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Der Schwarze General Oderin du Metuant plant einen Feldzug, der Al'Anfa zu neuer Größe führen soll. Doch der Patriarch verweigert ihm den Segen, denn der düstere Totengott schweigt. Die Truppen stehen vor den Toren und murren, der Boronszug droht zu scheitern. Während tief unter dem Silberberg Verschwörer den Sturz des Generals voranreiben, sammeln sich in den Dschungeln vor der Stadt jene Unzufriedenen, die schon einmal die blutigen Hände gegen die Herren Al'Anfas erhoben haben. Es ist Zeit, neue Bündnisse zu schließen. Doch wem kann man vertrauen in dieser Stadt, in der sich jeder selbst der nächste ist? Rabenbund setzt die Geschichte aus Rabenerbe fort und entführt erneut in eine Welt aus Rausch, Verrat und Intrigen, in der man lernen muss zu kämpfen – oder unweigerlich untergeht.
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Seitenzahl: 566
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Heike Wolf
Rabenbund
Ein Roman in der Welt von Das Schwarze Auge©
Originalausgabe
Impressum
Ulisses SpieleBand US25708Titelbild: Nikolai OstertagAventurien-Karte: Daniel JödemannLektorat: Eevie DemirtelKorrektorat: Nora TretauUmschlaggestaltung und Illustrationen: Nadine Schäkel, Patrick SoederLayout und Satz: Mirko Bader, Michael Mingers
Copyright © 2021 by Ulisses Spiele GmbH, Waldems. DAS SCHWARZE AUGE, AVENTURIEN und DERE, MYRANOR, RIESLAND, THARUN und UTHURIA sind eingetragene Marken der Significant GbR. Alle Rechte von Ulisses Spiele GmbH vorbehalten.
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Ebook-ISBN 978-3-95752-692-2
I
Amir
Keuchend rang Amir Honak nach Luft, während sein Geist, noch zwischen Traum und Wirklichkeit gefangen, langsam in die dunkle Schlafkammer zurückfand. Sternenlicht schien durch das geöffnete Fenster, schimmerte auf dem nachtschwarzen Ebenholz der Bettpfosten, und aus der Ferne klangen Stimmen in der Stille der Nacht.
Amir schloss die Augen und versuchte, sein pochendes Herz zur Ruhe zu zwingen. Es war der gleiche Traum, der ihn seit Monden heimsuchte. Er hatte den Vulkan Visra gesehen, und er war ihn emporgestiegen, Schritt für Schritt, doch je weiter er hinaufstieg, desto ferner schien der Gipfel. Und dann hatte er den Raben gesehen, der ihm entgegensah, und etwas in seinem Blick hatte Amirs Herz zusammengezogen, dass er kaum noch Luft bekam. Furcht und Zweifel, tiefe Einsamkeit, als blicke er in sein eigenes Inneres wie durch einen Spiegel. Das Gefieder war stumpf und zerzaust, und als er sich schließlich erhob und mit anklagendem Krächzen gen Gipfel emporstieg, spürte Amir, dass sich etwas in seinem Rücken erhob. Er wollte herumfahren, um zu wissen, was es war, zu entfliehen oder sich ihm entgegenzustellen. Aber er konnte nicht. Sein Körper war wie versteinert, sein Blick auf den Berghang gerichtet, der ihm mit einem Mal so steil und so unüberwindlich erschien. Und dann hatte es diesen Schlag getan, der noch in seinem Kopf widerhallte, dass er sich einen Moment lang fragte, ob es überhaupt ein Traum gewesen war.
Amir atmete tief durch und fuhr sich mit der Hand über die Augen. Es musste tief in der Nacht sein, noch einige Stunden bis zur Morgenandacht, doch etwas störte die Stille und das silbrige Zwielicht. Stimmen und das leise Prasseln von Feuer.
Der Boden fühlte sich kalt an unter seinen bloßen Füßen, als er sich erhob und den dünnen Seidenmantel um sich schlang. Einen Moment lang erwog er, den Novizen Boronian zu rufen, der die Aufgaben eines Kammerdieners versah, aber es gab keinen Grund, den Jungen aus dem Schlaf zu reißen. Nichts, was er nicht selbst tun konnte.
Seine Unruhe verstärkte sich, als er ans Fenster trat. Stimmen drangen vom Tempelgarten zu ihm hinauf, gedämpft zwar, doch greifbar unruhig. Feuerschein züngelte in der Dunkelheit. Auf den Wegen klangen eilige Schritte, jemand zischte einen Befehl.
Amir runzelte die Stirn, und einen Moment lang erwog er, den Novizen doch zu wecken, um sich zu erkundigen, was dort unten vor sich ging. Stattdessen fasste er den Mantel enger und wandte sich zur Tür. Er war der Patriarch, er sollte sich nicht damit zufriedengeben, nur Berichte zu hören. Was immer dort geschah, er wollte es mit eigenen Augen sehen.
Die beiden Rabengardisten fuhren zusammen und nahmen hastig Haltung an, als Amir auf den Gang hinaustrat und ihnen mit einer knappen Geste zu verstehen gab, ihm zu folgen. Eine seltsame Unruhe lag über dem Tempel, während sie die Treppen hinabstiegen und endlosen Korridoren folgten, bis sie schließlich den Durchgang zum Garten erreichten. Die Kieswege zwischen den Beeten schimmerten im Licht der Sterne, dahinter die Schatten der Palmen und Zypressen, die sich im auffrischenden Nachtwind wiegten. Weit über dem Meer zuckten Blitze in der Schwärze des Himmels und kündigten einen weiteren Sturm an.
Amir beschleunigte seine Schritte, als er in einiger Entfernung die Feuer ausmachte, die in den niedrigen Büschen beiderseits der Pfade loderten. Eine Statue war von ihrem Sockel gerissen worden und lag mit zerschmettertem Torso auf dem dunklen Kies. Verwundert erkannte Amir mehrere Rabengardisten im Ordensornat und einige hochrangige Geweihte, die sich dort eingefunden hatten und aufblickten, als er sich näherte.
»Eure Erhabenheit!« Immuel Florios eilte ihm entgegen. Selbst im unruhigen Licht der Feuer wirkte das teigige Gesicht blass und aufgelöst. »Wir wollten schon nach Euch schicken. Kommt, das müsst Ihr Euch ansehen!« Einen Herzschlag lang schien es, als wollte er Amirs Hand fassen, doch dann besann er sich und straffte die Schultern, um mit hektischem Händewedeln zu bedeuten, dass man sich beeilen sollte.
Amir spürte eine gewisse Beklemmung, als er dem Hochgeweihten an die Stelle folgte. Die Gespräche verstummten, und ehrfurchtsvoll wichen die Geweihten und Gardisten zur Seite, um ihn durchzulassen.
Amir hielt inne und sog erschrocken Luft zwischen den Zähnen ein. Fassungslos starrte er auf den Krater, der sich vor ihm auftat. Der Boden war bis in den Felsen aufgerissen, als sei eine Titanenfaust niedergegangen. Geschmolzene Reste einiger Statuen ragten aus dem Schutt hervor, der mit einem leisen Rieseln in der Tiefe verschwand.
»Was ist das?«, flüsterte er tonlos.
»Die Gardisten sagen, es sei ein Stern gewesen.« Die Stimme des Florios klang angespannt. »Er sei vom Nachthimmel gefallen. Einfach so. Es hat einen furchtbaren Lärm getan, und Feuer, und dann war dieses Loch hier. Boron sei Dank ist nichts auf den Tempel gefallen oder das Ordenshaus oder den Silberberg, denn dann ...«
»Ein Stern.« Amir spürte, wie seine Brust eng wurde, als er näher an den Rand des Kraters herantrat. Seine Augen suchten in der lichtlosen Tiefe, doch der Schein der Feuer reichte nicht weit genug, um bis zum Grund hinabzuleuchten. Er wusste um die Vorkommnisse im Norden, wo in den letzten Jahren immer wieder Sterne vom Himmel gefallen waren. Die Welt veränderte sich, etwas rüttelte an den Sphären und den Grundfesten dessen, was sie für ewig gehalten hatten. Vielleicht war dieser Stern das Zeichen, auf das er so lange gewartet hatte.
»Stellt Wachen auf!«, befahl er und fuhr zu Immuel Florios herum, der einen erschrockenen Schritt zurück machte. »Bei Sonnenaufgang will ich, dass man in den Krater hinabsteigt und nachsieht, was sich dort unten befindet. Und ich will, dass kein Wort nach außen dringt. Kein Wort!«
»Sicher, Eure Erhabenheit.« Der Florios beeilte sich zu nicken. »Kein Wort. Selbstverständlich.«
Ein Sternenfall!Wenn dies der Grund für dein Schweigen ist, Herr Boron, so werde ich alles tun, um es zu ergründen.
Amir schloss die Augen, während seine Lippen ein stummes Gebet formten. Nicht nur die Welt war im Wandel, sondern auch diese Stadt. Mochte Boron geben, dass er seinen Weg endlich klar sah und der Stadt die Stärke geben konnte, die sie von ihm verlangte.
