Duell der Sinnlichkeit - Valerie  Lord - E-Book

Duell der Sinnlichkeit E-Book

Valerie Lord

4,3

Beschreibung

Auf der Flucht vor ihrem zukünftigen Ehemann trifft Maylis den Ritter Drystan d'Aval, der sich dem Heer des neuen Königs anschließen will. Drystan, in dessen Adern das Blut der Töchter des Rosenturmes fließt, verliebt sich rettungslos in die rätselhafte Schöne, die auf Anhieb die Gunst des Königs gewinnt. Sein Kampf, sich zwischen Ehre und Liebe zu entscheiden stürzt Maylis in ein verzweifeltes Abenteuer. Beginnend mit der Eroberung Englands erzählt die Erfolgsautorin Valerie Lord in der Rosenturmsaga in sieben abgeschlossenen Romanen von den Mitgliedern einer einzigen, großen Familie. Dieser in sich abgeschlossene Roman bildet den siebten Teil der siebenbändigen Roman-Pentalogie, in der es immer um die Liebe geht.

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             Valerie Lord

Duell der Sinnlichkeit

                Roman

   Valerie Lord

    Die Rosenturmsaga

  Pentalogie in sieben Bänden

                     -------------------

                           Band 1

   Der Rosenturm 

        Band 2 

Rosen der Leidenschaft

      Band 3 

Letzte  von der Autorin durchgesehene 

Fassung

Inhalt

1. Kapitel  ▌   Pflicht und Gehorsam

2. Kapitel  ▌  Der Tag der Entscheidungen      

3. Kapitel  ▌   Begegnung im Dunkel

4. Kapitel  ▌  Auf dem Weg nach Süden

5. Kapitel  ▌  Ein gefährliches Lügengespinst

6. Kapitel  ▌  Die Fratze des Krieges

7. Kapitel  ▌  Lektion der Leidenschaft

8. Kapitel  ▌  Die Qual des Wartens

9. Kapitel  ▌  Zweifle nicht an mir!

10. Kapitel ▌ Die süßen Früchte des Sieges                               

11. Kapitel  ▌  In die Höhle des Löwen

12. Kapitel ▌  Weiber taugen zu nichts

13. Kapitel  ▌  Alles verloren

14. Kapitel ▌ Verlorene Hoffnungen

15. Kapitel  ▌ Getrennte Wege

16. Kapitel  ▌ Gefühle sterben nicht

17. Kapitel ▌ Duell im Dunkel

18. Kapitel  ▌ In Obhut der Kaiserin

19. Kapitel  ▌ Lohn des Verrats

20. Kapitel  ▌ Ein Leibwächter für die Schreiberin

 21. Kapitel ▌Ein einziger Kuss 

22. Kapitel  ▌  Aufbruch in ein neues Leben

23. Kapitel  ▌  Vom Sturm bezwungen

24. Kapitel  ▌  Ein letztes Komplott

25. Kapitel  ▌  Nie wieder heimatlos

 

Erstes Kapitel

 

Pflicht und Gehorsam

      Königreich England - Whitby im Juni 1153

 

Maylis träumte mit offenen Augen. Auf der Feder, die sie müßig zwischen den Fingern hielt, trocknete nach und nach die Tinte, während sich vor ihrem inneren Auge ein Panorama entfaltete, das sie mit tiefer Genugtuung erfüllte.

Eine Hafenbucht. Menschen, diesich erwartungsvoll am Ufer drängten. Willkommenrufe, Hörnerklang und das Dröhnen zahlloser Glocken mischten sich zu einem Jubel, der dem Schiff über das Wasser entgegen flog, noch ehe es den Kai erreicht hatte. Die stolze Gewissheit, dass sie zu jenen gehörte, die hier so freudig erwartet wurden, sprengte ihr für kurze Zeit fast das Herz. Dann allerdings setzten die Fragen ein.

Was erwartete siean Land? Wer erwartete sie?

Stand ER dort zwischen den Rittern des Königs? Lag der forschende Blick seiner grauen Augen auf diesen Segeln, die das Wappen seines neuen Herrschers trugen? Ahnte er, dass auch sie ihn begleitete? Die Treulose? Die Verräterin? Die Frau die seine ärgsten Vorurteile bestätigt und ihn tief enttäuscht hatte?

