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Keinem Edelmann des Königs ist es bisher gelungen, die schöne und tugendhafte Roselynne de Cambremer zu erobern. Erst als ein geheimnisvoller fremder Ritter aus der Normandie erscheint, gerät ihr unbeugsames Herz in Gefahr. Doch wer ist dieser Mann? Roselynne muss fürchten, dass der Fremde eine Betrüger und Schurke ist. Oder ist er vielleicht der unvergessene Ritter ihrer Träume? Das Schicksal stellt die Tochter des Rosenturms vor eine gnadenlose Wahl: Entscheidet sie sich für Ehre oder Liebe, Stolz oder Leidenschaft? Ein langer Weg voll bitterer Missverständnisse beginnt, doch schließlich siegt die Liebe über alle Ungerechtigkeiten. Beginnend mit der Eroberung Englands erzählt die Erfolgsautorin Valerie Lord in der Rosenturmsaga in sieben abgeschlossenen Romanen von den Mitgliedern einer einzigen, großen Familie. Dieser in sich abgeschlossene Roman bildet den dritten Teil der siebenbändigen Roman-Pentalogie, in der es immer um die Liebe geht. „Fünf von fünf Sternen. Herzergreifend gelingt es Valerie Lord auch in diesem dritten Band, den Leser zu fesseln und ihn das Buch bis zum Schluss nicht mehr aus der Hand legen zu lassen“. Kundenrezension aus dem Internet
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Seitenzahl: 468
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Valerie Lord
Die Rosenturmsaga
Pentalogie in sieben Bänden
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Band 1:Der Rosenturm
Band 2:Rosen der Leidenschaft
Band 3:Herz hinter Dornen
Band 4:Kreuzzug der Liebe
Band 5:Das Geheimnis der Rose
Band 6:Die Dienerin des Rosenturms
Band 7:Duell der Sinnlichkeit
Valerie Lord
Herz hinter Dornen
Roman
BsB
BestSelectBook_Digital Publishers
Letzte von der Autorin durchgesehene
Fassung
_______
© 2013Alle Rechte bei Bestselectbook
Inhalt
Prolog * Winchester und Rouen– im Herbst des Jahres 1088
Erstes Kapitel * Die königliche Jagd
Zweites Kapitel * Erinnerung an einen Traum
Drittes Kapitel * Wider bessere Einsicht
Viertes Kapitel * Ich muss dich haben
Fünftes Kapitel * Der Plan des Herzogs
Sechtes Kapitel * Im Bann der Silbergöttin
Siebtes Kapitel * Eine Nacht für ein Leben
Achtes Kapitel * Er hat dich vergessen
Neuntes Kapitel * Von der Lust besiegt
Zehntes Kapitel * Schock im Morgengrauen
Elftes Kapitel * Ein lebensgefährlicher Plan
Zwölftes Kapitel * Die Mutter meiner Söhne
DreizehntesvKapitel * Nicht länger allein
Vierzehntes Kapitel * Keine andere Wahl
Fünfzehntes Kapitel * Eine Frau und eine Lügnerin
Sechzehntes Kapitel * Ein unstetes Herz
Siebzehntes Kapitel * Aus den Tiefen der Erinnerung
Achtzehntes Kapitel * Schick sie nicht fort
Neunzehntes Kapitel * Die Schlacht vor Rouen
Zwanzigstes Kapitel * Im Kerker des Königs
Einundzwanzigstes Kapitel * Zeit das Richtige zu tun
Zweiundzwanzigstes Kapitel * Die falschen Argumente
Dreiundzwanzigstes Kapitel * Brecht den Stab über ihn
Vierundzwanzigstes Kapitel * Hass ist wie Tod
Fünfundzwanzigstes Kapitel * Für den schlimmsten Fall
Sechsundzwanzigstes Kapitel * An der Schwelle des Todes
Siebenundzwanzigstes Kapitel * Im Namen derFreundschaft
Epilog * Winchester im September desJahres
Winchester und Rouen – im Herbst des Jahres 1088
Die Kälte überfiel Roselynne völlig unerwartet. Ihr Herz stockte, Nebel trübte den Blick und sie verfehlte den nächsten Stich in der Borte. Die Sticknadel bohrte sich tief in ihren Daumen.
"Aaah…"
Mathilda von England wandte sich zu ihr um. Mit scharfem Auge entdeckte sie den roten Fleck auf dem kostbaren Gewebe.
