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Seitenzahl: 142
KÖNIGS ERLÄUTERUNGEN
Band 253
Textanalyse und Interpretation zu
Theodor Fontane
EFFI BRIEST
Thomas Brand
Alle erforderlichen Infos für Abitur, Matura, Klausur und Referat plus Musteraufgaben mit Lösungsansätzen
Zitierte Ausgaben: Fontane Theodor: Effi Briest. Roman. Husum/Nordsee: Hamburger Lesehefte Verlag, 2009 (Hamburger Leseheft Nr. 171, Heftbearbeitung: Elke und Uwe Lehmann). Zitatverweise sind mit HL gekennzeichnet. Fontane, Theodor: Effi Briest. Roman. Stuttgart: Philipp Reclam jun., 2002 (Reclams Universal-Bibliothek Nr. 6961). Zitatverweise sind mit R gekennzeichnet.
Über den Autor dieser Erläuterung: Thomas Brand, geboren 1959, verheiratet, zwei Kinder, Studium der Germanistik und evangelischen Theologie in Göttingen und Berlin. Nach Durchführung eines theologischen Forschungsprojekts seit 1992 Lehrer für Deutsch und evangelische Religion an Gymnasien in Dresden, Fürstenwalde (Spree) sowie als Schulleiter in Berlin. Autor von Lernhilfen verschiedener Verlage sowie von Königs Erläuterungen und Lernhilfen des Bange Verlages.
Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52 a UrhG: Die öffentliche Zugänglichmachung eines für den Unterrichtsgebrauch an Schulen bestimmten Werkes ist stets nur mit Einwilligung des Berechtigten zulässig.
2. Auflage 2012
ISBN 978-3-8044-6951-8
© 2003, 2010 by C. Bange Verlag, 96142 Hollfeld Alle Rechte vorbehalten! Titelbild: Ausschnitt aus einem Poster zum Film „Effi Briest“ (BRD 2008), © Cinetext/Constantin Film
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INHALT
1. DAS WICHTIGSTE AUF EINEN BLICK – SCHNELLÜBERSICHT
2. THEODOR FONTANE: LEBEN UND WERK
2.1 Biografie
2.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund
2.3 Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken
3. TEXTANALYSE UND -INTERPRETATION
3.1 Entstehung und Quellen
Historisches Vorbild
Die literarische Parallele: Gustave Flauberts Madame Bovary (1856)
3.2 Inhaltsangabe
3.3 Aufbau
3.4 Personenkonstellation und Charakteristiken
Effi Briest
Geert von Innstetten
Effi Briests Elter
Major Crampas
Johanna und Roswitha
Gieshübler
Wüllersdorf
Der Adel
Problemfelder: Frauenbild und Rollenverständnis – Duell und Ehrenkodex
3.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen
3.6 Stil und Sprache
Gespräche
Briefe
Humor und Ironie
Verklärung
Vorausdeutungen
3.7 Interpretationsansätze
Effi Briest – die Geschichte einer gescheiterten Ehe
Kritik an der Macht gesellschaftlicher Normen
Kritik an der adligen Gesellschaft
Effi Briest – exemplarische Darstellung eines Frauenschicksals
4. REZEPTIONSGESCHICHTE
5. MATERIALIEN
Der Adel als gesellschaftlich geschlossene Gruppe
Zeitgeschichtlicher Hintergrund – Preußen, der Adel und das Militär
Die Frauenfrage
Das Duell
Duell und Ehebruch – Folgen für die Frau
6. PRÜFUNGSAUFGABEN MIT MUSTERLÖSUNGEN
Aufgabe 1 **
Aufgabe 2 ***
Aufgabe 3 **
Aufgabe 4 **
LITERATUR
Zitierte Ausgabe
Briefe Theodor Fontanes
Sekundärliteratur
Sonstige Literatur
Verfilmungen
Damit sich jeder Leser in unserem Band rasch zurechtfindet und das für ihn Interessante gleich entdeckt, hier eine Übersicht.