Said
Es war ein gleichmäßiger, pochender Schmerz, der ihn aus dem Dämmern zog. Von irgendwoher nahm er Licht wahr. Stimmen drangen gedämpft an sein Ohr, und der Geruch nach Kräutern und Salben hing in der Luft wie zäher Schleim. Fliegen surrten in der Hitze, und für einen Moment wähnte er sich zurück auf der Plantage seiner Kindheit, als er verbotenerweise auf das Dach geklettert und heruntergefallen war. Tagelang hatte seine Amme über ihn gewacht, während er sich mühsam ins Leben zurückgekämpft hatte. Said öffnete den Mund, um ihr zu versichern, dass alles gut sei, doch seine Lippen schmerzten bei der Bewegung. Seine Zungenspitze tastete über spröde Haut, als sei er zu lange in der Sonne gewesen. Aber das konnte nicht sein. Er war kein Feldsklave, sondern der Sohn des Herrn, der darauf wartete, endlich nach Al’Anfa zu kommen.
Die Stimmen waren verstummt.
»Er wird wach«, hörte er jemanden sagen, und er spürte eine Bewegung neben seinem Lager. Verwirrt blinzelte er gegen das Licht und wollte schon die Hand heben, um die Augen gegen die Helligkeit abzuschirmen, als er feststellte, dass er den Arm nicht bewegen konnte.
Said fuhr hoch, aber die Riemen, die ihn ans Bett fesselten, warfen ihn sogleich wieder zurück. Ein stechender Schmerz durchfuhr ihn. Keuchend rang er nach Luft, während er die Augen aufriss und panisch zu erfassen versuchte, wo er sich befand.
»Bleib ruhig!« Wieder die gleiche Stimme, die nun erschrocken schien. »Ich tue dir nichts. Du bist in Sicherheit.«
»Wo ...?«, versuchte Said zu sagen, aber sein Hals fühlte sich an, als habe er ein borstiges Stück rohen Eisens verschluckt. Unruhig irrte sein Blick umher, während er mit klopfendem Herzen nach dem Sprecher Ausschau hielt.
»Du bist in der Villa Desiderya. Im Haus von Amato Paligan. Meinem Haus.« Der Mann trat näher, und nun endlich erkannte Said auch sein Gesicht. Es war der blasse Grande, den er bei der Orgie der Bonareth als Geisel genommen hatte. Er sah übernächtigt aus, bleich und mit tiefen Ringen unter den Augen, aber um seine Lippen spielte ein vorsichtiges Lächeln.
»Du hattest Glück. Meine Leute haben dich gesehen, als du von der Mauer gefallen bist.«
»Mauer ...« Said blinzelte erneut, während er zu erfassen versuchte, wer der Fremde war und wovon er sprach. Er klang erleichtert, also hatte er vermutlich nicht vor, ihn umzubringen. Jedenfalls nicht sofort. »Wie bin ... ich hierhergekommen?«, brachte er mühsam hervor.
»Du bist über die Mauer gestiegen, die das Anwesen der Zornbrecht von dem der Karinor trennt. Wenn ich nicht zufällig vor Ort gewesen wäre, hätte dich Don Rezzan wahrscheinlich erschlagen lassen. Er hat mir erlaubt, dass ich dich mitnehme.«
Said sah ihn verständnislos an. Dann schloss er die Augen, um den Schwindel zu unterdrücken, der sich vor seinen Blick schob. Er verstand nicht, was ihm der Mann sagen wollte, doch er lebte, und solange er lebte, war nicht alles verloren.
»Was ... wollt Ihr von mir? Wie lange ... bin ich schon hier?«
»Zwei Tage.« Der Paligan lächelte schief. »Meine Heiler hatten Zweifel, ob es ihnen gelingen würde, dich zu retten. Du warst schwer verletzt. Ohne die Kraft meines Hausmagus wärst du wahrscheinlich tot. Ich habe zu Marbo gebetet, dass sie dich zurückgeleitet.« Er griff nach einem Becher, der auf dem Tisch neben dem Bett stand, um etwas Wasser hineinzugießen. Dann wandte er sich wieder Said zu. »Versprich mir, mich nicht zu beißen, wenn ich versuche, dir Wasser zu geben.«
Saids Lippen formten ein schmerzhaftes Grinsen. »Sehe ich aus wie ein wildes Tier?«
»Ja«, antwortete der Grande ernst, beugte sich aber dennoch vor und schob eine Hand in Saids Nacken, um ihm zu helfen, den Kopf aufzurichten. Das Wasser war klar und überraschend kalt, und Said spürte, wie es den Schmerz beim Sprechen etwas milderte.
»Danke«, murmelte er, nachdem der Grande den Becher wieder weggestellt hatte. »Warum tut Ihr das?«
»Darüber sollten wir uns später unterhalten.« Wieder strich dieses leicht melancholische Lächeln über die feingeschnittenen Züge des Granden. »Du musst dich ausruhen und zu Kräften kommen. Said, nicht wahr? Das ist doch dein Name?«
Said versuchte zu nicken, bereute es jedoch gleich wieder, als ein dumpfer Schmerz durch seinen Schädel zog. Mit einem erstickten Stöhnen ließ er den Kopf zurück auf das Kissen fallen. Schwarze Schlieren tanzten vor seinem Blick und drohten für einen Moment auch nach seinem Geist zu greifen. Aber er durfte nicht wegdämmern, solange er nicht verstand, was hier vor sich ging.
»Warum ... habt Ihr mich gefesselt?«
»Um mich zu schützen. Und dich.« Die Stimme des Granden klang wie aus weiter Ferne.
»Macht mich los«, verlangte Said, aber es war kaum mehr als ein tonloses Wispern, das sich verzweifelt gegen die erneute Ohnmacht stemmte.
»Später.« Er meinte die Hand des Paligan zu spüren, der ihm eine schweißnasse Haarsträhne aus der Stirn schob. »Ruh dich aus.«
Said wollte etwas sagen, widersprechen, ihn anfahren, dass er ihn losbinden sollte. Aber sein Geist versank bereits wieder in gnädiger Schwärze.
Es musste Abend sein, als er das nächste Mal erwachte. Öllampen spendeten ein angenehm warmes Licht und erhellten den Raum, der jetzt ruhig dalag. Die Geräusche der Stadt drangen durch die offenen Fenster und zwischen den Vorhängen strich der Wind hinein und kitzelte angenehm kühl auf seiner Haut.
Said blinzelte hinauf zur Decke, während er regungslos dalag und in sich hineinlauschte. Er fühlte sich immer noch schwach und klebrig vom Schweiß, aber der Schwindel und die Schmerzen waren fort, als habe er sehr lange geschlafen. Vorsichtig hob er den Kopf, in Erwartung des vertrauten Stechens, das jedoch ausblieb, sodass er sich umblicken konnte. Man hatte ihn allem Anschein nach in einem Gästezimmer untergebracht, das gewöhnlich wichtigeren Gästen vorbehalten war. Das Bett, auf dem er lag, war breit genug, um mehreren Personen Platz zu bieten. Ein Regal mit Büchern stand an der Wand, und dem Bett gegenüber befand sich eine kleine Sitzecke mit einem Diwan und mehreren seidengepolsterten Korbsesseln, auf denen eine hellhäutige Frau mittleren Alters saß und döste.
Said fuhr sich mit der Zunge über die spröden Lippen. Der Durst war entsetzlich, und seine Zunge fühlte sich taub an in seinem Mund. Vorsichtig räusperte er sich.
Die Frau auf dem Sessel schrak auf und blickte einen Moment lang verwirrt zu ihm hinüber. Dann hellte sich ihre Miene auf.
»Peraine sei Dank!«, rief sie und sprang auf. »Ihr seid wach. Wie geht es Euch? Könnt Ihr sprechen?«
»Ich glaube schon«, krächzte Said heiser, aber er stellte erstaunt fest, dass ihm seine Stimme tatsächlich gehorchte. »Was ... wer bist du?«
»Mein Name ist Ismene. Ich führe Don Amatos Haushalt.« Die Sklavin lächelte, während sie ihn ohne Scheu musterte. Das flachsblonde Haar hatte sie zu einem dicken Zopf geflochten, und auf ihrer Nase tanzten Sommersprossen. »Möchtet Ihr etwas trinken? Oder soll ich gleich den Herrn holen? Er hat mich beauftragt, ihm Bescheid zu geben, sobald Ihr erwacht.«
»Etwas zu trinken, bitte.« Said versuchte das Lächeln zu erwidern, aber es geriet zu einer gequälten Grimasse. »Wie viel Zeit ... ich meine, wie lange bin ich schon hier?«
»Es ist der dritte Tag.« Ismene füllte etwas Wasser in ein Glas und hielt es vorsichtig an Saids Lippen. »Gestern wart Ihr kurz wach, aber Ihr hattet hohes Fieber. Don Amato war besorgt.« Sie schmunzelte. »Trinkt etwas, dann kann ich ihm sagen, dass Ihr bei Bewusstsein seid. Ihr solltet der Herrin Peraine ein großzügiges Opfer zukommen lassen. Es hätte nicht viel gefehlt, und selbst der Herr Magus hätte nichts mehr für Euch tun können.«
Said nickte, während er versuchte, die Arme zu heben, um festzustellen, dass sie immer noch gefesselt waren. Mit einem leisen Seufzer sank er zurück und hob den Kopf, um trinken zu können. Das Wasser tat gut, aber schon beim zweiten Schluck merkte er, wie sich sein Magen zusammenzog.
Ismene stellte das Glas beiseite. »Langsam«, sagte sie und lächelte wieder. »Ihr habt lange geschlafen. Wenn der Herr mit Euch gesprochen hat, bringe ich frische Kleidung und etwas zum Waschen.«
»Was hat er mit mir vor?«, fragte Said rau.
