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Es sind ganz besondere Inkarnationen, in denen sich die beiden Seelen(hälften) eines Dualseelen-Paares in Menschengestalt begegnen. Jede dieser Begegnungen ist von unschätzbarem Wert, denn die beteiligten Seelen schenken einander jedes Mal einen unvergleichlichen Entwicklungsimpuls. Nach der gemeinsamen Zeit auf Erden ist in beider Leben nichts mehr so wie es vorher war. Sie sehen die Welt mit anderen Augen. Tanja, eine Alte Seele in einem weiblichen Körper, berichtet hier in lockerer Atmosphäre offen und ehrlich von den Erfahrungen, die sie gemacht hat, als sie auf ihre andere Selenhälfte traf. Ihr Bericht ist getragen von Dankbarkeit, verzichtet aber auf Beschönigungen und romantische Verklärung. Sie beschreibt, was sie erlebt und was sie aus der Begegnung mit ihrer Dualseele gelernt hat. Der Schmerz, den sie erfahren und annehmen musste, hat sie zu beglückenden spirituellen Erfahrungen und zur Selbstliebe geführt. Die Erfahrungen, die die Menschen mit ihren Dualseelen machen, sind höchst individuell, aber es gibt gewisse Muster und Situationen, die fast alle spirituellen Menschen durchlaufen, wenn sie auf ihre Dualseele treffen. Sehr viel davon hat auch Tanja erlebt. Eigentlich ein sehr ausgeglichener Mensch, fand sie sich plötzlich gefühlsmäßig in höchsten Höhen und tiefsten Tiefen, mit anderen Worten: auf einer monatelangen emotionalen Achterbahnfahrt. Sie schildert ihre Erinnerungen im Rahmen eines humorvoll-freundschaftlichen Gesprächs, das jedoch an vielen Stellen ans Eingemachte geht. Weder die Autorin noch ihre Gesprächspartnerin nehmen ein Blatt vor den Mund. Zur Sprache kommen zum Beispiel: - die Besonderheiten von Dualseelen (Zwillingsflammen, Zwillingsseelen) - Unterschiede zu Seelenpartnern (Seelengefährten, Seelenfreunden) - karmische Verstrickungen - gegenseitiges Erkennen, Zauber des Anfangs, ungekannte Energie, magische Momente spirituelle Honeymoon-Phase - Sprengkraft, Kontaktabbruch, Trennung - Glücksgefühle und Verzweiflung - spirituelles Erwachen - Vertrauen - Einheits-/Verschmelzungserlebnisse - Höheres Selbst - Gefühle zulassen und annehmen - (Schatten-)Projektionen zurücknehmen Ebenfalls von Floriane Leland erhältlich: - Alte Seelen finden ihren Weg. Erfahrungen, Ansichten und Einsichten einer Alten Seele in ihren besten Menschenjahren - Besinnliches für Alte Seelen - Herzensruhe, Freiheit, Glückseligkeit. Ein kurzes Buch vom Tao - Leseführer für Alte Seelen Band 1. 22 persönliche Buchtipps. Spirituelle Impulse für jeden Tag
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Veröffentlichungsjahr: 2021
Inhaltsverzeichnis
Tanja
Gewitter
Telepathie
Begegnung
Liebe … oder so
Showdown
Nachhall
Heilung
Weitere Bücher von Floriane Leland
Leseprobe aus „Alte Seelen finden ihren Weg“.
Leseprobe aus „Besinnliches für Alte Seelen“
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Vor ein paar Jahren lernte ich Tanja kennen. Wir merkten schnell, dass wir einiges gemeinsam hatten und haben. Um nur ein paar Stichworte zu nennen: Wir sind hochsensible Alte Seelen, haben einen unaufgeregten Blick in die Welt, finden Antworten in Büchern, wünschen allen Menschen immer nur das Beste, sind jeweils glücklich verheiratet – und wir beide sind unserer Dualseele begegnet und hatten am Tiefpunkt unserer Dualseelenbeziehung eine ergreifende spirituelle Erfahrung, die uns verändert hat. Tanjas Erfahrungen mit ihrem seelischen Zwilling waren allerdings – das hatte ich einigen kleinen Andeutungen und einer Kurzversion ihrer Geschichte entnommen – noch heftiger als meine, weshalb ich statt meiner eigenen lieber ihre Geschichte aufschreiben wollte. Mehrmals habe ich sie gefragt, ob sie mir ihre Erlebnisse einmal ausführlich erzählen würde, für ein Buch. Sie lehnte jedes Mal ab.
Als wir kürzlich wieder auf das Thema Dualseelen zu sprechen kamen, sagte sie mir, dass sie nun, gut zehn Jahre nachdem sie das letzte Mal Kontakt mit ihrer Dualseele hatte, bereit wäre, ihre Geschichte zu erzählen – vorausgesetzt, Namen und Orte würden verändert. Ich stimmte natürlich zu.
Beim Thema Dualseelen kann es keine absoluten Wahrheiten geben. Weder Tanja noch ich bezeichnen uns als Expertinnen in Dualseelenfragen. Wir beide haben ähnliche Erfahrungen durchlebt und jede für sich Informationen eingeholt – und uns ein eigenes Bild gemacht. Es kann also sein, dass Sie mit unseren Einschätzungen (an einigen oder auch an vielen Stellen) nicht übereinstimmen. Für diesen Fall bitten wir um Toleranz und Wohlwollen. Seelenkunde ist keine exakte Wissenschaft, und im Folgenden handelt es sich nicht um einen mathematischen Beweis, sondern um einen Erfahrungsbericht mit persönlicher Einordnung.
Noch ein Wort zur Begriffsklärung: Einige Menschen unterscheiden zwischen Dualseelen, Zwillingsseelen und Zwillingsflammen. Tanja und ich haben in unserem Gespräch diese Unterscheidung nicht gemacht.
Allerdings differenzieren wir zwischen den Begriffen Dualseele, Seelenpartner und karmische Verstrickung. Inwiefern diese sich unterscheiden, klären wir im hinteren Teil dieses Buches.
Alles klar? Dann bitte alle anschnallen, es geht jetzt los.
* * *
FLORIANE: Stück Schokolade?
TANJA: (lacht) Später bestimmt gern. Ich könnte mir vorstellen, dass ich nachher noch Nervennahrung brauche.
FLORIANE: Sind die Erinnerungen so aufwühlend, dass du sie sonst lieber wegpackst?
TANJA: Na ja, wegpacken nicht im Sinne von Verdrängung. Wenn Bilder und dazugehörige Emotionen hochkommen, schaue ich sie mir schon an und gebe ihnen Raum, lasse sie frei, soweit das möglich ist. Nur hole ich die Erinnerungen nicht ständig aktiv hervor, um in ihnen zu schwelgen. Auch wenn einige Aspekte sich durchaus zum Schwelgen eignen würden. Viele andere allerdings gar nicht.
FLORIANE: Wir werden am Ende dieses Gesprächs natürlich Bilanz ziehen, aber das, was du gerade gesagt hast, wirft jetzt schon mal die Frage auf: Bewertest du die Begegnung mit deiner Dualseele insgesamt eher negativ?
TANJA: Nein, es war die bisher wichtigste und lehrreichste Phase meines aktuellen Erdenlebens. Aber angenehm war sie nicht … von einigen wunderschönen Augenblicken abgesehen.
FLORIANE: Die höchsten Höhen, die tiefsten Tiefen?