Im 2. Kapitel beschreiben wir Fontanes Leben und stellen den zeitgeschichtlichen Hintergrund dar:
Theodor Fontane lebte von 1819 bis 1898, die meiste Zeit in Berlin.
Das Deutsche Reich bestand seit 1871. Preußen mit seiner Metropole Berlin hatte darin eine Vormachtstellung. Dem Adel kam, besonders für das Militärwesen, besondere Bedeutung zu.
Effi Briest ist ein später Roman Fontanes und ist 1894/95 erschienen. Zuvor war Fontane durch seine Gedichte und seine Wanderungen durch die Mark Brandenburg berühmt geworden.
Im 3. Kapitel bieten wir eine Textanalyse und -interpretation.
Effi Briest – Entstehung und Quellen:
Effi Briest liegt ein historischer Fall – eine seinerzeit spektakuläre Ehebruchsgeschichte – zugrunde, der aber von Fontane stark umgearbeitet wurde.
Inhalt:
Der Roman enthält 36 Kapitel.
Effi wird als 17-Jährige von Innstetten, der schon einmal Bewerber um die Mutter war, geheiratet. Der Altersunterschied sowie große Mentalitätsunterschiede und das Leben im eher hinterwäldlerischen Kessin führen zu einer Krise. Effi lässt sich anscheinend leichtfertig auf eine Affäre mit Crampas, einem Major und Frauenhelden, ein. Jahre später, Effi lebt mit ihrer Familie wieder in Berlin, wird diese Affäre durch einen Zufall aufgedeckt. Obwohl es offenkundig sinnlos ist und er selbst keine persönlichen Rachegelüste verspürt, fordert Innstetten Crampas zum Duell und tötet ihn. Effi wird aus ihrer Familie, auch von ihren Eltern, verstoßen und lebt allein in Berlin. Erst schwer krank darf sie in ihr Elternhaus zurückkehren und stirbt dort.
Personen:
Die Hauptpersonen sind
Effi Briest:
aus brandenburgischem Adel stammend
unbeschwert, kindlich
unkonventionell
Geert von Innstetten:
prinzipientreu
ambitioniert
steif, konservativ
rational denkend
Major Crampas:
Frauenheld
unterhaltsam
eher untypischer Soldat
Vater Briest:
lebenserfahren
humorvoll
gute Menschenkenntnis
Mutter Briest:
ambitioniert
prinzipientreu
Wir stellen diese Hauptfiguren ausführlich vor und berücksichtigen auch einige Nebenfiguren.
Stil und Sprache Fontanes:
Fontane ist ein Vertreter des poetischen Realismus:
Er will Menschen in ihren tatsächlichen Lebensverhältnissen darstellen.
Er beschreibt auch Details und scheinbare Belanglosigkeiten.
Sein wichtigstes Mittel ist der Dialog.
Vier Interpretationsansätze bieten sich an:
Effi Briest ist
der Roman einer gescheiterten Ehe;
eine Kritik an den damals geltenden Konventionen;
eine kritische Darstellung der adligen Gesellschaft;
die exemplarische Darstellung eines Frauenschicksals.
Theodor Fontane 1819–1898
JAHR
ORT
EREIGNIS
ALTER
1819
Neuruppin (Mark Brandenburg)
Geburt am 30. Dezember als erster Sohn des Apothekers Louis Henri Fontane und seiner Frau Emilie. Die Vorfahren sind Hugenotten, die seit Ende des 17. Jahrhunderts in Brandenburg ansässig sind.
1827
Swinemünde/ Usedom
Kauf der „Adler-Apotheke“ durch den Vater; Fülle neuer Eindrücke.
7
1827
Swinemünde
Trennung der Eltern, Rückkehr der Mutter nach Neuruppin, Theodor bleibt beim Vater.
