Echte Vampire beißen sanft - Gerry Bartlett - E-Book

Echte Vampire beißen sanft E-Book

Gerry Bartlett

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Beschreibung

Bridget Jones goes Vampire

Alle Vampire sind blass und superschlank? Nicht Glory St. Clair, lebenslustige Blutsaugerin mit sexy Kurven. Eben einem Vampirjäger entkommen, steckt sie schon wieder in Schwierigkeiten: paranormale Drogendealer, ein lästiger Exfreund und ihre zerstörte Boutique sind das eine. Und dann ist da noch Blade – ihr schottischer Geliebter und Vampir mit dunklen Absichten …

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Seitenzahl: 553

Veröffentlichungsjahr: 2010

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Inhaltsverzeichnis
Das Buch
Die Autorin
Danksagung
EINS
ZWEI
PREI
VIER
FÜNF
SECHS
SIEBEN
ACHT
NEUN
ZEHN
ELF
ZWÖLF
PREIZEHN
VIERZEHN
FÜNFZEHN
SECHZEHN
SIEBZEHN
ACHTZEHN
NEUNZEHN
ZWANZIG
EINUNDZWANZIG
ZWEIUNDZWANZIG
DREIUNGZWANZIG
VIERUNDZWANZIG
Copyright
Das Buch
Gloriana »Glory« St. Clair, kurvenreiche Vampirin mit Sexappeal und Herzblut, hat alle Hände voll zu tun. Nicht nur damit, die Nächte mit Blutonics und leidenschaftlichen Dates zu verbringen. Nein, es gilt auch Abenteuer der unangenehmen Sorte zu bestehen, und dabei wird ihr geordnetes Vampirdasein in der kleinen Stadt Austin unschön durcheinandergewirbelt. Alles beginnt mit einer Brandbombe in Glorys Boutique für Vintage-Mode. Dank der Wachsamkeit ihres Bodyguards auf vier Pfoten, dem Gestaltwandler Valdez, werden Glory und andere Wesen der Nacht kurz vor knapp gerettet. Doch wer steckt hinter dem Anschlag? Der wahnsinnige Vampirjäger Westwood, der vor nichts zurückschreckt, um ihre Eckzähne als makabres Souvenir an seiner Halskette zu tragen? Oder ominöse Energievampire, die mit einer geheimnisvollen Substanz dealen und hinter Gloriana her sind, um ihre immensen Energiereserven abzuzapfen. Als ihre Freundin Florence in den Bann der Droge gerät und dem King der Energievampire verfällt, wird es richtig brenzlig. Doch Glory hat mittlerweile überraschende Fähigkeiten entwickelt. Tatkräftig unterstützt wird sie von einigen mächtigen- und attraktiven – Vampirfreunden, darunter Angus Jeremiah Campbell III, kurz Blade, ihr Geliebter in alle Ewigkeit, gelegentliche Trennungen hin oder her. Und dessen Hilfe kann sie jetzt gebrauchen, denn auch für dieses Abenteuer soll es schließlich ein bissfestes Happy End geben!
Die Autorin
Gerry Bartlett wurde am 21. November (das Jahr verrät sie nicht) in Texas geboren und lebt auch heute noch auf halbem Weg zwischen Houston und Galveston. Die ehemalige Lehrerin schrieb zu Anfang unter einem Pseudonym, das sie aber, zusammen mit ihrem ursprünglichen Beruf, sehr bald an den Nagel hängte. Echte Vampire beißen sanft ist nach Echte Vampire haben Kurven der zweite Roman über die ungewöhnliche Vampirblondine Glory St. Clair.
Dank
an Sarah Thigpen, dafür, dass sie mich zum Lachen bringt; an Kenneth »Bicycle« Collins, dafür, dass er mich nervt; und an Nina Bangs, dafür, dass sie mich fordert.
Außerdem widme ich dieses Buch dem allerersten Valdez, dem Wonder Dog, und allen anderen wunderbaren Haustieren, die uns in den Himmel vorausgegangen sind.
EINS
»Du bist ein Vampir, Gloriana St. Clair. Ein verdammter Blutsauger. Wann wirst du endlich lernen, dich auch wie einer zu benehmen?«
»Sieh dich vor, Pelzgesicht«, knurrte ich und fletschte meine Fangzähne. »Es ist nicht gerade ratsam, mich zu verärgern.« Ja, ich bin ein Vampir, auch wenn ich nicht den üblichen Klischees entspreche. Ich bin Mitte zwanzig und habe blondes Haar, blaue Augen und... ähm... eine ziemlich üppige Figur. Vampire gibt es überall, aber wir haben gelernt, uns an die Sterblichen anzupassen, so dass man uns nicht gleich erkennt. Und sollten wir doch einmal in einer kompromittierenden Situation erwischt werden – zum Beispiel, während wir uns an einem von euch gütlich tun -, haben wir immer noch den Whammy: Wir können nicht nur Bissspuren im Handumdrehen auslöschen, sondern auch eure Erinnerung an gewisse Begebenheiten. Na, denkt ihr gerade an die eine oder andere rätselhafte Erinnerungslücke?
»Nun komm schon, Glory, ich leide bereits an Entzugserscheinungen.« Mein Hund Valdez kommuniziert auf telepathischem Wege mit mir, und er ist sehr gesprächig.
»Du bist mein Hund-Schrägstrich-Bodyguard, Valdez.Eigentlich solltest du dich um mich kümmern, nicht umgekehrt.«
»Tu ich doch, und das werde ich auch weiterhin tun. Und jetzt fahr zurück.«
»Vergiss es. Ich habe alles, was wir brauchen.Twinkies,Conditioner und Antiflohshampoo.« Ich schnappte nach Luft, als sich mein Magen schmerzhaft zusammenzog. »Diese verdammten Cheetos haben mich fast umgebracht.«
»Es verlangt ja niemand, dass du sie isst. Erwartest du ernsthaft von mir, dass ich auf meine Cheetos verzichte, nur weil du sie nicht verträgst?«
»Hey, ich hatte quasi ein Nahtoderlebnis.« Wer hätte gedacht, dass eine Handvoll Knabberzeug eine derart verheerende Wirkung entfalten würde? Wer sich ein bisschen mit Vampiren auskennt, weiß vermutlich, dass wir ausschließlich Flüssignahrung zu uns nehmen, und das hat seine Gründe. Ich bin weiß Gott ein alter Vampir; und wenn ich alt sage, dann meine ich »Billy Shakespeare war mein Kumpel«-alt. Ich hätte es also wirklich besser wissen müssen.Aber von Zeit zu Zeit überkommt mich eben ein unbändiges Bedürfnis nach etwas kulinarischer Abwechslung. An einem Sterblichen habe ich mich schon seit einer halben Ewigkeit nicht mehr vergriffen, und dieses in Flaschen abgefüllte synthetische Blut, von dem wir uns ernähren, hängt mir mittlerweile ordentlich zum Hals raus.
Ich lenkte meinen verrosteten Suburban in die kleine Seitenstraße hinter dem Gebäude, in dessen Erdgeschoss sich mein Laden befindet. Er heißt Vintage Vamp’s Emporium; cooler Name, nicht? Die Beleuchtung war schon wieder ausgefallen. Kein gutes Zeichen.Valdez hatte hier erst kürzlich einen Pfeil abgekriegt, der für mich bestimmt gewesen war. Während ich abbremste und im Schritttempo meinen üblichen Parkplatz ansteuerte, durchzuckte mich erneut ein Schmerz, diesmal allerdings nicht in der Magengegend, sondern zur Abwechslung im Kopf.
Ein Knirschen, ein Krachen, und mein Wagen kam abrupt zum Stillstand. Oje.
»Was hast du jetzt wieder angestellt? Bleib sitzen und versperr die Türen.« Valdez ließ prüfend den Blick über die unmittelbare Umgebung gleiten, ehe er die Beifahrertür öffnete (fragt mich nicht, wie) und vorsichtig hinaushopste. War das eine Falle? Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich immer hier parke.Wartete dort draußen etwa ein mit einem Pfahl bewaffneter Vampirjäger darauf, dass ich ausstieg und nachsah, was ich gerade niedergemäht hatte?
»Ich wittere keine Gefahr, aber du sitzt auf jeden Fall ganz schön in der Tinte.« Valdez kam zur Fahrertür. »Setz einen halben Meter zurück und sieh dir das an.«
Kaum hatte ich den Motor abgestellt, verspürte ich ein weiteres Stechen in der Stirn, genau zwischen den Augen.Was war das bloß? Ich leide sonst nie unter Kopfschmerzen, außer, wenn ich versuche, meinen gedankenlesenden Freunden den Zugang zu meinem Gehirn zu verwehren. Und die Cheetos schlagen mir nur auf den Magen. Auch äußerlich übrigens;seit dem vorhin geschilderten zweifelhaften Genuss habe ich nämlich um die Leibesmitte ein Speckröllchen mehr zu verzeichnen, dabei bin ich ohnehin schon das reinste Michelin-Männchen. Ich schloss die Fahrertür auf und kletterte aus dem Wagen.
Dank meiner Vampir-Super-Sehkräfte konnte ich trotz der Finsternis hier draußen ausmachen, dass mein Suburban unversehrt geblieben war. Ganz im Gegensatz zu dem Blechhaufen zwischen Motorhaube und Zaun, der offenbar einmal − schluck − ein Motorrad gewesen war. Und zwar nicht gerade ein billiges, sondern − doppelschluck − eine klassische Harley. Damit kenne ich mich aus. Ich hatte mal einen sterblichen Freund, der total auf diese Dinger abfuhr. Sehr retro. Ich versuche immer, mit der Zeit zu gehen. Ich mag schon einige Jährchen auf dem Buckel haben, aber ich achte darauf, dass man es mir nicht anmerkt, weder optisch noch sonst wie.