TANJA: Genau. Und das in einer Intensität, die ich nicht für möglich gehalten hätte, mit Gefühlen, von denen ich nicht wusste, dass ich solche zu fühlen in der Lage wäre – positive wie negative.
FLORIANE: Fangen wir ganz vorne an. Wie habt ihr euch kennengelernt?
TANJA: Ich vertrat einen Kollegen, der in unserem Betrieb für die Kundenreklamationen zuständig war, in dessen Urlaub. Bevor der Kollege in die Ferien fuhr, übergab er mir einen Stapel Rückrufbitten, die er nicht mehr geschafft hatte. TANJA: Nicht besonders kollegial, aber das kannte ich schon von ihm. Es war mir glücklicherweise bis dahin auch immer gelungen, mit den von ihm „zurückgelassenen“ Kunden in guten, konstruktiven Gesprächen eine Einigung zu finden. Also machte ich mich zuversichtlich an den Stapel. Es lief alles rund, bis ich zu dem Zettel kam, auf dem der Name eines Herrn Schmitt stand. Die Kollegin, die den Anruf entgegengenommen hatte, hatte in Großbuchstaben „DRINGEND!!“ dazugeschrieben und drei Mal unterstrichen. Ich schaute auf das Datum auf dem Zettel. Die Notiz war eine Woche alt ...
FLORIANE: Ui.
TANJA: Ja, das dachte ich auch, wählte aber mutig die Nummer. Herr Schmitt nahm ab, ich nannte meinen Namen und den unserer Firma, und dann ging es los.
FLORIANE: Was genau ging los?
TANJA: Ein Gewittersturm. Ach, was sage ich, ein Tornado! Ich war noch nie in meinem Leben derart laut und wütend beschimpft worden.
FLORIANE: Wie hast du reagiert?
TANJA: Erstaunlicherweise brachte mich sein Schimpfen nicht aus der Fassung. Als sensibler Mensch ziehe ich mir normalerweise die Stimmungen anderer Leute sofort rein, ob ich will oder nicht. Aber hier blieb ich nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich ganz ruhig. Nicht nur gab ich ihm eine professionelle Kundenservice-Antwort, von wegen „Tut mir leid, dass sie warten mussten“ usw., sondern ich war wirklich ganz authentisch freundlich, verbindlich. Das wunderte mich selbst, weil es zu jener Zeit nicht meine Art war, auf Schroffheit mit menschlicher Wärme zu antworten. Das ist zwar die angemessene Reaktion aus der Sicht des Buddhismus, des Christentums und anderer Lehren … (lächelt) aber damals hatte ich diese Einsichten noch nicht in mein alltägliches Leben integriert. Ich merkte also, dass da etwas Ungewöhnliches passierte.
FLORIANE: Wie reagierte er?
TANJA: Er war perplex, glaube ich. Von einem Moment auf den anderen wurde er ruhig und handzahm. Er ließ sich auf meinen Lösungsvorschlag ein und bedankte sich am Ende sogar noch für das nette Gespräch! (lacht)
FLORIANE: Lass mich raten: Das war noch nicht das Ende der Geschichte.
TANJA: Richtig geraten. Das Telefonat war am Montag, und ich habe anschließend sofort veranlasst, dass er Ersatz für die beanstandete Ware erhält. Die traf am Mittwoch bei ihm ein. Und er rief an.
FLORIANE: Um sich wieder über etwas zu beschweren?
TANJA: Nein, nicht wirklich. Diesmal hatte er Fragen zur Bedienung. Die Antworten auf seine Fragen wären alle im Handbuch zu finden gewesen, aber einem gerade beschwichtigten Kunden sagst du natürlich nicht „Lesen Sie doch einfach mal die Gebrauchsanleitung!“. Also erklärte ich ihm alles freundlich, und das Gespräch endete höflich und mit gegenseitigen guten Wünschen.
FLORIANE: Das war am Mittwoch …
TANJA: Genau. Und am Donnerstag und am Freitag rief er wieder an. Die Anlässe waren noch fadenscheiniger als am Mittwoch. Deshalb erklärte ich ihm am Freitag sehr freundlich, dass ich viel zu tun hätte, da ich ja neben meiner eigenen Arbeit noch die des verreisten Kollegen zu erledigen hätte. Er reagierte verständnisvoll. Das hätte das Ende der Geschichte sein können.
FLORIANE: War es aber nicht.
TANJA: Nein, war es nicht. Am Montagmorgen kam eine E-Mail von ihm. Die E-Mail-Adressen aller Kolleginnen und Kollegen mit Kundenkontakt stehen auf der Homepage meiner Firma, daher hatte er sie wohl. Jedenfalls schrieb er „Ich konnte es kaum erwarten, dass das Wochenende vorbeigeht, damit ich Sie endlich wieder kontaktieren kann.“ Als ich das las, wusste ich, dass wir nun die Ebene des Kundenservice verlassen hatten. Ich antwortete nicht sofort. Wollte mir gut überlegen, was ich schreiben könnte, um ihn abzuwimmeln, ohne ihn zu verärgern, denn er war ja schließlich ein Kunde, und ich hatte im Sinne der Firma zu handeln. Als ich aus der Mittagspause zurückkam, fand ich einen Zettel auf meinem Schreibtisch: „Herr Schmitt bittet um Rückruf“.
FLORIANE: Hartnäckiger Typ.
TANJA: Offensichtlich, ja.
FLORIANE: Und?
TANJA: Ich habe zurückgerufen. Er sagte: „Ich will nicht lange drum herumreden: Meine Gedanken kreisen die ganze Zeit um Sie, und ich würde Sie gern kennenlernen.“ Daraufhin sagte ich ihm, dass ich glücklich verheiratet sei, und er meinte, das habe er sich schon fast gedacht, denn bei einer Frau wie mir würden die Männer natürlich Schlange stehen.
FLORIANE: Haha, Schleimer.
TANJA: Hab‘ ich auch gedacht! Na ja, er verabschiedete sich und legte auf. Da hätte die Geschichte schon wieder zu Ende sein können.
FLORIANE: War sie aber nicht.
TANJA: Am nächsten Tag kam wieder eine E-Mail von ihm. Er habe noch einmal darüber nachgedacht, und er würde gern einmal in Ruhe und privat mit mir sprechen. Ich könne ihn ja mal anrufen. Dazu schrieb er seine Mobilfunknummer.
FLORIANE: Okay, diesmal sage ich es: Jetzt hätte die Geschichte zu Ende sein können.
TANJA: Und wie oft habe ich mich seitdem gefragt: Was hätte mir alles erspart bleiben können, wenn ich es einfach auf sich hätte beruhen lassen!? Aber das ist ja Augenwischerei. Erfahrungen, die gemacht werden sollen, finden statt, und das Leben findet Mittel und Wege, um sie einzufädeln. Wenn man den einen Pfad nicht beschreitet, ebnet das Universum einen anderen, der zu genau der gleichen Erfahrung führt, mit eben diesem Menschen, mit dem man sie machen soll. Und wenn es die Dualseele ist, dann passieren diese Dinge noch zuverlässiger als bei anderen Arten von Seelenverabredungen.
FLORIANE: Du ahntest aber zu dem Zeitpunkt, als seine E-Mail mit der Mobilnummer kam, noch nicht, dass er deine Dualseele ist, oder?
TANJA: Nein, null.
FLORIANE: Wie ging es weiter?
