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Ein Geschenkband mit Aphorismen, die noch heute durch Weitblick und Scharfsinn überzeugen. Ein Geschenkband mit Aphorismen, die noch heute durch Weitblick und Scharfsinn überzeugen. »Denn wo käme man hin, wenn man in sich ginge.« Mit spitzer Feder brachte Kurt Tucholsky, einer der meistgelesenen Schriftsteller und Zeitkritiker der Weimarer Republik, Glossen und Satiren, kabarettistische Szenen, Lyrik und Chansons zu Papier. Gegen das korrupte Spießertum und die Beamtenschaft, gegen bürgerliche Lethargie und die Justiz. Tucholsky war ein humorvoll-ironischer Polemiker mit einer großen Vorliebe für den Wortwitz. Dabei war dem Humanisten, »der frech war und skrupulös, eine (oft enttäuschte) Menschenliebe heilig«, wie Herbert Riehl-Heyse in der ›Süddeutschen Zeitung‹ schrieb. Seine Aphorismen und Lebensweisheiten, die in dem Bändchen zusammengetragen sind, überzeugen noch heute durch Weitblick und Scharfsinn.
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Seitenzahl: 112
Kurt Tucholsky
Dürfen darf man alles
Lebensweisheiten
Ausgewählt und herausgegeben von Günter Stolzenberger
Deutscher Taschenbuch Verlag
Originalausgabe 2006© Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, MünchenDas Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist nur mit Zustimmung des Verlags zulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.Rechtlicher Hinweis §44 UrhG: Wir behalten uns eine Nutzung der von uns veröffentlichten Werke für Text und Data Mining im Sinne von §44 UrhG ausdrücklich vor.eBook ISBN 978-3-423-40095-4 (epub)ISBN der gedruckten Ausgabe 978-3-423-13431-6Ausführliche Informationen über unsere Autoren und Bücher finden Sie auf unserer Website
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Aus dem Bauch geschrieben
Die Mäuse im Keller
Guter alter »Tucho«
Gib ihm Saures
Die Krümel im Bett
Ich bin so ein kleiner Dicker
Das steht im Sprachführer nicht drin
Die menschliche Dummheit ist international
Ein offenes Wort
Ja, so ist das
Wann eigentlich, wenn nicht jetzt?
Ernst beiseite
Nachwort
Quellenverzeichnis
Wir werden das niemals begreifen, daß nicht alles auf der Welt geregelt sein kann, daß es auch gar nicht nötig ist, daß allgemeine Richtlinien vollauf genügen, und daß alles Übrige sich durch den gesunden Menschenverstand und durch einen gewissen natürlichen Ausgleich allein regeln muß.
1, 339
Die Wahrheit kommt oft spät.
2, 80
Schweigen ist die Perle in der Krone der menschlichen Künste.
2, 152
Und das sind meisthin die klügsten Dinge, die wir so einfach dahin sagen: ohne Interesse an jemand, ohne Ranküne gegen einen andern, ohne die Absicht, zu gefallen oder zu mißfallen.
2, 168
Falsche Herzenstöne gibt es nicht. Es gibt nur falsche Herzen.
2, 186 f
Das Gehirn ist eben nicht allen Dingen gewachsen.
2, 187
Man muß aus der Stille kommen, um etwas Gedeihliches zu schaffen. Nur in der Stille wächst dergleichen.
2, 238
Wer inbrünstig haßt, muß einmal sehr geliebt haben.
2, 382
Man sollte sich doch treu bleiben.
2, 388
Menschenleid ist zu allen Zeiten dasselbe gewesen, und wer es nicht gefühlt hat, wenn es ihm ans Herz klopfte, hatte das schlimmste Laster, das Weise, Religionsstifter und Ethiker kennen: die Trägheit des Herzens.
2, 413
Große Dinge ereignen sich nicht mittags um zwölf Uhr zehn. Sie wachsen langsam.
2, 418
Zwischen Ungezogenheiten und würdeloser Kriecherei gibt es einen dritten Weg. Den der Menschlichkeit.
2, 430
Der Mensch ist, bei Gott, nicht gut. Ihn aber dennoch anzuhalten, daß er nicht töte, auch nicht unter Schwenkung einer ethischen Fahne, scheint mir Aufgabe und Pflicht besserer Menschen.
2, 435
Es geht nirgends so merkwürdig zu wie auf der Welt.