»Was zum Teufel hast du getan, Gloriana?«
Ich fuhr herum und stellte mich schon einmal darauf ein, den Whammy anzuwenden, bis ich eine Möglichkeit gefunden hatte, dieses kleine Missgeschick in Ordnung zu bringen, ohne dabei die Polizei oder irgendwelche Versicherungsfuzzis zurate zu ziehen. Doch als ich den vor Wut schäumenden Besitzer der Harley erblickte, wusste ich, dass Gedankenmanipulation keine Option war.
Richard Mainwaring ist ebenfalls ein Vampir. Wir sind zwar gewissermaßen befreundet, aber er ist mir nicht ganz geheuer. Ausgerechnet er war es, der nun auf das Häufchen Elend starrte und aussah, als würde er am liebsten in Tränen ausbrechen, wenn das seinem Machoimage nicht ziemlich abträglich gewesen wäre. Prompt war mir auch zum Weinen zumute. Vielleicht konnte ich ihn ja überreden, auf eine Flasche Blutonic mit zu mir hinaufzukommen, damit sich einer an der Schulter des anderen ausweinen konnte.
»Ich habe es nicht gesehen, und außerdem ist das mein Parkplatz«, rechtfertigte ich mich sogleich.
»Ich sehe hier aber nirgendwo ein Schild mit deinem Namen.« Er hievte das umgestürzte Motorrad vorsichtig vom Boden auf, wobei sein Bizeps deutlich hervortrat. Die Harley wackelte ein wenig, blieb aber stehen. Ich atmete erleichtert auf.
»Nun, diese Parkplätze sind für die Anlieger reserviert, und du wohnst nicht hier, oder?« Er war bis vor kurzem mit Florence da Vinci, meiner italienischen Mitbewohnerin, liiert gewesen, aber soweit ich informiert war, hatte Flo mit ihm Schluss gemacht. Hatten sich die beiden etwa versöhnt? Zog er bei uns ein?
»Nein, und ich bin nicht wieder mit Florence zusammen.« Er machte ein grimmiges Gesicht. Ich ebenfalls. Ich hasse es, wenn man meine Gedanken liest. Eine sehr schlechte Vampirangewohnheit, wenn ihr mich fragt. Ich für meinen Teil mache keinen Gebrauch von meinen diesbezüglichen Fähigkeiten − oder jedenfalls nur sehr selten. Und ich weiß aus Erfahrung, dass Richard niemanden seine Gedanken lesen lässt.
»Dann solltest du hier nicht parken. Die Besucherparkplätze befinden sich vor dem Haus.«
Er kniete nieder, um die kümmerlichen Überreste dessen zu inspizieren, was einmal sein Hinterreifen gewesen war. Hmmm. Ich beäugte seinen knackigen Hintern. Nicht, dass mich der im Augenblick sonderlich interessieren sollte. Vielmehr beunruhigte mich der Anblick seiner breiten Schultern, die in der ärmellosen Lederweste hervorragend zur Geltung kamen und einem American-Football-Spieler zur Ehre gereicht hätten. Als Vampir bin ich zwar mit übermenschlichen Kräften ausgestattet, aber Richard Mainwaring hätte mich mit links auf die andere Straßenseite befördern können.
Er wandte sich zu mir um und maß mich mit einem abschätzenden Blick. Hoppla. Ich fuhr zurück und öffnete vorsichtshalber den Reißverschluss meiner Kapuzenjacke aus Samt, passend zur türkisfarbenen Jogginghose. Darunter trug ich ein ärmelloses Spaghettiträgertop. Richard mochte stärker als ich sein, aber ich hatte mein eigenes kleines Waffenarsenal zurVerfügung.Vielleicht, wenn ich ihm ein paar tiefe Einblicke gewährte... Er war zwar Priester gewesen, ehe er zum Vampir mutiert war, aber ich weiß aus sicherer Quelle, dass er gegen weibliche Reize alles andere als immun ist.
»Wie konntest du nur, Gloriana? Hast du denn nicht gesehen, dass dieser Parkplatz bereits belegt war?« Richard Mainwaring hat einen kaum hörbaren britischen Akzent, dazu weißblondes Haar und Augen von einer Farbe, bei der man unwillkürlich an einen strahlend blauen Himmel denkt. Sofern man sich noch daran erinnern kann. Was mich angeht, so habe ich sechzehnhundertvier zum letzten Mal Tageslicht gesehen. Seufz.
»Es ist dunkel hier.« Ich sah zu meinem Hund hinunter, der sich an mein rechtes Bein schmiegte. »Und Valdez und ich hatten gerade eine angeregte Diskussion...«
Valdez schnaubte und machte einen Schritt zur Seite. »Hey, wälz die Verantwortung nicht auf mich ab, Blondie! Du hastdiesen Schrotthaufen gelenkt, nicht ich.«
Ich bin nicht die Einzige, die ihn hören kann, wenn er spricht, und Mainwaring starrte ihn an, als wollte er sagen: Wer ist hier das Frauchen und wer der Hund? Gute Frage. Statt Richard anzuknurren,wie es sich für einen anständigen Wachhund gehört hätte, setzte sich Valdez hin und kratzte sich hinter dem linken Ohr. Höchste Zeit, dass das Antiflohshampoo zum Einsatz kam.
»Hör zu, deine Harley ist... äh, war... überwiegend schwarz lackiert und kaum zu sehen, zumal die Beleuchtung hier schon wieder defekt ist. Wir sollten unseren Hintern schleunigst ins Haus bewegen und das Gespräch dort fortsetzen.Womöglich liegen hier irgendwo ein paar Vampirjäger auf der Lauer.« Ich hatte irgendwie ein mulmiges Gefühl.
Mainwaring erhob sich und sah sich mit schmalen Augen um. Sein drohender Blick ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass er gewappnet war, für den Fall, dass es irgendjemand wagen sollte, uns zu nahe zu kommen. Schließlich schüttelte er den Kopf. »Es besteht keine akute Gefahr. Aber wir sollten trotzdem reingehen. Dann kannst du mir schon mal einen Scheck ausstellen.«
»Ha, ha.« Ich legte eine Hand auf seinen beeindruckenden Bizeps, klimperte mit den Wimpern und beugte mich ein wenig nach vorn, um ihm einen hübschen Einblick in mein Dekolleté zu gewähren.Vergebens. Habt ihr schon mal versucht, einen verklemmten Kerl zu bezirzen, dessen Harley gerade exekutiert wurde? Aber meine weiblichen Reize waren im Augenblick meine einzige Rettung. Im Gegensatz zu den meisten Vampiren bin ich nicht reich. Ich muss mir meinen Unterhalt verdienen. Ich habe mich kürzlich selbstständig gemacht, und das Geschäft läuft gut, aber man bekommt eben nichts geschenkt.Zu meinen privaten Lebenshaltungskosten kommt seither so einiges an Betriebskosten, außerdem muss ich ständig neue Ware besorgen; sprich, ich habe eindeutig nicht genug auf dem Konto, um diesem Richie Rich eine neue Harley zu kaufen. Ich spare ohnehin schon, wo ich kann − ich sage nur Billig-Conditioner.
Ich schenkte ihm ein honigsüßes Lächeln, was gar nicht so einfach war, weil mir nach wie vor der Schädel brummte. »Hör zu, Richard, es tut mir aufrichtig leid, aber mal ganz im Ernst: Dir ist doch klar, dass ich es nicht darauf abgesehen hatte, dein Motorrad umzufahren, und ich bin sicher, du kannst dir die Reparatur leist...«
Ich verstummte wohlweislich, als er sich abwandte und neben dem ruinierten Feuerstuhl in die Hocke ging. Er starrte den Blechhaufen eine Weile wortlos an. Dann ergriff er ein Stück Metall, das auf den Asphalt gefallen war, erhob sich und kam damit auf mich zu. Ich wich keinen Zentimeter zurück, obwohl mir unter seinem feindseligen Blick ziemlich flau wurde.
»Du bist für den Schaden verantwortlich, Gloriana. Es steht hier überhaupt nicht zur Debatte, ob ich es mir leisten kann, meine 1946er-Harley-Davidson-Knucklehead...«
Ich schnaubte. »Knucklehead?«,wiederholte ich und musste wider Willen grinsen.
»Ja, so wird dieses Modell genannt. Die 1946er-Knucklehead ist äußerst selten und entsprechend wertvoll.« Er rückte mir so nah auf die Pelle, dass sich unsere Nasen fast berührten. »Vielleicht sogar unersetzlich.«
Ach, herrje. Ich hatte es doch tatsächlich geschafft, ein Oldtimer-Motorrad zu demolieren. Ich hatte wirklich ein schlechtes Gewissen. Unter seinem drohenden Blick beugte ich mich hinunter, um den Schaden zu begutachten.
»Ach, das kann man doch bestimmt reparieren. Es hat hauptsächlich das Hinterrad erwischt. Hör dich doch mal um, was die Reparatur in etwa kosten wird, und dann unterhalten wir uns noch einmal.« Vielleicht hatte ich bis dahin ja im Lotto gewonnen.
»Es geht hier nicht um Geld,sondern ums Prinzip.« Richard stand dicht hinter mir und sah mir über die Schulter. Er roch ausnehmend appetitlich, wie alle Vampire − ein Geruch, den Sterbliche nicht wahrnehmen. Außer seinem männlichen Duft registrierte ich einen Hauch von Sandelholz; eine Mischung, die eine verheerende Wirkung auf meine ausgehungerte Libido hatte.
Ich hatte dem männlichen Geschlecht abgeschworen, nachdem ich an Halloween dem Tod in Form eines Holzpfahls ins Auge geblickt hatte − gemeinsam mit Jeremy Blade, alias Angus Jeremiah Campbell III., der seit Jahrhunderten mein Dauerlover ist, mit Unterbrechungen allerdings.Jerry verdanke ich übrigens auch die Tatsache, dass ich heute ein Vampir bin.Jedenfalls hatte ich auf eine Siegesfeier im kleinen Kreis (sprich zu zweit) gehofft, nachdem die Gefahr gebannt gewesen war, doch Jerry hatte es vorgezogen, mit der Witwe seines besten Freundes zu feiern, die superdünn ist und wunderschön. Und superdünn... nun ja, ihr wisst, worauf ich hinauswill. Gut, mein Zölibat dauerte jetzt gerade mal eine gute Woche, aber Vampire sind äußerst sinnliche Wesen. Zuweilen ist das ein Segen, manchmal aber auch ein Fluch.