"So passt doch auf!", rief sie halb entsetzt, halb tadelnd. "Ihr ruiniert die Seide, Roselynne! Schnell, wascht das Blut aus! Was ist mit Euch? Ihr neigt doch sonst nicht zu solcher Ungeschicklichkeit?"
Roselynne neigte den Kopf und akzeptierte schweigend den Verweis. Prinzessin Mathilda, die jüngste Tochter des Eroberers, vereinte die zierlich winzige Figur ihrer schönen Mutter und den herrschsüchtigen Charakter ihres willensstarken Vaters. Es war nicht ratsam ihr Widerreden zu geben. Sie neigte dazu, ungehorsame Edeldamen unter langweiliger Arbeit förmlich zu begraben. Seit Roselynne diese Erfahrung gemacht hatte, verbarg sie Gefühle und Gedanken hinter einer gehorsamen Fassade.
Auch jetzt eilte sie auf der Stelle davon, den Befehl auszuführen. Die Stickerinnen im Sonnenzimmer, allesamt Edeldamen von nobelster Geburt, langweilten sie sowieso schrecklich. Das Geplauder über Heiraten, Geburten, Modetorheiten und Schönheitstränke brachte sie zum Gähnen und Nadelarbeiten waren ihr verhasst. Für die Fluchtmöglichkeit, die das Missgeschick ihr verschaffte, nahm sie die Schmerzen in Kauf. Sie hatte es sich sehr viel aufregender und interessanter vorgestellt, bei Hofe zu leben.
Der Kälteschock ließ nur langsam nach. Roselynne kam es vor als stehe sie neben sich, und beobachte was mit ihr geschah. Außer Sichtweite der Kammertür hielt sie inne, um Atem zu schöpfen. Rund um den Nadelstich pochte ihr Daumen im gleichen Rhythmus wie ihr Herz. Sie musste den Halt einer Mauer für ihren Rücken suchen, denn ihr war schwindlig. Überwältigt von Empfindungen, die sie nicht einordnen konnte, schloss sie die Augen.
Sie fühlte die Gegenwart eines anderen Menschen wie eine Berührung. Sie vernahm einen Pulsschlag, der wie das Echo ihres eigenen klang. Aber da war niemand! Keine Menschenseele! Der Gang vor den Gemächern der Prinzessin, zog sich still und verlassen bis zur großen Treppe hin. Aus der Halle an ihrem Fuße drang das übliche Stimmengewirr. Der Lärm eines normalen Tages. Dort unten standen Wachen, die niemand nach oben ließen, der nicht von einem Mitglied der königlichen Familie ausdrücklich herauf gebeten wurde.
Dennoch – Roselynne wusste, dass sie nicht länger allein war. Gefühle überfluteten sie mit der Wucht eines Sturzbaches. Zorn. Trauer. Das Verlangen nach Wärme, Licht und Trost. Der Wunsch nach Rache und Vergeltung. Aber auch grenzenlose Kälte und Einsamkeit. Sie litt unter der Qual eines fremden Unglücks und fragte sich gleichzeitig fassungslos, wer ihr so nahe kommen konnte, dass sie gezwungen war seine Verzweiflung zu spüren.
Oder hatte das Elend etwain ihr geschlummert, wie die teuflische Besessenheit eines Kranken, die aus nichtigem Anlass ausbricht und ihn um seine Gesundheit bringt? Weckte das rinnende Blut einer kleinen Verletzung schlafende Dämonen?
Verliere ich meinen Verstand?
"Ist Euch nicht wohl, Dame Roselynne? Kann ich Euch zu Diensten sein?"
Roselynne fuhr zusammen. Mit bebenden Händen zerknitterte sie die blutige Seide und kämpfte um Fassung. Im ersten Moment kam es ihr vor, als habe das Phantom ihrer Ängste plötzlich menschliche Gestalt angenommen.
Aber nein, es war lediglich ein königlicher Page, der vor ihr im Gang verharrte und sie aus großen, bewundernden Knabenaugen ansah. Roselynne versuchte sich an seinen Namen zu erinnern. Er wollte ihr nicht einfallen. Es gab einfach zu viele von ihnen am Hofe des Königs. Alle glichen sie sich in ihrem Bemühen, möglichst schnell erwachsen zu werden und Männlichkeit vorzutäuschen.
"Danke, das ist nicht nötig. Ich habe..." Sie holte tief Luft. "Nur ein Moment dummer Atemlosigkeit. Es geht schon wieder!"