3, 164
Jeder Schmerz wird vergessen. Das hat der liebe Gott so weise eingerichtet, denn sonst setzten die Menschen keinen Schritt mehr vor den andern (…).
3, 261
Fühlt man sich doppelt warm, wenn es draußen schneit und windet? Ja, vielleicht. Aber fühlt man sich auch doppelt wohl, wenn draußen Leute leiden?
3, 316
Unter der kleinen Qual liegt eine tiefe Lust…
3, 342
Spaß macht ja immer nur das Überflüssige.
3, 355
Von oben gesehen, sieht das ungefähr so aus: Niemand hat das, was er eigentlich braucht. Alle Welt sucht.
4, 185
Manchmal fahren zwei Eisenbahnzüge nebeneinander her, in derselben Richtung. Die Insassen des schnellern Zuges machen dann fröhliche Gesichter, sehen genau forschend hinüber, ein ganz klein wenig mitleidig. Die des langsamen Zuges schauen gleichgültig drein oder gucken gleichgültig fort. Schnellere Züge interessieren nicht sehr.
4, 187
Schimpfen ist eine Lebensnotwendigkeit wie Atmen (…).
4, 328 f
Unser Leben gehört uns. Ob wir feige sind oder nicht, ob wir es hingeben wollen oder nicht –: das ist unsre Sache und nur unsre.
4, 390
In fast allen Pyrenäenstädten herrscht eine weiche, geruhsame Luft, besonders in den hübschesten unter ihnen, die am Anfang der Ebene liegen – freundlich geht es da zu. »T’en fais pas!« ist ein schöner Grundsatz. Bring dich nicht um! Nun, hier bringt sich keiner um.
5, 126
Das Leben ist so grau, heutzutage – so durchaus berechenbar – die Leute brauchen etwas Romantisches, etwas Unvorhergesehenes, und sei es auch nur in der Phantasie.
5, 167
Einmal, einmal muß man hinter jeden geschlossenen Vorhang sehen – das ist so.
5, 214
Die Moral des Hühnerstalls (…) gebietet, daß man nach Körnern pickt, und, so man welche gefunden hat, sie auch aufißt – sonst nimmt sie der andre!«
5, 260
Etwas gegen den Hund zu sagen, heißt für viele, am Heiligsten rühren, wo der Mensch hat.
5, 327
Geräusch anhören ist: an fremdem Leben teilnehmen.
5, 332
Mit Lammsgeduld und Blöken kommt man gegen den Wolf nicht an.
5, 340
Wenn einer was redet, dann muß er auch was zu sagen haben!
5, 359
(…) schade, daß man einen Wein nicht streicheln kann.
5, 375
Wertvolles muß wachsen.
5, 390
Die Welt verachten – das ist sehr leicht und meist ein Zeichen schlechter Verdauung. Aber die Welt verstehen, sie lieben und dann, aber erst dann, freundlich lächeln, wenn alles vorbei ist –: das ist Humor.
5, 415
Kaum jemand, von den sehr reichen Leuten abgesehen, lebt sein eigenes Leben, was das Ohr anbetrifft. Er lebt das Leben seiner Nachbarn mit.
6, 23
Höre auf die Stimme des Publikums, aber überschätze sie nicht – in dir selbst muß eine Kompaßnadel die Richtung anzeigen.
6, 32
Es ist ein großer Irrtum, zu glauben, daß Menschheits-Probleme »gelöst« werden. Sie werden von einer gelangweilten Menschheit liegen gelassen.
6, 33
Wer immer da ist, wo er ist, der sieht zum Schluß nicht mehr. Er sieht die Bäume, die Zweige und die Äste – den Wald sieht am besten der, der noch nie einen gesehen hat.
6, 86
Vielleicht will die Vernunft zu viel, vielleicht kann das Leben zu wenig.
6, 87
Wer in den Spiegel hineinschaut, darf sich nicht wundern, was da herausguckt.
6, 94
Wenn mans im Leben zu was bringen will, muß mans zu was gebracht haben–!
6, 98
Dürfen darf man alles – man muß es nur können.
6, 109
Das Schönste vom Sonntag ist der Sonnabend Abend.
6, 123
Jeder ist halb so wichtig, wie er glaubt (…).