"Maylis! Mayliiiis!"

Die Stimme riss sie aus ihrem Tagtraum. Maylis schrak auf, vergaß die Feder. Raschelnd fiel sie auf das Pergament, trotz allem noch feucht genug einen Fleck zu verursachen.

Dummes Ding! Nun musst du wiedermühsam die Spuren deiner Unachtsamkeit beseitigen. Kannst du nicht aufpassen?, schalt sie sich selbst.

Als siejedoch genauer hinsah, entdeckte sie statt der befürchteten Spritzer, lediglich ein paar trockene Tintenstäubchen. Sie konnte sie zusammen mit den befremdlichen Traumfragmenten wegwischen. Welch lächerlichen Illusionen sich doch manchmal hingab. Niemand würde je die Glocken läuten oder in Jubel ausbrechen, nur weil sie kam.

Schwester Robertastürmte durch die Tür und segelte, mit wehenden Haubenflügeln und wichtiger Miene, in das Skriptorium des Klosters der frommen Frauen von Whitby.

"Gelobt sei Jesus Christus",grüßte Maylis sanft, ehe die andere den Mund aufmachen konnte. Gleichzeitig hob sie fragend die Brauen, denn es war nicht üblich dermaßen in die Schreibstube zu poltern. Diese Geste - von der sie selbst nicht ahnte, wie stolz und gleichzeitig einschüchternd sie wirken konnte - genügte, Schwester Robertas wohl vorbereitete Rede durcheinander zu bringen.

"Die Mutter Oberin schickt mich, wegendes Mannes. Du musst sofort kommen. Sie warten im Besucherzimmer. Es geht um dich."

"Wasfür ein Mann?"

"Die Mutter Oberin wird es dir sagen. Nun komm schon. Lass deine Schreibarbeiten. Sie hat gesagt, du sollst nicht säumen."

Maylisschloss gehorsam das Behältnis mit der Tinte und legte die eingetrocknete Feder zu den anderen. Robertas hektisch gerötetes Gesicht, die Hände, die sie nervös über ihrer Kutte knetete und ihre offensichtliche Aufregung machten sie neugierig. Sie hatte noch nie Besuch erhalten, seit sie im Kloster lebte und schon gar nicht den Besuch eines Mannes. Bei den Nonnen von Whitby ging nur ein Mann ein und aus und das war der Priester, der ihre Beichten abnahm und die Messen las.

Äbtissin Hilda hatte das Kloster im Jahre 870 für Frauen und Männergemeinsam gegründet, aber seit es dem Orden der Benediktiner angegliedert worden war, ging der Einfluss der Nonnen in dem Maße zurück, wie jener der Mönche in der großen Abtei wuchs. Mutter Magdalena, die Nachfolgerin der verstorbenen Äbtissin, plante dies voller Ehrgeiz zu ändern. Unter ihrer Leitung war in wenigen Monaten vieles anders geworden.

Maylis, die einzige Schreiberin des kleinen Klosters, wusste mehr darüber als die anderen Schwestern. Sie hatte Mutter Magdalenas Briefe an den Bischof in ihrer flüssigen, schönen Schrift zu Papier gebracht. Sie wusste auch, dass sie noch immer vergeblich auf Antwort wartete. Kam der Besucher vom Bischof? Und was hielt seine Eminenz davon, das Kloster zu vergrößern und mehr Novizinnen aufzunehmen?

Es kamMaylis nicht in den Sinn, Schwester Roberta auszufragen. Sie folgte ihr schweigend in das Besucherzimmer, das neben den Gemächern der Äbtissin lag und so selten genutzt wurde, dass sie seine Existenz schon fast vergessen hatte. Im Gehen strich sie ihr Novizengewand glatt und verschob das Band des rechten Ärmels, damit der Tintenfleck an der Kante keine Aufmerksamkeit erregte. Die Mutter Oberin legte Wert auf makellose Sauberkeit.

              "Schwester Maylis ist jetzt da, Ehrwürdige Mutter", kündigte Roberta sie an.

"Schwester Maylis?", antwortete eine heisere Männerstimme an Stelle der Äbtissin. "Ihr habt Sie zur Nonne gemacht? Dazu hattet Ihr kein Recht! Sie war Euch nur auf Zeit anvertraut."