TANJA: Er ging mir ziemlich viel im Kopf herum, muss ich zugeben. Hätte er von sich aus noch einmal geschrieben, hätte ich vermutlich genervt abgeblockt. Aber da er sich nun zurückhielt, konnte ich an ihn denken, ohne mich bedrängt zu fühlen. Ungefähr eine Woche später rief ich ihn an. Es war ein Abend, an dem mein Mann unterwegs war.
FLORIANE: Dein Mann wusste noch nichts von Herrn Schmitt?
TANJA: Nicht wirklich. Am Tag meines ersten Schmitt-Kontakts hatte ich meinem Mann beim Abendbrot erzählt, dass ein Kunde mich angebrüllt hatte und ich erstaunlich ruhig geblieben war. Das war alles.
FLORIANE: Wie verlief das Telefonat?
TANJA: Noch relativ unspektakulär. Er freute sich, dass ich anrief, und dann fanden wir recht schnell eine lockere, unverkrampfte Ebene – wahrscheinlich, weil wir uns jetzt außerhalb des beruflichen Zusammenhangs bewegten. Zumindest habe ich mir das damals so erklärt. Bei dem Gespräch erzählte er mehr von seinem beruflichen Hintergrund: Er war Anfang dreißig, also ein paar Jahre jünger als ich, selbständig, arbeitete allein von zuhause aus, programmierte Software im Auftrag kleiner Unternehmen. Nebenbei erfuhr ich, dass er in einer festen Partnerschaft war. Seine Freundin Melanie und er lebten nicht zusammen, aber sie waren seit anderthalb Jahren ein Paar. Sie wohnte in einer anderen Stadt, und die beiden sahen sich höchstens zweimal im Monat am Wochenende. Dass er und ich ohne das Wissen seiner Freundin und meines Mannes telefonierten, hat mein moralisches Gewissen zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht belastet. Das Ganze fühlte sich absolut unschuldig an. Zum Ende des Gesprächs hin fingen wir an, uns zu duzen. Das ergab sich ganz natürlich, und weder er noch ich haben es kommentiert.
FLORIANE: Wie seid ihr verblieben?
TANJA: Gar nicht. Wir haben keine Verabredung getroffen darüber, ob und wie es nun weitergehen solle.
FLORIANE: Das heißt, dies hätte das Ende der Geschichte sein können …?
TANJA: Irgendwie nicht. Es war klar, dass noch etwas kommen würde, aber es war überhaupt nicht klar, was oder wie. Normalerweise bin ich kein Fan von Unsicherheiten oder von Dingen, die in der Schwebe sind. Hier machte es mir nichts aus. Ich war ganz ruhig. Wollte nichts kontrollieren, war voller Vertrauen. Wenn ich nie wieder etwas von Schmitti gehört hätte, wäre es in Ordnung gewesen.
FLORIANE: Schmitti?
TANJA: Ja, er erzählte mal, dass seine Freunde ihn so nennen. Dem hab‘ ich mich dann angeschlossen.
FLORIANE: Es wäre in Ordnung gewesen, wenn du nie wieder von ihm gehört hättest. Für wie wahrscheinlich hieltest du das?
TANJA: Für seeeehr unwahrscheinlich. (lacht) Aber ich meine es ernst: Ich war total im Frieden mit mir, was ihn betraf. Hätte ich geahnt, wie viel Unfrieden noch kommen sollte, hätte ich die friedlichen Momente mehr ausgekostet. Aber ich will nicht vorgreifen … Also, ja, da war eine ganz besondere Vertrautheit zwischen Schmitti und mir gewesen in dem Telefonat, und ein bisschen auch ein warmes Gefühl im Bauch, aber es gab kein Sehnen, kein Schmachten, kein Vermissen.
FLORIANE: Das sollte später noch kommen.
TANJA: Aber hallo! Allerdings entwickelte sich erst einmal alles ganz langsam. Nach ein paar Tagen schrieb er mir eine E-Mail in die Firma, dass er unser Telefonat sehr schön gefunden hätte, und er fragte, ob ich ihn noch einmal anrufen könne, denn er müsse mir etwas Wichtiges sagen. Ich beantwortete die E-Mail nicht von der Firma aus, erstens fand ich das unpassend, zweitens war ich mir nicht sicher, ob nicht vielleicht doch der eine oder andere Kollege aus der IT mitlesen könnte, rein theoretisch. Schmittis E-Mail-Adresse hatte ich ja, also schrieb ich ihm abends von zuhause aus. Das heißt, er hatte nun meine private E-Mail-Adresse. Von da an wurde unser Austausch intensiver.
FLORIANE: Was war denn nun das Wichtige, das er dir am Telefon sagen wollte?
TANJA: Ach so, ja, das hat er mir dann per E-Mail geschrieben. Deshalb weiß ich es auch noch auswendig, weil ich die Mail so oft gelesen habe. „Tanja, das, was du in mir ausgelöst hast, habe ich noch mit niemandem erlebt. Da ist eine ganz außergewöhnliche Verbindung zwischen uns. Ich möchte dich treffen.“
FLORIANE: Ich möchte nicht unromantisch wirken, aber: Wusstest du eigentlich, wie er aussieht?
TANJA: Ja, ich hatte ihn ziemlich früh per Internet-Suchmaschine gefunden. Er mich auch. Was Gesicht und Statur anging, waren also keine bösen Überraschungen zu befürchten. (lacht)
FLORIANE: Fandest du sein Bild attraktiv?
TANJA: Nicht übermäßig. Eigentlich nicht mein Typ.
FLORIANE: Okay, er wollte dich also treffen. Du ihn auch?
TANJA: Irgendetwas in mir sträubte sich. Ich wollte nicht, oder zumindest noch nicht. Außerdem wollte ich meinen Mann nicht hintergehen. Ich schrieb Schmitti also, dass ich momentan nicht bereit wäre. Er akzeptierte das, bat darum, dann aber wenigstens meine Stimme wieder einmal hören zu dürfen. Den Wunsch erfüllte ich ihm: Wenige Tage später telefonierten wir zum zweiten Mal. In dem Gespräch passierte etwas Bemerkenswertes. Abgesehen davon, dass wir auf Anhieb wieder total vertraut miteinander waren, brachten wir gegenseitig die Gedanken des jeweils anderen zum Ausdruck und wussten, was der andere sagen wollte, bevor es ausgesprochen war. Ein absoluter Gleichklang, schwer zu beschreiben. Das Telefonat wurde ziemlich lang, und als ich mir eine Schüssel Müsli machen wollte, fragte ich ihn: „Rate mal, was für ein Motiv auf meiner Schüssel zu sehen ist.“ Ohne zu zögern sagte er: „Eine Biene.“ Da fiel sie mir fast aus der Hand, meine Bienenschüssel. Das konnte er nun wirklich nicht wissen. Das war Telepathie.
FLORIANE: Telepathie gibt es natürlich nicht nur zwischen Dualseelen.
TANJA: Nein, natürlich nicht. Trotzdem keimte in mir so langsam die Vermutung, dass Schmitti meine Dualseele sein könnte. Ich warf einen Blick in die Bücher zum Thema, die ich in meinem Regal hatte, und ich tat mich auch im Internet um. Der schlechte Start, den wir gehabt hatten, dann aber plötzlich dieser Gleichklang, diese Vertrautheit, dieses Gefühl von Geborgenheit bezogen auf einen Menschen, dem man noch nie persönlich begegnet ist. Nun wollte ich Schmitti treffen. Das war jetzt der Zeitpunkt, meinen Mann einzuweihen.