7
1832
Neuruppin
Besuch des Gymnasiums
12
1833
Berlin
Besuch der Friedrich-Werderschen-Gewerbeschule; Unterkunft bei seinem Onkel August und dessen Frau Philippine. Fontane lernt sowohl Künstler- als auch Arbeitermilieu kennen.
13
1835
Berlin
Begegnung mit seiner späteren Frau Emilie
15
1836
Berlin
Schulabschluss mit dem „Einjährigen“ (= Mittlere Reife), die zu einem verkürzten Militärdienst von einem Jahr berechtigt. Beginn der Apothekerlehre.
16
1839
Berlin
Veröffentlichung der Novelle Geschwisterliebe im Berliner „Figaro“
19
1840
Berlin
Anstellung als Apothekergehilfe; schriftstellerische Nebentätigkeit, Veröffentlichung verschiedener Gedichte; Mitgliedschaft im Platen- und im Lenau-Klub.
20
1840
Burg
Tätigkeit in der Apotheke Dr. Kannenberg; Kleinstadtsatire Burg (veröffentlicht 1924); Krankheit (vermutlich Typhus).
20
1841
Leipzig
Tätigkeit in der Apotheke „Zum weißen Adler“; Nähe zu jungdeutschen Kreisen; Veröffentlichungen in der Zeitschrift „Die Eisenbahn“ (Gedichte und Korrespondenzen, Theaterkritik); Mitgliedschaft im Herwegh-Verein, dort Freundschaft mit W. Wolfsohn und Max Müller; Krankheit.
21
1842
Dresden
Tätigkeit in der Salomonis-Apotheke; Ablehnung von 38 Gedichten durch einen Züricher Verlag.
22
1843
Letschin
Tätigkeit in der Apotheke seines Vaters; Hamlet-Übersetzung; erste Veröffentlichung im „Morgenblatt für Gebildete Leser“ (Gedichte).
23
1843
Berlin
Gast im literarischen Verein „Tunnel über der Spree“
23
1844
Berlin
Beginn des einjährigen Militärdienstes; erste Englandreise im Mai und Juni; ordentliches Mitglied im „Tunnel über der Spree“, dort intensive Beschäftigung mit Literatur, aktive Mitgliedschaft bis 1855.
24
1845
Berlin
Tätigkeit als Rezeptar in der „Polnischen Apotheke“ (Friedrichstraße 8). Verlobung mit Emilie Rouanet-Kummer.
25
1847
Berlin
Apothekerexamen; Einstellung in die „Jungsche Apotheke“ (letzte Apothekerstelle, bis 1849)
27
1848
Berlin
Teilnahme an den Straßenkämpfen am 18. März; journalistische Arbeiten bei der Berliner Zeitungs-Halle; Karl Stuart (Fragment); Pharmazielehrer am Krankenhaus Bethanien.
28
1850
Berlin
Vier Aufsätze für die Deutsche Reform; Anstellung am „Literarischen Cabinett“, einer Zensureinrichtung (nur wenige Wochen); Tätigkeit als regierungsnaher Journalist; Heirat mit Emilie Rouanet-Kummer.
30
1851
Berlin
Verschiedene Tätigkeiten, Privatlehrer; Einstellung bei der Nachfolgeorganisation des „Literarischen Cabinetts“, der „Centralstelle für Preßangelegenheiten“; Tätigkeit bei der „Adler-Zeitung“.
31
1852
London
April bis September: Korrespondent für die „Adler-Zeitung“; Balladen und Erzählungen.
32
1853
Berlin
Schlussredakteur der „Adler-Zeitung“; nebenbei Tätigkeit als Privatlehrer.
33
1854
Berlin
Herausgabe des „Argo“, der Zeitschrift der literarischen Vereinigung Rütli, einer Verzweigung des „Tunnel“; Unsere lyrische und epische Poesie seit 1848.