6, 233
Ein vernünftiges Wort zur rechten Stunde hilft fast immer, und man kann sich weit mehr mit seinen Gegnern aussprechen, als man gemeinhin denkt. Man tuts nur nicht immer. Wenn Sie jemand verklagen wollen, dann überlegen Sie es sich, überschlafen Sie die Sache noch einmal, und schenken Sie für das Geld, das Verfahren, Anwalt und Urteil kosten, Ihrer Familie etwas Hübsches. Sie haben mehr davon.
6, 258
Man sieht bekanntlich an winzigen Dummheiten mehr als an großen politischen Programmen.
6, 86
Mit seinem Leben kann man überhaupt nicht vorsichtig genug umgehen, weil es eines Tages ein Vorleben werden kann, und dann erst wird man, vor den unerbittlichen Fischaugen des Gerichts, entdecken, was man da alles zusammengelebt hat.
6, 69
(…) das Idiotische ist ja doch stärker als alle Vernunft.
6, 315
Besser ein Anzug nach Maß als eine Gesinnung von der Stange.
6, 317
Vom lieben Gott aus gesehen, gibt es nur das lebende Individuum – und weiter nichts.
6, 325
Das erste dieser Zehn Gebote hätte zu heißen: »Tu, was du predigst.«
7, 94
Hab Erbarmen. Das Leben ist schwer genug.
7, 160
Man kann alles beweisen; dadurch, daß mans bewiesen hat, ist noch nichts bewiesen. Der Syllogismen sind viele; der Trugschlüsse viele; der falschen Voraussetzungen viele… laß sie reden, aber gehe nicht auf den Leim. Du bleibst unweigerlich hängen.
7, 249
(…) das Unglück ist eine eitle Frau und will hofiert sein. Beachtet man es nicht, dann stirbt es.
8, 11
(…) es gibt ein Mittel, ein einziges, im Schachspiel unbesiegt zu bleiben. Spiele nicht Schach.
8, 25
Kein Kind versteht die Erwachsenen; es fühlt sie nur manchmal.
8, 171
Gott erhalte uns die Freundschaft. Man möchte beinah glauben, man sei nicht allein.
8, 230
Da haben unsre Väter gesagt: »Hör auf mich – ich bin ein alter erfahrener Mann…« Nun, wir haben nicht gehört. Ob zum Schaden oder zum Nutzen, ist eine andre Sache – aber gehört haben wir nicht. Jeder will sich seinen Schnupfen allein holen.
8, 243
Zuhörenkönnen ist überhaupt die halbe Lebensweisheit.
8, 244
Lehren heißt: vom innern Reichtum abgeben; man muß am Ende stehen, wenn man andern den Anfang zeigen will.
8, 246
Gesund wird nur, wer will.
8, 251
Es gibt einen Organismus, Mensch geheißen, und auf den kommt es an. Und ob der glücklich ist, das ist die Frage. Daß der frei ist, das ist das Ziel. Gruppen sind etwas Sekundäres – der Staat ist etwas Sekundäres. Es kommt nicht darauf an, daß der Staat lebe – es kommt darauf an, daß der Mensch lebe.
8, 270
Ei ist Ei, sagte jener – und nahm das größte.
9, 44
(…) ein weiser Mann hat herausgefunden, es sei das Unglück der Esel, Esel zu heißen – denn nur deshalb würden sie so schlecht behandelt.
9, 65
Die Gleichgültigkeit so vieler Menschen beruht auf ihrem Mangel an Phantasie.
9, 74
Leben ist aussuchen. Und man suche sich das aus, was einem erreichbar und adäquat ist, und an allem andern gehe man vorüber.
9, 113
Man sollte mehr Vertrauen zu seinen Instinkten haben, wozu freilich gehört, daß man welche hat.
9, 165
Erfolg hat immer nur das Echte, auch Kitsch kann echt sein (…).
9, 165
Das Volk versteht das meiste falsch; aber es fühlt das meiste richtig.
9, 172
Aber im Leben? Im Leben verbirgt man seine Gefühle, so lange, bis die Leute glauben, man habe gar keine, denn das ist die gute Erziehung.
9, 229
Wer lobt, wird selten nach seiner Aktivlegitimation gefragt.
9, 290
Nähme man den Zeitungen den Fettdruck –: um wieviel stiller wäre es in der Welt–!
9, 309
Neben manchem andern sondern die Menschen auch Gesprochnes ab. Man muß das nicht gar so wichtig nehmen.