FLORIANE: Oh, oh …
TANJA: Nee, war gar nicht schlimm. Er ist auch ein spiritueller Mensch, und wir kennen uns seit unserer Kindheit. Das einzig Bedrohliche für ihn ist, wenn er sich ausgeschlossen fühlt. Weil ich ihn aber sofort informiert habe, hielt sich seine Beunruhigung in Grenzen.
FLORIANE: Was hast du denn gesagt?
TANJA: „Ich hab‘ da über den Job jemanden kennengelernt, der glaube ich meine Dualseele ist.“ So etwas in der Art. Natürlich habe ich das noch ein bisschen erläutert.
FLORIANE: Und er hatte nichts dagegen, dass du dich mit Schmitti triffst?
TANJA: Nein. In den ersten Jahren unserer Beziehung war mein Mann noch einigermaßen Kontrolletti-mäßig drauf gewesen, aber das hatte sich mit der Zeit gelegt. Und den Fehler, unsere Ehe mit Besitzanspruch zu verwechseln, hatten wir schon lange hinter uns gelassen.
FLORIANE: Schmitti hat sich bestimmt gefreut, als du ihm gesagt hast, dass du zu einem Treffen bereit bist.
TANJA: Gar nicht so sehr, wie ich vermutet hätte. Plötzlich schien er unter eine Art Leistungsdruck zu geraten. Er hatte wohl Angst, dass ich von ihm enttäuscht sein könnte. Es war dann auch gar nicht so einfach, sich auf Zeit und Ort zu einigen, zumal unsere Wohnorte ein ganzes Stück auseinanderlagen. Schließlich haben wir uns in der Mitte getroffen. Wir sind beide mit dem Zug angereist. Ich aus Umweltschutzgründen, und er, weil er kein Auto hatte. Auch keinen Führerschein, wie ich später erfuhr.
FLORIANE: Wie war es dann, als ihr euch zum ersten Mal „live“ gesehen habt?
TANJA: Überraschend. (grinst) Wir waren ja beide mit dem Zug gekommen, hatten uns aber nicht am Bahnhof verabredet, sondern zu einer bestimmten Uhrzeit an einer Kirche in der Nähe des Bahnhofs. Es brauchte auch keine Rose im Knopfloch oder ein ähnliches Erkennungszeichen, denn er kannte ja mein Foto, und ich kannte seins. Als wir uns von Weitem entdeckt und zugewinkt haben, gingen wir aufeinander zu. Und da kam die Überraschung. Wie ich vorhin schon sagte, erwarteten uns bezüglich Gesicht und Statur keine Überraschungen, aber wir hatten nicht über unsere Körpergröße gesprochen. Schmitti war ein ganzes Stück kleiner als ich. Kleinen Männern sagt man ja nach, sie hätten Minderwertigkeitskomplexe. Schmitti besaß viele davon, was ich aber erst später herausfinden sollte.
FLORIANE: Habt ihr den Größenunterschied thematisiert?
TANJA: Sofort. Seine ersten Worte waren: „Du bist aber groß.“ Und ich antwortete: „Kann man von dir nicht gerade behaupten.“ Wir lachten beide und trotteten nebeneinander her, ich auf der unbefahrenen Straße, er auf dem Kantstein, um mit mir auf Augenhöhe zu sein. Komisch, dass mir hier gerade das Wort Augenhöhe in den Sinn kommt. Augenhöhe im übertragenen Sinn sollte nämlich noch ein wichtiges Konfliktthema zwischen uns werden. Da war uns körperlich quasi schon mal ein Einblick gegeben worden auf das, was unsere Egos einmal beschäftigen würde. Aber in dem Moment blendeten wir alles aus. Solche kleinbürgerlichen Ansprüche wie die, dass der Mann älter und größer zu sein habe als die Frau, hätten wir weit von uns gewiesen. Außerdem hatten wir ja gar nicht vor, ein Paar zu werden. Zumindest ich hatte nichts dergleichen im Sinn. Ich wollte nur herausfinden, was es mit uns und unserer speziellen Verbindung auf sich hatte.
FLORIANE: Was war es für ein Gefühl, ihn in deiner Nähe zu haben?
TANJA: Ich fand es interessant, aber es hat mich nicht umgehauen. Er war sehr nervös und zappelig, das ist ja nicht so attraktiv.
FLORIANE: Wie verlief diese erste Begegnung?
TANJA: Zwar habe ich versucht, mich nicht von seiner Nervosität anstecken zu lassen, aber Entspanntheit kam erst einmal nicht auf. Wir haben uns etwas zu Essen geholt und uns damit an den Rand eines Brunnens gesetzt. Dann sind wir spazieren gegangen und haben uns unterhalten. Nichts Aufregendes. Als die Zeit unserer Rückreise näher rückte, rückten auch wir näher zusammen. Wir saßen auf einer Bank, diesmal ohne Platz zwischen uns. Das war das erste Mal, dass bei diesem Treffen eine seelische Nähe spürbar wurde. Wir schwiegen und genossen einfach diese Vertrautheit.
FLORIANE: Sonst ist nichts passiert?
TANJA: Ein Kuss oder so, meinst du? Nein. Unser Abschied war eher ungelenk. Sein Zug fuhr zuerst, und ich brachte ihn noch zu seinem Bahnsteig. Er war wieder sehr zappelig, sodass ich erleichtert war, als sein Zug abfuhr. Kennst du dieses erleichterte Glücksgefühl, das aufkommt, wenn ein Stressfaktor verschwindet?
FLORIANE: Oh ja, allerdings.
TANJA: Ungefähr so war das in dem Moment. Ich fuhr nach Hause und erzählte meinem Mann von dieser Begegnung. Er fand es nicht sonderlich interessant. Ich ja auch nicht.
FLORIANE: Sorry, ich muss es noch einmal sagen: Dann hätte die Geschichte doch jetzt auch zu Ende sein können.
TANJA: Ja. So fühlte es sich in dem Moment auch an. Als ich an dem Abend ins Bett ging, habe ich innerlich einen Haken an die ganze Sache gemacht.
FLORIANE: Aber?
TANJA: In der Nacht hatte ich einen Traum. Schmitti und ich waren an einem See, und von einem Bootssteg aus sprangen wir in das dunkle Wasser. Als wir eingetaucht waren, lösten wir uns beide auf, wurden eins miteinander, mit dem Wasser, mit der Welt. Unsere Persönlichkeiten existierten nicht mehr, alles war eine göttliche Suppe der Glückseligkeit. So ein Gefühl hatte ich nie zuvor erlebt, nicht wach und nicht im Traum. Es war einfach unbeschreiblich. Ein Zustand, in dem man für immer bleiben möchte. Zum Glück war der nächste Tag ein Sonntag, sodass ich ausschlafen und dieses Gefühl noch ein bisschen in den Tag retten konnte. Ich schwebte förmlich. Als ich dann meine E-Mails abrief, war eine Mail von Schmitti im Postfach, nur wenige Minuten alt. Er bedankte sich für das Treffen, und er schrieb, er habe in der Nacht einen ungewöhnlichen Traum gehabt. Du kannst dir wahrscheinlich schon denken, was kommt.
FLORIANE: See? Bootssteg? Eintauchen?