34
1855
London
Mehrjähriger Englandaufenthalt zwecks Aufbaus der „Deutsch-Englischen Correspondenz zur Steigerung des preußischen Ansehens in England“ (eingestellt 1856)
35
1856
London
Halbamtlicher Presseagent der preußischen Regierung; Tätigkeit für verschiedene deutsche Zeitungen.
36
1857
London
Übersiedlung Emilies und der beiden Söhne
37
1858
London/Schottland
Schottlandreise mit B. v. Lepe; Übersetzungen, Reiseberichte, Feuilletons, Reportagen.
38
1858
Berlin
Kündigung des Vertrags als preußischer Staatsbediensteter
38
1860
Berlin
Redakteur bei der konservativen „Kreuz-Zeitung“ (bis 1870); Geburt der Tochter Martha (Methe).
40
1861
Berlin
Die Grafschaft Ruppin (erster Band der Wanderungen durch die Mark Brandenburg)
41
1862
Berlin
Wahlmannskandidat der Konservativen Partei für die Wahl des preußischen Abgeordnetenhauses
42
1867
Schiffmühle bei Freienwald
Tod des Vaters
47
1869
Neuruppin
Tod der Mutter
49
1870
Berlin
Kündigung bei der „Kreuz-Zeitung“; Theaterkritiker bei der „Vossischen Zeitung“; Reise zum Schauplatz des Deutsch-Französischen Krieges nach Frankreich; Verhaftung als angeblicher preußischer Spion.
50
1874
Italien
Italienreise mit Emilie (Verona, Venedig, Florenz, Rom, Neapel)
54
1876
Berlin
März: ständiger Sekretär der Königlichen Akademie der Künste; Mai: Entlassungsgesuch; August: Entlassung; Ende der Tätigkeit: Ende Oktober; Wiederaufnahme der Kritikertätigkeit.
56
1878
Berlin
Erscheinen von Vor dem Sturm, seinem ersten Roman
58
1879
Berlin
Grete Minde
59
1880
Berlin
L’Adultera
60
1881
Berlin
Ellernklipp
61
1882
Berlin
Schach von Wuthenow
62
1884
Berlin
Graf Petöfy
64
1885
Berlin
Unterm Birnbaum
65
1886
Berlin
Cécile
66
1887
Berlin
Irrungen, Wirrungen
67
1890
Berlin
Stine; Quitt
70
1891
Berlin
Unwiederbringlich; Schillerpreis
71
1892
Berlin
Frau Jenny Treibel
72
1894/
1895
Berlin
Effi Briest; Ehrendoktor der Berliner Universität
74/75
1895/
1896
Berlin
Die Poggenpuhls
75/76
1897
Berlin
Der Stechlin
77
1898
Berlin
Fontane stirbt am 20.September; Beisetzung am 24. September auf dem Friedhof der Reformierten Gemeinde.
78
1902
Berlin
Tod Emilie Fontanes
1906
Berlin
Veröffentlichung von Mathilde Möhring in der „Gartenlaube“
1917
Waren
Tod der Tochter Martha
1933
Berlin
Tod des Sohnes Theodor
1941
Neuruppin
Tod des Sohnes Friedrich
ZUSAMMENFASSUNG
Wichtig um 1890:
Preußen und Berlin haben eine Vormachtstellung im Deutschen Reich.
Das Bürgertum gewinnt Macht gegenüber dem Adel.
Der Adel hält Vormachtstellung in Militär, Politik und Landbesitz.
Berlin entwickelt sich zur Weltstadt.
In den Mietskasernen herrscht soziale Not.
Stichwortartig finden sich die im Folgenden wiedergegebenen Ereignisse bereits im biografischen Abriss. Sie sind an dieser Stelle hinsichtlich ihres möglichen Einflusses auf das literarische Schaffen des späten Fontane, besonders auf Effi Briest, zusammengestellt. Dabei geht es besonders um das zwiespältige Verhältnis zu Preußen, das zwischen einer Bejahung der traditionellen Werte der Vertreter des Preußentums und einer Kritik an Preußens Erstarrung schwankt.