Sie lächelte ihn leicht verzerrt an und raffte Röcke, Stickseide und Beherrschung gleichermaßen zusammen. Auf dem Weg in die Wirtschaftsräume der Burg fand sie halbwegs zu sich. Aber während ihre Finger die feine Seide mit kühlem Brunnenwasser abtupften, um die Blutspuren zu beseitigen, untersuchte sie konzentriert das eigene Befinden.
Bis auf den Nadelstich war sie unversehrt. Sie fror nicht mehr und der Schwindel war ebenfalls vorüber. Es kam ihr freilich vor, als seien all ihre Sinne schärfer und empfindsamer geworden. Eine Fülle verschiedenster Reize übermannte sie förmlich. Das Gleiten der Seide in ihren Händen, die Frische des Wassers und der kühle Hauch aus dem Ziehbrunnen, mischten sich mit den Düften der königlichen Küche und jenen der Mistkarre, die ein Stallbursche hinter ihr über den Wirtschaftshof schob. Kein lebendiger Mensch konnte all dies zugleich und noch mehr fühlen – oder?
DasBild eines schroffen Turmes schob sich zwischen Roselynne und die Wirklichkeit. Kantig und mächtig wuchs er in den Himmel, aber seine dunklen Steine verschwanden unter einem Meer aus blühenden Rosen. Jahr um Jahr entstand es von Neuem. Der Rosenturm von Hawkstone. Sie war im Schutze dieses Turmes aufgewachsen. Man nannte sie und ihre Schwestern die Töchter des Rosenturmes. Für jene, die trotz der christlichen Priester, in ihrem Herzen noch dem alten Glauben anhingen und die große Mutter respektierten, war der Rosenturm eine heilige Stätte. Sie waren auch der festen Überzeugung, dass die Lady von Hawkstone und ihre Töchter angeblich über geheimnisvolle Mächte verfügten.
Im Gegensatz zu ihren Schwestern hatte Roselynne stets über solche Ammenmärchen gelacht. Es gab für alles eine logische Erklärung. Nur einfältige Gemüter glaubten daran, dass spiegelnde Wasserflächen einen Blick in die Zukunft ermöglichten, oder eine Berührung geheime Gedanken verriet. Sie war nicht auf ein vermeintlich magisches Erbe stolz, sondern auf den Adel ihres Namens und die Makellosigkeit ihres Blutes. Auch auf ihre Klugheit – sogar wenn sie damit die Sünde der Eitelkeit auf ihre Seele lud – denn sie ließ weder Aberglauben, noch Flatterhaftigkeit zu.
Aber diese Klugheit ließ auch nicht zu, dass sie die Erinnerung an den Rosenturm abtat. Warf er seinen schicksalsschweren Schatten bis nach Winchester?
"Tut es nicht!"
Es waren weniger die Worte, als der ungewohnt flehende Tonfall, der den Edelmann dazu veranlasste fragend die Brauen zu heben.
"Wovon sprecht Ihr, Gräfin?"
Die stattlicheEdeldame, die sich auf einen Stock mit Silberknauf stützte, schnaubte unwillig. Ihre faltigen Züge trugen die Spuren lebenslanger Herrschsucht, aber auch vergangener Schönheit.
"Ihr wollt, dass ich es ausspreche? Lasst Euch von unserem ehrgeizigen Herzog nicht ins Verderben reißen, mein Freund. Die Rolle des Spions passt nicht zu Euch. Ich sehe keinen Sinn darin, dass Ihr das Meer überquert. Ihr reißt alte Wunden auf."
Das hätte sie besser nicht gesagt. Die Gräfin besaß trotz ihres Alters scharfe Augen. Weder das kurze, unwillige Aufleuchten in den Saphir-Augen entging ihr, noch der vage Hauch von Gefühl, der die reglosen Züge des Seigneurs berührte. Verärgert über ihre Einmischung, suchte er das Gespräch höflich zu beenden.
"Erspart es Euch und mir." Eine schroffe Handbewegung der Gräfin hieß ihn schon schweigen, ehe er den Mund geöffnet hatte. "Ihr wollt es nicht hören, aber ich sage es Euch trotzdem. Wilhelm der Eroberer ist tot und sein Sohn Rufus ist der rechtmäßige König von England. Auch wenn Robert von Anjou der älteste Sohn ist und nach der Krone giert, er wird sie nie tragen. Wilhelm hat sie ihm verweigert, weil er ein Hitzkopf ist und einmal zu oft gegen den eigenen Vater rebelliert hat. Robert kann zufrieden sein, dass ihm wenigstens der Titel Herzog der Normandie geblieben ist. Wenn er jetzt einen Bruderkrieg anzetteln will, bestätigt dies im Nachhinein die Entscheidung seines Vaters. Ihr lasst Euch von ihm missbrauchen, weil Euer Groll gegen eine Person sich auf ein ganzes Land ausgeweitet hat."