Maylis sah dieMiene der Ehrwürdigen Mutter noch verkniffener werden als sie es ohnehin schon war. Sie vergaß zu grüßen, als sie in den Raum mit dem steinernen Deckengewölbe trat, dessen weiß gekalkte Wände auch im heißesten Sommer kühl blieben. Vor dem Bogenfenster stand ein Mann in Harnisch und Reiterumhang, gestiefelt, mit Messer und Kurzschwert bewaffnet. Der eisgraue, kurz gehaltene Bart, im Verein mit der schwarzen Augenbinde über der linken Kopfhälfte weckte eine ferne, unangenehme Erinnerung in ihr.

"Oheim?"

Mit acht Jahren hatte sie ihren Onkel zum letzten Mal gesehen. Damals, als er sie zu den Nonnen von Whitby gebracht hatte. Ein mutterloses Kind, das verzweifelt nach Zuneigung und Wärme gehungert, und nicht begriffen hatte, warum es sein Zuhause verlassen sollte. Ihn jetzt wieder zu sehen, ließ sie Schlimmstes befürchten. Sie hatte angenommen, man habe sie zu Hause, auf Barnard Castle, längst vergessen. Dass man sich ihrer nach so langer Zeit entsann, konnte wohl kaum Gutes bedeuten.

"Hat mein Vater sich daran erinnert, dass er eine Tochter besitzt? Seid Ihr gekommen, mich nach Hause zu holen?"

Sie bemühte sich, jede aufkeimende Hoffnung aus ihrer Stimme fern zu halten. Obwohl sie schon vor Jahren aufgehört hatte, auf Nachrichten von zu Hause zu warten, machte allein die Gegenwart ihres Onkels diese mühsam erarbeitete Gelassenheit mit einem Schlag zunichte.

"Ich bin gekommen, eine Edeldame nach Hause zu holen. Mit einer Nonne weiß ich wenig anzufangen, Nichte", entgegnete ihr Onkel barsch.

"Ich bin keine Nonne."

Maylis hielt dem bedrohlichen Blick des einen Auges mit Mühe stand. Schon als Kind hatte sie sich vor Walter von Balliol gefürchtet. Inzwischen hatte sie jedoch wenigstens die Kunst erlernt, ihre Gefühle zu verbergen.

"Eure Nichte trägt unsereNovizentracht, weil sich auch unsere Gäste den Vorschriften des Ordens unterwerfen müssen." Die ehrwürdige Mutter mischte sich in das Gespräch. "Maylis hat jedoch noch kein Gelöbnis abgelegt. Die Anrede Schwester gilt jeder Frau unserer Gemeinschaft, Herr Ritter. Ihr macht uns zu Unrecht Vorwürfe."

Während Maylis und die anderen Bewohner des Klosters, bei diesem speziellen Tonfall der neuen Äbtissin den Kopf senkten und Besserung gelobten, blieb Walter von Balliol ungerührt. Er nickte lediglich.

"Umso besser", sagte er und fasste Maylis näher ins Auge.

Sie spürteförmlich wie diese eine Pupille ihre Erscheinung in sich aufsaugte. Sie konnte ein Frösteln kaum unterdrücken. Verursacht von der Kühle des Raumes oder der Vorahnung dessen was ihr bevorstand?

"Pack deine Sachen zusammen und kleide dich deinem Rang angemessen", befahl er, ohne sich mit Erklärungen aufzuhalten. "Morgen reiten wir nach Barnard Castle. Dein Vater wartet auf dich. Er hat einen Gemahl für dich gefunden. Du wirst heiraten sobald wir zu Hause eingetroffen sind."

"Ich soll heiraten?"

Mehr als diese tonlose Frage brachte Maylis im ersten Schockzustand nicht über die Lippen.

"Was ist daran so ungewöhnlich? Du bist erwachsen, gesund und ahnsehnlich. Es wird Zeit, dass du deine Pflicht tust."

Von den Nonnen zu absolutem Gehorsam erzogen und zur Demut angehalten, kämpfte Maylis gegen das Aufbegehren in ihrem Inneren. Dennoch entschlüpfte ihr eine rebellische Frage.

"Mein Vater hatEuch geschickt, um mir mitzuteilen, dass er mich verheiraten will? Warum kommt er nicht selbst?"