Ich war also durchaus empfänglich für Richard Mainwarings männliche Attribute. Für einen ehemaligen Priester war er erstaunlich gut gebaut. Es hieß, er sei einmal Kreuzritter gewesen.
»Erst Kreuzritter und dann Galeerensklave.« Seine offene Weste streifte meinen Rücken. »Und das Zölibat habe ich schon lange aufgegeben.«
Ich atmete seinen Duft ein und leckte mir die Lippen, als ich seinen Atem in meinem Haar spürte, das schon seit zwei Tagen gewaschen gehörte. Ich bin eindeutig nicht für ein Leben in Enthaltsamkeit geschaffen.
Ich drehte mich zu ihm um. Zeit für einen Themenwechsel. »Ach ja? Das ist ja hochinteressant.Wie konntest du entkommen? Soweit ich weiß, sind die meisten Galeerensklaven am Ruder gestorben.«
»Das ist eine lange Geschichte.Aber du versuchst doch nur, mich abzulenken.« Erstarrte noch einmal kopfschüttelnd auf sein Motorrad, dann griff er nach seinen Satteltaschen.
Mist. Obwohl er nicht mehr zur Abstinenz gezwungen war, ließ meine Wirkung auf ihn zu wünschen übrig. Na ja, was hatte ich erwartet? Schließlich war er bis vor kurzem mit Florence zusammen gewesen, die wie ich schon seit Ewigkeiten ein Vampir ist,und außerdem eine regelrechte Sexgöttin. Nein, Florence da Vinci ist nicht ihr richtiger Name. Sie zollt damit nur ihrer Lieblingsstadt und einem ehemaligen Geliebten Tribut. Flo ist eine Herzensbrecherin, wie sie im Buche steht.Wie soll ich bitte schön mit einer Frau konkurrieren, die Leonardo da Vinci dazu überredet hat,sie in das Gemälde vom letzten Abendmahl zu pinseln, gleich zur Rechten von ihr wisst schon wem?
»Ich muss jetzt los; ich bin verabredet. Über meine Harley unterhalten wir uns ein andermal.« Richard sah noch einmal zu Valdez hinunter, dann marschierte er davon, in die Nacht hinein.
»Du warst mir ja keine große Hilfe«, sagte ich vorwurfsvoll zu meinem Hund, während ich die Tüten mit meinen Einkäufen aus dem Auto holte. Das meiste davon war fürValdez. Mein Blutonic bestelle ich online. Man kriegt das Zeug nämlich nicht unbedingt im Supermarkt an der Ecke.
»Der Typ war ganz schön sauer. Kann ich ihm nicht verdenken.« Valdez betrachtete die traurigen Überreste der Harley. Er ist zwar ein Hund, aber er kann nicht verleugnen, dass er dem starken Geschlecht angehört. »Du kannst von Glück sagen, dass er dir nicht an die Gurgel gegangen ist. In diesem Fall wäre ich dir natürlich mit einem meiner Moves zu Hilfe gekommen.«
»Mit einem deiner Moves, so, so«, äffte ich ihn nach. Dabei hat Valdez tatsächlich einige beeindruckende Tricks auf Lager, mit denen er mich schon mehr als einmal gerettet hat. Aber gegen einen so mächtigen Vampir wie Mainwaring kann er nicht viel mehr ausrichten als mein alter Kombi gegen einen Panzer. Ich sperrte den Wagen ab und steuerte die Hintertür des Gebäudes an. Als erneut ein stechender Schmerz meinen Kopf durchzuckte, hielt ich inne.
Im selben Augenblick vernahm ich ein heiseres Flüstern im Kopf. »Gloriana, komm zu mir.« Ich ließ die Tüten fallen und griff mir an die Stirn.Wer oder was war das bloß?
Valdez knurrte und sah sich um. »Da ist eindeutig etwas im Busche. Erst deine Kopfschmerzen, und jetzt das... Jemand versucht offenbar, dir etwas mitzuteilen.«
»Das ist doch nicht Blade.«
»Nein, das ist irgendein Tunichtgut, der dich irgendwo hinlocken will. Den würde ich mir nur zu gern vorknöpfen.« Valdez knurrte wieder und begann im Kreis um mich herumzutraben.
Ich presste mir die Finger an die Schläfen. Mir war regelrecht übel vor Schmerzen.Wie euch bestimmt nicht entgangen ist, kann auch mein Hund meine Gedanken lesen. Daran habe ich mich mittlerweile genauso gewöhnt wie an die Tatsache, dass er für meine Sicherheit sorgt. So wie jetzt.
»Wozu gibt es eigentlich Handys?« Das ergab doch keinen Sinn. Blade kommuniziert ständig auf telepathischem Wege mit mir, und davon bekomme ich keine Kopfschmerzen.
»Gloriana, komm zu mir!« Da war sie wieder, diese verdammte betörende Stimme. Ich kämpfte gegen den Drang an, ihr zu folgen.
»Eines steht fest: Blade hat damit nichts zu tun.« Valdez knurrte noch einmal, ein langgezogener, gefährlich klingender Laut, bei dem ich eine Gänsehaut bekam. »Lass das, wer auch immer du bist! Gloriana geht nirgendwohin, es sei denn, du willst dich mit mir anlegen.« Er näherte sich mir rücklings, bis sein Schweif meine Beine streifte. »Reiß dich zusammen und leg einen Zahn zu, Glory. Ich schätze mal, es hört auf, sobald wir drin sind.«
Ich tappte benommen nach meinen Einkaufstüten,schleppte mich zum Hintereingang und tippte meinen Zugangscode in das Kästchen neben der Tür. Vampire legen großen Wert auf Sicherheit. Hastig betraten wir das Haus, und sobald die Stahltür hinter uns ins Schloss gefallen war, ging es mir in der Tat besser.
Valdez stupste mich an. »Na, alles klar?«
»Ja. Puh, das war ganz schön unheimlich.« Ich stapfte die Treppe hinauf. Ihr habt inzwischen gerafft, dass Valdez kein gewöhnlicher Vierbeiner ist, oder?
»Pass auf meine Twinkies auf, ja?« Mein Hund steht auf Knabberzeug und Billigkuchen mit Cremefüllung, und wenn er gelegentlich ein Steak verlangt, dann bekommt er auch das, denn ich weiß, er würde sein Leben für mich lassen. Einige seiner Vorgänger haben das auch getan, leider. Grauenhaft, nicht?
War natürlich nicht meine Idee.Aber als Blade und ich uns vor ein paar Jahrhunderten zum ersten Mal getrennt haben, hat er darauf bestanden, dass ich einen Bodyguard brauche. Er hat mir gar keine Wahl gelassen,und da er mich zum Vampir gemacht hat, akzeptiere ich seine Entscheidungen für gewöhnlich. Was nicht heißen soll, dass ich ihm blind gehorche. Ich habe schließlich meinen Stolz. Aber in diesem Fall habe ich mich gefügt. Natürlich würde ich mir nie einen menschlichen Bewacher aufhalsen lassen, der mir auf Schritt und Tritt folgt. Darauf kann ich nun wirklich verzichten, und wenn er noch so gut aussähe. Aber Jerry hatte ohnehin nicht vor, mich einem muskelbepackten Adonis anzuvertrauen. Er weiß von meinem kleinen Problem in Sachen Enthaltsamkeit.
Also haben wir uns auf Wachhunde geeinigt, die aus unerfindlichen Gründen stets Valdez heißen und neuerdings sogar ihre Gestalt verändern können. Allerdings dürfen sie in meiner Gegenwart ausschließlich als Hund auftreten. Was meint ihr, ist Jerry eifersüchtig? Umso besser. Wie dem auch sei, jeder meiner Hunde ist Jerry zu unbedingtem Gehorsam verpflichtet, und der aktuelle Valdez bildet da keine Ausnahme. Keine Ahnung, was er ausgefressen hat. Jedenfalls muss er irgendeine Schuld abdienen und gibt einen furchtlosen und hundertprozentig loyalen Beschützer ab.
»Meine Migräne ist wie weggeblasen. Meinst du, da steckte Mainwaring dahinter?«
»Wohl kaum. Zugegeben, mit ihm ist nicht gut Kirschen essen, und man sollte es tunlichst vermeiden, ihn zu reizen, aber du hattest schon Kopfschmerzen, bevor er aufgetaucht ist.«
»Stimmt.« Ich aktivierte meinen mentalen Schutzschild,damitValdez meine Gedanken nicht lesen konnte, ehe ich an einen Abend vor gar nicht allzu langer Zeit dachte, an dem mir Mainwaring gleich hier, im Hausflur vor meiner Wohnungstür, seine dunkle Seite offenbart hatte. Ich war ganz auf mich gestellt gewesen, denn Valdez hatte lammfromm am Fuße der Treppe gesessen, von Richard hypnotisiert, und natürlich konnte er sich danach nicht an diese Begebenheit erinnern. »Mainwaring hatte also nichts damit zu tun.«
»Mainwaring? Du hast Ricardo gesehen?« Das war Florence, die sogleich aufsprang, als ich eintrat, und mir eine der Tüten abnahm. »Nicht, dass es mich interessieren würde. Mit dem bin ich fertig.«
»Ach, ja? Er benutzt nämlich unsere Privatparkplätze, als würde er hier wohnen.«
»Bei mir nicht.« Flo griff zu einer Flasche Nagellackentferner und einem Beutel Wattepads. »Ich hasse mysteriöse Männer. Diese ständige Geheimniskrämerei! Tja, ich verrate dir jetzt auch mal ein Geheimnis: Ich hatte noch nie so einen grauenhaften Liebhaber wie ihn.« Flo war so aufgebracht, dass ihr Gesicht rot anlief, was bei Vampiren äußerst selten vorkommt. Uns steht dafür einfach nicht genügend Blut zur Verfügung, es sei denn, wir haben uns gerade genährt. Auf dem Tisch standen drei leere Flaschen Blutonic. Ah ja. Flo hatte offenbar ordentlich zugeschlagen.