Die Sklavin hob die Schultern. »Das kann ich Euch nicht sagen. Aber sicher nichts Schlimmes. Er scheint sehr besorgt. Es kommt nicht oft vor, dass er jemanden mit so viel Aufwand ins Leben zurückholen lässt. Außer es handelt sich um seine liebsten Gladiatoren.« Sie zwinkerte.
Gladiatoren. Jetzt wusste Said wieder, woher er den Namen Amato Paligan kannte. Amato Paligan, der Berater des Generals und Herr der Arena. Nun ergab alles auch einen Sinn. Vermutlich hatte er mitbekommen, wie er vor den Gardisten der Karinor geflohen war. Deshalb die Fesseln und all der Aufwand. Said presste die Lippen aufeinander, atmete tief durch. Es war eine perfide Form der Rache, denn sie spielte mit der Hoffnung, sich die Freiheit erkämpfen zu können. Tatsächlich lag das Schicksal eines Gladiators immer in der Hand seines Herrn. Und diesen Herrn hatte er bei der Feier im Haus der Bonareth zu tief gedemütigt, als dass er hoffen konnte, auf Großmut zu stoßen.
Ismene lächelte. »Ich hole Don Amato. Wenn er es erlaubt, helfe ich Euch anschließend beim Waschen.«
Said nickte und zwang sich, das Lächeln zu erwidern. »Danke.«
Ismene winkte ab. »Dankt nicht mir, sondern Don Amato«, lachte sie und erhob sich.
Said blieb zurück und starrte zur Decke, während er die Unterarme vergeblich gegen die Fesseln anspannte. Jetzt, da sein Verstand sich langsam klärte, begann er, seine Lage zu begreifen. Ausgerechnet Amato Paligan. Er war der Karinor entkommen, um mit Leib und Seele diesem seltsamen Granden ausgeliefert zu sein, den er vor den Augen des ganzen Silberbergs gedemütigt hatte. Selten hatte er sich so hilflos gefühlt.
Obwohl vermutlich nur ein paar Augenblicke vergangen waren, erschien es ihm wie eine Ewigkeit, bis er wieder Schritte vor der Tür hörte. Im nächsten Moment wurde sie aufgestoßen, und Amato Paligan kam hereingestürzt. Sein Lächeln zeigte eine tiefe Erleichterung, die Said verwirrte. Doch dann hielt der Grande inne und schien einen Moment lang mit sich zu ringen, ehe er merklich verhaltener nähertrat.
»Ismene sagte mir, du bist wach.«
Saids Blick folgte dem Granden misstrauisch. »Macht mich los.«
»Das werde ich tun. Nachher.« Kurz schien es, als wollte er sich zu Said an die Bettkante setzen, zog dann aber doch einen Stuhl heran. Er wirkte immer noch blass, als habe er seit Tagen zu wenig geschlafen, und die Tinte an seinen Fingerspitzen verriet, dass die Sklavin ihn wohl vom Schreibtisch geholt hatte. »Wie geht es dir?«, erkundigte er sich. »Kannst du reden? Willst du erst etwas trinken? Oder essen?«
»Ich brauche nichts«, sagte Said knapp. Er fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen, als die spröde Haut beim Reden spannte. »Was wollt Ihr von mir?«
Amato zog irritiert die Augenbrauen zusammen. »Ist das nicht offensichtlich? Ich möchte, dass du wieder zu Kräften kommst.«
»Wozu? Damit ich mich zu Eurem Vergnügen in der Arena abschlachten lasse?«
»Wie kommst du darauf?«
»Jemand wie Ihr macht sich doch nicht die Finger schmutzig, wenn Ihr ebenso gut dabei zusehen könnt, wie Eure Gladiatoren mich umbringen!«
»Ich weiß nicht, was du meinst.« Der Grande wirkte für einen Moment tatsächlich verwirrt. »Das wäre absurd, nachdem ich einen Haufen Dublonen für deine Heilung ausgegeben habe.«
»Was wollt Ihr dann? Ihr rettet mich doch nicht, weil Euch das Mitleid gepackt hat.«
Amato sah Said stumm an, und seine Lippen verengten sich zu einem schmalen Strich. »Nein.« Er schüttelte den Kopf. »Nicht aus Mitleid.«
Said wartete, ob er noch etwas hinzufügen wollte, doch der Grande schwieg und sah ihn nur an, auf eine Weise, die Said nicht recht zu deuten wusste.
Misstrauisch runzelte er die Stirn. »Was für ein Spiel spielt Ihr mit mir?«, fragte er. »Wenn Ihr mich erst heilen lasst, um mich anschließend zu töten ... bereitet es Euch Freude? Genugtuung? Oder warum betreibt Ihr einen solchen Aufwand?«
»Wie kommst du darauf? Ich habe ...« Amato stutzte, als er zu verstehen schien. »Du meinst wegen des Vorfalls bei der Orgie? Bei den Göttern, nein!« Er lachte freudlos auf. »Ich will dir nichts tun, Said. Ich wollte nur nicht, dass du ... dass du stirbst.«
Said sah ihn an, suchte in seinen Zügen nach irgendeinem Hinweis darauf, dass er ihn anlog oder ihm etwas vormachte. Doch da war nichts. Nur diese seltsame Traurigkeit, die Said nicht verstand.
»Dann macht mich wenigstens los. Ich verspreche auch, Euch nicht die Kehle durchzuschneiden«, sagte er missmutig und ruckte erneut an den Fesseln, die ihn an das Lager banden. Es waren schmale Lederriemen, die nicht zu fest, aber dennoch gekonnt befestigt waren, sodass es nicht gelingen würde, sich herauszuwinden. »Ihr müsst ziemlich viel Angst vor mir haben.«
»Als wir uns das letzte Mal begegnet sind, hast du mir einen Dolch an die Kehle gehalten.« Der Grande lächelte matt. »Die Fesseln waren notwendig. Du hast um dich geschlagen, als mein Heiler versucht hat, die Bolzen zu entfernen. Außerdem wollte ich sichergehen, dass du noch da bist, wenn ich mit dir reden will.« Seine Augen suchten Saids Blick. »Versprichst du mir, nicht zu fliehen, wenn ich dich losmache?«
»Das kann ich nicht.«
»Und wenn ich dir verspreche, dass ich dich gehen lasse? Morgen, wenn du dich ein wenig erholt hast.« Amato legte die Hand auf Saids Arm. Ein vorsichtiges Lächeln spielte um seine Mundwinkel. »Die Heiler sagten, dass du Ruhe brauchst, sonst war ihre Arbeit umsonst. Bleib hier. Bitte, wenigstens bis morgen früh.«
»Es ist besser für Euch, wenn ich gehe. Die Karinor wird ihre Häscher schicken.«
»Die geht sicher davon aus, dass Rezzan Zornbrecht dich in seiner Gewalt hat. Bis sie ihren Irrtum bemerkt hat, bist du fort.« Amato zog den Dolch aus seinem Gürtel und erhob sich. Sein Blick suchte Saids. »Kannst du mir vertrauen?«
»Nein«, sagte Said wahrheitsgemäß. »Und Ihr solltet es umgekehrt auch nicht tun.«
Der Grande antwortete nicht, sondern beugte sich vor, um die Riemen zu durchtrennen. Said spürte einen kurzen Ruck an seinen Handgelenken, dann war der Druck weg, und er fühlte, wie das Blut in seine Finger drängte und ein schmerzhaftes Kribbeln hinterließ.
Amato machte einen Schritt zurück und wartete, bis Said sich aufsetzte. Die Bewegung ließ ihn schwindeln, sodass er die Augen zusammenkniff und wartete, bis die Welt aufgehört hatte, sich zu drehen.
»Danke«, murmelte er.
»Du musst mir nicht danken. Ich bin froh, dass du hier bist.« Die Mundwinkel des Granden hoben sich zaghaft, während er den Dolch beiseitelegte. »Was ist eigentlich bei den Karinor geschehen?«
»Das geht Euch nichts an.«
Amato nickte verstehend und trat an den Tisch, um etwas Wasser nachzuschenken. Ein Windhauch blähte die Seidenschleier vor den Fenstern und fing sich in seinem schwarzen Haar, als er Said das Glas reichte. »Du hast recht, es geht mich nichts an, was du tust. Ich werde nicht weiter fragen.« Ein schwaches Lächeln strich über seine feingeschnittenen Züge. »Wirst du trotzdem bis morgen bleiben? Falls es dich beruhigt, ich habe nicht vor, dich an Donna Shantalla auszuliefern.«
Solange die Karinor fürchten muss, dass ich den gefangenen Beschützer zum Reden bringe, wird sie wahrscheinlich einiges für mich bieten, dachte Said, aber er sprach es nicht aus. Sie hätte ihn nicht verfolgen lassen, wenn es sich bei dem Treffen in den Katakomben unter dem Berg, das er heimlich beobachtet hatte, um ein harmloses Stelldichein gehandelt hätte. Doch das musste der Paligan nicht wissen.
Saids Finger legten sich um das kühle Glas, ohne gleich davon zu trinken. Stattdessen fasste sein Blick den blassen Granden, den er trotz aller Schwäche vermutlich mit Leichtigkeit überwältigen könnte. Das war dem Paligan vermutlich ebenso klar, sonst hätte er ihn nicht gefesselt. Dennoch zeigte er keine Furcht, sondern stand auf Armlänge vor ihm, sodass er den Kopf ein wenig in den Nacken nehmen musste, um ihn ansehen zu können.