"Weil er Wichtigeres zu tun hat."

"Wichtigeres, als mit einer Tochter zu sprechen, die er seit zehn Jahren nicht gesehen hat? Warum will er mich so plötzlich an den Mann bringen? Wenigstens eine Erklärung habe ich verdient."

"Heiratenist die Bestimmung der Frauen, Nichte." Walter von Balliol war es sichtlich unangenehm, seiner Meinung nach überflüssige Erklärungen geben zu müssen. "Du bist erwachsen. Es ist an der Zeit, dass du einen Gemahl bekommst, der deinem Vater zur Seite steht. Barnard Castle braucht Söhne, damit es fortbestehen kann."

"Barnard Castle hat Söhne. Meine Brüder."

"Deine Brüder sind auf dem Schlachtfeld geblieben. Es ist an dir, die Ehre des Hauses Balliol im Blut deiner Söhne weiterzugeben."

Maylis wurde noch bleicher. Niemand hatte es für nötig gehalten, sie vom Tod ihrer beiden Brüder zu informieren. Sie entsann sich nur vage an zwei Jünglinge, die ihre Schwester nach Kräften gehänselt hatten. Als sie fortgeschickt worden waren, um bei einem befreundeten Edelmann als Knappen zu dienen, war sie erleichtert gewesen. Sie nie als erwachsene Männer kennenzulernen, schmerzte trotz allem.

Ihr Schweigen enthielt Reue, Entsetzen und Trauer zugleich. Es machte Walter von Balliol argwöhnisch,

"Ich hoffe, man hat dir hier die Erziehung zuteil werden lassen, die dich befähigt deinem Gemahl ein gehorsames Eheweib zu sein und seinen Hausstand vernünftig zu führen."

Die ehrwürdige Mutter glaubte einen Anflug von Kritik zu hören. Sie bemühte sich augenblicklich, ihr Kloster in bestes Licht zu rücken.

"Ihr werdet Maylis in allenweiblichen Tugenden bewandert und sehr gebildet finden, Herr Ritter", warf sie scharf ein. "Sie versteht sich nicht nur auf die Führung eines großen Hauswesens, sie beherrscht auch Lesen, Schreiben und Rechnen. Sie spricht die Sprache des Hofes ebenso wie das Latein der Kirche. Die Jungfern, die unserer Fürsorge anvertraut werden, sind eine Zierde ihres Standes."

Maylis ließ die Rechtfertigung gleichgültig. Sie starrte unglücklich auf das Kruzifix, das hinter der Äbtissin die halbe Wand bedeckte.

Trostreicher Herr Jesus, bitte steh' mir bei! In meinem Kopf dreht sich alles. Was soll ich sagen?

"Wen ..." Sie räusperte sich und begann noch einmal mit einer lauteren Stimme, die den Disput der anderen schlagartig unterbrach. "Wen soll ich soll ich zum Gemahl nehmen, Oheim?"

Sowohl die Äbtissin, wie der Ritter sahen sie an, als habe sie eine völlig ungehörige Auskunft gefordert. Maylis hielt ihrem Blick mit klopfendem Herzen stand. Sie war keine acht Jahre mehr. Man konnte sie nicht mehr einfach von hier nach dort bringen und ihr Befehle erteilen, ohne ihr zu sagen weshalb.

"Je nun." Walter vonBalliol war zum ersten Mal ein Hauch von Unsicherheit anzumerken. "Mein Bruder will dich mit dem Laird von Kyle verheiraten. Deine Ehe wird den Frieden an der Grenze zu Schottland garantieren, denn deine Söhne werden zu beiden Seiten Land besitzen und herrschen."

"DerLaird von Kyle?", wiederholte Maylis mit tauben Lippen. Sogar ein Mädchen, das den größten Teil seines Lebens im Kloster verbracht hatte, wusste dass dieser Titel einem schottischen Clanführer gehörte. "Mein Vater will mich einem Schotten geben?"

"Der Laird ist ein Mann von großem Einfluss. Du wirst sowohl in Schottland, wie auch in England eine Lady von hohem Rang sein."

Maylis sah ihn mit solch unverhohlenem Entsetzen an, dass er sich zu einer weiteren Ermahnung gezwungen fühlte.