Leider lässt sie mich nie ihre Gedanken lesen. Ich habe es weiß Gott schon oft versucht. Dafür liest sie meine. Das tun alle,sofern ich keine mentale Blockade errichte, was mir wie gesagt Kopfweh verursacht.Aber die sind anders als der Schmerz gerade eben. Wie dem auch sei, Flo hatte gelogen. Ich hatte ihre Lustschreie gehört, wenn Richard zu Besuch gewesen war, während ich mir im Wohnzimmer zum x-ten Mal meine Lieblingsfolgen von Sex and the City reingezogen hatte, und das, obwohl ich die Lautstärke bis zum Anschlag aufgedreht hatte. Und eines kann ich euch versichern: Flo würde niemals einen Orgasmus vortäuschen. Für niemanden.
Ich beschloss, das Thema nicht weiter zu vertiefen. Jeder muss sich gelegentlich ein bisschen abreagieren. Im Augenblick waren wir beide praktisch Singles, und wir leben ewig. In unserer Situation ist Selbstverleugnung nicht gerade förderlich.
Die Morgendämmerung stand unmittelbar bevor, und das machte sich bemerkbar. Die kommenden zwölf Stunden war Totenstarre angesagt, und das meine ich nicht bloß im übertragenen Sinn. Ich schlüpfte in ein bequemes Nachthemd und war froh, in meiner sicheren Wohnung zu sein und keine ominösen Stimmen mehr zu hören. Ich ließ Valdez in mein Zimmer, und er hopste auf mein Queen-Size-Bett. Ich habt doch nicht etwa gedacht, ich würde in einem Sarg schlafen, oder? Das wäre ja total abgedroschen.
ZWEI
Flap, flap, flap, flap. »Bitte bewahren Sie Ruhe. Das Feuer ist gelöscht. Unsere Männer sind auf dem Weg nach oben und sorgen dafür, dass der Rauch abzieht.«
Ich war nass, und mir war kalt. Ich lag auf nacktem Beton, mein Babydoll klebte an meinen Hüften, und Valdez bellte mir ins Ohr.
»Feuer?« Ich holte tief Luft. Rauch. Oh, Shit.
»Ja, Feuer. Ich hab euch aufs Dach gebracht.« Valdez stupste mich mit seiner feuchten Nase an. »Aber es ist allesin Ordnung, oder, Blondie?«
»Feuer!« Ich schluckte und setzte mich auf. Über uns kreiste ein Hubschrauber mit dem Logo eines lokalen Fernsehsenders. Na, toll. Meine drallen Oberschenkel würden in den Abendnachrichten zu sehen sein.
»Du hast mich hierhergebracht? Flo! Diana!« Ich sprang auf und sah mich gehetzt um. Ich mag wie eine Tote schlafen, aber sobald die Sonne untergeht, arbeitet mein Körper wieder auf Hochtouren. Die anderen Vampire, die im Haus wohnen − Flo, Diana und der Mieter aus dem zweiten Stock −, lagen neben mir auf dem Dach. Alle waren durchnässt und gerade dabei, aufzuwachen. Die Sonne musste eben erst untergegangen sein.
»Ganz recht. Ich schätze, das war ein Abschiedsgeschenk unseres alten Freundes Brent Westwood«, knurrte Valdez und schmiegte sich an mein Bein. »Jemand hatte tatsächlich den Nerv, am helllichten Tag eine Brandbombe in deinen Laden zu werfen, und von dort hat sich das Feuer ausgebreitet. Zum Glück ist heute Montag, Ruhetag, aber das Mugs & Muffins hatte vermutlich offen. Ich frage mich...«
»Bitte red nicht weiter, Valdez! Ich... Mein Gott!« Meine Beine versagten mir den Dienst, und ich plumpste auf den Betonboden. Für gewöhnlich fürchten Vampire höchstens spitze Holzgegenstände, sei es nun ein Bratenspieß oder ein Essstäbchen. Aber ein richtiges Feuer... wenn wir erst mal ordentlich angekokelt sind, kann selbst der längste heilende Vampirschlaf nichts mehr ausrichten. Ich kraulte meinem Hund die Ohren. Er hatte mir das Leben gerettet.
»Wie kommst du darauf, dass Westwood dahintersteckt?« Seit meinem Umzug nach Austin vor einigen Monaten hatten wir uns einen erbitterten Kampf mit einem Großwildjäger geliefert, der Vampire offenbar zu den attraktivsten Beutetieren auserkoren hatte. Allerdings hofften wir, dass er sich in Zukunft anderweitig spezialisieren würde, nachdem es kürzlich einen regelrechten Showdown gegeben hatte. Deshalb hatte Valdez von einem Abschiedsgeschenk gesprochen.
»Wer sollte es sonst gewesen sein? Die anderen Sterblichen lieben deinen Laden. Nur ein Aas wie Westwood...«
Flap, flap, flap, flap. »Die Sanitäter sind unterwegs. Bitte winken Sie, wenn es Ihnen gutgeht.«
»Pfff. Damit meint er wohl: ›Bitte lächeln Sie freundlich in unsere Kamera ‹«, brummte ich und schnappte mir mein völlig durchnässtes Bettlaken.
»Wie geht es den anderen?« Ich drapierte mir das Laken über den Kopf, dann erhob ich mich mühsam und schwankte zu Flo. Valdez folgte mir auf dem Fuß. Meine Mitbewohnerin hatte wie üblich nackt geschlafen. Valdez hatte sie zwar zugedeckt, aber die gnadenlosen Rotorblätter des Hubschraubers ließen alles auf dem Dach flattern.Als sich Flo nun aufrichtete, präsentierte sie den Kameraleuten ihren Busen quasi auf dem silbernen Tablett.
»Wir werden gefilmt, Flo. Du solltest dich bedecken und dein Leintuch festhalten.«
»Was ist denn passiert?« Sie schob sich das dunkle Haar aus dem Gesicht, blickte erst nach rechts und links und dann nach oben. »Wehe, die zeigen mich so im Fernsehen. Ich brauche meinen Föhn und mein Make-up.«
Ich konnte nur hoffen, dass die Kameras keine Tonaufnahmen machten. Ich hörte bereits die Einleitung: »Brandopfer verlangt nach Haartrockner, während Feuerwehr die Flammen in Schach hält.«
Ich sah zu Valdez. »Was ist mit meinem Laden?« Meine Stimme kippte. Ich hatte meinen Nobel-Secondhandshop erst vor kurzem eröffnet, und das Geschäft war vom ersten Tag an so gut gelaufen, dass ich mir damit meinen Lebensunterhalt finanzieren konnte.
»Vermutlich total ausgebrannt.«Valdez setzte sich und kratzte sich hinter dem Ohr. »Allerdings war ich vollauf damit beschäftigt, euch aus den Wohnungen zu holen, als der Brandmelder Alarm ausgelöst hat. Und im Treppenhaus war der Rauch so dicht, dass man kaum mehr die Hand vor Augen sehen konnte.« Er hustete und nieste und sah mich Mitleid heischend an.
»Mein Held!« Ich fiel auf die Knie und drückte ihn an mich, sog den Geruch nach nassem Hundefell und Rauch ein, der ihm anhaftete. Valdez hustete erneut. Ich hob den Kopf und musterte ihn mit Argusaugen. »Geht es dir gut?«
»Ja, alles bestens.« Hust, keuch.
Okay, das war gespielt gewesen, aber in Anbetracht der Umstände beschloss ich, ein Auge zuzudrücken. Ich setzte mich auf die Fersen. »Wie hast du uns bloß da rausgekriegt?«
»War ein hartes Stück Arbeit. Ich musste euch bei geöffneter Tür in der obersten Etage im Treppenhaus ablegen, bis die Sonne untergegangen war. Sonst wärt ihr jetzt wohl alle gut durchgebraten.«
»Gut durchgebra... Du lieber Himmel.«
»Aber wir sind am Leben, no?« Flo setzte sich neben mich und legte mir den Arm um die Schulter.Wenn sie unter Stress steht,hört man ihr an, dass sie aus Italien stammt. »Und wieder einmal hat uns dein Kleiner das Leben gerettet.« Sie tätschelte dem »Kleinen« den Kopf. »Ohne dich wären wir tot, signore.«
Valdez blähte vor Stolz die Brust auf und sah nach oben. »Glaubt ihr, ich werde in den Abendnachrichten erwähnt? Die wollen garantiert ein Interview!«
»Ja, klar. Sprechender Hund rettet Vampiren das Leben. Tut mir leid, aber du wirst dich wohl mit einer Packung Cheetos als Belohnung begnügen müssen.«
»Soll mir recht sein.«
Ich knuddelte ihn ein letztes Mal, dann gesellte ich mich zu Diana, der das Cafe im Erdgeschoss gehörte. Wenn mein Laden ruiniert war, dann galt das wohl auch für das Mugs & Muffins.
»Diana? Alles okay?«
Sie setzte sich hustend auf. »Was ist geschehen?« Sie trug einen süßen roten Flanellpyjama. Ihre marineblaue Decke − bei Diana ist farblich alles perfekt aufeinander abgestimmt − war klatschnass.
»Feuer.Jemand hat eine Brandbombe in meinen Laden geworfen. Falls es Westwood war, dann musste dein Cafe vermutlich auch daran glauben.«
»Was?« Sie spähte nach oben und zeigte den Leuten im Hubschrauber den Mittelfinger. »Verzieht euch, ihr Paparazzi. Ich muss nach dem Cafe sehen.« Diana ist wie ich auf sich gestellt, und das Mugs & Muffins ist ihr Leben. Das war wirklich ein rabenschwarzer Tag für uns beide.