»Ihr seid seltsam«, stellte er fest. »Es fällt mir schwer zu glauben, dass Ihr so selbstlos handelt wie Ihr vorgebt. Warum wollt Ihr mir helfen?«
»Vielleicht versuche ich gerade nur einmal, etwas zu tun, weil ich es will und nicht, weil es richtig oder notwendig oder nicht dumm wäre.« Amato senkte den Blick, sah an Said vorbei, und für einen Moment schien es, als wollte er noch etwas hinzufügen. Doch dann fasste er die Unterlippe zwischen die Zähne und schloss die Augen. »Ich rede Unsinn«, murmelte er.
»Das weiß ich nicht. Aber vermutlich tut Ihr das.« Said atmete langsam aus, um den Schwindel niederzuringen. Dann schob er vorsichtig die Beine von dem Bett und suchte den Boden unter den Füßen.
»Was hast du vor?«, fragte Amato erschrocken.
»Ich gehe.«
»Es wäre unvernünftig, jetzt aufzubrechen.«
»Das spielt keine Rolle.« Said brauchte einen kleinen Moment, um sich zu sammeln. Langsam erhob er sich – und fiel mit einem unterdrückten Fluch wieder zurück, als die Knie unter ihm nachzugeben drohten.
»Es ist unvernünftig«, wiederholte Amato, der keine Anstalten gemacht hatte, ihn zu stützen. »Bleib hier. Es macht für dich keinen Unterschied, und morgen wirst du vielleicht schon wieder so weit bei Kräften sein, dass du Donna Shantallas Häschern entkommen kannst.«
»Ich dachte, die lauern alle vorm Anwesen des Zornbrecht«, gab Said giftig zurück, aber er sah ein, dass der Grande recht hatte. Es war ohnehin nur der Magie des Hausmagus zu verdanken, dass er überhaupt schon wieder soweit hergestellt war, und es wäre mehr als leichtsinnig, sich in diesem Zustand auf die Straßen zu begeben. Er musste seine Schwester retten, die von Emilia Bonareth gefangen gehalten wurde, und er nützte Inion gar nichts, wenn er sich von dem nächsten Gassenschläger niederprügeln ließ.
»Morgen früh«, murmelte er resignierend und ließ sich auf die Kissen zurückfallen. »Morgen früh muss ich aufbrechen. Ich muss meine Schwester finden.«
»Du hast eine Schwester?«
»Ja«, antwortete Said knapp. Er griff nach dem Wasserglas. »Wenn ich schon bleibe, habt Ihr auch etwas zu essen für mich?« Jetzt, da die Anspannung langsam abklang, erinnerte ihn sein Magen schmerzhaft daran, wie ausgehungert er war.
Amato lachte erleichtert. »Natürlich. Ismene wird dir etwas bringen. Brauchst du sonst noch etwas? Der Heiler kann vielleicht ...«
»Nein. Nur etwas zu essen und meine Ruhe.«
»Sicher.« Fast erschrocken machte der Grande einen Schritt zurück, zögerte jedoch und schien einen Moment lang mit sich zu ringen, ehe er sich noch einmal Said zuwandte. »Bitte sag Bescheid, ehe du gehst«, sagte er leiser. »Mein Heiler sollte vielleicht doch noch einmal nach dir sehen, und ich ...«
»Ich brauche Euren Heiler nicht mehr, Don Amato«, unterbrach ihn Said. Erschöpft blinzelte er zu ihm hoch. »Danke für Eure Hilfe. Und nun lasst mich alleine. Ihr habt sicher noch anderes zu tun, als neben meinem Bett zu sitzen.«
Der Widerspruch stand Amato ins Gesicht geschrieben, aber er nickte, die Lippen fest aufeinandergepresst. Ohne ein weiteres Wort wandte er sich um und verließ den Raum.
Said schloss die Augen und atmete tief durch. Er war wahnsinnig, dem Paligan zu vertrauen, trotz aller schönen Worte. Aber irgendetwas sagte ihm, dass er ihn nicht anlog. Vielleicht war es diese Art, wie er ihn ansah, die sich nicht entscheiden konnte, ob er entschlossen oder unsicher wirken wollte. Doch letztendlich war es gleichgültig. Morgen früh würde er weg sein, ehe jemand in diesem Haus erwachte. Was immer sich Don Amato von ihm erhoffte, es war besser, wenn er ging.
Amato
Mit der Dunkelheit war der Sturm gekommen. Blitze zuckten durch die Nacht und tauchten Al’Anfa in ein grelles, unwirkliches Licht. Der Wind heulte und toste, riss an Bäumen und Häusern, trieb Unrat vor sich her und alles, was man nicht in aller Eile in Sicherheit gebracht hatte. Es war nicht ungewöhnlich für diese Jahreszeit, und gewöhnlich begrüßte Amato Rondras grimmiges Toben. Der nächtliche Sturm hatte etwas Urtümliches, Reinigendes, und wenn er verklungen war, hatte er all die Fäulnis und Schwüle aus der Stadt gewaschen.
Heute jedoch fand Amato keine Ruhe. Seit Stunden schon saß er am Fenster und sah dem Unwetter zu, wie es über der Stadt wütete. Längst war er durchnässt vom Regen, der in feinen Rinnsalen über seine Stirn und seine Wangen rann, aber er spürte es kaum. Seine Augen brannten, während er in die Dunkelheit starrte, die immer wieder von grellen Blitzen durchbrochen wurde, und versuchte, nicht an den jungen Mann zu denken, der in seinem Gastgemach ruhte. Es gab Drängenderes, Wichtigeres, und er musste seine Gedanken auf anderes verwahren.
Irgendwo dort draußen im Dunkel lauerte ein Monster, das sich seinem Blick entzog. Es gab diese Verschwörung, dessen war er sich sicher, doch er tappte hilflos durch die Dunkelheit, blind und taub und ohne ein Ziel.
Er war deshalb an jenem Morgen sehr früh zu Rezzan Zornbrecht aufgebrochen, als die Unruhe ihm keine Ruhe mehr gelassen hatte. Er hatte mit ihm über seine Befürchtungen sprechen wollen, über den ehemaligen Rebellenführer Lucio, den er ins Vertrauen ziehen wollte. Doch dann war Said dagewesen, und seitdem hatte die Sorge um ihn alles andere gleichgültig werden lassen.
Amato schloss gequält die Augen, während seine Gedanken erneut abglitten. Etwas an dem Bastard berührte ihn auf eine Art, die er nur schwer ertragen konnte, und gleichzeitig mit einer Heftigkeit herbeisehnte, die ihn selbst erschreckte. Es war töricht, was er tat, und gefährlich. Dennoch war es da, wie dieser Sturm, der alle Vernunft hinwegfegte und ihn durchnässt und verzagt am Fenster sitzen ließ, während das Monster irgendwo dort draußen seine Krallen wetzte.
Amato atmete tief in die Kühle des Regens, spürte die Nässe auf der Haut und in den Haaren. Er durfte sich nicht verwirren lassen, nicht jetzt, da er all seine Kraft brauchte. Er musste etwas tun, und dennoch saß er hier und fühlte sich wie gelähmt, zerrissen zwischen dem, was er wollte, und dem, was er tun musste. Und immer wieder lockte der Gedanke, das alles hinter sich zu lassen und seinem Vetter Esmeraldo Platz zu machen. Es schien so einfach gerade, so betörend nah. Ein friedliches Ende und Ruhe, die es ihm erlaubte zu tun, was sein Herz ihm gebot.
Ein Regentropfen rann zwischen Amatos Wimpern, sodass er blinzeln musste, als er die Augen wieder öffnete. Sein Vater hatte gelächelt, als er gestorben war. Weil er geglaubt hatte, in ihm den Sohn zu haben, der nicht in seinem Schatten verblasste, sondern aus ihm hervortrat und verwirklichte, wofür es für Irato nach den Jahren im Exil zu spät gewesen war. Das Raubtier, das sein Vater in ihm gesehen hatte. Und Goldos Erbe.
Amato atmete schwer ein. Ein Blitz zuckte über dem fernen Silberberg, tauchte den Rabenfelsen für den Bruchteil eines Herzschlags in ein gleißendes, kaltes Licht. Er war seines Vaters Sohn, er war ein Grande. Er hatte die Macht zu gestalten, die Welt zu formen. Stattdessen wartete er ab, was andere über ihn verfügten, ließ sich umherschieben, benutzen, weil er nützlich war. Goldo, dem Hohen Rat, dem General ... Er saß dort, wo er heute war, weil er niemandem wehtat und es nicht wagte, selbst Hand an die Welt zu legen, um sie nach seinem Willen zu formen. Nicht einmal in seinem eigenen Haus.
Amato biss sich auf die Lippen, als der Gedanke fast schmerzhaft gegen seine Kehle drückte. Er musste ein Raubtier sein, wenn er etwas erreichen wollte und nicht nur verflossenen Gelegenheiten hinterhertrauern, die viel zu schnell vergingen und nichts als wehmütige Erinnerungen zurückließen.
Amato sprang auf. Wasser rann aus seinen Haaren und hinterließ zusammen mit dem tropfnassen Hemd kleine Pfützen, als er das Gemach durchquerte und auf den Flur hinaustrat. Einen Moment zögerte er, dann straffte er die Schultern und drückte entschlossen die Klinke hinab.