"Wie auch immer, du wirst heiraten. Diese Ehe dient denInteressen deiner Familie und dies ist das einzige, was für dich zählen kann."

"Und wenn ich mich weigere?"

Maylis wusste nicht woher sie denKühnheit nahm, eine solche Möglichkeit anzudeuten. Ihr Onkel gab ein Geräusch von sich, das sich wie das Knurren eines Hofhundes anhörte.

"Es liegt an dir, ob du wie eine Lady auf einem Zelter nach Barnard Castle reitest oder ob ich dich zum Paket verschnürt nach Hause schaffe, damit dein Vater tut was nötig ist, um dir Vernunft einzubläuen. Es ist deine Pflicht, zu gehorchen."

Unterdem drohenden Blick ihres Oheims, verstummte Maylis. Zweifellos war er kein Mann, der leere Drohungen ausstieß. Er würde tun was er sagte und sie wusste, dass sie von niemand Beistand erwarten konnte.

DieÄbtissin würde sie lediglich darauf hinweisen, dass Recht und Gesetz auf Seiten ihres Onkels standen. Ein Vater besaß die Befugnis, über Leben und Zukunft seiner Töchter bestimmen. Vielleicht war sie im Grunde ihres Herzens sogar froh darüber, eine Bewohnerin des Klosters loszuwerden, die ehrlich um ihre Vorgängerin trauerte. Die all die ehrgeizigen Neuerungen, die sie seit ihrer Amtsübernahme eingeführt hatte, kritisierte.

"Ich verlasse mich darauf, dass du auf die Stimme der Vernunft hörst." Ihr Oheim hatte alles gesagt, was er für nötig hielt. "Wir sehen uns Morgen nach der Frühmesse, Maylis von Balliol. Ich hoffe eine reisefertige, gehorsame Edeldame vorzufinden, wenn wir aufbrechen. Gott zum Gruße, Ehrwürdige Mutter. Dies hier ist für Eure Mühen."

Er warf mit beiläufiger Geste einen kleinen Lederbeutel auf den Tisch. Münzen klirrten verheißungsvoll.

"Ihr werdet nicht enttäuscht werden, Herr Ritter", versprach die Ehrwürdige Mutter. Maylis registrierte das Zucken ihrer Fingerspitzen in Richtung des Beutels. Die Gabe hatte ihr Schicksal besiegelt.

Hartnäckig blickte sie zu Boden und schwieg. Erst als das Schloss klickte, entrang sich ihrer Kehle ein erstickter Laut.

"Ich kann nicht erkennen, was es da zu seufzen geben sollte." Die Mutter Oberin besaß scharfe Ohren. "Deine Erziehung in diesem Kloster hat dich auf die Aufgaben vorbereitet, die auf dich warten. Du wirst unserer Gemeinschaft Ehre machen. Wir haben dich Gehorsam, Demut und Bescheidenheit gelehrt und wir werden für dich beten. Möge der Himmel dir die Söhne schenken, die dein Gemahls sich wünscht."

Mayliserschauerte, während die Ehrwürdige Mutter zu einer wahren Predigt über Gottes Gnade und weibliche Ergebenheit ansetzte. Es war ihr ein ständiger Stachel im Fleisch, dass nur die Mönche das Wort Gottes von der Kanzel verkünden durften, deswegen nutzte sie jede Gelegenheit wenigstens ihre Nonnen ausgiebig zu belehren.

Mein Vater hat sich also daran erinnert, dass ich existiere. Nach zehn langen Jahren ist ihm eingefallen, dass er seine Tochter bei den Nonnen von Whitby abgegeben hat. Ich kann mich nicht darüber freuen. Herr, du befiehlst Vater und Mutter zu ehren und zu lieben. Wie kann ich einen Mann lieben, der mir fremd ist? Der mich nicht haben wollte, der mich wie einen missliebigen Gegenstand nicht mehr vor Augen haben wollte?

"...auch solltest du diese Nacht dem Gebet widmen und unseren Herrn um Stärke bitten", beendete die Äbtissin soeben ihre Epistel. "Gelobt sei Jesus Christus, Maylis von Balliol."

"In Ewigkeit. Amen", entgegnete Maylis und floh so schnell aus dem Besucherzimmer, dass ihre Rocksäume fast zwischen Tür und Türstock eingeklemmt worden wären.