Ich hielt sie zurück, ehe sie die Tür zum Treppenhaus aufriss. »Warte! Die Feuerwehr ist zu uns unterwegs. Das Gebäude ist voller Rauch.«
»Meine Schuhe!« Flo sprang wie von der Tarantel gestochen auf. Das Leintuch hatte sie sich wie ein trägerloses Kleid um den Körper gewickelt.
»Ich glaube nicht, dass das Feuer in eure Wohnung vordringen konnte. Nachdem das Schaufenster des Ladens zersplittert war, ging sofort der Brandmelder los, und gleich darauf war auch schon die Feuerwehr da.«
Ein Glück, dass sich Valdez stets in höchster Alarmbereitschaft befindet, während ich schlafe.
»Kann mir vielleicht jemand verraten, weshalb wir alle bis auf die Haut durchnässt sind?« Der Vampir aus der zweiten Etage gesellte sich zu uns.Wir kannten ihn von einem unserer Vampirmeetings. Er hieß Dennis oder David oder so ähnlich und bot in seinem altmodischen Nachthemd einen reichlich seltsamen Anblick. Eigentlich war er ganz schnuckelig − Typ Universitätsdozent mit britischem Akzent.
»Die Sprinkleranlage im Treppenhaus war an, als ich euch aus den Betten gezerrt und aufs Dach gebracht hab.«
»Aber meine Wohnungstür war zugesperrt, und die Riegel waren vorgeschoben.« Der Dozent starrte Valdez an.
»Tja, ich musste leider Gewalt anwenden. Ich konnte euch doch nicht da drin verschmoren lassen.«
Verschmoren. Ich hatte einen Kloß im Hals, der mindestens so groß war wie Valdez’ Futterschüssel.
»Nicht zu fassen; dabei kennen wir uns kaum.« Valdez hatte im Dozenten soeben einen neuen Fan gefunden.
»Ich habe alle Vampire aus dem Gebäude herausgeholt«, erklärte mein Hund voller Stolz, und dazu hatte er auch jedes Recht. »Ich bin eben sehr pflichtbewusst. Man möchte meinen, es wäre zumindest einer von den Gestaltwandlern zu Hause gewesen. Fehlanzeige. Da musste ich doch handeln.«
Gestaltwandler, also Werwölfe und dergleichen, wohnen auch bei uns im Haus. Meine Nachbarin von gegenüber ist eine Werkatze und außerdem meine Angestellte. Ich holte zitternd Luft. Mir war übel, und diesmal lag es nicht daran, dass ich mich mit Knabberzeug vollgestopft hatte oder von jemandem manipuliert worden war. Wenn Valdez nicht gewesen wäre...
Die Tür zum Treppenhaus flog auf, und drei Feuerwehrmänner in voller Montur stürmten auf das Flachdach. Der Erste nahm seinen Helm ab und fuhr sich mit den Fingern durch das kurzgeschorene braune Haar.
»Geht es Ihnen gut? Ist jemand verletzt?«
Wir blieben,wo wir waren, ein zusammengedrängtes Grüppchen mit angemessen schockierten, verwirrten Mienen.
»Das Feuer hat sich doch nicht bis zu den Wohnungen ausgebreitet, oder?« Wenn ich mein gesamtes Hab und Gut verloren hatte... Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass ich ganz von vorn anfangen musste, aber es ist immer schwer, fürchterlich schwer.
»Nein, Ma’am. Das verdanken Sie nur dem Feuermelder und der Sprinkleranlage.« Er klang wie ein waschechter Texaner. »Wir waren so rasch zur Stelle, dass wir den Brand gelöscht hatten, ehe er auf die oberen Etagen übergreifen konnte.«
Flo packte den Feuerwehrmann am Arm. »Sprinkleranlage? Das betrifft doch hoffentlich nicht auch die Wohnungen, oder? Ich besitze eine äußerst wertvolle Sammlung, die ruiniert wäre, wenn sie nass wird.«
Damit meinte sie zweifellos ihre Schätze von Ferragamo, Prada, Blahnik & Co. Der Feuerwehrmann sah zu ihr hinunter, sichtlich angetan von der Tatsache, dass ihr Laken immer tiefer rutschte, und tätschelte ihr beschwichtigend die Hand.
»Keine Sorge, in den Wohnungen gibt es gar keine Sprinkleranlagen. Das Feuer ist gelöscht, der Rauch ist beinahe vollständig abgezogen. Benötigt jemand medizinische Versorgung?«
Als Diana hustete, griff er sogleich zu seinem Walkie-Talkie.
»Nein, alles okay, wirklich. Mir ist bloß etwas kühl... die Nachtluft, und die nassen Klamotten...« Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Können wir wieder reingehen? Ich friere.«
Dabei hatten wir noch Glück gehabt. Zugegeben, es war Mitte November und verhältnismäßig kühl − für Austin jedenfalls −, aber noch immer weit entfernt von Temperaturen um den Gefrierpunkt.Außerdem sind Vampire nicht so hitze-und kälteempfindlich wie Sterbliche. Sicherheitshalber tat ich, als würde ich frösteln.
»Ja, lassen Sie uns ins Haus gehen, falls das schon möglich ist.«
»Einen Moment noch.« Der Feuerwehrmann bellte etwas in sein Funkgerät. »Ich brauche erst das endgültige Okay von meinen Kollegen.«
Ein zweiter Feuerwehrmann erschien in der Tür. Er hielt einen Stapel Decken unter dem Arm, die wir dankbar entgegennahmen.
Flap, flap, flap, flap.
Die Leute vom Lokalfernsehen filmten fleißig weiter. Flo nützte diese Chance, um dem attraktiven ersten Feuerwehrmann einen dicken feuchten Kuss auf den Mund zu drücken, als er verkündete, wir dürften wieder in unsere Wohnungen. Dann eilten wir ins Treppenhaus und aus dem Blickfeld der Kameras.
»Sagen Sie, wodurch wurde das Feuer denn ausgelöst?«, fragte ich mit einem Seitenblick auf Valdez.
»Brandstiftung.« Der Feuerwehrmann blieb mit finsterer Miene am Treppenabsatz stehen. »Jemand hat eine Brandbombe in den Laden im Erdgeschoss geworfen«, berichtete er, ohne die Augen von Flo abzuwenden, die gerade ihr Laken neu wickelte und dabei der gesamten Crew einen Blick auf ihre beiden Mädels gewährte. Unabsichtlich, nehme ich mal an. Sie konnte es kaum erwarten, ihre Schuhsammlung zu inspizieren.
Aus dem Funkgerät von Feuerwehrmann Nummer eins drang ein Krächzen.
»Wie sind Sie eigentlich aufs Dach gekommen? Hat der Alarm Sie aus dem Schlaf gerissen?«
»Ja, ganz recht. War ja nicht zu überhören.« Der Universitätsdozent tätschelte Valdez den Kopf. »Und dieser Bursche hier hat gebellt wie verrückt, damit wir auch ganz sicher kapieren, dass die Lage ernst ist.«
»Das war sie auch.« Der Uniformierte bedachte meinen Hund mit einem anerkennenden Blick. Florence wich nicht von seiner Seite. »Aber warum sind die Wohnungstüren allesamt aufgebrochen? Drei sehen aus, als hätte sie jemand mit einem Rammbock bearbeitet...« Flo sah dem Mann tief in die Augen, und schon hatte er seine Frage vergessen.
Das war allerdings nur die Spitze des Eisbergs.Wir mussten uns jeden vorknöpfen, der die zersplitterten Türen gesehen hatte. Di und der Engländer kümmerten sich umgehend um die Feuerwehrleute, die hinter uns die Treppe herunterstiegen, und als die Jungs in den orangeroten Uniformen im Erdgeschoss ankamen,waren sie davon überzeugt, die Türen auf der Suche nach Opfern selbst eingeschlagen zu haben.
Unten auf dem Bürgersteig angelangt, bot sich mir ein grauenhafter Anblick. Die Schaufenster meines Ladens waren zerborsten, der Raum dahinter war nur noch Schutt und Asche. Zum Glück war die Tür zum Hinterzimmer geschlossen gewesen, so war wenigstens das Lager verschont geblieben, wie es aussah.
Mit zitternden Knien stieg ich über die Scherbenhaufen. Diana traf beinahe der Schlag, als sie sah, dass ihr Cafe dasselbe Schicksal ereilt hatte. Falls tatsächlich Westwood hinter diesem Anschlag steckte...
»Sie müssen sich noch von den Sanitätern durchchecken lassen. So lauten unsere Vorschriften.« Der attraktive Feuerwehrmann führte Flo zu einem Ambulanzwagen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie jemandem gestatten würde, sich mit einem Stethoskop ihrem in Zeitlupe schlagenden Herzen zu nähern.Wie erwartet lächelten die umstehenden Männer sie an und ließen sie dann widerstandslos zu uns zurückkehren. Es geht doch nichts über den Whammy.
»So, vor denen haben wir Ruhe. Lasst uns raufgehen.« Sie schnupperte. »Es stinkt im ganzen Haus nach Rauch. Ich hoffe nur, meine Schuhe...«
Diana starrte sie mit geröteten Augen an. »Deine Schuhe? Deine Schuhe? Entschuldige mal, aber siehst du Glorianas Laden? Und mein Cafe? Wir haben unsere Existenzgrundlage verloren.«
Ich ergriff ihren Arm. »Das wird schon wieder, Di. Damian ist doch bestimmt versichert.« Jedenfalls hoffte ich das inständig. Damian Sabatini, der Bruder meiner Mitbewohnerin, war der Hauseigentümer. »Dann mal los. Ich muss duschen und mich anziehen.«
»Sie werden noch eine ganze Weile keinen Strom haben«, bemerkte ein weiterer Feuerwehrmann, der allem Anschein nach der Einsatzleiter war. »Hier, nehmen Sie diese Taschenlampen mit. Aber bitte holen Sie jetzt nur das Nötigste und suchen Sie sich vorerst eine andere Bleibe, bis ein Sachverständiger eruiert hat, ob das Gebäude noch bewohnbar ist.«
Wir konnten froh sein, dass sich niemand fragte, warum wir um sieben Uhr abends allesamt felsenfest geschlafen hatten. Normale Erwachsene liegen um diese Uhrzeit ja selten im Bett.