Das andere Zimmer lag ruhig. Ismene hatte die hölzernen Läden geschlossen, wie sie es immer tat, wenn Sturm aufkam, sodass man nur das Heulen des Windes und das Donnern vernahm. Amatos Herz schlug schneller, als er einen Schritt in den Raum hineinmachte. Ein eisernes Band hatte sich um seine Brust gelegt, das ihm den Atem nahm. Alles in ihm schrie danach, wieder zu gehen, wie er es all die Jahre getan hatte, bei Reto und allen, die sein Herz zu berühren drohten. Dennoch trat er näher, Schritt für Schritt bis an das Bett, auf dem Said schlief.
Er lag halb auf die Seite gelehnt, den Kopf auf den Arm gebettet. Eine Strähne seines schwarzen Haars war ihm ins Gesicht gefallen und schmiegte sich an die Wangenlinie, die im Zwielicht der Sturmnacht weicher schien als sie es war. Amato wagte kaum zu atmen, während er ihn stumm betrachtete und das Band um seine Brust das Klopfen seines Herzens zu ersticken schien. Vorsichtig beugte er sich vor und hob die Hand, zögerte erneut, ehe er die Fingerspitzen sacht an Saids Wange legte, um die Strähne beiseitezuschieben.
Im nächsten Moment drückte sich die Spitze des Dolchs an seinen Hals. Mit weit aufgerissenen Augen starrte Said ihn an. »Was wollt Ihr?«, zischte er.
»Ich ...« Amato verstummte und versuchte, den Dolch beiseitezuschieben, aber die Klinge folgte ihm unnachgiebig. »Ich wollte nach dir sehen. Ich meine, dich sehen.«
»Das hat Eure Sklavin bereits getan.«
»Ich weiß.«
Er sah die Antwort, zu der Said bereits ansetzte, sah das verwirrte Stirnrunzeln. Argwohn blitzte in den dunklen Augen auf, wandelte sich in Ärger und schließlich in Erstaunen, als er endlich zu verstehen schien.
Langsam nahm er die Waffe beiseite. »Macht das nicht wieder«, knurrte er. »Sonst bringe ich Euch um.«
Amato wich einen Schritt zurück, als Said sich aufsetzte und die Beine aus dem Bett schob. »Was hast du vor?«
»Ich gehe.« Er richtete sich auf, kniff die Augen zusammen, als brauche er einen Moment, um sich zu sammeln. »Habt Dank für alles.«
»Aber du kannst nicht gehen!«, rief Amato hilflos, während Said an ihm vorbeiwankte und den Beutel mit seinen Sachen griff. »Draußen herrscht Sturm. Du brauchst Ruhe, und hier ...«
»Bei Sturm werden sie mich nicht bemerken«, unterbrach ihn der Bastard. Er drehte sich um und sah ihn an. Das Aufflackern der Blitze spiegelte sich in seinen Augen wieder, aber die Härte war aus seinem Blick gewichen. »Boron mit Euch, Don Amato.«
Amato stand wie betäubt, unfähig, etwas zu sagen. Erst, als Said bereits an der Tür war, löste sich die Erstarrung. »Wenn du Hilfe brauchst ... komm hierher«, rief er und fühlte sich im gleichen Moment furchtbar albern. Warum sollte er ausgerechnet zu ihm kommen, wenn er jetzt vor ihm floh?
Said hielt noch einmal inne, die Hand an der Tür. Er drehte sich nicht um, doch Amato sah, wie er nickte.
Amato ließ sich auf das Bett sinken und schloss die Augen, um gegen die Enge anzukämpfen, die ihn zu ersticken drohte. Er hatte sich aus der Deckung gewagt, aber er hatte verloren, und es blieb nicht einmal ein tröstender Traum.
Er fühlte sich elend.
II
Esmeraldo
Esmeraldo Paligan hielt die Hand locker auf den Knauf des Säbels gestürzt, während er neben dem alten Geweihten durch den Tempelgarten schlenderte. Die Schritte seiner Stiefel knirschten auf dem dunklen Kies, von dem die Nässe in dampfenden Schwaden aufstieg, wo ihn die Sonne berührte. Der Morgen war ungewohnt frisch nach dem Sturm, der in der Nacht über die Stadt hereingebrochen war und die drückende Hitze für ein paar Stunden vertrieben hatte. Vom Tempeldach krächzten die Raben, und in einiger Entfernung hörte man das Ächzen und Poltern der Sklaven, die die Überreste zerstörter Statuen aus dem Einschlagkrater bargen. Eine Geweihte in schwarzem Ornat überwachte die Arbeiten, während ein bulliger Vorarbeiter zur Eile antrieb.
»Es scheint sich tatsächlich um einen Sternenfall zu handeln, sehr ähnlich den Vorkommnissen, deren Berichte wir bereits gesammelt haben.« Brotos Paligans Stimme erinnerte ein wenig an die einer Krähe, kratzig und alt. Die goldgesäumte Robe fiel eine Spur zu weit über die mageren Schultern, die er trotz des Alters aufrecht hielt. Scharf, wie der Schnabel eines Raubvogels, saß die Nase in dem hageren Gesicht, und seine Augen blickten stechend, als er den Kopf wandte, um Esmeraldo anzusehen.
Als Kind hatte Esmeraldo Angst vor dem Hochgeweihten gehabt. Der Alte, der das Lachen stielt, hatte seine Mutter Brotos genannt, weil jede Feier schlagartig an Fröhlichkeit verlor, wenn der düstere Priester den Raum betrat. Sie hatten alle Angst gehabt vor dem harten, unnachgiebigen Mann, der wahrscheinlich längst Oberhaupt der Boronkirche geworden wäre, hätten die Honaks den Patriarchenthron nicht an sich gerissen. Jetzt, fast dreißig Jahre später, hatte Brotos Paligan seinen Schrecken verloren. Esmeraldo war kein Kind mehr, das sich vor einem Greis mit Krähennase fürchtete. Er war Präfekt, Commandante im Rat des Schwarzen Generals und niemand, der sich noch maßregeln ließ. Brotos Paligan hatte ihn zu sich gebeten. Als Bittsteller, auch wenn dieses Wort dem alten Geweihten sicher nicht über die Lippen gekommen wäre.
»Hat man den Stern geborgen?«, fragte Esmeraldo, während er einen prüfenden Blick zu den Arbeiten hinüberwarf. Der Anblick eines Geweihten, der im Gespräch durch die Gärten schlenderte, schien jedoch nicht außergewöhnlich, sodass man ihnen keine Beachtung schenkte.
Brotos deutete ein Kopfschütteln an. »Angeblich ist er an der Absturzstelle verglüht. Wenn es sich jedoch tatsächlich um einen gefallenen Stern handelt, wie man sie im Norden erlebt hat, halte ich das für sehr unwahrscheinlich. Ich nehme an, Amir Honak hat ihn heimlich bergen lassen und hält ihn im Tempel zurück. Er hat angeordnet, Stillschweigen über die Geschehnisse zu wahren. So unmittelbar vor der Kriegserklärung will er wohl Aufruhr vermeiden. Fallende Sterne sind und bleiben ein böses Omen.«
»Daran tut er gut. Die Truppen würden unruhig, wenn sie davon erführen. Allerdings halte ich es für ebenso gefährlich, den Zwischenfall zu ignorieren. Wenn es tatsächlich ein Fingerzeig der Götter ist, sollten wir es ernst nehmen. Al’Anfa hat zu viele Kriege verloren, um Vorzeichen zu ignorieren.«
»Nicht jedes Vorzeichen ist eindeutig. Ein gefallener Stern kann vieles bedeuten. Eine Niederlage, ein schwerer Verlust, das Ende des Imperiums, der Boronkirche ... oder schlicht des Hauses Honak.« Ein durchdringender Blick streifte Esmeraldo, ehe der alte Geweihte wieder in den lockeren Plauderton verfiel. »Sicher werden wir versuchen, den Willen der Götter zu ergründen. Das müssen wir tun. Der Einschlag ist selbstverständlich nicht unbemerkt geblieben. Außerhalb des Tempels redet man bereits, und man fragt sich, was der Honak zurückhält. Es werden weitere Fragen gestellt. Fragen, die richtig angeleitet Zweifel nähren.« Seine schmalen Lippen formten ein wissendes Lächeln. »Diesen Dolch hat uns der Patriarch selbst in die Hand gedrückt. Nun gilt es, ihn geschickt zu nutzen.«
»Ihr wollt den Sternenfall so deuten, dass das Unheilsomen dem Patriarchen gilt?«, fragte Esmeraldo.
»Ich werde gar nichts deuten. Das wird ganz von selbst geschehen. Aber es ist sinnvoll, die richtigen Anstöße zu geben, um die Dinge in unserem Sinne in Bewegung zu setzen. Was mich zum eigentlichen Anlass unseres Gespräches führt.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob dieser Ort für diese Art Gespräche geeignet ist.« Esmeraldo sah erneut zu den Arbeitern, die gerade den zertrümmerten Arm einer Marmorstatue aus dem Krater zogen. Die Stille des Tempelgartens trug ihre Stimmen heran, aber sie waren zu weit entfernt, um Worte zu verstehen.