JAHR
EREIGNIS/EINFLUSS
1841–1844
Begeisterung für die revolutionäre Dichtung (Vormärz), z. B. Freiligrath und Herwegh
gesellschafts- und adelskritisches Element
1844
Mitgliedschaft im literarischen Klub „Der Tunnel“, der eine konservative, die revolutionäre Richtung ignorierende Linie in der Literatur vertritt; mögliches Motiv: Überwindung einer gewissen Isolation, Suche nach einer geistigen Heimat
konservatives, das Preußentum bejahendes Element, wie es in vielen von Fontanes Büchern zu finden ist
1848
Teilnahme am März-Aufstand der Demokraten, später von Fontane allerdings heruntergespielt
gesellschafts- und adelskritisches Element (siehe oben)
1849
Erneute Hinwendung zum Preußentum; mögliches Motiv: berufliche Ambitionen („Literarisches Kabinett“), Sympathien mit der preußischen Nationalversammlung gegenüber dem Paulskirchen-Parlament
1855–1959
Presseagent der preußischen Regierung in London
Ausbildung einer genauen Beobachtungsgabe und der kritisch-realistischen Darstellungsweise beim Vergleich der Verhältnisse in beiden Ländern
1859–1869
Redakteur der konservativen „Kreuz-Zeitung“
finanzielle Unabhängigkeit als Grundlage für die Wanderungen, die das Verhältnis zum Preußentum entscheidend prägen (historische Verklärung, die bewusst auf die Vergangenheit beschränkt bleibt)
1866–1876
Verschiedene Kriegsbücher
ambivalente Einstellung zum Preußentum, zunehmende Kritik und auch kritische Rezeption der Kriegsbücher in Preußen; kein Siegerpathos, ironische Beschreibung einzelner Charaktere
1870/1871
Deutsch-Französischer Krieg, Reichsgründung und staatliche Einheit Deutschlands, „Gründerzeit“, Militarisierung der Gesellschaft
Ernüchterung und Kritik am Preußenmythos als Gegenreaktion
Gesellschafts- und Adelskritik
ZUSAMMENFASSUNG
Fontanes Schaffen umfasst vier Schwerpunkte:
Lyrik
Journalistik
Kriegsbücher
Romane
Eine Sonderstellung nehmen die Wanderungen durch die Mark Brandenburg ein.
Erst mit 59 Jahren veröffentlichte Fontane seinen ersten Roman – um in der Folge fast jährlich einen neuen vorzulegen. Wenn es überhaupt möglich ist, in diesem vielseitigen und langen schriftstellerischen Schaffen einen gemeinsamen Bezugspunkt auszumachen, so handelt es sich um Preußen. Dass Fontanes Einstellung zu Preußen Wandlungen unterworfen war, wurde bereits bei der Analyse der lebens- und schaffensprägenden Einflüsse deutlich. Dieses findet seinen Niederschlag auch in seinen literarischen Werken, wie die folgende Grafik verdeutlicht.
Deutlich wird: Die Romane als das Spätwerk Fontanes repräsentieren seine gegenüber dem Preußentum kritischste Periode. Dabei richtet sich seine Kritik nicht gegen preußische Tugenden oder den Adel an sich. Immer wieder entwirft Fontane liebenswürdige Vertreter dieser Schicht, wie etwa Schach von Wuthenow, Dubslaw von Stechlin oder den alten Briest. Bezeichnenderweise sind diese in den Romanen aber stets Repräsentanten einer vergehenden Zeit. Umso mehr gilt Fontanes Kritik der Erstarrung und Unbeweglichkeit des Systems und seiner Repräsentanten. Diese ist mustergültig in Innstettens Umgang mit dem Ehrenkodex zu sehen: Auch wenn er um dessen Überkommenheit weiß, fügt er sich ihm (zunächst) widerstandslos. So kann Effi Briest allgemein als repräsentativ für Fontanes Einstellung zum Preußentum und zur preußischen Gesellschaft angesehen werden: Nicht ohne Sympathie werden Verfallserscheinungen gleichwohl deutlich gekennzeichnet und kritisiert.