"Zum Henker, Gräfin! Findet Ihr nicht, dass Ihr Euch in Dinge mischt, die Euch nichts angehen? Woher wisst Ihr überhaupt von der Sache?"
"Sie gehen mich sehr wohl etwas an", beharrte die Greisin eigensinnig auf ihrem Einspruch. "Hätte ich nicht um jeden Preis versucht, Euch zu meinem Enkelsohn zu machen, Ihr wäret noch der Mann, der auf den Rat einer alten Frau gehört hat."
Sie erhielt jenes zynische Lächeln zur Antwort, das wie Eis in seinen Augen glitzerte und reihenweise die Herzen der jungen Edeldamen am Hofe zu Rouen brach. Nicht, weil es so warm und anteilnehmend war, sondern weil ihm die Klarheit eines Edelsteins anhaftete.
"Werft einem Mann niemalsvor, dass er seinen Verstand entdeckt hat, verehrte Gräfin. Ihr erinnert Euch an einen Jüngling, der noch nichts vom Leben wusste", entgegnete der Getadelte in vollendeter Höflichkeit. "Ich weiß Eure Sorge zu schätzen, aber sie ist an mich verschwendet. Ich bin ein treuer Vasall meines Fürsten. Wenn er geruht, mich um meine Dienste zu bitten, so ist dies eine Aufgabe, der ich mich gehorsam unterwerfe."
"Papperlapapp", schnaubte die Nobeldame, als habe sie es mit einem Pagen zu tun. "Ihr nehmt diese Aufgabe wahr, weil Ihr hofft sie zu sehen! Ihr habt sie nie vergessen!"
In derjähen Stille schwang frostige Ablehnung, ehe der Seigneur zynisch auflachte. "Traut mir ein wenig mehr Denkkraft zu, teure Freundin. Ich werde weder Eurer bezaubernden Enkelin den Hals umdrehen, noch meine Mission durch persönliche Eitelkeit in Gefahr bringen. Ich bin kein romantischer Held. Mein Herz ist nicht gebrochen. Im Gegenteil, ich schulde Eurer Enkelin Dank. Sie hat mir beizeiten bewiesen, dass mein Vater in seiner Einschätzung des weiblichen Geschlechtes genau ins Schwarze getroffen hat."
Der Edelmann bedachte die Greisin mit einer Reverenz und entfernte sich mit weit ausgreifenden Schritten durch die imposante Halle der Burg von Rouen. Man machte ihm ehrerbietig Platz, aber hinter ihm brandeten Gerüchte auf. Es gab nicht viele Männer an diesem Hofe, die es wagten Dame Elisabetta de Cambremer die Stirn zu bieten.
Er hatte sogar mehr getan. Er hatte die furcheinflößende Seniorin dieser mächtigen Familie auf das Ärgste gereizt. Man erkannte es daran wie sie den Stock wütend aufstieß und unwirsch ihre Begleiterin tadelte. Was immer er gesagt hatte, es versetzte sie in Empörung.
Der Edelmannverstand die Einwände der Gräfin besser, als seine mütterliche Freundin ahnte. Er wusste auch, dass ein Gutteil der Eile, mit der er diesem Gespräch entfloh, darin begründet lag, dass er vor seinen eigenen Gedanken davon lief. Was hatte ihn eigentlich dazu getrieben, sich auf das Abenteuer einzulassen? Für einen Machtbesessenen wie Herzog Robert zählten weder Rechtschaffenheit noch Ritterlichkeit. Die Krone von England war alles was ihn interessierte. Die Männer, die ihm auf den Thron halfen, würde er reich belohnen. War das etwa kein Grund, ein Risiko einzugehen?
Das Gespräch hatte ihn aufgewühlt, auch wenn er es nicht zugeben wollte. Er warf sich auf das Pferd, das sein Page im Hof für ihn bereit hielt und preschte durch das Tor. Auf der Flucht vor der Vergangenheit? Dass die Gräfin ihm zugetan war und sich nach Kräften bemüht hatte, die Wunden zu heilen, die das Leben ihm geschlagen hatte, hielt er ihr zu Gute. Dennoch sprach er ihr das Recht ab, Einfluss auf seine Entscheidungen zu nehmen.