TANJA: Ja, genau. Unglaublich, oder? Er ist kein spiritueller Mensch, deshalb war seine Wortwahl anders als meine, aber es war klar, dass es der gleiche Traum gewesen war: Der See, das Eintauchen, das Auflösen, das Glücksgefühl.
FLORIANE: Schätzungsweise warst du nun nicht mehr so gleichgültig wie am Abend zuvor.
TANJA: Natürlich nicht. Das Wort „Dualseele“ spukte mir nun die ganze Zeit im Kopf herum. Ich fand online eine Seite, die quasi genau das beschrieb, was wir gerade erlebten. Die Seite machte ansonsten allerdings keinen allzu seriösen Eindruck. Ich schrieb Schmitti eine E-Mail und fragte ihn, ob, wenn ich ihm einen bestimmten Textauszug schicken würde, er mir versprechen könnte, dass er nicht nachforschen würde, woher der stammt. Er versprach es. Also schickte ich ihm den Text. Er reagierte sofort, schrieb, dass er es kaum glauben könne, wie sehr dieser Text uns beschreibt, aber die Quelle sei ja etwas fragwürdig …
FLORIANE: Wie bitte? Er hatte doch versprochen, nicht nachzuforschen, woher der Text stammt.
TANJA: Hat er trotzdem gemacht. Er hat einfach eine Zeile aus dem Text in eine Suchmaschine eingegeben, und schon hatte er die Internetseite, von der der Text stammte. Ist ja eigentlich auch kein Drama, sooo wichtig war mir das nicht. Was ich allerdings richtig schlimm fand, war, mit welcher Leichtigkeit er ein Versprechen brach. Er war neugierig, woher so ein Text denn wohl kommen könnte, also hat er es einfach rausgekriegt, war für ihn kein großes Ding.
FLORIANE: Aber für dich.
TANJA: Na ja, die Sache an sich hielt ich wie gesagt eher für eine Kleinigkeit, aber es schockierte mich, dass sein Wort nichts galt. Wenn Leute im Kleinen schon nicht Wort halten, was ist dann von ihnen zu erwarten, wenn es mal um etwas Wichtiges geht? Und was wichtig ist, ist ja höchst subjektiv. Wenn mir etwas wichtig ist, er das aber nicht wichtig findet, dann wird einfach ein Versprechen gebrochen?
FLORIANE: Das war sozusagen eine Warnglocke für dich.
TANJA: Könnte man so sagen, ja. Menschen können Fehler machen, und ich bin die Erste, die ihnen verzeiht, wenn sie ihren Fehler erkennen und es ihnen leidtut. Hier gab es aber keinerlei Einsicht! Schmitti fand seine Vorgehensweise vollkommen in Ordnung, weil er entschieden hatte, dass es nicht wichtig sei, in diesem Fall Wort zu halten.
FLORIANE: Euer erster Krach?
TANJA: Jedenfalls eine deutliche Meinungsverschiedenheit. Ich machte ihm klar, dass ich mit mangelnder Verlässlichkeit ein Problem habe. Er fand meine Reaktion völlig unverständlich. Da gab es kein Zusammenkommen. Normalerweise würde ich die Bekanntschaft zu jemandem, den ich erst seit so kurzer Zeit kenne, und der sich so verhält, sofort beenden. Bei ihm ging ich drüber weg. Auch, als er ein zweites Mal nicht Wort hielt und als er mich belog.
FLORIANE: Was waren das für Geschichten?
TANJA: Das zweite Mal nicht Wort gehalten hat er schon kurz nach dem ersten Mal, von dem ich gerade erzählt habe. Da ich verheiratet bin, habe ich ihn darum gebeten, dass er von unserem Kontakt niemandem etwas erzählt, weil ich verhindern wollte, dass irgendwelche Gerüchte losgetreten werden. Er versprach es mir. Bei unserem nächsten Telefonat verplapperte er sich dann, als er sagte, sein Kumpel XY habe das und das zu unserer Bekanntschaft gesagt. Ich habe ihn natürlich sofort gefragt, wieso er mit dem Kumpel über uns gesprochen habe, denn schließlich hatte er mir ja versprochen, es für sich zu behalten. Er sagte, er müsse doch mit jemandem drüber reden können, schließlich sei das so ein großes Ding für ihn. Und wieder fand er es weder bedeutsam, dass er sein Wort gebrochen hatte, noch, dass er meine Wünsche ignoriert hatte.
FLORIANE: Und die Lüge?
TANJA: Noch so ein Hinweis auf einen … sagen wir: nicht allzu feinen Charakter. Wir sprachen bei einem Telefonat über Urlaube. Er sagte: „Der schönste Ort der Welt ist für mich der Strand von Tel Aviv.“ Das interessierte mich, weil ich vor ein paar Jahren auch in Israel gewesen war. Ich fragte ihn, wie oft er denn schon dort gewesen sei. Er sagte: „Zwei-, dreimal.“ Ich war verdutzt und fragte: „Du weißt nicht, ob du zwei oder drei Mal in Israel warst?“ Er fing an zu stammeln und sagte dann zerknirscht, dass er noch nie in Israel gewesen war, überhaupt noch nie im Ausland, und er hätte das nur behauptet, um bei mir einen guten Eindruck zu machen.
FLORIANE: Wie hast du reagiert?
TANJA: Ich hab‘ ihm gesagt, dass ich den Wert eines Menschen nicht daran messe, wie viel er schon gereist ist in seinem Leben. Dass ich aber Lügen keine so schöne Angewohnheit fände.
FLORIANE: Kein einfacher Fall offenbar, dieser Schmitti.
TANJA: Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Unter normalen Umständen hätte ich einem Menschen mit solchen Eigenschaften und Verhaltensweisen noch ein schönes Leben gewünscht und wäre von dannen gezogen. Aber hier … Dieses spirituelle Geschenk im Traum, diese seelische Verbindung, die so sehr spürbar war … Ich wollte mehr von diesem erhebenden Gefühl, das ich bisher nur im Zusammenhang mit ihm erlebt hatte, und von dem ich zu dem Zeitpunkt dachte, dass es nur mit ihm möglich wäre. Also schob ich das Störende beiseite und sagte mir, dass ich das wohl in Kauf nehmen müsse, damit ich in den Genuss dieses spirituellen Hochgefühls kommen könnte.
FLORIANE: So, wie du das sagst, hört es sich an, als ob du das im Nachhinein als Fehler ansiehst.
TANJA: Hmmm … Ich finde es immer noch schwer zu begreifen, wie ich meine Grundsätze so ausblenden konnte. Aus der Sicht der Vernunft stelle ich mir also die Frage: Wie konnte ich? Andererseits: Hätte ich diesen „Fehler“ nicht gemacht und die Sache mit Schmitti beendet, wären mir die unglaublichen Höhen, die noch folgen sollten, vielleicht entgangen, und auch die schlimmen Erfahrungen, die mich aber am Ende zum größten Geschenk führten, das ich mir vorstellen kann.
FLORIANE: Ich weiß, was du meinst, da sich deine und meine Dualseelenerfahrungen diesbezüglich ja ähneln. Irgendwie weiß man, dass da was falsch läuft, andererseits hat man auch keine Wahl.
TANJA: Ja, gut ausgedrückt. Und verständlich wahrscheinlich nur für diejenigen, die es selbst erlebt haben.
FLORIANE: Zu dem Aufstieg zu höchsten Höhen und dem tiefen Fall kommen wir natürlich noch. Wie ging es denn nach eurer Meinungsverschiedenheit weiter?