Innerhalb von Theodor Fontanes Romanen nimmt Effi Briest eine zentrale Rolle ein, denn bestimmte Aspekte, die auch in anderen bedeutsamen Romanen auftreten, erscheinen hier in gebündelter Form: die Thematik einer unerfüllten, oftmals an Standesvoraussetzungen scheiternden Liebe, die Frage nach dem Anspruch auf persönliches Glück, das Problem eines überkommenen, nicht mehr zeitgemäßen Ehrenkodex und damit verbunden die Kritik am Adel und seiner Unfähigkeit, sich den wandelnden gesellschaftlichen Verhältnissen anzupassen. Dabei ergibt es sich zumeist, dass eine Liebesbeziehung an gesellschaftlichen Normen und Vorurteilen scheitert, was mit dem persönlichen Ruin, oftmals auch dem Tod eines oder beider Protagonisten endet. Eine Ausnahme dazu bildet Stine, eine Novelle aus dem Jahre 1890: Hier ist es die selbstbewusste und von Fontane sympathisch sowie mit Humor gezeichnete Titelheldin, die, aus niederen Verhältnissen stammend, eine ungleiche Liebesbeziehung scheitern lässt. Es ist bezeichnend, dass Fontane hier – vermutlich gegen den „Normalfall“ – eine Protagonistin aus den unteren Ständen initiativ werden lässt.
Aus dieser Übersicht kann man die Schlussfolgerung ziehen, dass Effi Briest sowohl repräsentativ für Fontanes Gesamtwerk als auch für seine Romane im Besonderen angesehen werden kann. Vielleicht erklärt sich daraus auch der besondere Erfolg des Romans.
ZUSAMMENFASSUNG
1890–1894
Fontane schreibt den Roman Effi Briest.
1894/1895
Effi Briest erscheint als zweiteiliger Vorabdruck in der Zeitschrift „Deutsche Rundschau“ im Verlag seines Sohnes Friedrich Fontane.
1895
Effi Briest erscheint in Buchform.
Effi Briest liegt ein historischer Fall zugrunde, eine seinerzeit spektakuläre Ehebruchgeschichte. Fontane hat diese jedoch stark umgearbeitet, einerseits um Beschwerden der beteiligten Personen, die bei Erscheinen des Romans noch lebten, zu vermeiden, andererseits um seine Aussage stärker zum Ausdruck bringen zu können.
Historisches Vorbild[1]
Das Vorbild für die Figur der Effi war die 1853 geborene Elisabeth („Else“) von Plotho und ihre Ehe mit dem Offizier Armand von Ardenne.
Elisabeth und Armand von Ardenne
Effi und Geert von Innstetten
Schlussfolgerungen aus den wesentlichen Unterschieden Historie – Roman
Schichtzugehörigkeit:
Adel
Schichtzugehörigkeit:
Adel
Personen:
Elisabeth v. Ardenne, geb. v. Plotho, jüngste Tochter einer Gutsbesitzerfamilie aus der Altmark
Armand v. Ardenne, Soldat und Ministerialer im Kriegsministerium
Emil Hartwich, Amtsrichter
Personen:
Effi v. Innstetten, geb. v. Briest, einzige Tochter einer märkischen Gutsbesitzerfamilie
Geert v. Innstetten, Landrat und Ministerialer
Major v. Crampas, Soldat, Bezirkskommandeur der Landwehr
Alter bei der Hochzeit:
Elisabeth 19 Jahre
Armand 24 Jahre
Alter bei der Hochzeit:
Effi 17 Jahre
Geert 42 Jahre
Der Altersunterschied motiviert die große Verschiedenheit zwischen Effi und Innstetten zusätzlich.
Hochzeit nach längerem Drängen Ardennes und längerer Verlobungszeit