Brotos lachte leise. »Ihr seid misstrauisch, das ist gut! Gutgläubige Narren habe ich genug um mich herum. Doch lasst uns hier ein wenig gehen und plaudern, vom Onkel zum Neffen. Wir haben uns seit Jahren nicht gesehen, und ich bin erfreut, ein verlorenes Räblein in der Heimat willkommen zu heißen.«
Esmeraldo war sich nicht sicher, ob er Brotos’ Sorglosigkeit teilen wollte, aber es war vermutlich tatsächlich nichts Verdächtiges dabei, wenn er mit seinem Verwandten am helllichten Tag durch die Einsamkeit der Tempelgärten spazierte. Manchmal waren die offensichtlichen Orte die sichersten.
»Ich bin erfreut über Eure Fürsorge«, nahm er daher den Faden auf. »Allerdings kann ich Euch versichern, dass es um mein Seelenheil wohl bestellt ist. Es gibt in Sylla einen Tempel unseres Herrn Boron, sodass ich die letzten Jahre nicht gänzlich verlassen war.«
»Der Götterfürst wacht über seine Räblein, wo auch immer das Rabenbanner steht. Allerdings findet Ihr nur hier Männer und Frauen, die bereit sind, es zu ergreifen und zum Ruhm unseres Herrn Boron über die Grenzen des Imperiums hinauszutragen.« Wieder streifte ihn Brotos’ Blick, ohne dass der Geweihte innehielt. »Ihr habt sie kennengelernt, und Ihr kennt die Pläne unseres Generals. Ich will wissen, was Ihr darüber denkt.«
Esmeraldo nickte langsam. Seine Finger strichen über den Knauf seines Säbels, während er darüber nachdachte, wie viel er dem hageren Geweihten preisgeben wollte. »Lasst mich bei der militärischen Lage beginnen«, sagte er schließlich und senkte die Stimme. »Die Streitmacht ist gut ausgebildet, gerüstet und ohne Zweifel geeignet, das Königreich der Kemi zu unterwerfen. Oderin du Metuant weiß, was er tut. Er hat Erfahrung, Geschick und militärisches Verständnis. Allerdings kann er nicht mehr lange zögern. Mit jedem Tag, den die Truppen zur Untätigkeit verdammt sind, sinkt die Moral. Selbst wenn es ihm gelingt, sie noch eine Weile unter Kontrolle zu halten, werden die Soldaten am Ende ungeduldig und wenig diszipliniert in Kemi einfallen, was den Erfolg des Unternehmens gefährden würde. Es bleibt daher wenig Zeit.«
Der alte Geweihte nickte zustimmend. »Dann haltet Ihr es für sinnvoll, bald zuzuschlagen? Sprecht offen, ich bin gespannt auf Eure Einschätzung.«
»Bezüglich eures Kreises, den Ihr Rabenbund nennt?« Esmeraldo bleckte die Zähne zu einem flüchtigen Grinsen. »Ich halte es für gewagt, mit diesen Gestalten einen Umsturz zu versuchen.«
»Tatsächlich?« Brotos’ Braue ruckte nach oben. Er machte eine auffordernde Handbewegung. »Führt aus.«
»Ihr wollt einen Umsturz, aber Ihr habt niemanden, der in der Lage wäre, die Führung zu übernehmen oder die Heeresmacht hinter Euch zu bringen.« Esmeraldo schlug einen Weg ein, der sie ein Stück von den Aufräumarbeiten fortführte. »Solange die Truppen vor den Toren lagern und Ihr die Offiziere nicht hinter Euch wisst, wäre es Wahnsinn loszuschlagen. Was auch immer einige Eurer Anhänger behaupten mögen. Ihr braucht die Offiziere, die Hafenmeisterei und die Stadtwache. Am besten kümmert Ihr Euch auch um die wichtigsten Lanistos und lasst die Commandanta der Rabengarde austauschen. Für einige dieser Aufgaben habt Ihr geeignete Leute. Verteilt die Verantwortlichkeiten entsprechend. Diesen jungen Kugres lasst Ihr besser verschwinden. Die Kriegsfakultät verteilt sehr bereitwillig Patente, aber eine schöne Urkunde macht keinen guten Commandante. Der Bursche ist gefährlich für Euer Unterfangen, weil er seine Fähigkeiten überschätzt und nicht bereit ist, Fehler einzugestehen. Stünde er unter meinem Kommando, hätte ich ihn längst entfernt.«
Brotos nickte bedächtig. »Das werde ich nachholen. Ich danke Euch. Ich bin wahrscheinlich zu wenig Soldat, um den Wert dieser Patente einschätzen zu können. Das Übrige ist mir durchaus bewusst.« Er strich sich nachdenklich über das Kinn. »Es fließen bereits Gelder, um Notwendigkeiten anzustoßen. Allerdings hat die Erfahrung gezeigt, dass Geld allein nicht an jeder Stelle zu überzeugen weiß. Gerade unter Soldaten gibt es aufrechte Gestalten mit hehren Idealen, die sich in ihrer Ehre gekränkt sehen, wenn man ihre Treue über das übliche Maß hinaus entlohnen will. Solche Männer und Frauen brauchen andere Wege der Überzeugung. Wege, auf die Ihr Euch besser versteht als ich.«
»Ihr habt mich hierherbestellt, damit ich Euch den Rückhalt der Truppen verschaffe?« Esmeraldos Gesicht blieb unbewegt, während er in Gedanken knapp überschlug, wie groß seine Erfolgsaussichten waren. Er kannte viele der Kommandanten noch aus der Zeit aus Port Corrad, aber es war schwer zu sagen, wie sie inzwischen zu General Oderin du Metuant standen. In fünf Jahren war viel geschehen, für ihn selbst und auch für jeden anderen.
Brotos nickte. »Das will ich. Ihr seid der Einzige, den ich dazu befähigt sehe, Heer und Stadt zusammenzuhalten. Sobald wir den General gestürzt haben, tretet Ihr an du Metuants Stelle. Ich werde Euch zum Generalissimus machen, und Ihr werdet den Krieg in Kemi für das Imperium zu einem triumphalen Sieg führen. Mit den Anhängern Prinzessin Rhôndas bin ich bereits im Gespräch. Diesen Gestalten ist es gleichgültig, wer das Heer führt, das Nisut Ela und die Horasier aus dem Land fegt. Als Triumphator werdet Ihr dann gemeinsam mit mir über die Stadt herrschen, alle Macht vereint in den Händen des Hauses Paligan.«
Esmeraldo hob eine Augenbraue. »Ihr seid Euch bewusst, dass Eure Anhänger etwas anderes erwarten? Die anderen Häuser werden es kaum hinnehmen, wenn Ihr sie übergeht. Shantalla Karinor sprach von der Vorstellung, Euch einen neuen Hohen Rat der Zwölf gleichberechtigt zur Seite zu stellen.«
»Ich weiß.« Brotos’ Lippen formten ein schmales Lächeln, das seine Raubvogelzüge einen Herzschlag lang noch härter erscheinen ließ. »Sie fordern auch, dass Ihr nach Eurem Triumph selbstlos zurücktretet und die Zukunft Gestalten wie diesem jungen Kugres überlasst, dessen einzige Tat es ist, große Reden zu schwingen. Womöglich plant man für Euch bereits ein ähnliches Schicksal, wie es einst unseren Schwarzen General mit seiner Verbannung ereilt hat, als die Granden seine Macht fürchteten. Selem ist sicher ein guter Ort, um in Vergessenheit zu geraten. Man könnte Euch dorthin schicken, um die Grenzen des Imperiums gegen aufrührerische Echsen zu verteidigen. Ich bin überzeugt, dass Euch diese Aussicht ebenso wenig gefällt wie mir.«
Esmeraldo lachte trocken auf. »Ich bitte Euch, Hochwürden Brotos. Warum sollte Euch mein Schicksal etwas kümmern? Als Patriarch ist Euch ein zerstrittener Rat doch wahrscheinlich lieber als ein starker General an Eurer Seite.«
Brotos schmunzelte flüchtig. »Es gefällt mir, wie Ihr denkt, Esmeraldo. Und ich beginne zu verstehen, warum mein Bruder Euch ausgewählt hat. Aber in dieser Sache kann ich Euch versichern, dass mich Euer Schicksal sehr wohl etwas kümmert. Ich bin alt, Esmeraldo. Wenn Boron mir noch ein paar Jahre gibt, werde ich sie nutzen, um aus Al’Anfa das Imperium zu machen, das es einst war, bevor es die Honaks von einer Niederlage in die nächste geführt haben. Doch wenn ich gehe und niemand an meiner Seite steht, der mein Werk fortsetzt, werden sich die Raubtiere auf mein Vermächtnis stürzen und es vernichten. Daher wird es auch Euer Werk sein, dem Imperium Größe zurückzugeben und es unter Borons Herrschaft zu stellen. Es gibt übrigens eine junge Geweihte, die ich Euch bei Gelegenheit vorstellen will. Sie hat den Geist, die Stärke und das Potenzial einer Paligan, die Großes zu bewirken vermag. Ihr werdet Euch ihrer annehmen, wenn die Zeit reif ist, wie ich mich Eurer nun annehme, und ihr helfen, mir nachzufolgen. Wenn man etwas von Bestand schaffen will, braucht man mehr als ein Paar Schultern, es zu stemmen. Und mehr als ein Leben, um es zu wahren.«
»Eine junge Paligan? Kenne ich das Mädchen?«
»Wahrscheinlich, auch wenn Ihr sie lange nicht gesehen habt. Es handelt sich um meine Nichte Boronita, die Tochter unseres verehrten Goldo mit seiner zyklopäischen Braut. Ein überaus kluges Kind und hübsch.« Brotos schmunzelte erneut auf diese flüchtige, düstere Weise. »Sie wird Euch sicher gefallen.«
Esmeraldo nickte, während er beschloss, die Zweideutigkeit, die in Brotos’ Worten mitschwang, vorerst zu übergehen. In dem engen Familiengeflecht der acht großen Häuser war es nicht unüblich, dass auch nahe Verwandte einen Bund eingingen, aber darüber würde er zu gegebener Zeit entscheiden, ob er bereit war, sich soweit in Brotos’ Lebenswerk einbinden zu lassen. Im Grunde plante der alte Geweihte nichts anderes als einen Staatsstreich, an dessen Ende das Haus Paligan über alle anderen Häuser triumphierte, indem es geistliche und weltliche Macht gleichermaßen in den Händen hielt. Ein hochtrabender Gedanke, der Esmeraldo erstaunlich gut gefiel, wenn es tatsächlich gelingen könnte, den Gedanken zur Tat zu machen.