Auf geheimnisvolle Weise schiendie Neuigkeit ihrer bevorstehenden Heimkehr und Hochzeit bereits die Runde gemacht zu haben. Bis sie in die Kleiderkammer kam, wo Schwester Mary die Gewänder hütete, die die Schwestern ins Kloster mitgebracht hatten, wusste jede Küchenmagd Bescheid. Maylis ignorierte die Fragen, die sie nicht beantworten konnte. Sie versuchte lieber die praktischen Probleme zu lösen.

"Meinem Stande angemessen gekleidet soll ich sein", berichtete sie Schwester Mary. "Wie stellt mein Oheim sich das vor? Soll ich vielleicht den fadenscheinigen Kinderkittel anziehen, in dem er mich vor zehn Jahren hier abgegeben hat? Er hat daran gedacht, der Mutter Oberin ein Entgelt für meinen Aufenthalt zu geben, aber an mich hat er nicht gedacht."

"Wir werden etwas für dich finden", versprach die rundliche Schwester und verschwand in den Tiefen desRaumes, der nur von zwei kaum handbreiten, länglichen Fensternischen erleuchtet wurde und erstickend nach alter Wolle, Staub, Kampfer und ranzigem Fett roch.

"Was weißt du über deinen künftigen Gemahl?" fragte sieüber die Schulter, während sie emsig verschiedene Truhen öffnete, Leinenhüllen auseinander schlug und Ballen verschob.

"Nichts", entgegnete Maylisehrlich. Schwester Mary war eine jener Nonnen, die der verstorbenen Äbtissin besonders eng verbunden gewesen waren. Das machte sie auch zu Maylis' Vertrauter. Ihr konnte sie sagen, wie bang ihr zumute war. "Er ist Schotte. Hast du schon einmal etwas Gutes über einen Schotten gehört?"

Die wiederholtenÜberfälle, Streitigkeiten und Brandschatzungen im Grenzgebiet des Königreiches hatten den schottischen Kriegern den Ruf der Grausamkeit, Brutalität und Rücksichtslosigkeit eingetragen. Die Mütter gingen so weit, ihren ungehorsamen Kindern damit zu drohen, dass sie sie an die Schotten verschenken würden. Meist brachte eine solche Ankündigung auch den übelsten Rabauken zum Einlenken.

Schwester Mary kehrteschließlich mit einem Bündel Kleider aus den Tiefen des Raumes zurück. Es war in ungebleichtes Leinen gehüllt und von erstaunlichem Umfang. Sie legte es auf dem Tisch vor Maylis ab, nachdem sie den Staub abgeklopft hatte, der es bedeckte. Gleichzeitig versuchte sie Maylis ein bisschen Mut zu machen.

"Ich habe den Laird von Kyle vor vielen Jahren bei einer Wallfahrt gesehen, die meine Schwester zum Heiligen Aidan von Lindisfarne gemacht hat. Er ist ein mächtiger, einflussreicher Mann. Ein wahrer Riese mit kupferroten Haaren."

"Das heißt er ist alt? Auch das noch."

Schwester Mary lebtenoch länger als Maylis bei den Nonnen von Whitby, deswegen lag die Vermutung nahe. Jene Wallfahrt musste eine Ewigkeit zurückliegen.

"Das fünfteLebensjahrzehnt dürfte er inzwischen schon überschritten haben", bestätigte sie zögernd. "Aber wenn du mich fragst, das ist gut für dich. Ältere Ehemänner sind ruhiger, nicht mehr so stürmisch und fordernd wie junge..."

Maylis wollte gar nicht wissen, was Maryim Einzelnen damit meinte. Allein beim Gedanken an den Laird von Kyle überlief es sie eiskalt. Warnten sie die eigenartigen Träume, die sie seit geraumer Zeit im Skriptorium heimsuchten, etwa vor ihm? War er der rätselhafte Mann mit den grauen Augen, dessen genaues Bild vor ihren Augen verschwamm, sobald sie sich in der Wirklichkeit an ihn zu erinnern versuchte?

IhrBlick fiel auf das Stoffbündel und sie streckte, dankbar für jede noch so kleine Ablenkung, die Hand danach aus.

"Wasist das?"