TANJA: Hier kommen wir zum Unterschied zwischen Vertrautheit und Vertrauen. Bei aller Vertrautheit: Mein Vertrauen in Schmitti hatte einen Knacks bekommen. Aber um weiter in den Genuss solch göttlicher Einheitsgefühle zu kommen wie in dem Traum, machte ich, was meine Ansprüche an seinen Anstand anging, Abstriche. In den kommenden Wochen schrieben wir einander E-Mails, und ab und zu telefonierten wir. Wir lernten uns besser kennen und tauschten uns über Gott und die Welt aus. Er erzählte auch aus seiner Kindheit, und dabei wurde deutlich, dass er unter einer klaffenden Mutterwunde litt: Seine Mutter hatte ihn offenbar emotional vernachlässigt. Sie hatte darauf Wert gelegt, dass er immer adrett und gut gekleidet war, schick für die Nachbarschaft, aber für ihn interessiert hat sie sich nicht. Daraus scheint sich eine Art Anspruch bei Schmitti entwickelt zu haben: Mit dem, was die Mutter aus seiner Sicht versäumt hatte, ihm zu geben, sollte ihn gefälligst die Frau, in die er verliebt war, versorgen – Aufmerksamkeit, Zuwendung, Bewunderung, emotionale und materielle Versorgung. Stellte sich die Frau quer, wurde sie mit der gleichen Verachtung bedacht wie seine Mutter. Aus meiner Sicht war seine Mutterwunde die Erklärung dafür, warum er sich oft abfällig über Frauen äußerte – wogegen ich natürlich immer sofort protestierte. Manchmal erzählte er, was seine Kumpels und er bei Kneipenabenden so besprochen hatten. Frauen kamen dabei nie gut weg. Und überhaupt – diese Kneipenabende! Das war so weit entfernt von allem, was ich mir unter einer guten Freizeitgestaltung vorstellte.
FLORIANE: Nicht der einzige Unterschied zwischen euch, oder?
TANJA: Nein, nur einer von sehr vielen. Er war extrovertiert, ich introvertiert. Er war laut und draufgängerisch, ich leise und sanft. Er war streitlustig, ich um Konsens und einen fairen Umgang bemüht. Diese Liste könnte ich endlos fortsetzen. Kurz gesagt: Wir waren eigentlich absolut inkompatibel.
FLORIANE: Wie heißt es so schön: Gegensätze ziehen sich an.
TANJA: Ja, das tun sie. Da entsteht eine Faszination für das Andersartige, und man redet sich ein: Ach, das ergänzt sich doch wundervoll. Nur steckt in so einer Konstellation eben auch sehr viel Sprengkraft. Für eine langfristig gute, respektvolle, harmonische Beziehung gilt ja der Spruch „Gleich und gleich gesellt sich gern“ viel mehr. Aber jegliche vernünftigen Ansätze dieser Art habe ich halt ausgeblendet. Ich wollte die göttliche Einheitserfahrung, und alles andere ordnete ich dem unter.
FLORIANE: Ihr habt also den Kontakt gehalten und euch besser kennengelernt.
TANJA: Ein Wiedersehen planten wir auch. Diesmal wollte ich ihn in seiner Wohnung besuchen. Dazu möchte ich gerne noch sagen, dass ich in unseren Gesprächen und Mails immer betont habe, dass ich durch unser Miteinander auf keinen Fall meine Ehe gefährden wollte. Schmitti war in diesem Punkt weniger entschlossen. Es nerve ihn, so erzählte er einmal, dass Melanie, seine Freundin, wohl eine genaue Vorstellung von einem idealen Partner habe, und dass sie ihn in diese Richtung modellieren wolle. Als ich fragte, wann sie und er sich zuletzt gesehen hätten, sagte er: „Vor zwei Monaten.“
FLORIANE: Ooops.
TANJA: Dachte ich auch. Es deutete ziemlich viel darauf hin, dass er einen Exit aus seiner Beziehung plante. Als ich ihn danach fragte, beruhigte er mich und sagte, er fahre am kommenden Wochenende zu ihr nach Berlin. Das tat er dann auch. Am Sonntag bekam ich allerdings einen Anruf.
FLORIANE: Von Schmitti, aus Berlin?
TANJA: Exakt. Er sagte, er habe gerade mit seiner Freundin Schluss gemacht, es sei total dramatisch gewesen, und sie sei am Boden zerstört, und das gehe ihm alles ziemlich an die Nieren. Ich fragte ihn, warum um alles in der Welt er denn Schluss gemacht habe! Und er sagte: „Weil, seit ich dir begegnet bin, du die einzig denkbare Frau für mich bist.“
FLORIANE: Ein Satz, der es in sich hat.
TANJA: Mir war das zu viel. Ich wollte nicht auf irgendeinen Sockel gehoben werden. In solchen Sätzen steckt ja auch immer die Aufforderung nach Erwiderung. Dazu war ich nicht bereit. Allerdings … ich weiß auch nicht, wieso … wahrscheinlich, weil er so mitgenommen klang, fragte ich: „Soll ich kommen?“ Und setzte mich ins Auto und fuhr stundenlang, um ihm beizustehen.
FLORIANE: Hm.
TANJA: Du sagst es.
FLORIANE: Und dein Mann?
TANJA: … war oft auf Geschäftsreise, so auch an dem besagten Wochenende. Wäre er zuhause gewesen, hätte ich diese Fahrt nach Berlin wohl nicht gemacht.
FLORIANE: Was ist dann in Berlin passiert?
TANJA: Nicht viel. Er war noch kleiner und schmächtiger als sonst, ein Häuflein Elend. Wir gingen in ein Café, redeten ein bisschen, schlenderten dann noch eine Weile durch die Straßen. Am Ende kam es zu unserem ersten Kuss. Keine Ahnung, warum ich plötzlich dazu bereit war. Vielleicht, weil ich nun nicht mehr befürchten musste, seine Freundin zu hintergehen? Es war jedenfalls ein sehr schöner Kuss, weich, innig, unaufdringlich. Allerdings stieg mir plötzlich ein unangenehmer Geruch in die Nase.
FLORIANE: Er hatte Mundgeruch?
TANJA: (lacht) Nein, es war der Geruch von Hundekot. Er war in einen Hundehaufen getreten. Kein Scherz!
FLORIANE: Tut mir leid, ich muss trotzdem lachen.
TANJA: Sei dir gegönnt. Normalerweise könnte ich mich über solche Situationskomik auch ausschütten … Erster sanfter Kuss, Geigenmusik, es tritt auf: die harte, stinkende Realität. Das kann man sich so nicht ausdenken. Im Nachhinein habe ich mich oft gefragt, was mir diese Situation sagen wollte. Wollte das Universum mich warnen, nach dem Motto: Achtung, wenn du diesen Weg weiter beschreitest, ist die Kacke am Dampfen? Oder war es nur ein Beleg dafür, dass dort, wo Licht ist, auch Dunkel sein muss? In einem besonders schönen Moment muss immer auch etwas besonders Blödes vorhanden sein, einfach um des Ausgleichs willen und weil das nun mal das Wesen der Polarität ist? … Wie dem auch sei, ich kann nicht an diesen ersten Kuss zurückdenken, ohne dass der Gedanke aufkommt: Sch… Ich hoffe, deine Leserschaft verträgt deutliche Sprache.