Ich vernahm einen Aufschrei und sah gerade noch, wie die taumelnde Diana von ihren beiden Angestellten aufgefangen wurde. Ich schnappte ein paar Gesprächsfetzen auf. Der Anschlag war zur ruhigsten Tageszeit geschehen, als außer dem Personal niemand im Cafe gewesen war. Die beiden waren zum Glück unverletzt geblieben, weil sie hinten in der Küche mit dem Backen der Muffins beschäftigt gewesen waren, für die das Cafe so berühmt ist.
Hinter dem Löschzug der Feuerwehr hielt nun ein Auto, dem unser Vermieter entstieg. Er wirkte besorgt. Damian Sabatini alias Casanova ist ausgesprochen sexy, aber inzwischen bin ich gegen seine Reize immun. Er sammelt Frauen wie andere Leute Briefmarken, und er hatte mehrfach mit üblen Tricks versucht, mich ins Bett zu kriegen.
Jetzt jedoch war ich froh, dass er auftauchte. Bitte, bitte, lass ihn versichert sein! Ich war es nämlich nicht. Ja, ich weiß. Aber habt ihr eine Ahnung, wie teuer so eine Feuerversicherung ist? Allerdings war ich geneigt, meine Einstellung zu Versicherungen noch einmal zu überdenken.Vorausgesetzt, ich kam geschäftlich je wieder auf die Beine.
»Florence, Gloriana, seid ihr verletzt?« Damian packte seine Schwester und betrachtete sie prüfend. »Was ist mit Diana?« »Es geht uns allen gut, Damian.« Flo umarmte ihren Bruder. Dann schickten wir uns an, nach oben zu gehen.
»Warten Sie!« Jemand hielt mich am Arm zurück.
»Tag. Donna Mitchell, Channel Six News.Wie ich höre, ist das Ihr Laden?« Eine Reporterin in einem Blazer und Turnschuhen hielt mir ein Mikrofon unter die Nase. Ich wollte sie eben abwimmeln, doch dann kam mir eine Idee.
»Ja, das ist... das war er. Vintage Vamp’s Emporium – hochwertige Vintage-Kleidung und Accessoires zu erschwinglichen Preisen.« Ein bisschen Werbung konnte nicht schaden, wenngleich ich gar nicht wusste, ob ich je wieder aufsperren würde. Bei diesem Gedanken stiegen mir Tränen in die Augen. Die Kamera zoomte näher heran. Es bringt eben nichts so hohe Einschaltquoten wie ein tragisches Schicksal.
»Haben Sie eine Ahnung, was geschehen ist, Miss...?«
»Gloriana St. Clair.« Ich zog mir die rutschende Decke fester um die Schultern. Ich sah zweifelsohne erbärmlich aus mit meinen nassen Haaren, und ich war entschlossen, diesen Umstand zu meinen Gunsten zu nutzen. Ich kochte vor Wut. Valdez schmiegte sich an meine Beine und blickte mit traurigen Augen zu mir hoch. »Mein Hund hat uns aus den Betten geholt. Wir arbeiten nämlich alle nachts.« Ich tätschelte Valdez den Kopf, und er hob die Lefzen und zeigte seine Zähne, die Hundevariante eines Lächelns. »Das Feuer wurde mit Absicht gelegt.«
»Sie meinen, es war Brandstiftung?« Jetzt wurde die Reporterin hellhörig. Sie bedeutete dem Kameramann, auf die zerklüftete schwarze Fensterfront zu schwenken.
»Eindeutig«, erwiderte ich und starrte direkt in die Kameralinse, als sie wieder auf mich gerichtet war. »Und ich habe eine Nachricht für den Täter: Ich lasse mich nicht einschüchtern. Ich werde weitermachen.«
»Huch! Das klingt ja fast, als hätte da jemand einen persönlichen Rachefeldzug gegen Sie gestartet. Gehören Sie irgendeiner... ähm... Minderheit an?«
Blond und blauäugig und Teil einer Minderheit? Ich lächelte und las die Gedanken meines Gegenübers. Hmm. Ich hätte ihr vielleicht sagen sollen, dass sie – ha, ha – falsch gepolt war, aber wozu auch?
»Ich bin bloß eine Frau, die versucht, auf eigenen Beinen zu stehen. Es gibt immer Leute, denen es ein Dorn im Auge ist, wenn jemand unabhängig ist. Oder irgendwie anders.« Hoffentlich hatte ich mir mit dieser Aussage nicht gerade mein eigenes Grab geschaufelt.
Nun wandte sich die Reporterin Flo zu, die sich inzwischen die Haare zu einem eleganten Pferdeschwanz zusammengebunden und das Laken wie eine Toga um den Körper geschlungen hatte.Wie ich sie kannte, hatte ihr das Julius Cäsar höchstpersönlich beigebracht.
»Sind Sie Glorianas Partnerin?«
Flo hakte sich grinsend bei mir unter. Sie hatte wohl auch die Gedanken der Reporterin gelesen.
»Ja, allerdings noch nicht sehr lange. Der Laden gehört aber nur ihr. Ich selbst trage lieber neue Kleider, und ich besitze eine fantastische Schuhsammlung, die zum Glück vom Feuer verschont geblieben ist. Ich hoffe nur, Glorys Laden wird diesen Schlag überleben.« Ich riss vor Schreck die Augen auf, als sie mir auch noch einen Kuss auf die Wange drückte.
»Äh, wir sind nicht...«
»Warte, Glory, ich muss Donna noch ein bisschen von meinen Schuhen vorschwärmen.« Flo rasselte Designernamen herunter, bis die Augen der Reporterin einen verträumten Glanz annahmen.
»Ich glaube, jetzt haben wir ausreichend Material«, sagte Donna schließlich. »Entschuldigen Sie mich bitte; ich sehe gerade, da kommt ein Brandursachenermittler.Viel Glück beim Wiederaufbau, Glory. Hier ist meine Karte, falls Sie mich wegen eines Nachberichts kontaktieren wollen.«
Nachbericht? Ich warf einen letzten langen Blick auf meinen geliebten Laden, dann schüttelte ich resigniert den Kopf und ging ins Haus. Die Korridore standen unter Wasser, der Rauchgeruch trieb mir die Tränen in die Augen und brannte mir in der Nase. Mit Valdez an meiner Seite erklomm ich die Treppe in den ersten Stock und kletterte über die Überreste der Tür, die er aufgebrochen hatte, um uns in Sicherheit zu bringen. Der Rahmen war gesplittert, die Schlösser waren beschädigt.
»Du bist mein Held, Valdez.« Ich fiel auf die Knie und vergrub das Gesicht in seinem feuchten Pelz. Na toll. Jetzt heulte ich. Schluchzend umklammerte ich meinen Hund, während mir Flo beruhigend den Rücken tätschelte. Ich weiß,Vampire werden gemeinhin für ziemlich tough gehalten, aber wir sind auch Menschen. Irgendwie jedenfalls. Wir haben Gefühle. Und zuweilen haben wir verdammt viel Pech.
PREI
»Gloriana, Darling. Nicht weinen.«
Zwei starke Arme hoben mich sanft vom Boden hoch. Hm. Definitiv besser als ein nach Rauch stinkendes Hundefell. Das gerollte R tat ein Übriges. Ich liebe es, wenn Jerry den schottischen Highlander herauskehrt.
»Blade.« Ich schmiegte mich an ihn und war zur Abwechslung mal dankbar für sein zwanghaftes Bedürfnis, sich um mich zu kümmern.Als wir uns kennengelernt haben, war seine Fürsorglichkeit die Eigenschaft, die mich am meisten für ihn einnahm. Hey, das war sechzehnhundertvier; da gehörte so etwas noch zu den Pflichten eines Mannes. Ich schloss die Augen und inhalierte den Duft, der ihn umgab. Er roch nach Mann und Mitternacht, was mich prompt daran erinnerte, wie wir im Globe-Theater in London über einander hergefallen waren. »Ich werde immer für dich da sein«,hatte er damals gelobt, und das hatte schon ausgereicht. Ich hätte ihm am liebsten an Ort und Stelle die Beine um die Hüften geschlungen und »Nimm mich!« gefleht.
Diesmal riss ich mich zusammen, auch wenn es mich einige Mühe kostete. Mittlerweile sind wir Freunde, manchmal auch ein Liebespaar, aber ich war wild entschlossen, mich nicht wieder in eine vor Angst zitternde, hilflose Maid zu verwandeln.
»Hast du mein Geschäft gesehen?« Ich hob den Kopf.
»Das, was davon übrig ist, ja«, presste er hervor und drückte mich an sich. »Dieser verfluchte Westwood. Ich werde diesen Bastard finden und ihm die Kehle aufschlitzen. In sämtliche Einzelteile zerlegen werde ich ihn, und wenn ich mit ihm fertig bin, werden sich nicht einmal mehr die Aasgeier für ihn interessieren. Dafür wird er büßen, Gloriana.«
»Und wenn er es gar nicht war?« Ich rieb mir die Augen und lehnte den Kopf an seine stahlharte Brust.
»Wer sollte es sonst gewesen sein?«
»Ich weiß es nicht. Ich hatte gestern so seltsame Kopfschmerzen, und ich habe eine Stimme gehört. Es war zum Fürchten.« Ich sah zu Blade hoch, der soeben meinen Hund mit einem bösen Blick bedachte.Valdez fungiert nämlich nicht nur als Beschützer, sondern auch als Spion, aber dieses Detail hat er in seinem letzten Bericht offenbar nicht erwähnt.