Schwester Mary schlug sorgsam die Leinenschichten zur Seite. Maylis erblickte eine solche Fülle von Stoff und Farbe, dass ihre Hand zurückzuckte. Sie presste die Fingerspitzen auf den Mund, um einen Ausruf des Erstaunens zu ersticken.

"Das sind die Kleider der Fremden, die man im vergangenen Winter aus dem Hafen zu uns gebracht hat", erklärte die alte Nonne heiter. "Hast du jemals solche feinen Gewebe gesehen? Solche akkurat gesetzten Stiche?"

Der Tod der schwerkranken Frau hatte die Ordensschwestern von Whitby in helle Aufregung gestürzt. Weniger wegen ihres Fiebers, als wegen des Umstandes, dass sie nicht mehr zur Besinnung gekommen war, um ihnen zu sagen, woher sie kam und wie sie hieß. Man hatte sie in ein namenloses Grab legen müssen, denn das Schiff, das sie gebracht hatte, hatte den Hafen nur kurz angesteuert, um sich der Sterbenden zu entledigen.

"Sie mussauf jeden Fall eine Frau von Bedeutung gewesen sein, wenn sie solche Kleider getragen hat", vermutete Maylis jetzt und berührte vorsichtig einen Samtärmel.

"Ich weiß nur, dass die arme Seele der Toten, da wo sich heute befindet, sicher keine Einwände dagegen erheben würde, dass du ihre Kleider trägst. Sie müssten dir ungefähr passen."

Schwester Maryzog die Falten des tannengrünen Stoffes auseinander und präsentierte das Gewand voller Stolz. Die breiten roten Samtbänder an Rocksaum, an Ärmeln und Ausschnitt waren mit einem Muster aus Efeublättern bestickt. Rund um das Dekolleté schimmerten blasse Flussperlen wie fremdartige Blüten zwischen den Ranken. Noch nie hatte Maylis ein so prachtvolles Kleid gesehen. Daran konnten auch ein paar Salzwasserspritzer nichts ändern, die den Rock befleckten.

"Siehst du, es gibt noch einen Umhang dazu, sowie das Unterkleid, die Schuhe und die Strümpfe. Wenn dir die Schuhe zu groß sind, musst du ungesponnene Schafwolle in die Spitzen stecken. Sie wärmt und gibt guten Halt beim Laufen."

Maylis äußertedennoch Bedenken. "Das kann ich nicht tragen."

"Warum nicht?Es sind angemessene Gewänder für ein Edelfräulein. Dein Onkel wird mit dir zufrieden sein, du wirst sehen."

"Mir liegt nicht daran, dass er zufrieden ist", antwortete sie eigensinnig. "Es die Kleider einer Toten."

"Seit wann bist du abergläubisch?" wunderte sich Schwester Mary.

"Ich bin nicht ..."

Maylis brach ab. Sie wollte nicht lügen. War es Aberglaube, wenn sie fürchtete, dass das Unglück der Toten auf sie abfärben könnte? Dass sie das Los der namenlos Vergessenen und Gestrandeten zusammen mit ihren Kleidern übernahm?

Das wäre auf jeden Fall besser als dieFrau des Lairds von Kyle zu werden!, meldete sich ihre innere Stimme in offener Rebellion.

"Es macht sie nicht wieder lebendig, wenn du es ablehnst ihre Garderobe zu tragen", rief Schwester Mary sie zur Vernunft. "So nimm sie endlich und pass auf den Gürtel auf. Er ist mit echten Edelsteinen verziert und sicher ein Vermögen wert. Solange die Ehrwürdige Mutter nichts von seiner Existenz weiß, gehört er dir."

"Bist du von Sinnen? Siewird nie erlauben, dass ich mich auf solche Weise schmücke."

Maryverdrehte die Augen ob solcher Widerspenstigkeit.

"Niemand hat mich angewiesen, dieses Gewand von seinen Juwelen zu befreien.Wenn die Mutter Oberin über ihren vielfältigen Aufgaben diese Kleinigkeit vergessen hat, kann es nicht meine Schuld sein. Dir hingegen werden die Steine gute Dienste leisten. In der Welt außerhalb des Klosters sind Kleider wichtig. Man wird dir mehr Respekt entgegenbringen, wenn du nicht nur eine Lady bist, sondern auch aussiehst wie eine Lady. Jetzt zier dich nicht länger. Denkst du irgendjemand erinnert sich daran, dass du im Kinderkittel nach Whitby gekommen bist oder was eine Frau in einer stürmischen Nacht getragen hat, ehe sie in ihr Leichenhemd gekleidet wurde?"