Seit er gelernt hatte, seinen Gefühlen zu entsagen, kannte sein Dasein weder Furcht noch Freude. Er genoss sehr wohl die Annehmlichkeiten weiblicher Gesellschaft, aber machte sich keine Mühe, mehr über die Frau zu erfahren, die seinen Alkoven teilte oder ihn zeitweilig amüsierte. Er suchte nicht länger eine Gemahlin, die ihm einen Erben schenkte. Wozu ein Geschlecht am Leben erhalten, das nur zu Hass und Leid geboren wurde?
Und dennoch, der Gedanke den Kanal zu überqueren, den Fuß auf den Boden zu setzen auf dem sie lebte, brach die Dämme, die er zwischen sich und der Vergangenheit aufgerichtet hatte. Er rüttelte an den eisernen Stäben des Verließes, hinter dem seine Emotionen schlummerten. Er kostete den bitteren Geschmack von Verrat, Hass und Rache, von Blut, Verzweiflung und Einsamkeit.
Elisabetta de Cambremer hatte Recht. Es war Narretei was er plante, aber eine Macht die stärker als jede Vernunft war, zwang ihn sein Leben und seine Ehre aufs Spiel zu setzen.
Erste Sonnenstrahlen drückten den herbstlichen Nebel zu Boden, unter die Hufe der Pferde. Zaumzeuge, Dolchgriffe und Mantelschließen, Broschen und Juwelen leuchteten mit dem ersten Morgenlicht um die Wette. Die Jagdgesellschaft des Königs von England, deren Teilnehmer allesamt nicht viel älter als der junge Herrscher waren, trieb ihre Pferde ungestüm vorwärts.
Falkner, Hundeführer, Treiber, Pagen und Pferdeknechte hatten alle Hände voll zu tun, im Getriebe der Hofjagd, das Wohl der eigenen Herrin oder des eigenen Herrn nicht aus den Augen zu verlieren. Beizvögel tänzelten nervös auf den Fäusten ihrer Besitzer, weil sie trotz der glockengeschmückten Hauben die sie vorerst blind machten, den Wirbel ebenso spürten, wie die lockende Freiheit des Herbsttages, der wie geschaffen für eine Jagd war.
Roselynne de Cambremer zügelte den cremefarbenen Zelter mühelos. Unter der Krempe ihrer Samtkappe blickte sie gelassen über das Getümmel hinweg zu den Zinnen, wo die Standarte des Königs die seiner Ritter und Gäste überragte. Keines der bedeutenden Wappen fehlte. Niemand wagte eine königliche Einladung zur Jagd auszuschlagen, wenngleich die Tatsache, dass sie ausgerechnet zu Ehren der schottischen Gesandtschaft gegeben wurde, doch für verstohlenen Unmut sorgte.
Die ständigen Scharmützel an der Nordgrenze zehrten an der Geduld des Königs und seiner Ratgeber, ebenso wie an der Verteidigungskraft des Reiches. Erst musste diese Grenze gesichert sein, ehe man daran gehen konnte, alle Kräfte auf Robert, den älteren Bruder des Königs zu konzentrieren. Robert beherrschte die Ländereien des Eroberers auf dem Festland. Die Krone seines neuen Königreiches auf der englischen Insel hatte Wilhelm dem zweitältesten Sohn übertragen. Die Rivalität der Brüder würde vermutlich erst mit dem Tode des einen oder des anderen ein Ende finden. Sie hatten sich nie sonderlich gut verstanden, aber die Entscheidung des Vaters hatte sie zu Todfeinden gemacht.
Die Anwesenheit der Schotten bei dieser Jagd, markierte freilich keinen ersten Schritt zu einem dauerhaften Frieden im Norden. Engländer und Schotten hatten sich lediglich auf ein Stillhalte-Abkommen geeinigt. Es ermöglichte beiden Atem zu schöpfen, Burgen zu befestigen, Waffen zu kaufen und neue Kämpfer auszubilden.
Im Gegensatz zum schottischen König musste der Sohn des Eroberers, den alle nach seinem roten Haupthaar Rufus nannten – auch weil er den Taufnamen seines Vaters trug – an zwei Fronten kämpfen. Ebenso draufgängerisch veranlagt wie sein Bruder, war er jedoch klug genug, auch die Mittel der Diplomatie einzusetzen, um sein Ziel zu erreichen. Deswegen diese Jagd und die schmeichelhafte Aufmerksamkeit für eine Gesandtschaft, die in den Augen des Hofes größtenteils aus Wilden bestand. Prinzessin Mathilda wachte besorgt darüber, dass ihre Damen Abstand von ihnen hielten.
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