9, 324
Wenn ein Mann weiß, daß die Epoche seiner stärksten Potenz nicht die ausschlaggebendste der Weltgeschichte ist –: das ist schon sehr viel.
9, 324
Schade, daß es nicht im Himmel einen Schalter gibt, bei dem man sich erkundigen kann, wie es unten nun wirklich gewesen ist.
9, 324
Missionare müssen indianisch lernen – mit lateinisch bekehrt man keine Indianer.
9, 327
Es gibt keinen Erfolg ohne Frauen.
9, 328
Schriftsteller im Nebenberuf sind meist keine.
WB, 2.6.1931
Man sage in seherischem Tonfall dummes Zeug, und man wird eines gewissen Erfolges nicht entraten.
10, 20
Wenn alles das Mythos ist, was sich dem gesunden Menschenverstand entzieht –: nieder mit dem Mythos!
10, 39
Man fällt selten über seine Fehler. Man fällt meistens über seine Feinde.
10, 48
Du bekommst einen Brief, der dich maßlos erbittert? Beantworte ihn sofort. In der ersten Wut. Und das laß drei Tage liegen. Und dann schreib deine Antwort noch mal.
10, 81
Vom Stationsvorsteher aus gesehn sieht der tägliche Abschied der Reisenden an den Zügen recht stereotyp aus. Von der Krankenschwester aus gesehn hat der Tod ein andres Gesicht als vom Trauernden aus gesehn. Alles, was man regelmäßig und berufsmäßig tut, versteinert. Man sollte auch seine eignen Erlebnisse vom Stationsvorsteher aus sehen können.
10, 81
Die Seele jeder Ordnung ist ein großer Papierkorb.
10, 108
An einem Rausch ist das schönste der Augenblick, in dem er anfängt, und die Erinnerung an ihn.
10, 108
Jede Frau darf beten. Ein Mann, der betet, muß sehr dumm oder sehr weise sein.
10, 109
Und nichts hat so viel Erfolg wie der Erfolg. Und gegen Schwächlinge hat der Starke tausendmal recht.
Q, 71
Und eben das ist Ghetto: daß man das Ghetto akzeptiert.
Q, 72
Ein Ideal, für das man nicht bezahlt, kriegt man nicht.
Ein Ideal, für das ein Mann oder eine Frau nicht kämpfen wollen, stirbt – das ist ein Naturgesetz.
Q, 182 f
Man siegt nicht mit negativen Ideen, die ja stets das Verneinte als Maß aller Dinge anerkennen – man siegt nur mit positiven Gedanken.
Q, 184
Vorsicht ist besser als kein Kaffee.
Q, 282
(…) Gottseidank denken wir nicht über alles gleich, das wäre ja fürchterlich.
Q, 317
Ich weiß, daß man ohne Kompromisse nicht leben kann. Ich weiß, daß es auch dummen Heroismus gibt, dämliches Heldentum, mit dem Kopf bumbumm immer an die Wand – das gibt es.
Q, 319
Man muß den Menschen positiv kommen. Dazu muß man sie – trotz alledem – lieben.
Q, 326
Um zu lernen, muß der Kopf offen sein. Der Bauch übrigens auch.
Q, 329
(…) eine endgültige Lösung gibt es nur in Gott.
Q, 341
Dies ist, glaube ich, die Fundamentalregel alles Seins: »Das Leben ist gar nicht so. Es ist ganz anders.«
4, 188
Aber so ist es oft im menschlichen Leben:
Die einen glauben von den andern, sie hätten Mäuse im Keller; doch wenn sie sich in ihren eigenen bemühen wollten: da quiekt es nicht schlecht. Aber wer wird denn in seinen eigenen Keller gehen–!
4, 508
Alle sind ja nicht so wie alle!
3, 118
Es gibt Menschen, die sind so rechthaberisch und haben eine solche Fähigkeit, sich alles, was ihnen begegnet, zu ihren Gunsten zurechtzubiegen, daß man versucht ist, sie zu fragen: »Lieber, ist Ihnen noch nie aufgefallen, daß Sie in Ihrem Leben niemals Unrecht hatten, niemals Unrecht –?« Und sie werden hitzig antworten: »Was fällt Ihnen ein! Ich habe überhaupt nur Unrecht–!« So dickköpfig sind manche Leute. Man kann sie leicht und sofort erkennen, denn sie gehören alle demselben Volksstamm an. Es sind die andern.
4, 187