FLORIANE: Ich schätze, ihnen ist nichts Menschliches fremd. Oder auch nichts Tierisches, um bei besagtem Hundehaufen zu bleiben.
TANJA: (lacht) Gut, dann bin ich beruhigt.
FLORIANE: Wie ging es nach Berlin weiter?
TANJA: Ich sagte meinem Mann, er müsse Schmitti kennenlernen. Mir war wichtig zu erfahren, was er von Schmitti hält, und ich wollte, dass mein Mann weiß, was gerade mit mir passiert. Er war einverstanden. Auf Schmittis Seite war die Traurigkeit seiner Freundin über das Ende der Beziehung in Wut umgeschlagen, und zwar in Wut gegen mich!
FLORIANE: Wie das?
TANJA: Keine Ahnung. Schmitti hatte ihr wohl erzählt, dass ich verheiratet sei und ein paar Jahre älter als er. Daraufhin hat sie dann wohl bei seinen Freunden gegen mich gewettert, und die haben es ihm sofort brühwarm erzählt. Sie meinte angeblich, Schmitti sei nur ein Spielzeug für mich und ein Mittel, um meine Jugend zu konservieren.
FLORIANE: Entschuldige, ich muss schon wieder lachen.
TANJA: Ging mir auch so, trotz aller Tragik, die das Ganze irgendwie hatte.
FLORIANE: Wie lief dann das Treffen zu dritt? Also das zwischen Schmitti, deinem Mann und dir, meine ich.
TANJA: Das war ein bisschen bizarr. Schmitti hatte uns eingeladen, zu einem Auftritt seines Chors zu kommen. Da saßen dann also mein Mann und ich im Publikum und hörten uns das Konzert in einer großen Kirche an. Ich konnte aber kaum hinsehen! Da standen alle Chormitglieder, circa dreißig oder vierzig Leute, ruhig und diszipliniert, und mittendrin zappelte einer die ganze Zeit. Vorher hatte ich mir nie klargemacht, dass die Würde eines Chors viel damit zu tun hat, dass die Sängerinnen und Sänger ruhig stehen und eine Einheit bilden. Dieser Anblick machte es überdeutlich. Als mein Mann mich fragte, welcher Chorsänger denn Schmitti sei, brauchte ich nicht so etwas zu sagen wie „dritte Reihe von oben, vierter von links“ – es reichte: „Der, der so zappelt.“
FLORIANE: Und nach dem Konzert?
TANJA: Gingen wir noch gemeinsam essen. Mein Mann war ganz zauberhaft: freundlich, zuvorkommend, ruhig, souverän. Ganz anders Schmitti: Er war aggressiv und ungehobelt. Er hat sich gegenüber meinem Mann unmöglich benommen. Ich habe mich richtig für ihn geschämt. Als mein Mann und ich im Auto saßen, um nach Hause zu fahren, war dann auch das Erste, was ich sagte, dass mir Schmittis Verhalten total unangenehm war. Mein Mann reagierte engelsgleich, er sagte, er nehme es nicht persönlich, und Schmitti hätte offenbar unter einem großen Druck gestanden. Er sagte aber auch, dass er gemerkt habe, dass zwischen Schmitti und mir irgendeine besondere Schwingung herrsche, und dass er mir nicht im Weg stehe, wenn ich herausbekommen wolle, was es damit auf sich hat.
FLORIANE: Bemerkenswert.
TANJA: Absolut. Und da ich zu diesem Zeitpunkt schon lange mit meinem Mann zusammen war, kannst du dir denken, dass meine Latte für das Miteinander von Mann und Frau hoch hing.
FLORIANE: Zu hoch wahrscheinlich für Schmitti.
TANJA: Viel zu hoch. Das war mir sogar in dem Moment schon klar. Aber ich wollte mit Schmitti ja schließlich auch nicht mein Leben verbringen. Und ich ahnte damals nicht, wie oft Schmitti die für ihn sehr viel niedriger gelegte Latte trotzdem reißen würde. Allerdings kamen im Laufe unseres Miteinanders nicht nur seine schlechtesten Seiten zum Vorschein – auch bei mir selbst musste ich einige Male ein Verhalten erleben, bei dem ich mich erschrak. Die Dualseele bringt das Beste und das Schlechteste in einem zum Vorschein.
FLORIANE: Aber zunächst warst du ja noch in der … ich nenne es mal: spirituellen Wolke-Sieben-Phase. Die erhebendsten Erlebnisse sollten erst noch kommen, nicht wahr?
TANJA: Richtig. Wie gesagt: Dass ich mich Gott so nah fühlte, wenn ich mit Schmitti zu tun hatte, ließ mich alles andere in den Hintergrund schieben, und deshalb entwickelte sich unsere Beziehung weiter. Nachdem mein Mann mir quasi grünes Licht gegeben hatte, stürzte ich mich ohne schlechtes Gewissen in alles, was noch kommen sollte. Ein paar Wochen nach dem Treffen zu dritt fuhr ich zu Schmitti, das heißt, ich besuchte ihn in seiner Wohnung. Das war schon ein ganz schöner Schreck. Die Wohnung war sehr chaotisch, das dreckige Geschirr stapelte sich in der Küche, er hatte keine Schränke und kein Bett, das einzige Möbelstück war sein Schreibtisch: eine Holzplatte auf zwei Böcken. Die Auslegeware war abgewohnt. Seine Matratze lag auf dem Boden, die Bettwäsche zerwühlt, seine wenigen Klamotten lagen als Haufen in der Ecke.
FLORIANE: Wusste er nicht, dass du zu Besuch kommen würdest?
TANJA: Doch, klar, das war verabredet. Aber entweder war mein bevorstehender Besuch für ihn kein Anlass, aufzuräumen, oder das war bereits der Zustand nach dem Aufräumen … Wir wollten gemeinsam kochen, aber er hatte nichts im Haus. Also gingen wir noch in den Supermarkt. An der Kasse zahlte ich, denn ich hatte nicht den Eindruck, dass er sich den Einkauf leisten könne.
FLORIANE: Ging es ihm finanziell so schlecht?
TANJA: Nicht, dass ich davon gewusst hätte. Aber das, was ich gesehen hatte, sprach für sich. Nach dem Abwaschen und Essen – Man beachte die Reihenfolge! – wagte ich es, vorsichtig zu fragen, wie die Geschäfte denn so liefen. Er sagte, die Auftragslage sei momentan nicht so rosig, aber er brauche ja nicht viel. Es war ihm sichtlich unangenehm, mit mir darüber zu sprechen. Er wollte wohl vor mir sein Gesicht nicht verlieren.
FLORIANE: Was ist sonst noch passiert bei diesem Besuch?