Maylis ersparte sich weiteren Widerspruch. Zehn Jahre bedingungslosen Gehorsams hatten ihre Spuren hinterlassen. Sie hielt sich das Gewand prüfend vor den Körper. Überrascht von seinem Gewicht tat sie ein paar Schritte zurück und bemerkte, dass die Röcke eine Handbreit zu kurz waren. Auch entdeckte sie ein weiteres Problem.

"Der Ausschnitt ist unschicklich. Er zeigt Hals, Schultern und sogar den Ansatz des Busens. Soll ich etwa halb nackt nach Hause reiten?"

"Die Heilige Jungfrau schenke mir Geduld", seufzte Schwester Mary und faltete das Leinentuch zusammen, das nun nicht mehr benötigt wurde. "Jede andere Schwester wäre froh, wenn sie ein solches Kleid tragen dürfte. Es ist schön. Sogar eine Nonne darf es schön finden und du bist nicht einmal eine Nonne. Du bist eine Braut. Das ist genau die Art, wie sich eine künftige Ehefrau kleiden sollte. Sie muss ihre Vorzüge zeigen."

"Aber ich will aber keine Braut sein", brach es aus Maylis heraus. "Ich wünschte, ich könnte hier bleiben und den Schleier nehmen. Ich will nicht an einen Clanführer verschachert werden, den ich meiner Lebtag noch nicht gesehen habe. Lieber wäre ich tot, wie die Frau die diese Kleider getragen hat."

"Du weißt nicht wasdu da sagst." Mary schüttelte nachsichtig den Kopf. "Unsere geliebte, verstorbene Ehrwürdige Mutter hätte dir so etwas nicht durchgehen lassen. Sie hätte dich nach Hause geschickt und sie hätte dafür gesorgt, dass du genau in diesem Kleid nach Hause gehst."

Maylis musste SchwesterMary leider Recht geben. Egal ob ihr der Gedanke an Barnard Castle missfiel und sie sich vor der Zukunft fürchtete, für die frommen Schwestern von Whitby stand stets der Gehorsam an erster Stelle.

"Nach Hause? Das Kloster ist mein Zuhause!"

"Ein Zuhause in dem du auf die Dauer keinen Frieden gefunden hättest, Kind. Wenn du ehrlich mit dir selbst bist, dann musst du es zugeben."

Maylis war fern jeder Einsicht. "Denkst du ich finde meinen Frieden als schottische Zuchtstute?"

"Immerhin garantiert deine Heirat den Frieden an den Grenzen Eures Lehens. Schon deswegen musst du dem Befehl deines Vaters folgen. Du bist eine Frau und deswegen hast du gar keine andere Wahl."

"Man hat immer eine Wahl", erwiderte Maylis trotzig und raffte das Kleiderbündel wütend an sich. "Und sei es die zwischen Gehorsam und Ungehorsam."

"Tsts..." Schwester Mary schnalzte mit der Zunge. "Du versündigst dich, Kind. Was hast du vor?"

"Ich weiß es noch nicht", antwortete Maylis wahrheitsgemäß. "Aber ich bin sicher, es wird mir etwas einfallen."

"Das befürchte ich auch", behielt Schwester Mary das letzte Wort.

Zweites Kapitel

Die Entscheidung

Die Kardätsche in der einen, den Striegel in der anderen Hand, säuberte Drystan Ares' Flanke nun schon so lange, dass es einem Wunder glich, dass der Hengst weiterhin still hielt. Offensichtlich spürte er die explosive Stimmung seines Herrn. Zwar lief manchmal ein leichtes Zucken über das nussbraune Fell, aber sonst stand er völlig reglos. Dennoch hielt es Crispin für angebracht einzugreifen. Er war der Einzige, der es wagen durfte, den Lord von Nansay Hall in diesem in Moment im Pferdestall zu stören. Er machte es sich auf einem Strohballen bequem, zog ein Bein an und kaute auf einem Halm herum, den er sich sorgsam zwischen zwei Fingern zurechtgebogen hatte.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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