagen. Als sich der Fettsack wieder um seine Achse drehte und sich dann rückwärtsgehend einem Hauseingang auf der anderen Straßenseite näherte, sah Paul, dass sich sein Gesicht gerötet hatte. Es war purpurn angelaufen. Seine Augen traten wie bei einem Frosch hervor. Die wulstigen Lippen waren fest zusammengepresst.

Das waren die letzten Einzelheiten, die Paul noch bewusst wahrnahm. Dann umfing ihn das Dämmerlicht des Hausflurs. Er stolperte die gewundene Treppe hinauf. Wenige Schritte vor ihm musizierte der Dicke munter auf Nase und Ohren. Aber die vorher so fröhliche Musik hatte nun einen aggressiven Unterton. Aus dem Quaken und Dudelsackpfeifen war ein Fauchen und Brüllen geworden. Dazwischen ertönte ein schlürfendes Geräusch – als sauge jemand Speichel durch die Zähne.

Paul kam in ein Zimmer, in dem schattenhafte Gestalten standen. Alle Geräusche verstummten. Eine unheimliche Stille breitete sich aus. Und Paul wusste, dass es die Ruhe vor dem Höhepunkt war.

»Brüder, lasst uns beginnen ...«

Paul spürte plötzlich einen Druck in seinem Nacken. Es tat überhaupt nicht weh. Er registrierte nur, dass etwas in seinen Körper eindrang und dass er sich danach immer leichter und schwächer fühlte. Ihn störte nur das ekelhafte Schlürfen und Schmatzen des Dicken. Aber mit zunehmender Ermattung verschwand auch dieses Gefühl.

Und während Paul schmerzlos in die ewige Schwärze hinüberdämmerte, fühlte sich Helen von den Spinnweben, die sie wie ein Kokon einhüllten, in jenseitige Gefilde getragen ... Und Pierre versuchte, da er sich auf einmal geschmeidig wie eine Katze fühlte, mit seinem Körper die Drehung des Möbiusstreifens nachzuvollziehen.

Die Sonne war längst hinter den Dächern des kleinen bretonischen Städtchens verschwunden. Gnädige Dunkelheit senkte sich über die gespenstische Szenerie in dem Raum über dem kleinen Fotoladen.

Da entstand in einem Winkel ein winziger Lichtpunkt. Er wurde größer, bekam menschenähnliche Züge und wurde zu einem grünlich leuchtenden Frauenantlitz.

»Möbius! Mark! Spindel!«, raunte die Erscheinung. »Könnt ihr Brüder der Hölle mich hören? Seid ihr am Ziel eurer Reise angelangt?«

Ein Seufzen. Das Knäuel von ineinander verschlungenen Körpern bewegte sich. Dann kam die verhaltene Antwort: »Jawohl, Hekate. Wir sind im Golf von Morbihan.«

Das durchsichtige, magisch leuchtende Abbild der Herrin der Finsternis strahlte Zufriedenheit aus. »Dann wohlan, Trois Frères d'Enfer«, animierte Hekate die drei dämonischen Brüder. »Spindel, spinne deine magischen Fäden! – Möbius, ziehe deine endlosen Schleifen! – Mark, stimme deine tödlichen Körperinstrumente!«

Noch ganz benommen von ihrem Sinnesrausch erwiderten die Dämonenbrüder den zwingenden Blick Hekates. »Wir sind bereit, dem Dämonenkiller einen würdigen Empfang zu bereiten«, sagten sie. »Wir werden ihn vernichten – und dir zum Sieg über Hermes Trismegistos verhelfen, Hekate.«

»Ich verlasse mich auf euch«, sagte die Herrin der Finsternis. Dann erlosch ihre magische Projektion.

Die drei Dämonen waren wieder mit ihren Opfern allein.

Dorian Hunter hielt den Wagen vor dem alten Steinhaus an.

»Willst du hier dein Glück versuchen?«, fragte er Coco, die auf dem Beifahrersitz saß. »Das Haus hat eine günstige Lage.«

Coco drehte sich um und schenkte Unga, der im Fond saß, ein aufmunterndes Lächeln. Er hatte die Hände auf den Sitz gestützt. Sein bronzefarbenes Gesicht war blass. Man merkte ihm an, dass ihm die Autofahrt nicht recht behagte. Kein Wunder, denn Dorian war gerast wie ein Wilder. Er hatte die Strecke von Les Eyzies fast ohne Unterbrechung zurückgelegt. Nur vor Nantes hatte er ihnen eine kurze Rast gegönnt. Schließlich hatten sie den Golf von Morbihan erreicht und waren zu diesem einsamen Haus hinter Auray in der Nähe von Plougoumelen gelangt. »Unga wäre es sicherlich recht, wenn hier Endstation wäre«, meinte sie.

Der Cro Magnon straffte sich und sagte: »Ich habe mich nicht beschwert.«

»Nein, natürlich nicht«, versicherte Coco. Sie seufzte. »Also ...« Sie öffnete die Beifahrertür und stieg aus. Im Eingang des Hauses erschien ein grauhaariger Mann. Obwohl er an die sechzig sein musste, machte er einen rüstigen Eindruck. Er schob sich den Schlapphut ins Genick und starrte mit zusammengekniffenen Augen zu dem staubigen Citroën herüber.

Coco ging zu ihm. Dorian beobachtete die Reaktion des Mannes, als sie ihn ansprach. Seine Augen wurden auf einmal groß und starr – Coco hatte ihn hypnotisiert. Als er dann auf ihre vielen Fragen antwortete, bewegte er kaum die Lippen. Nach zehn Minuten kam Coco zum Wagen zurück und sagte durch das heruntergekurbelte Seitenfenster: »Der Mann ist in Ordnung. Er heißt Yves Merger, und von Dämonen hat er höchstens aus Sagen und Legenden gehört. Er beklagt sich nur darüber, dass es in diesem Herbst besonders viele Spinnweben gibt. Er würde uns gern bei sich aufnehmen. Zimmer stehen genügend zur Verfügung.«

»Du sagst das, als hättest du trotzdem Bedenken«, meinte Dorian. Coco warf Unga einen schnellen Blick zu und sagte: »Ach, es ist eigentlich bedeutungslos. Merger hat nur erwähnt, dass außer ihm, seiner Tochter Danielle und seinem Knecht Louis auch eine junge Lehrerin hier wohnt.«

Dorian verstand, worauf sie anspielte. Sie befürchtete, dass Unga beim Anblick der weiblichen Wesen sein Temperament nicht zügeln könnte. Es war schon einige Male zu solchen Zwischenfällen gekommen, doch bisher war nichts Schlimmes geschehen, weil immer jemand zur Stelle war, der ihn zur Raison brachte.

»Kann ich endlich aussteigen?«, fragte Unga, der mit keiner Miene verriet, ob er Cocos Anspielung verstanden hatte.

»Gut, wir bleiben«, beschloss Dorian. »Eine günstigere Absteige finden wir zwischen Plougoumelen und Locmariaquer sicher nicht mehr.«