»Eine Stimme? Was denn zum Teufel für eine Stimme?«
»Vergiss es. Westwood muss das Feuer gelegt haben, und die Stimme, das war bestimmt irgendein Vampir.« Ich vernahm ein Brummen aus Jerrys Brust. Hatte er etwa gerade geknurrt? »Ach was. Vampire fackeln sich nicht gegenseitig ab. Schon gar nicht am helllichten Tag.«
»Es gibt bestimmt einige, die dafür jemanden anheuern würden,sofern genügend Hass im Spiel ist.« Jerry stellte mich wieder auf den Boden. »Ich kann mir zwar nicht vorstellen, wer eine solche Abneigung gegen dich hegen könnte, aber erzähl mir mehr.«
Ich sank auf die Couch. »Nicht jetzt. Ich habe eine anstrengende Nacht hinter mir. Und hör auf, Valdez so vorwurfsvoll anzustarren.Wenn er nicht gewesen wäre...« Mir versagte die Stimme. Im Schlaf verbrutzelt. Ende. Der endgültig letzte Vorhang gefallen. Aber ich hatte mich verdammt nochmal für die Ewigkeit entschieden, und ich war nicht gewillt, sie mir abspenstig machen zu lassen.
»Ja, heute habe ich mir meine Twinkies wirklich verdient, nachdem ich drei Türen mit Sicherheitsriegeln aufgebrochen und vier ausgewachsene Vampire über diese ganzen Treppen aufs Dach geschleppt habe. Vier Vampire, die ich nebenbei bemerkt alle nicht gerade als Fliegengewicht bezeichnen würde, von Florence einmal abgesehen.« Valdez legte eine Kunstpause ein und schnaufte erschöpft durch. Schauspieler. »Jemand hat mir eine Tüte Cheetos versprochen.« Er stupste mich mit der Nase an.
Jerry zog mich auf die Beine und schloss mich erneut in die Arme. »Valdez, damit bist du der Freiheit wieder einen Riesenschritt näher gekommen.Aber solltest du mir noch einmal Informationen vorenthalten...« Er ließ mich los, und ich setzte mich wieder.
»No way, Boss. Ich hätte auf jeden Fall Bescheid gegeben, wenn Glory tätlich angegriffen worden wäre. Aber es war ja nur eine Stimme. Ich habe niemanden gesehen.« Valdez bettete die Schnauze auf mein Knie. »Glory weiß, dass ich auf sie aufpasse.«
Jerry runzelte die Stirn, dann drehte er sich um, hob die beschädigte Wohnungstür vom Boden auf und lehnte sie an die Wand. Ich verfolgte das Spiel der Muskeln unter seinem schwarzen Pullover. Auch seine Jeans und seine mokassinähnlichen Schuhe waren schwarz, dazu seine dunklen Augen und sein schwarzes Haar... Ich mag es, wenn er Vampirlook trägt. Nicht, dass er von den Sterblichen gleich als Vampir erkannt worden wäre. Für die war er lediglich ein attraktiver Mann in der Blüte seiner Jahre. Ein Mann, der bei mir gleich das Bedürfnis nach ein wenig lebensbejahender Action weckte, wenn ihr wisst, was ich meine.
»Wie ich höre, soll das Gebäude evakuiert werden.« Jerry wandte sich zu mir um. »Komm mit zu mir nach Hause, Gloriana. Lass dich ein bisschen verwöhnen.«
Ich wollte gerade einwilligen, als Flo aus ihrem Zimmer kam.Sie trug eines ihrer Lieblingsoutfits. Ich möchte gar nicht zu sehr ins Detail gehen; ich sage nur eng, kurz und tief ausgeschnitten. Und schwarz. Dazu trug sie ihre heiß geliebten roten Stöckelschuhe. Wenn wir eine Cocktailparty geben müssten, wäre sie perfekt gekleidet. In der Hand hielt sie ein Paar Stilettos von Manolo.
»Meine armen Lieblinge. Sie haben zwar überlebt, aber sie stinken nach Rauch. Genau wie ich.« Sie seufzte und liebkoste ihre Pumps. »Das ist eine Katastrophe.«
Damian erschien in der Tür. »Wir fahren jetzt zu mir, Florence. Wenn du erst unter meiner Dampfdusche gestanden hast, fühlst du dich bestimmt wie neugeboren. Allora, andiamo. Du bist ebenfalls herzlich willkommen, Gloriana. Ich habe allen Bewohnern angeboten, übergangsweise bei mir zu wohnen. Kann natürlich sein, dass es etwas eng wird und wir uns ein Zimmer teilen müssen, cara...«
»Vergiss es, Sabatini. Gloriana kommt mit zu mir.« Blade schlang einen Arm um meine Schultern. »Nicht wahr, Darling?«
Wow. Zwei attraktive Vampire kriegten sich meinetwegen in die Haare, und das, obwohl ich triefend nass war und miefte wie ein Räucherhering. Okay, in die Haare kriegen war vielleicht etwas übertrieben. Aber immerhin hatte mich Jerry anstandshalber um meine Meinung gefragt, statt wie üblich über meinen Kopf hinweg zu entscheiden. Er wusste, dass der italienische Hengst schon eine Weile hinter mir her war, und es gefiel ihm ganz und gar nicht. Hervorragend. Damian reizte mich zwar nicht im Mindesten, aber das musste ich Jerry ja nicht auf die Nase binden. Ich errichtete vorsorglich eine mentale Blockade.
»Danke für das Angebot, Damian, aber Jerry hat Recht, ich werde bei ihm wohnen.«
»Lass Glory in Frieden, Damian. Jeremiah wird sich um sie kümmern«, meldete sich nun auch Flo zu Wort. Bei ihrem Anblick wurde mir noch schmerzlicher bewusst, wie ich aussehen musste in meinem nassen Pyjama, mit meinem nassen Bettzeug unter dem Arm... Na, ihr könnt euch vorstellen, was für ein Bild ich abgab. Flo zerrte ihren Bruder an der Hand hinter sich her in ihr Zimmer. »Komm mit und hilf mir. Ich habe drei Koffer voller Kleider, die hinuntergetragen werden müssen, und natürlich meine Schuhe.«
»Ich werde eine Firma kommen und das Gebäude wieder instand setzen lassen, damit ihr in ein, zwei Tagen, spätestens einer Woche wieder einziehen könnt. Der Gestank muss raus, und eure Kleider müssen gereinigt werden.« Damian nahm mit einem gequälten Blick die Schuhschachteln entgegen, die ihm Flo auf die Arme stapelte.
»Meine Schuhe vertraue ich mit Sicherheit keiner Firma an, Damian.« Flo sah zu Jerry. »Jeremiah, sei so gut und geh meinem Bruder zur Hand.«
»Nein, Jerry muss mir helfen«, wandte ich ein. »Ihr werdet eben zwei Mal gehen müssen... Äh, oder eher sechs Mal.« Der stetig wachsende Schachtelturm fing schon bedenklich an zu schwanken.
»Na gut«, meinte Flo pragmatisch. Sie glaubt, Jerry und ich sind füreinander bestimmt. Kein Wunder, wir waren ja auch während der vergangenen Jahrhunderte immer wieder mal ein Paar. Für Flo sind ihre abgelegten Liebhaber so gut wie gestorben. Sie schaut nie zurück. Ich tue es viel zu oft.
»Vielleicht bitte ich einen dieser schnuckeligen Feuerwehrmänner, mir zu helfen. Das ist schließlich ein Notfall.« Flo nahm einen Samtbeutel zur Hand, der ihre teuersten Schuhe enthielt, ein Paar Straußenlederpumps. »Los, komm, Damian. Ich hoffe nur, du bist mit einem deiner großen Autos hier.«
Ihr Bruder knurrte etwas, das alles andere als freundlich klang, und stolzierte ihr nach ins Treppenhaus. Gleich darauf hörte man etwas poltern, gefolgt von einem Klatschen und einer Flut italienischer Beleidigungen. Ich schnaubte belustigt, obwohl mir bei dem Geruch und dem Gedanken daran, dass ich packen musste, ganz und gar nicht zum Lachen zumute war. Ich stand vom Sofa auf und streckte mich.
»Jetzt schnappe ich mir das Allernötigste und ziehe mich an, dann können wir gehen.« Ich tätschelte Valdez den Kopf. »Jerry, könntest du etwas Proviant für meinen Kleinen hier mitnehmen? Er wird dir sagen, was er haben will.«
»Worauf du dich verlassen kannst.« Valdez trottete bereits in Richtung Küche. »Im Kühlschrank liegt ein Steak, das muss möglichst bald weg, sonst wird es schlecht; der Strom ist nämlich ausgefallen. Die Twinkies findest du im Regal gleich daneben. Und Glory möchte vermutlich ein paar Flaschen Blutonic.«
»Moment noch.« Jerry streckte den Arm nach mir aus und zog mich noch einmal an sich. Er sah mir tief in die Augen. Um meine Gedanken zu erforschen? Oder meine Gefühle? »Geht es dir wirklich gut? Ich hätte dich beinahe verloren.«
Ich schluckte. Diesen eindringlichen Blick macht ihm so schnell keiner nach. Dann hob ich die Hand und fuhr ihm über die stoppelige Wange. Sah ganz danach aus, als wäre er sofort aus seinem Bett gesprungen und an meine Seite geeilt, nachdem ihm Valdez von dem Brand berichtet hatte.