»Eine Sache habt Ihr bislang vermieden anzusprechen«, sagte er nachdenklich, nachdem sie einige Momente schweigend weitergegangen waren. »Don Goldo. Mir ist seine Rolle in Euren Plänen nicht ganz klar. Ich bezweifle, dass er zusieht, wenn wir nach der Macht greifen, ohne selbst die Hand auszustrecken.«
»Natürlich. Deshalb wird er weichen müssen.« Brotos hielt unvermittelt inne. Die wasserblauen Augen, die trotz des Lächelns plötzlich unangenehm stechend wirkten, suchten Esmeraldos Blick. »Mein Bruder hatte seine Zeit. Für das, was vor uns liegt, braucht das Haus Paligan eine harte und vor allem entschlossene Hand. Wenn sein Kopf fällt, werdet Ihr das Haus führen. Das ist mein Angebot an Euch. Seid Ihr bereit, mir zu folgen?«
Esmeraldo war ebenfalls stehengeblieben, und zu seiner Überraschung stellte er fest, dass er den alternden Geweihten keineswegs an Haupteslänge überragte, sondern ihm geradewegs in das von Leben und Alter gezeichnete Gesicht sah. Tiefe Entschlossenheit lag darin, und Esmeraldo wurde mit einem Mal bewusst, wie viel dieses Vorhaben dem greisen Geweihten bedeutete. Brotos Paligan hatte sein Leben lang gewartet, und er hatte nichts mehr zu verlieren. Wenn er scheiterte, dann mit dem letzten Versuch, sein Lebenswerk zu vollenden. Doch war dieser Versuch tatsächlich vielversprechend genug, um sein Geschick auf Gedeih und Verderb an das Schicksal seines Großonkels zu hängen? Seine Stellung unter Oderin bot ihm andere Möglichkeiten, und der General war ebenfalls alt, sodass es nur eine Frage der Zeit war, bis sich ein Nachfolger durchsetzen musste. Alles deutete derzeit darauf hin, dass dies Alena Karinor wäre, doch Dinge konnten sich ändern, gerade wenn ein Krieg bevorstand. Und es gab kaum eine günstigere Gelegenheit, eine Konkurrentin zu beseitigen, als das Schlachtgetümmel, in dem nicht mehr auszumachen war, woher der tödliche Bolzen tatsächlich kam. Nach den Jahren in Sylla störte es ihn, dass er als Commandante unter Oderin du Metuant in die zweite Reihe zurücktreten musste, und ihn störte das Zögern und der Aufwand, den man um die kemsche Prinzessin und ihre unerträglichen Begleiter machte. Shantallas Versprechungen hatten ihn neugierig gemacht, sodass er sich bereit erklärt hatte, ihr zu diesem Treffen zu folgen. Brotos’ Rabenbund bot Möglichkeiten, aber er barg auch Risiken. Allerdings war Esmeraldo nicht so weit gekommen, weil er zauderte und zagte.
Er nickte langsam und wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als sein Blick auf den hochgewachsenen Mann fiel, der auf sie zuhielt. Lange dunkelbraune Haare, die an den Schläfen zu zwei dünnen Zöpfen geflochten waren, umflossen die breiten Schultern, und der forsche Schritt verriet, dass er nicht zufällig hierherkam.
»Eure Erhabenheit!« Esmeraldo trat zurück und senkte den Kopf, während er in Gedanken hastig überschlug, ob sie an irgendeiner Stelle des Gesprächs doch zu nah an den Arbeitern gewesen waren. Doch in dem Gesicht des Patriarchen deutete nichts darauf hin, dass er zürnte. Ein junger Novize beeilte sich, ihm zu folgen, und blieb schließlich mit zwei Schritten Abstand hinter dem Kirchenoberhaupt stehen, den Blick auf die Hände gesenkt.
»Boron zum Gruß.« Ohne Eile drehte sich Brotos zu Amir Honak um. Sein Raubvogelgesicht formte ein höfliches Lächeln. »Welch unerwarteter Anblick zu dieser Stunde.«
»Der göttliche Rabe mit Euch«, erwiderte der Patriarch den Gruß knapp. Seine Mimik war unbewegt, als sein Blick kurz zu Esmeraldo glitt und dann gleich wieder zu Brotos zurückkehrte. »Das Gleiche mag ich auch sagen. Euer Neffe, wenn ich mich nicht irre?«
»Commandante Esmeraldo Paligan, Eure Erhabenheit. Ich wollte um eine Audienz ersuchen, um ihn Euch vorzustellen. Ihr seid mir nun zuvorgekommen.«
»Es steht Euch frei, es dennoch zu tun«, beschied Amir Honak knapp. »Sprecht deswegen mit meinem Sekretär. Doch nun muss ich Euch bitten, das familiäre Beisammensein zu beenden. Ich habe mit Euch einige Dinge zu besprechen.«
Brotos’ linke Braue wanderte ein Stück nach oben. »Ihr habt es gehört, mein Rat wird benötigt«, sagte er, und wenn Esmeraldo es nicht besser wüsste, hätte er angenommen, echtes Bedauern in seiner Stimme mitschwingen zu hören. »Es war mir eine Freude, mit Euch zu plaudern und alte Erinnerungen auszutauschen. Richtet Eurer Mutter meinen Gruß aus, wenn Ihr sie seht.« Er hob die Hand zu einer segnenden Geste. »Boron mit Euch, mein Sohn.«
»Der Götterfürst mit Euch, Hochwürden«, antwortete Esmeraldo steif, ehe er sich dem Patriarchen zuwandte und die Faust zum militärischen Gruß an die Brust führte. »Ehre dem Raben, Eure Erhabenheit.«
Amir Honak nickte stumm, doch Esmeraldo war, als blickten die klaren Augen einen Moment lang eindringlicher. Ein unangenehmes Schaudern griff nach seinem Nacken, als er sich umdrehte und dazu zwang, ohne Eile den Weg zurück zum Tempel einzuschlagen. Die Stimmen der Arbeiter waren nun sehr nah, aber er beachtete sie nicht. Vielleicht war es nur ein Zufall, der Amir Honak gerade in diesem Moment in die Tempelgärten geführt hatte, doch Esmeraldo war mit den Jahren zu vorsichtig geworden, um auf Zufälle zu vertrauen. Brotos’ Vorhaben war hochtrabend, aber nicht unmöglich, und es bot Möglichkeiten, die alles überstiegen, was er sich bei seiner Rückkehr aus Sylla erhofft hatte. Dennoch musste er vorsichtig sein und abwägen, ehe er dem alten Geweihten das Versprechen gab, das Brotos ihm abgerungen hätte, wäre der Patriarch nicht erschienen. Vielleicht war es ein Fingerzeig Borons, nicht voreilig Entscheidungen zu fällen, sondern in Ruhe abzuwägen. Denn eines wusste Esmeraldo sicher: Es war gleichgültig, wer im Hintergrund die Fäden zog, er würde keine Mirhamionette sein.
Said
Von draußen klangen die geschäftigen Geräusche des Hafens. Zwielicht drang durch die Ritzen zwischen den Brettern des Verschlags und beließ die Ecken in gnädigem Dunkel. Der Gestank nach altem Schweiß und menschlichen Ausscheidungen hing noch in der Luft, und auf dem Boden lag eine umgeworfene Schale mit den eingetrockneten Resten eines Reisbreis, auf dem sich eine dicke Traube Fliegen niedergelassen hatte.
Said ging in die Knie und hob das Stück raue Schnur auf, mit der er die Beine des Beschützers gefesselt hatte. Sie war glatt durchtrennt und nicht durchgerieben, wie er im ersten Moment befürchtet hatte. Rurescha musste ihn fortgebracht haben, aus welchem Grund auch immer, und das offensichtlich schon vor mehr als einem Tag.