TANJA: Na ja, wir waren zum ersten Mal allein in einem privaten Raum. Wir tasteten uns vor, aufeinander zu. Er legte seine Stirn auf meine, und wir versanken ineinander. Minutenlang müssen wir in irgendwelchen Sphären geschwebt haben, einfach in einer Welle der Wonne. Als wir die Augen wieder aufschlugen, nickten wir nur. Wir beide wussten, dass wir das gemeinsam erlebt hatten. Eine Innigkeit, die man nicht beschreiben kann – miteinander, mit Gott, mit allem. Allein der Versuch, so etwas zu beschreiben, macht so ein Erlebnis klein. Wir waren wie betäubt von dem Erlebnis, aber auf eine gute Weise. Als ich ihm danach in die Augen sah, wusste ich nicht, ob es meine oder seine Augen waren, in die ich da blickte. Die Grenzen hatten sich aufgelöst. Als wir wieder „bei Sinnen“ waren, erkundeten wir weiter die körperliche Nähe. Wohlgemerkt blieben wir beide angezogen. Aber als er sich auf mich legte, durchschoss mich eine Sorte von Orgasmus, wie ich sie noch nie erlebt hatte. Allein dadurch, dass unsere Köper aufeinanderlagen! Angezogen! In meinem Leben hatte ich schon tausende Orgasmen erlebt, auch viele heftige, aber dieser war anders: Er katapultierte mich aus meinem Körper heraus ins Universum. Dort schwebte ich im Dunkel, aber umgeben von unendlicher Liebe und Geborgenheit. Ich nahm Schmittis Präsenz dort wahr, und unsere Seelen verschmolzen miteinander, umschwirrt von einer hellen Energie, wie Sternenstaub. Als ich zurück in meinen Körper kam, brauchte ich eine Weile, um mich wieder in der materiellen Welt zu orientieren.
FLORIANE: Was war mit Schmitti?
TANJA: Er war noch da. (lacht) Den Trip hatte ich wohl allein gemacht. Er war ja nicht … gekommen. Später erzählte er mir, dass ich wohl richtig weggetreten war. Dass er versucht hatte, mich anzusprechen, habe ich nicht mitbekommen. Und so richtig ansprechbar war ich immer noch nicht. Ich wollte weiter in dieser Glückssuppe schwelgen, in der ich gerade schwamm. Irgendwann war ich dann aber doch in der Lage, nach Hause zu fahren. Der Abschied fiel so schwer. Es war schon spät in der Nacht.
FLORIANE: Schätzungsweise hat dieses Treffen eure Beziehung verändert.
TANJA: Es war der Beginn unserer glückstrunkenen Hoch-Phase. Zwar konnten wir uns nicht oft sehen, aber wenn, dann tauchten wir ineinander ein und wollten nie wieder ans Ufer.
FLORIANE: Ist das mit dem Eintauchen auch körperlich zu verstehen?
TANJA: (lacht) Ja, wir schliefen auch miteinander. Zuerst war es etwas unbeholfen, aber sobald wir den Dreh heraushatten, war es göttlich. Der Sex war nicht von dieser Welt.
FLORIANE: Wie meinst du das?
TANJA: Geistig. Wir waren nicht unbedingt „gut im Bett“: Schmitti turnte zu viel rum, und ich war – entgegen meiner üblichen Art – zu kaum einer Bewegung fähig, also sehr passiv. Wir waren wie ein extremer männlicher Pol und ein extremer weiblicher Pol. Und trotzdem lag in jedem Atemzug Ekstase. Ich war pure Hingabe. Die Orgasmen waren keine Explosionen, sondern Implosionen. Die Unendlichkeit, in die ich gesogen wurde, lag plötzlich innen, also in mir. Es war, als würde ich von einem kosmischen schwarzen Loch verschluckt, in dem Verschmelzung und Glückseligkeit auf mich warteten.
FLORIANE: Mir wird ganz heiß und kalt.
TANJA: (lacht) Nicht nur dir…
FLORIANE: War das für deinen Mann in Ordnung, dass du nun eine sexuelle Beziehung zu Schmitti hattest?
TANJA: Theoretisch schon. Er merkte aber auch, dass diese Dualseelensache mich mit Haut und Haaren forderte und dass ich nicht in der Lage war, zwei Beziehungen gleichzeitig zu führen. Deshalb vereinbarten mein Mann und ich eine Beziehungspause. Er hatte eine Zeit lang dann auch eine Freundin.
FLORIANE: Habt Schmitti und du über Liebe gesprochen?
TANJA: Haben wir. Und wir fanden beide, dass der Begriff, so wie er normalerweise verwendet wird, nicht passte zu dem, was wir miteinander fühlten. Es war der Liebe verwandt, aber es war eine andere Art von Liebe, als man sie für seine Liebespartner empfindet. Aus heutiger Sicht würde ich sagen: Es war so wie die Liebe zu Gott, wie ich sie in mir spüre. Schmitti erzählte, dass er mit einem Kumpel über das, was sich in seinem Leben gerade tat, gesprochen hatte. Der Kumpel hatte geantwortet: „Du bist halt zum ersten Mal richtig verliebt.“ Schmitti und ich waren uns einig: Nein, das ist es nicht! Wir waren beide schon diverse Male so richtig heftig verliebt gewesen, Hals über Kopf, mit schlaflosen Nächten und Schmetterlingen und allem Pipapo. Aber das hier war etwas, für das es keine Worte gab. Deshalb hatten wir die Idee, uns unsere Liebe per „…“ mitzuteilen. Auslassungspunkte. Die sollten bedeuten: Da müssten eigentlich Worte stehen, aber es gibt keine passenden.
FLORIANE: Romantisch.
TANJA: Gleichklang auf Seelenebene.
FLORIANE: Und was war mit der Mann-Frau-Ebene?
TANJA: Er wollte, dass wir offiziell ein Paar würden. Ich sah uns aber nicht als Paar. Außerdem wollte ich meinen Mann weder verlassen, noch ihm Hörner aufsetzen. Schmitti war tierisch verletzt und fühlte sich zurückgewiesen.
FLORIANE: Wie hat sich das ausgewirkt?
TANJA: Nur ein Beispiel: Wir waren an einem Samstagabend zum Telefonieren verabredet, aber ich erreichte ihn nicht. Auch auf meine E-Mails erhielt ich keine Antwort. Am nächsten Mittag schrieb er, er sei noch mit Freunden in der Kneipe gewesen und dabei irgendwie versackt. Er würde sich später melden. Am Sonntagnachmittag rief er an. Er habe bei einer Freundin übernachtet. In den nächsten Sätzen hat er sich dann richtig um Kopf und Kragen geredet. Ich kürze das hier mal ab: Als ich ihn auf die Unlogik in seinen Worten hinwies, gab er scheibchenweise Dinge zu, die aus den Sätzen, bei denen er sich vorher verplappert hatte, herauszuhören gewesen waren. Er hatte die Frau erst an dem Abend kennen gelernt. Und dass sie gemeinsam in ihrem Bett, aber nicht miteinander geschlafen hatten, blieb bis zum Schluss äußerst unglaubwürdig.
FLORIANE: Hat dich das getroffen?
TANJA: Getroffen hat mich, dass er erstens schon wieder nicht Wort gehalten, also unsere Verabredung in den Wind geschlagen hatte. Und dass er mich belog. Hätte er gleich gesagt, dass er Sex mit einer Zufallsbekanntschaft aus der Kneipe gehabt hätte, wäre das kein so großes Ding gewesen. Schließlich war ja ich diejenige, die keine „richtige“ Beziehung mit ihm wollte, also stellte ich natürlich keine Exklusivitätsansprüche. Aber seine mangelnde Verlässlichkeit und mangelnde Ehrlichkeit machten mir zu schaffen.
FLORIANE: Seine Aktion wirkt von außen betrachtet ein bisschen wie Rache, oder?
TANJA: So habe ich es auch empfunden: Er war verletzt, weil ich mich nicht zu ihm bekennen wollte, und deshalb hat er mich mit einer anderen Frau „betrogen“, um mir seinerseits eins reinzuwürgen.