»Du hast mich aber nicht verloren, Jerry, und du wirst mich auch nicht verlieren.« Ich schlang ihm die Arme um den Hals und küsste ihn lange und leidenschaftlich. Mein Verlangen machte sich bemerkbar, wie immer, wenn ich eine lebensbedrohliche Situation mehr oder weniger unbeschadet überstanden habe. Als ich den Kuss beendete, kam gerade Damian durch die Tür. Er zwinkerte mir zu und grinste. Er dachte wohl, dass ich mit dem Kuss seine Eifersucht wecken hatte wollen. Mein Vermieter hält sich für den Mittelpunkt der Welt. Soll er doch. Ich grinste zurück.
»Beeil dich, Damian. Dieser Gestank ist ja nicht auszuhalten.« Flo scheuchte ihn durchs Wohnzimmer. »Glory, ich nehme die Sex and the City-DVDs mit, sì?«
Ich zuckte die Achseln. Fernsehen war im Augenblick das Letzte, wonach mir der Sinn stand.
»Erwartest du etwa, dass ich mir diese Weibersendung mit dir anschaue?« Damian erschien, vollbeladen wie ein nepalesischer Packesel. »Ich glaube, ich bezahle der Reinigungsfirma das Doppelte, damit ihr morgen wieder hier einziehen könnt.«
Flo rümpfte die Nase. »Vergiss es. Übrigens könntest du von Sex and the City noch eine Menge über uns Frauen lernen, caro.« Sie kniff ihn in die Wange.
»Pfff! Ich weiß alles, was ich wissen muss.« Er warf mir einen glühenden Blick zu. »Bis jetzt hat sich noch keine beschwert.«
»Tja, nur weil es dir noch keine ins Gesicht gesagt hat, kleiner Bruder...« Flo lächelte, als zwei stämmige Feuerwehrmänner auf der Bildfläche erschienen. Im Handumdrehen hatte sie ihren restlichen Kram nach unten geschafft. »Ciao!«, rief sie uns auf dem Weg nach draußen zu.
Ich begab mich in mein Zimmer. Mann, ich stank zum Himmel. Höchste Zeit für eine Dusche. In meinen Augen wirkte das Haus nicht, als würde es gleich über mir zusammenstürzen, also ging ich ins Bad. Es gab keinen Strom und damit auch kein Licht, aber mit meinen Vampirsehkräften war das kein Problem.
Ich schloss die Tür und schälte mich aus dem Pyjama. Nach einer zehnminütigen heißen Dusche fühlte ich mich gleich viel wohler in meiner Haut, obwohl meine Haare dank der dämlichen generischen Haarspülung schlaff herunterhingen. Föhnen fiel leider flach, also kämmte ich mir lediglich die Knoten aus und band mir die Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen. Leider stanken all meine Kleider nach Rauch, aber ich hatte nicht vor, sie lange zu tragen. Sobald wir bei Jerry angekommen waren, würde ich mich auf meine ganz persönliche Art und Weise dafür bedanken, dass er mich aufgenommen und mir Valdez aufgeschwatzt hatte.
Ich starrte auf mein zerwühltes Bett. Die Flammen hatten sich nicht bis hierher ausgebreitet, aber es hätte ohne weiteres passieren können, und dann wäre ich... Das Bett verschwamm vor meinen Augen. Ich zupfte ein Papiertuch aus der Kleenexschachtel.Verdammt, sogar die rochen wie frisch aus der Räucherkammer! Ich warf ein paar Klamotten in einen Koffer und öffnete die Tür zum Wohnzimmer, wo sich Blade gerade mit einem Feuerwehrmann unterhielt, der sichtlich darauf erpicht war, das Gebäude endlich zu evakuieren.
»Wir sind schon weg.« Jerry lächelte mich an. »Du siehst toll aus, Darling.«
»Das war eindeutig Brandstiftung. Die Ermittler suchen unten bereits nach der Ursache und werden Sie bestimmt noch befragen wollen.Wir brauchen eine Telefonnummer, unter der Sie zu erreichen sind.« Der Feuerwehrmann warf einen Blick auf die Tür, die neben dem Rahmen an der Wand lehnte. »Wir informieren Sie,sobald der Bericht der Sachverständigenkommission vorliegt, dann können Sie wieder einziehen.«
»Alles klar.« Ich schnappte mir eine Illustrierte, riss das Titelblatt ab und kritzelte meine Handynummer darauf. »Hier.« Ich zog in Erwägung, ihm einen heißen Tipp zu geben, was den Haupttatverdächtigen anging. Dieser Streich würde Brent Westwood teuer zu stehen kommen. Doch Jerry drückte unauffällig meine Hand. Er hatte seine eigenen Pläne, was die Rache an Westwood anging.
Sollte der Brand wirklich auf Westwoods Konto gehen, dann war das nämlich nur die Spitze des Eisberges. Der Jäger hatte eine ganze Reihe von Anschlägen auf Vampire verübt, unter anderem auch auf mich. Ich war ihm mehrfach nur mit knapper Not entkommen. Jerrys bester Freund hatte nicht so viel Glück gehabt. Seither trug Westwood seine Fangzähne nebst denen zahlreicher anderer Vampire an einer Kette um den Hals. Ich schauderte, wenn ich nur daran dachte.
Valdez bellte und marschierte zur Tür. Er konnte es sichtlich kaum erwarten, die Fliege zu machen. Ging mir genauso. Ich umklammerte Jerrys Hand und warf einen letzten Blick zurück und fragte mich, ob ich mich in meinem Zuhause je wieder so wohlfühlen würde wie vor dem Brand.
»Es kann losgehen.«
»Komm her, Gloriana.«
Ich schloss das Bullauge der Waschmaschine und drehte den Schalter auf On. Wie ich mich darauf freute, morgen in frische Kleider schlüpfen zu können! Ich lächelte Blade an. Er hatte äußerst geduldig abgewartet, bis ich meine erste Ladung Wäsche in den Trockner gesteckt und Valdez sein Steak gebraten hatte (innen schön blutig natürlich).
Ich ging zu ihm und strich ihm die Haare glatt, die ihm wirr vom Kopf abstanden, als hätte er sich gerauft. »War das ein Befehl?« Ich schob die Hände unter seinen Sweater und hielt gespannt die Luft an, während ich ihm in die dunklen Augen sah. Es war immer dasselbe Spiel zwischen uns – er erteilte mir Befehle, ich weigerte mich,sie auszuführen. Nur einer von zahlreichen Trennungsgründen.
»Nay. Es mag eine Weile gedauert haben, aber ich weiß mittlerweile, dass du es nicht leiden kannst, wenn man dich herumkommandiert.« Da war er wieder, der schottische Akzent. Rrr.
»Und du weißt auch, dass ich dahinschmelze, wenn du den Highlander heraushängen lässt.« Ich grinste und ließ die Hände über sein strammes Sixpack gleiten. Seine Haut war warm. Nicht ganz so warm wie die eines Sterblichen, aber auch nicht so kalt, wie gemeinhin angenommen wird.
»Und, funktioniert es? Schmilzt du schon?« Seine Finger wanderten in meinen Nacken, kraulten mich am Haaransatz. Er sah mir tief in die Augen und grinste. »Oh ja.«
Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, um ihn auf den Mund zu küssen. »Bring mich ins Bett, du lüsterner Schotte. Ich brauche...« Er schnitt mir das Wort ab, indem er mich küsste. Dann hob er mich hoch und schickte sich an, mich nach oben zu tragen, vorbei am Wohnzimmersofa, wo Valdez mit der Pfote auf der Fernbedienung lümmelte und durch das Programm zappte, auf der Suche nach einem Pornofilm. Habe ich schon erwähnt, dass er ein unverbesserlicher Macho ist?
»Sieh dir das an, Glory. Wir sind in den Nachrichten.«
Jerry blieb stehen. »Ihr wart ja auf dem Dach.«
Ich schmiegte mich in seine Arme und war froh, dass er mich nicht auf den Boden plumpsen ließ, als er mich mit dem nassen Bettlaken über dem Kopf sah. Es war fürwahr kein schöner Anblick.
»Hm. Heute gibt es wohl sonst nicht allzu viel zu berichten.« Die Stimme der Reporterin schilderte die Ereignisse, obwohl die Filmaufnahmen des rauchenden Gebäudes eigentlich keiner großen Erklärung bedurften. Dann flimmerten Auszüge von meinem Interview über den Bildschirm. Donna Mitchell und ich vor meinem Laden, und neben mir Valdez, ein ganz gewöhnlicher, niedlicher schwarzer Labradoodle, der mit dem Schwanz wedelte. Schon merkwürdig, dass er aussah wie ein stinknormales Haustier, obwohl er kurz zuvor vier Vampiren das Leben gerettet hatte, indem er sie aus ihren Wohnungen befreit und durchs Treppenhaus aufs Dach gezerrt hatte.
Ich schluckte, als die Kamera auf meinen ausgebrannten Laden schwenkte. Konnte ich noch einmal von vorn anfangen? Ich hatte mein gesamtes Vermögen in dieses Geschäft gesteckt. Ich weigere mich standhaft, mich von Jerry aushalten zu lassen, obwohl er es mir oft genug angeboten hat. Tja, wenn es sein musste, würde ich eben wieder als Kellnerin arbeiten. Ich habe immer ganz ansehnliche Trinkgelder bekommen, vor allem, wenn ich ein bisschen Dekollete gezeigt habe. Leider war davon auf dem Bildschirm nicht allzu viel zu sehen. Ich sah grauenhaft aus. Die Haare nass und strähnig, die Augen Make-up-verschmiert, weil ich wieder einmal ins Bett gegangen war, ohne mich abzuschminken. Schlechte Angewohnheit. Wenigstens kann meine Haut nicht altern. Ich werde bis in alle Ewigkeit aussehen, als wäre ich vierundzwanzig, und das ganz ohne Feuchtigkeitscreme. Na, hasst ihr mich jetzt?
Im Fernsehen hatte sich Flo inzwischen zu mir gesellt und hing an mir wie eine Klette. Na toll. Jetzt hielt uns ganz Austin für ein Liebespaar.Warum sich allerdings ein heißer Feger wie Flo für eine Frau mit den Maßen eines Nilpferdes interessieren sollte...