Mühsam erhob er sich und tastete nach der Wand, als ihn erneut Schwindel überkam. Der Paligan hatte recht gehabt, es war nicht gut gewesen, mitten in der Nacht aufzubrechen. Der Sturm hatte Sturzbäche aus Wasser, Schlamm und Unrat durch die Gassen getrieben, sodass er nicht weit gekommen war, sondern die Zeit bis zum Morgen zusammengekauert in einer Hausecke verbracht hatte. Jede Faser seines Körpers schmerzte, und er hasste die Schwäche, die ihn ohne Grund straucheln ließ. Aber dass sein Unterpfand fort war, zeigte, dass er viel zu lange tatenlos geblieben war. Er hatte keine Ahnung, was Rurescha bewegt hatte, den Mann von hier fortzuschaffen. Vielleicht war er auch nicht vorsichtig genug gewesen, und die Karinor oder einer der Verschwörer aus den Katakomben hatte seine Spur aufgenommen. Dann war dieses Druckmittel verloren und dieser Unterschlupf nicht mehr sicher.
Said warf einen raschen Blick über die Schulter, aber das vertraute Kribbeln, das sich einstellte, wenn Gefahr drohte, blieb aus. Dennoch sollte er sich hier nicht länger als notwendig aufhalten.
Said wartete einen Moment, um sicher zu gehen, dass nicht gerade jemand zufällig an dem Verschlag vorbeikam. Dann stahl er sich hinaus und tauchte erneut ein in das bunte Treiben der Gassen. Es war nicht schwer, in der Menge zu verschwinden. Al’Anfa hatte über die Jahrhunderte Gestrandeten aus aller Herren Länder eine Zuflucht geboten, sodass sich die Völker vermischt hatten und es kaum noch etwas gab, wonach sich die Leute umgedreht hätten, weil es seltsam und fremd gewesen wäre. Glutäugige Tulamiden gab es ebenso wie Nachfahren güldenländischer Eroberer, Waldmenschen und Mischlinge jeder Art, selbst dunkelhäutige Hünen, deren Ahnen noch Thorwalerblut in sich getragen haben mochten, und Utulus mit hellen Augen, die schon vor Generationen den Sklavenstatus abgestreift hatten.
Die Kleidung, die der Paligan ihm gegeben hatte, war sauber, aber einfach und zweckmäßig, sodass niemand Said Beachtung schenkte, während er sich durch die Gassen treiben ließ und einen der schmalen Aufgänge emporstieg, die in die Abbruchkanten des Berges geschlagen waren, um die Ebenen der Stadt miteinander zu verbinden.
Der Schlund lag nicht unmittelbar am Hafen wie die anderen Elendsviertel, sondern weiter oben am Hang. Die rußgeschwärzten Ruinen verrieten, dass das Quartier einst wohlhabend gewesen sein musste, ein ähnlicher Ort wie die Grafenstadt, wo auch Amato Paligan seine Villa unterhielt. Vor einigen Jahrzehnten hatte hier ein furchtbarer Feuersturm gewütet, der das ganze Viertel vernichtet und von dem alten Glanz nur trostlose, verkohlte Mauern übriggelassen hatte, über denen noch immer ein leichter Brandgeruch lag. Anders als in den Brabaker Baracken gab es hier keine Mietskasernen. Wer hier lebte, hatte sich aus altem Mauerwerk, rohem Holz und Palmwedeln einen Unterschlupf gebaut oder hauste in einem der zerfallenen Hinterhöfe, in denen wild sprießende Blumen und Schlingpflanzen die Ruinen mehr und mehr zurückeroberten. Dazwischen fanden sich immer wieder fast intakte Häuser oder solche, die man allen Widrigkeiten zum Trotz wieder aufgebaut hatte, auch wenn der Schlund kein Ort mehr war, der dazu einlud, länger zu verweilen. Während die Baracken am Hafen all jene aufnahmen, die das Meer in die Stadt spülte, so hausten hier diejenigen, die geblieben waren und ihr Auskommen im Schatten der Rabenstadt gefunden hatten – Diebesbanden und Schläger, die ihre Fäuste an jeden verkauften, der nur genug zahlte, Hehler, Schutzgelderpresser und ehemalige Söldner, die verkrüppelt auf den Stufen ehemals herrschaftlicher Villen hockten und Vergessen im Rauschkraut suchten.
Im Gegensatz zu den anderen Stadtteilen lagen die Gassen unter der Hitze fast ausgestorben da. Das Surren von Fliegen und Moskitos hing in der flirrenden Luft. Stimmen drangen aus einer Taverne im Schatten schimmliger Palmwedel, und ein paar Häuser weiter spielte jemand auf einer Handtrommel den Takt zum eintönigen Gesang einer alten Frau.
Als Said in den Schatten des Durchgangs trat, der zum Hinterhof führte, wo Rurescha und er zuletzt untergekommen waren, fing sein Blick einen Herzschlag lang den eines alten Mannes, der schon beim letzten Mal hier gesessen hatte. Seine schwärenden Beinstümpfe hatte er vor sich auf einer feuchten Strohmatte ausgestreckt, ohne sich um die Fliegen zu scheren, die wie ein wimmelndes Tuch aus schwarzen Leibern über die zerstörten Gliedmaßen krochen. Sein Haar war schlohweiß, und sein Gesicht war von unzähligen Falten und Grübchen durchzogen, dass er Said fast an die alte Geschichtenerzählerin erinnerte, die in Meister Darjins Haus gelebt hatte. Die Augen unter den buschigen Brauen hingegen wirkten klar und kalt. Unverhohlen musterte er Said, ohne ein Wort zu sagen, und folgte ihm mit seinem Blick, sodass er sich zwingen musste, sich nicht umzudrehen.
Ein ungutes Gefühl legte sich um Saids Nacken, während er die wackeligen Stufen emporstieg, die zu der Kammer hinaufführten. Etwas stimmte nicht, aber es war zu spät, um einen anderen Weg zu wählen. Wenn ihn jemand erwartete, dann hatte man ihn ohnehin längst entdeckt.
Seine Sinne waren zum Zerreißen gespannt, als er die Bretter beiseiteschob, die eine behelfsmäßige Tür abgaben. Der Hinterhof gehörte zu einem ehemals prachtvollen Haus, von dessen rückwärtigen Zimmerfluchten nur die rußverschmierten Mauern stehengeblieben waren. Im Erdgeschoss hatte sich eine ehemalige Gladiatorin eingenistet, die von sich behauptete, die Hausherrin zu sein, und im oberen Stockwerk Verschläge aus Flechtwerk und Stoffbahnen vermietete. Die Kammer, die sie Said und Rurescha überlassen hatte, lag in eine Mauernische geduckt und war sogar recht geräumig, wenn man von dem mit morschem Holz notdürftig zugedeckten Loch absah, wo der Fußboden eingebrochen war. Licht sickerte durch den schmutzigen Stoff, der Hitze und Regen notdürftig abhielt, und offenbarte im Halbdunkel zwei Lager und daneben eine Tasche, in der Said sein spärliches Hab und Gut verstaut hatte. Der Geruch von Rauchkraut und Arangen hing in der Luft, der unter dem Tuch unangenehm stickig war.
Misstrauisch sah Said sich um. Es war alles, wie er es an dem Abend verlassen hatte, als er aufgebrochen war, um in Gilia Bonareths Gemächer einzusteigen. Nichts deutete darauf hin, dass Rurescha den Beschützer hierhergebracht hatte, auch wenn sie zwischendurch hier gewesen sein musste.
Said trat an das Lager heran und ging in die Hocke, um nach der Holzschale zu greifen, die er der Maraskanerin vor einigen Monden geschenkt hatte. Sie war gefüllt mit frischen Arangenschalen. Eine Wolke feiner Fliegen stieg von den Fruchtresten auf und eine schwarzschimmernde Schabe huschte eilig davon. Die Schnittkanten der Arangenschalen waren gerade erst angetrocknet, sodass es keine Stunde her sein mochte, seit jemand hier gewesen war. Und es war sicher kein Häscher der Karinor.
»Du bist zurück.«
Said erstarrte, als er Rureschas Stimme hinter sich hörte. Langsam stellte er die Schale zurück und drehte sich um.
Die Maraskanerin stand in der Tür. Grelles Mittagslicht umfloss ihre sehnige Gestalt, sodass er ihr Gesicht nur erahnen konnte. Das Haar trug sie zusammengebunden und über der Schulter die Tasche aus fleckigem Leinen, in der sie ihre Habseligkeiten mit sich herumtrug. Ihre Füße steckten in weichen Sandalen, vermutlich hatte er sie deshalb nicht gehört.
»Es tut mir leid, dass ich dir nicht Bescheid geben konnte«, sagte er, und tatsächlich fühlte er sich erleichtert, sie unversehrt zu sehen. Auch wenn es eine Reihe von Fragen gab, auf die er dringend eine Antwort haben musste, war es gut zu wissen, dass sie noch da war. »Die Häscher der Karinor hätten mich fast erwischt. Ich hatte Glück, aber es hat einige Zeit gedauert, bis ich wieder auf den Beinen war.«
»Ich habe es mir gedacht.« Er meinte, ein Lächeln zu erkennen, als sie nähertrat. Sie hob die Hand an seine Wange, suchte seinen Blick. Die Berührung war ebenso vertraut wie der Geruch nach Mohacca, der sie umgab, und doch war etwas in ihren Augen, was anders war als sonst.
»Ich habe dich vermisst, Saidjian«, flüsterte sie, während sie den Kopf hob, um ihn zu küssen. Ihre Fingerspitzen strichen über die Hebung seines Wangenknochens, gruben sich in sein Haar. Er spürte ihren warmen Atem auf den Lippen, als sie den Mund einen Spalt weit öffnete, um ihn willkommen zu heißen, erleichtert und voller Sehnsucht nach den Tagen der Ungewissheit.